Univ.-Prof. Dr. René Marcic

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Publizist, Rechtsphilosoph, Rektor der Universität Salzburg

* 13. März 1919 in Wien

† 2. Oktober 1971 in Aarsele, Belgien

Straßenbenennung: René-Marcic-Straße, beschlossen am 27. Juli 1984

Lage: Maxglan-Riedenburg; Aufschließungsstraße auf den Rosittengründen.

 

Univ.-Prof. Dr. René Marcic zählte als Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“ sowie als Universitätsprofessor und Rektor der Universität Salzburg zu den einflussreichsten Persönlichkeiten des geistigen Lebens im Salzburg der Nachkriegsjahrzehnte. Das Land Salzburg vergibt seit 1979 meist jährlich (zuletzt 2019) den René-Marcic-Preis für herausragende journalistische Leistungen. Der Namensgeber dieses Journalistikpreises steht jedoch immer wieder im Fokus geschichtspolitischer Debatten. Dabei geht es vor allem um Marcic’ Vergangenheit im faschistischen kroatischen Ustascha-Regime (Nezavisna Država Hrvatska; NDH), aber auch um eine antisemitische Passage in einem Beitrag, den Marcic in der Weihnachtsbeilage der „Salzburger Nachrichten“ des Jahres 1949 veröffentlichte. Zuletzt untersuchte 2007 eine wissenschaftliche Kommission die gegen Marcic erhobenen Vorwürfe. Die damalige Salzburger Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller (SPÖ) beauftragte ein Forscherteam, das „keine expliziten Aussagen“ von Marcic fand, „die in irgendeiner Form Sympathie mit dem nationalsozialistischen Regime, mit Adolf Hitler und mit dessen Krieg bzw. Kriegsverbrechen“ ausgedrückt hätten.

 

René Marcic wurde am 13. März 1919 in Wien als Sohn des ehemaligen Offiziers der österreichisch-ungarischen Armee Rudolf Marcic geboren, der sich nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie in seine kroatische Heimat zurückgezogen hatte und dort als Marinemaler wirkte. Marcic’ Mutter Elisabeth war eine geborene Nikolits-Königsbrück und Tochter eines Generals. Seine Schulzeit absolvierte René Marcic in Konvikten der Franziskaner auf der dalmatinischen Insel Badija und in Široki Brijeg bei Mostar (Herzegowina), wo er 1937 die Reifeprüfung mit der Gesamtnote „Ausgezeichnet in allen Gegenständen“ ablegte. Nicht seine Eltern oder sein Vater, „der keine Zeit für die Erziehung hatte“, sondern eher das als Eliteschmiede der kroatischen Intelligenz geltende Franziskanergymnasium scheinen auch für Marcic’ weiteren Werdegang eine prägende Bedeutung gehabt zu haben.

Nach seinem Schulabschluss inskribierte René Marcic noch im selben Jahr an der Universität Zagreb das Studium der Rechtswissenschaften. Im Nachhinein stilisierte er sich zu einem Vorzeigestudenten, der an der Universität „schon in den ersten Wochen des ersten Semesters“ besonders aufgefallen sei. Im Wintersemester 1941/42 besuchte Marcic auch die „Südostkurse“, die von der „Südost-Stiftung“ an der Hochschule für Welthandel in Wien angeboten wurden. Am 14. Februar 1942 promovierte er an der Universität Zagreb zum Dr. jur. Er wechselte dann beruflich nach Wien, wo er von Februar bis Juni 1943 als Kulturreferent im Generalkonsulat des kroatischen Ustascha-Staates arbeitete. Im September 1943 wurde er als Präsidialsekretär der engste Mitarbeiter von Bruno Nardelli, der die Zivilverwaltung Dalmatiens leitete. Nardelli war bereits vor der Machtübernahme durch Ante Pavelić im April 1941 Richter gewesen und wurde nach Michael Schmolke im kommunistischen Tito-Jugoslawien „unbehelligt gelassen“. Im Anschluss an diese Tätigkeit kehrte Marcic im Spätherbst 1944 im Auftrag des kroatischen Außenministeriums nach Wien zurück, wo er sich als Presseattaché wiederum in die Dienste des kroatischen Generalkonsulats stellte. Im April 1945 floh er mit den anderen Angehörigen dieser diplomatischen Vertretungsbehörde nach St. Gilgen im Land Salzburg, wo sich seine Dienststelle im Zuge des allgemeinen Zusammenbruchs auflöste.

Seit 2. September 1946 hatte René Marcic in Salzburg, Mascagnigasse 17, seinen Wohnsitz. Schon im Mai 1946 war er in den Redaktionsstab der „Salzburger Nachrichten“ aufgenommen worden, wo er zunächst als Gerichtsreporter arbeitete. In die Redaktion dieser Zeitung kam er über eine Empfehlung seines Jugendfreunds und früheren Kommilitonen an der Universität Zagreb, Stjepan Tomičić, der sich als Journalist der „Salzburger Nachrichten“ Alfons Dalma nannte. Tomičić war Kriegsberichterstatter in Diensten des Ustascha-Staates gewesen. Er arbeitete für regimetreue Periodika und war ein deklarierter Bewunderer Mussolinis gewesen. Bei den „Salzburger Nachrichten“ machte Marcic relativ rasch Karriere: Bis Ende 1953 war er Gerichtssaalreporter, seit Anfang 1954 und bis Ende 1959 fungierte er als stellvertretender Chefredakteur, ehe er 1960 als Nachfolger von Gustav A. Canaval zum Chefredakteur aufstieg. Als Journalist berichtete Marcic häufig über die katholischen Salzburger Hochschulwochen, aber auch über die österreichische Gesetzgebung zur Entnazifizierung. In Übereinstimmung mit der damaligen redaktionellen Linie der „Salzburger Nachrichten“ setzte er sich für sogenannte „Gesinnungstäter“ ein, die „nur“ NSDAP-Mitglieder gewesen seien und denen im Sinne des „Naturrechtes“ keine konkrete Straftat nachzuweisen war. Marcic wurde auch durch die halbmonatlich erscheinende juristische Beilage „Der Staatsbürger“ der „Salzburger Nachrichten“, die er selbst leitete, sowie als Kommentator des Zeitgeschehens einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Parallel zu seiner journalistischen Tätigkeit habilitierte sich René Marcic 1959 für Rechtsphilosophie und Allgemeine Staatslehre an der Universität Wien. Damit erwarb er jene akademische Qualifikation, die es ihm ermöglichte, als einer der erstberufenen Professoren an die 1962 „wiedererrichtete“ Universität Salzburg zu gelangen. Als Universitätsprofessor trieb er wesentlich die Einrichtung eines Interfakultären Instituts für Politische Wissenschaften an der Alma Mater Paridiana voran und förderte darüber hinaus insgesamt die Disziplinbildung der Politikwissenschaften und den Ausbau des politikwissenschaftlichen Studiums in Österreich. Gemeinsam mit dem Arbeits- und Sozialrechtler Hans Floretta betrieb Marcic ferner als Senatsbeauftragter die Errichtung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der neu gegründeten Universität. 1965/66 war er Dekan der Philosophischen Fakultät, 1966/67 bekleidete er das Amt eines Rektors der Universität Salzburg. Am 23. Mai 1967 beschlossen die Philosophische und die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, einen Fakultätswechsel Marcic‘ zu beantragen. Im folgenden Jahr wurde er daher auf das Ordinariat für Allgemeine Staatslehre, Österreichisches Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie berufen und mit seiner Lehrkanzel dem Verband der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg eingegliedert.

Marcic starb am 2. Oktober 1971 gemeinsam mit seiner Ehefrau Blanka bei einem Flugzeugabsturz über Belgien.

 

René Marcic‘ Rolle im Ustascha-Regime

Neben seinen antisemitischen Aussagen in der Weihnachtsbeilage der „Salzburger Nachrichten“ des Jahres 1949 ist vor allem Marcic’ Involvierung in den faschistischen Ustascha-Staat bis heute stark umstritten. Wer seine Gesamtbiographie zu beurteilen sucht, muss dabei auch die Frage berücksichtigen, wie Marcic selbst nach 1945 mit seiner eigenen Vergangenheit umging. Einen Ansatzpunkt bilden hierzu die beiden Curricula Vitae, die im Personalakt des Bundesministeriums für Unterricht einliegen und die René Marcic 1959 bzw. um 1963 verfasste.

Die beiden autobiographischen Darstellungen umfassen zwölf bzw. dreizehn Seiten. Sie vermitteln einen Einblick in Marcic’ Bemühungen, jeden Verdacht zurückzuweisen, dass er ein Anhänger des Ustascha-Staates gewesen sei und weisen daher wesentlich den Charakter von Rechtfertigungsschriften auf. Hierbei ist auf einige nicht unwesentliche Unterschiede zu verweisen, die zwischen den beiden Curricula Vitae bestehen. Den ersten der beiden Lebensläufe fertigte Marcic im Jahr 1959 an. Darin führte er aus, dass ihm 1942/43 die Position eines Kulturreferenten angeboten worden sei. Er sei nämlich einer der wenigen damals in Wien lebenden Kroaten gewesen, die die deutsche Sprache beherrscht hätten. Diese Beauftragung habe somit keine politischen Hintergründe gehabt. Während er in diesem früheren Curriculum Vitae noch behauptet hatte, dass er ein „Vertragsangestellter“ des kroatischen Generalkonsulats gewesen sei, führte er in einem zweiten, 1963 erstellten Lebenslauf aus, dass er die Presse- und Kulturarbeit jeweils nur im „Honorarverhältnis“ besorgt habe. Er sei somit „nicht einmal in einem Vertragsverhältnis zum Konsulat“ gestanden. Dies widerspricht allerdings eindeutig jenen Angaben, die er noch vier Jahre zuvor gemacht hatte. Im ersten Lebenslauf erwähnte er zudem, dass der Außenminister des Ustascha-Regimes,Mladen Lorković, für ihn interveniert hatte, damit er die Stelle bei Nardelli erhalte. Im zweiten überlieferten Lebenslauf ist hiervon jedoch nicht mehr die Rede. Vor allem in dem späteren der beiden Lebensläufe trachtete Marcic danach, dem Vorwurf einer Involvierung in die Politik des Ustascha-Staates argumentativ entgegenzuwirken. So gab er ausdrücklich an, dass er im Zuge seiner Tätigkeit für das kroatische Generalkonsulat in Wien „in keinerlei Berührung mit politischen Bereichen“ gekommen sei. Zudem beteuerte er, dass er „niemals und in keinem wie immer gearteten Sinn (…) eine Funktion der Ustascha-Partei besorgt“ habe. Auch habe er „unmittelbar weder mit Deutschen, noch mit Repräsentanten des Dritten Reiches, noch weniger mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt“, den er aus seiner „katholischen Gläubigkeit heraus von allem Anfang an“ abgelehnt habe.

Im Jahr 1943 war Marcic allerdings auch als Bürochef von Edo Bulat tätig, der in Kroatien als Minister „für befreite Gebiete“ zuständig war. Diese Tätigkeit verschwieg Marcic in beiden Lebensläufen. Ebenso deutete er in keiner Weise an, dass er in dieser Funktion die Dienstbezeichnung „Geheimdienstbeamter“ in einer Unterabteilung der Sicherheitsdirektion Kroatiens geführt hatte. Angesichts der teils einander widersprechenden Angaben, die Marcic zu seiner beruflichen Tätigkeit im Ustascha-Staat machte, ist dem Historiker Siegfried Göllner zuzustimmen, der festhält, dass solchen Behauptungen zumindest „mit Vorsicht zu begegnen“ seien.

Marcic’ Vergangenheit im Ustascha-Regime war in den 1950er und 1960er Jahren in Österreich zwar nicht unbekannt geblieben, jedoch wurde sie damals kaum näher problematisiert. Dies legt zumindest eine „streng vertrauliche“ „Information“ der Landespolizeidirektion Salzburg nahe, die sich im März 1957 für einige Redakteure der „Salzburger Nachrichten“ interessierte. Diese hielt bloß lakonisch fest, dass Marcic „während des letzten Weltkrieges“ „dem kroatischen Konsulat in Wien als Presseattaché zugeteilt und später in dieser Eigenschaft in Agram tätig“ gewesen sei. Marcic, dem am 14. Februar 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden war, galt zudem „als streng katholisch, bürgerlich-konservativ und antimarxistisch“ eingestellt. Er sei nie Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen und genieße „in jeder Hinsicht einen sehr guten Ruf“. In Salzburg sei er „eine sehr prominente und auch angesehene Persönlichkeit“.

 

Der Vorwurf des Antisemitismus

Angesichts der zuletzt zitierten – gleichsam amtlichen – politischen Beurteilung dürfte es Marcic zumindest in seinem Salzburger Umfeld kaum nachhaltig geschadet haben, dass er acht Jahre zuvor in seinem in den „Salzburger Nachrichten“ veröffentlichten Artikel mit als antisemitisch beurteilten Äußerungen aufgefallen war, in denen er sich gegen den Journalisten Peter de Mendelssohn richtete. De Mendelssohn hatte Ernst Jüngers Tagebuch, das dieser während des Krieges in Paris geführt und später veröffentlicht hatte, in einer Rezension kritisch analysiert. De Mendelssohn brachte damit Marcic, der ein Bewunderer Jüngers war, gegen sich auf. Wer „über Gott und das Gebet Spott“ treibe, dürfe sich nicht wundern, wenn er „eines Tages in die Gaskammer gesteckt“ werde, so Marcic über den Rezensenten:

„Der Wert des Menschen steigt oder sinkt, je nachdem man das Wesen des Menschen höher oder niederer ansetzt. Wer über Gott und das Gebet Spott treibt, oder wer in Gott höchstens ein Es, jedoch keine Person, kein Du erfährt, der darf sich nicht wundern, wenn er die Abwertung seines Wesens am eigenen Leibe zu spüren bekommt, und eines Tages in die Gaskammer gesteckt wird.“

 

In einer bemerkenswerten Form der antisemitischen Opfer-Täter-Schuldumkehr führte René Marcic in dem Beitrag ferner aus: Peter de Mendelssohn und „seinesgleichen“ hätten selbst jene Welt heraufbeschworen, von der sie dann verfolgt worden seien. Abschließend hielt er in einer Art Verdikt fest: „Mendelssohn möge in die Vergangenheit versinken, aus der er auch gekommen war. Er hat nicht das Recht, zu uns zu sprechen.“ De Mendelssohn und dessen damalige Ehefrau Hilde Spiel, eine österreichische Schriftstellerin, Übersetzerin und Journalistin jüdisch-großbürgerlicher Herkunft, waren von diesem „wilden Angriff“ schockiert. Denn Marcic‘ Anwürfe hatten nach späterer Aussage Spiels „eigentlich zum ersten Mal nach dem Krieg uns die Vermutung nahegelegt, daß diese üblen Kräfte immer noch weiter am Werk“ seien. Hiermit spielte sie darauf an, dass viele ehemalige Nationalsozialisten in den Nachkriegsjahren wieder in ihre früheren Positionen eingerückt waren. Rund zwanzig Jahre nach diesem Vorfall habe sie Marcic „im Haus eines Privatmannes im Salzburgischen“ kennengelernt. Dieser habe „von sich aus“ versucht, sich ihr gegenüber zu rechtfertigen. Sie habe ihm das allerdings „leider nicht abnehmen können“.

Tatsächlich hat sich Marcic, der selbst nie einen Antisemitismus gekannt haben wollte, erst 1967 im Zuge von „Karfreitagsbetrachtungen“ öffentlich für seine Attacke gegen Peter de Mendelssohn entschuldigt. Er bat diesen „und alle, die ich ahnungslos gekränkt“ habe, öffentlich um Verzeihung. In derselben Schrift schilderte Marcic übrigens auch, wie er selbst die Situation der jüdischen Bevölkerung in Wien während der NS-Zeit erlebt habe:

„Hier, in meiner Geburtsstadt, gab es mir den ersten Stich, gebeugte, gekrümmte Gestalten tauchten in den Straßen auf, stumm schlichen sie dahin und verschwanden. Es fügte sich, dass ich weder bei der Großmutter noch meiner Mutter wohnte, sondern bei einer alten jüdischen Frau, die mit ihrer Tochter lebte, Quartier fand. Es war eine Gemeinschaft, eine herzliche zudem, die mich einschloss. Ihr Leid ahnte ich, sie sprachen kaum jemals davon.“

 

Diese nachdenklich formulierten Bekenntnisse sorgten jedoch nicht dafür, dass Marcic nachhaltig entlastet zu sein schien. Im Oktober 1969, kurz bevor er von Salzburg Richtung Australien aufbrach, wurde er neuerlich von seiner Vergangenheit eingeholt. In der Zeitschrift „Neue Alternative“, die vom Verband Sozialistischer Studenten herausgegeben wurde, war ein pamphletartiger Artikel von Michael Siegert erschienen, der den Salzburger Rechtswissenschaftler politisch scharf angriff. Unter dem Titel „Faschismus und Obskurantismus – das sanfte Gesetz des René Marcic“ erklärte dessen Verfasser, dass Marcic „nicht mehr und nicht weniger als der Spann der Zweiten Republik“ sei. Siegert spielte damit auf Othmar Spann an, einen Theoretiker des „Universalismus“. Spann war in der Zwischenkriegszeit einer der prominentesten Vordenker autoritärer und faschistischer Gesellschaftskonzepte gewesen. Abgesehen von dieser „starken These“, die Siegert breit auszuführen suchte, verwies der Verfasser auf die fragwürdige Rolle von Marcic im Ustascha-Regime, der „die Regierung Pavelic“ angeblich „bei der Eröffnung einer Wiener Kunstausstellung 1943 in Diplomatenuniform repräsentiert“ habe, sowie auf die „de Mendelssohn-Affäre“ und die Versuche Marcic‘, im Zuge der „Karfreitagsbetrachtungen“ mit sich ins Reine zu kommen.

Einige der bis heute umstrittenen Aspekte von Marcic ‘ Biographie wurden damit Ende der 1960er Jahre erstmals ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geholt. Darüber hinaus ist es hinsichtlich der Vernetzung Marcic‘ dies- und jenseits der Grenzen der katholisch-konservativen Kreise aufschlussreich zu sehen, wie er selbst sowie seine Unterstützer auf der „linken Seite“ des politischen Spektrums auf Siegerts Angriff reagierten. Die Angelegenheit schien Marcic jedenfalls wichtig genug zu sein, dass er sich an Sektionschef Walter Brunner vom Unterrichtsministerium wandte. Er ließ diesem eine Gegendarstellung zukommen, die sein Assistent Helmut Schreiner tags zuvor an die Redaktion der „Neuen Alternative“ geschickt hatte. Siegerts Streitschrift stieß aber auch bei Sozialdemokraten wie etwa dem Journalisten und Politiker Herbert Moritz (SPÖ, Unterrichtsminister 1984–1987) auf Widerspruch. Marcic sei weder Monarchist, noch Faschist oder Antisemit. Der Wiener KPÖ-Politiker und Publizist Viktor Matejka meinte, dass „sich bestimmt einiges gegen René Marcic einwenden“ ließe, der vorliegende Artikel sei aber nur „dilletantische[s] (sic) Zeug“. Der Journalist Günther Nenning, den Marcic als kritischen Intellektuellen zu schätzen wusste, verteidigte diesen sogar mit markigen Worten. Marcic habe „schon sehr früh Verständnis und Sympathie“ für die Studentenbewegung gezeigt und sei sogar „um den Marxismus bemüht“. Die Beschuldigungen Siegerts seien daher „an den Haaren herbeigezogen“. Er betrachte sie als bloßen „pseudo-revolutionären Kretinismus“.

Die Zeithistorikerin Erika Weinzierl, eine Pionierin der Erforschung des Antisemitismus in Österreich, suchte Marcic in der zu seinen Ehren 1974 erschienenen „Gedächtnisschrift“ ebenfalls vor seinen Kritikern in Schutz zu nehmen. Weinzierl bescheinigte ihrem früheren Professorenkollegen an der Universität Salzburg, dass dieser ein unermüdlicher „Vorkämpfer für die Grund- und Freiheitsrechte“ gewesen sei, „der seit 1946 ohne Abstrich für die Unverjährbarkeit der Verbrechen wider die Menschheit und die lebenslängliche Sühnepflicht der Verbrecher eingetreten“ sei.

 

René Marcic zwischen akademischer Karriere und politischem Engagement

Neben seiner Tätigkeit als geachteter Publizist suchte René Marcic bereits in den 1950er Jahren auch seine akademische Laufbahn als Rechtsphilosoph voranzutreiben. Er verfasste zu diesem Zweck eine Habilitationsschrift „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“, die er im Oktober 1957 bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien einreichte. Marcic verknüpfte damit den Antrag um die Erteilung der Lehrbefugnis für das Fachgebiet der „Allgemeinen Staatslehre“. Nachdem die Habilitationskommission seine Arbeit positiv beurteilt hatte, wurde er für den 8. Mai 1958 zur Probevorlesung über das Thema „Sinnwandel des Gewaltenteilungsprinzips“ eingeladen. Die Mitglieder der Kommission zeigten sich von der Vorlesung jedoch dezidiert enttäuscht. Der Vortrag habe nämlich „nur eine Fassade gezeigt, hinter der sich keine Struktur befunden“ habe. Inhaltlich wurde die „Vermischung von reiner juristischer und soziologischer Methode“ beanstandet. Der Habilitationswerber wurde daher dazu aufgefordert, sich nach Ablauf einer rechtlich vorgesehenen Frist neuerlich für eine Probevorlesung an der Universität Wien zu melden.

Der Politikwissenschaftler Norbert Leser erinnerte sich daran, dass das Habilitationsverfahren für Marcic ein „Kampf“ gewesen sei, von dem dieser erkennbare „Wunden“ davongetragen habe. Diese Erzählung Lesers stimmt mit der Darstellung von Hans Klecatsky überein, einem Freund von Marcic, den Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) später aufgrund der Empfehlung Marcic‘ als Justizminister in die Bundesregierung berief. Klecatsky schilderte Marcic als „völlig deprimiert“, weil man ihn, der „ein glänzender Redner“ gewesen sei, bei der Probevorlesung „durchfallen“ lassen habe. Ein wesentlicher Grund dafür sei gewesen, dass die meisten Professoren weder Griechisch noch Latein gekonnt hätten und ihm daher nur mit Mühe folgen hätten können. Ob die Verzögerungstaktik gegenüber Marcic etwa auch in akademischem Dünkel gegenüber einem bekannten Journalisten als Habilitationswerber begründet war oder sonstige Gründe hatte, die aus den vorliegenden Quellen nicht hervorgehen, deuten Leser und Klecatsky in ihren Erinnerungen nicht an. Marcic trat jedenfalls zu dem ihm von der Universität Wien angebotenen zweiten Probevortrag an. Er widmete diesen der „Stellung der zweiten Kammer in modernen Bundesstaaten“ und wurde am 10. November 1959 schließlich zum Universitätsdozenten für Allgemeine Staatslehre zugelassen.

Marcic ‘ Habilitationsschrift löste in Fachkreisen anhaltende Debatten aus. So begrüßte der Völkerrechtler Alfred Verdroß bereits in seinem Gutachten zur Habilitationsschrift ausdrücklich deren rechtspolitische Zielsetzung, dass der demokratische Rechtsstaat gegen drohende Gefahren möglichst abzusichern sei. Gleichzeitig stellte er die Frage, ob der Verfasser nicht insoweit über das Ziel hinausschieße, „als er dem Verfassungsgerichtshof auch die Befugnis einräumen will, unter Umständen das positive Recht zu korrigieren“. Damit markierte Verdroß einen wesentlichen Aspekt, der auch von anderen Wissenschaftlern wie etwa Norbert Leser moniert wurde, der Marcic menschlich und fachlich ansonsten sehr schätzte. Leser kritisierte, dass dieser „in idealtypischer Verklärung der Wirklichkeit“ die Justiz zu einer „Kontrollinstanz aller Machtdefekte der Gesellschaft hochstilisieren“ habe wollen. Marcic‘ Habilitationsschrift sei zwar rechtstheoretisch und rechtspolitisch „eine bahnbrechende Leistung“ gewesen. Sein Lösungsansatz, einer kleinen Gruppe von Menschen eine große Machtfülle zuzugestehen, sei aber dazu geeignet, „von der erstrebten demokratischen Verbreiterung“ wegzuführen. Dies sei jedoch keineswegs als wünschenswert zu betrachten.

Ungeachtet mancher Kritik an seinen wissenschaftlichen Ansätzen war Marcic in Juristenkreisen so angesehen, dass er nach seiner Habilitation an der Universität Wien relativ rasch an verschiedene bundesdeutsche Universitäten berufen wurde. Marcic verfügte jedoch über zahlreiche einflussreiche Unterstützer, die dafür eintraten, dass er in Österreich verbleiben könne. Als er etwa 1961 an die Universität Würzburg berufen wurde, beglückwünschte ihn Josef Klaus zwar zu dieser ehrenden Berufung. Der damalige Salzburger Landeshauptmann versicherte ihm aber, dass er „alles dazu tun“ wolle, um ihn „so intensiv als möglich an Salzburg zu binden“. Marcic selbst erklärte anlässlich solcher Anfragen aus der Bundesrepublik stets, dass er nicht beabsichtige, einem Ruf an eine deutsche Universität zu folgen. Erst als er einem Rat des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König folgte, sich zumindest grundsätzlich einer Berufung nach Deutschland nicht zu versagen, entstand ein erheblicher Druck auf diejenigen, die ihn möglichst an Österreich binden wollten, ihm auch entsprechende Chancen zu vermitteln.

Als entscheidend erwies sich hierfür Marcic ‘ Berufung auf eine Professur für Staatsphilosophie und Publizistik an der Universität Nürnberg-Erlangen. Diese erfolgte 1963 mitten in den Bemühungen, die ersten Professoren für die neu zu errichtende Philosophische Fakultät in Salzburg zu gewinnen. Als der mögliche Weggang Marcic‘ bekannt wurde, schalteten sich verschiedene politische Amtsträger, aber auch Universitätsprofessoren ein. Sie alle traten dafür ein, die Marcic bereits zugedachte Lehrkanzel zeitlich vorzuziehen und ihn dadurch in Salzburg zu halten. Auch war daran gedacht, durch die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer eine Finanzierungshilfe für die künftige Lehrkanzel Marcic‘ bereitzustellen.

Dies war auch im Sinne von Carl Holböck, der im Studienjahr 1962/63 das Amt eines provisorischen Rektors der Universität Salzburg ausübte. Holböck schlug Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel vor, die vorgesehene Lehrkanzel für Rechts- und Staatsphilosophie an der aufzubauenden Philosophischen Fakultät möglichst „in Bälde“ zu errichten. Holböck fügte an, dass dieser Lehrstuhl mit der künftigen Lehrkanzel für Soziologie eng kooperieren solle. Für letztere Professur käme als Kandidat Hans Floretta aus Innsbruck in Betracht. Holböck vermerkte dabei, dass bei einer gleichzeitigen Berufung Marcic‘ und Florettas „auch die Frage des ‚weltanschaulichen Ausgleiches‘ (Proporz!) gelöst wäre“. So könnte „gleich am Anfang die permanente Kritik von sozialistischer Seite am Projekt der Universität Salzburg entkräftet werden, was für die Atmosphäre an der neuen Fakultät von unschätzbarem Wert wäre“. Um diese beiden Berufungen zügig voranzutreiben, sei es „der besonderen Dringlichkeit und Delikatesse dieser Angelegenheit entsprechend“, in beiden genannten Fällen „auf einen Dreiervorschlag zu verzichten und die Berufungen ad personam auszusprechen“.

Auch wenn Florettas Berufung nach Salzburg erst im Zuge der Errichtung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 1965 erfolgen sollte, verdeutlichte Holböcks Vorschlag, wie sehr auch dem Kirchenrechtler daran gelegen war, bestehende politische Irritationen zu verringern und Marcic – aus den oben genannten Gründen – rasch zu berufen. Marcic wurde schließlich am 7. Dezember 1963 zum ordentlichen Professor für Rechts- und Staatsphilosophie ernannt, wobei seine Lehrkanzel vorerst wie geplant der Philosophischen Fakultät zugeteilt wurde. Am 11. Februar 1964 wurde er auch zum Vorstand des neu gegründeten Instituts für Rechts- und Staatsphilosophie bestellt. Diese Regelung galt indes nur als provisorisch. Die Lehrkanzel war nämlich – wie oben angedeutet – von Anfang an dazu gedacht, die „Keimzelle“ für die künftige Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät zu bilden. Dies war auch der Grund dafür, dass Marcic‘ Ernennungsdekret ohne Fakultätsbezeichnung konzipiert worden war. 1965 wurde seine Lehrbefugnis auf die Fächer Allgemeine Staatslehre, Verfassungsrecht sowie Politikwissenschaft erweitert und das Institut in „Rechts- und Staatsphilosophie und Politische Wissenschaft“ umbenannt. Damit war auch die politische Wissenschaft Marcic zufolge „zum ersten Mal in Österreich (…) als eigene Disziplin akademisch institutionalisiert“.

Marcic selbst pflegte aktiv den Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern in Österreich; Versuche, ihn für die Ustascha-Nachfolgeorganisation HNO anzuwerben, lehnte er hingegen ab. Marcic machte nie ein Hehl aus seiner eigenen politisch-ideologischen Orientierung. So stellte er in seiner Inaugurationsrede als Rektor der Universität Salzburg klar, dass er die Bildung der ÖVP-Alleinregierung durch Josef Klaus vorbehaltlos begrüße. Mit Klaus selbst verband Marcic nicht nur die christlich-abendländisch geprägte ideologische Fundierung, sondern auch das Bewusstsein, dass Wissenschaft und Politik eng aufeinander angewiesen seien. Dazu kam die persönliche Neigung zum intellektuellen „Messianismus“, die sowohl Klaus als auch Marcic nachgesagt wurde. Klaus hatte Marcic noch in dessen Zeit als Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“ kennengelernt. Als er Bundeskanzler wurde, nahm Klaus den Rechtsgelehrten in die Kommission zur Reform der Grund- und Freiheitsrechte auf. Seit 1964 zählte Marcic darüber hinaus zu einer „Philosophenrunde“, die aus Professoren sowie einigen Mitgliedern des Cartellverbandes bestand, die Klaus zu abendlichen Gesprächen ins Bundeskanzleramt einlud.

Von Zeitgenossen und Kollegen wird Marcic übereinstimmend als „ein die akademische Jugend mitreißender Lehrer“ geschildert. Als Forscher beschäftigte ihn vor allem die rechtsphilosophische „Grundfrage nach dem Verhältnis von positivem und präpositivem Recht“. In den letzten Jahren seines Lebens wandelte sich Marcic von einem Verfechter der Naturrechtslehre zu einem Theoretiker, der „die Naturrechtsfrage neu stellte, auf seine Weise beantwortete und um eine Versöhnung der Standpunkte bemüht war“. 1968 bekannte sich Marcic selbst dazu, dass er „durch die wissenschaftliche und persönliche Begegnung“ mit dem bedeutenden Rechtstheoretiker Hans Kelsen für die Weiterentwicklung seiner konzeptionellen Ansätze vieles dazugelernt habe. Schließlich war er es gewesen, der zusammen mit Franz-Martin Schmölz das Forschungsgespräch auf der Salzburger Edmundsburg zum Thema „Das Naturrecht in der politischen Theorie“ abhielt, zu dem auch Kelsen angereist war. Weiters schrieb Marcic: „Ich sehe heute die Notwendigkeit des Relativismus und den Reichtum des Pluralismus ein, ja ich bejahe ihn, nehme ihn zum Ausgangspunkt meiner reinen, formalen Naturrechtstheorie, setze bewußt methodisch Gott in Klammern und halte Ausschau nach einer Formel, die alle Menschen versammelt ohne Unterschied, ohne Ausnahme.“

Damit deutete sich bereits der Wandel seiner wissenschaftlichen Lehrmeinungen an, der auch dadurch zum Ausdruck kam, dass er das Studienjahr 1970/71 als Gastprofessor in Sydney verbrachte. Marcic suchte dort eine „Soziologie des Rechtes und des Staates“ sowie ein „System der Rechtsphilosophie“ zu entwickeln, das „insbesondere in Sydney durch Julius Stone und seine Schüler vertreten“ werde. Mit der Reise nach Australien wollte Marcic somit die „Wende zu den Sozialwissenschaften“ vollziehen. Wie der Rechtsphilosoph Ilmar Tammelo berichtete, versuchte Marcic keineswegs, Stone und dessen Mitarbeiter zum Naturrechtsdenken „zu bekehren“. Vielmehr strebte der Salzburger Rechtsgelehrte danach, einen Ausgleich zwischen der Naturrechtslehre und dem Rechtspositivismus herbeizuführen.

 

Marcic Unfalltod – Versuch einer knappen Würdigung

Anfang Oktober 1971 befand sich René Marcic nach seinem Forschungsaufenthalt in Sydney auf dem Heimweg nach Österreich. Zuvor hatte er noch Hans Kelsen in Kalifornien besucht und ehe er sich auf den Weg nach Salzburg machte, legte er auch einen Zwischenstopp in London ein. Marcic sollte jedoch Salzburg nie mehr erreichen. Das Flugzeug, mit dem er gemeinsam mit seiner Frau Blanka unterwegs war, explodierte am 2. Oktober 1971 zwanzig Kilometer westlich von Gent in Belgien und stürzte ab. Der tragische Tod des Ehepaars Marcic sorgte für zahlreiche erschütterte Reaktionen. In den Nachrufen wurde nicht zuletzt die ungewöhnliche „Arbeitsintensität“ Marcic‘ betont, der sich selbst eine „typische Arbeitswut“ bescheinigt und bei einem Arbeitstag von vierzehn bis sechzehn Stunden seinen Schlaf zeitweise auf vier Stunden reduziert hatte. Diese Leistung sei aber – wie Weggefährten berichteten – nur durch die „Mitarbeit seiner Frau Blanka“ möglich gewesen. Diese habe „ausschließlich für ihn und durch ihn“ gelebt und teilte damit das Schicksal vieler Professorengattinnen, die im Schatten ihrer Männer blieben. Das Ehepaar Marcic war kinderlos geblieben und hatte die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg als ihre Universalerbin eingesetzt. In seiner Sitzung vom 5. Oktober 1971 – drei Tage nach Marcic‘ Tod – erklärte das Professorenkollegium der Fakultät, diese Erbschaft annehmen zu wollen. Im Jahr 1974 wurde in Salzburg eine umfangreiche zweibändige Gedächtnisschrift zur Erinnerung an Marcic präsentiert, an der sich zahlreiche frühere Weggefährten aus Wissenschaft, Journalistik und Politik mit eigenen Beiträgen beteiligten.

René Marcic war eine Schlüsselfigur der österreichischen Medienlandschaft und der akademischen Szene der 1950er und 1960er Jahre. Als akademischer Multifunktionär trieb Marcic vor allem den Aufbau der Salzburger Universität maßgeblich voran. Dabei half ihm in entscheidender Weise seine Fähigkeit, mit Politikern, Wissenschaftlern und Beamten unterschiedlicher politischer Couleur und/oder Affinität ins Gespräch zu kommen. Als in entsprechenden akademischen Milieus gut vernetzter Ideengeber verkörperte Marcic darüber hinaus in einem hohen Maße den spezifischen „katholischen Geist“ an der Alma Mater Paridiana der 1960er Jahre. Vor allem seine von ihm selbst nie restlos in allen – auch problematischen – Details aufgearbeitete Vergangenheit im faschistischen kroatischen Ustascha-Staat sowie seine antisemitischen Aussagen in einem Artikel in der Weihnachtsbeilage der „Salzburger Nachrichten“ des Jahres 1949 machen ihn allerdings auch zu einem der bis heute politisch umstrittensten damaligen Zeitgenossen. Als problematisch erscheinen darüber hinaus auch seine in den frühen Nachkriegsjahren geäußerte publizistische Kritik an der Entnazifizierungsgesetzgebung sowie seine starke Betonung des Richteramts im demokratischen Rechtsstaat, die er rechtsphilosophisch zu begründen suchte. In den Jahren vor seinem überraschenden Tod im Oktober 1971 schien sich Marcic allerdings auch weiterzuentwickeln – sowohl persönlich wie in seinen „Karfreitagsbetrachtungen“ (1967) dokumentiert als auch wissenschaftlich, indem er für einen Ausgleich zwischen naturrechtlichen und rechtspositivistischen Ansätzen eintrat und sich für sozialwissenschaftliche methodische Zugänge zu öffnen suchte.

 

Straßenbenennung

Die Kulturabteilung legte am 16. Mai 1984 einen Amtsbericht vor, in dem die Benennung von vier Aufschließungsstraßen für die in Bau befindliche Wohnanlage auf den sogenannten Rosittengründen in der Riedenburg behandelt wurde. „Da Flurnamen in diesem Gebiet nicht zur Verfügung stehen, andererseits seit längerer Zeit die Benennung nach dem Komponisten Fred Raymond von mehreren Seiten angestrebt wird, vertritt das Amt die Meinung, daß hier die Gelegenheit geboten wäre, an mehrere namhafte Komponisten durch Straßenbenennungen zu erinnern“, so das Amt in seiner bürokratischen Ausdrucksweise. Vorgeschlagen wurden neben Fred Raymond (1900–1954) Nico Dostal (1895–1981), Franz Lehár (1870–1948) und Johann Strauß (Sohn: 1825–1899), also Komponisten, deren Bedeutung für die Stadt Salzburg sehr unterschiedlich war. Der Amtsbericht wurde am 5. Juli in der Sitzung des Kulturausschusses diskutiert und dort zur Klubberatung und direkten Weiterleitung an den Stadtsenat zurückgestellt. Der Stadtsenat setzte den Akt in seiner Sitzung vom 11. Juli ab, weitere Beratungen zwischen Politik und Verwaltung führten schließlich zu einem „Ergänzenden Amtsbericht“ vom 18. Juli 1984, der nunmehr dem politischen Proporz in der Gemeindevertretung entsprach. Nachdem die SPÖ vorgeschlagen hatte, eine Straße nach dem früheren Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl (SPÖ) zu benennen, nominierte die ÖVP René Marcic. Im „Ergänzendem Amtsbericht“ fanden sich neben den beiden Komponisten Fred Raymond und Nico Dostal nun also der Politiker Franz Peyerl und der Journalist und Jurist René Marcic. Als die FPÖ in der Sitzung des Stadtsenates am 23. Juli 1984 schließlich anstelle von Raymond den 1980 verstorbenen langjährigen Obmann der Salzburger Heimatvereine Kuno Brandauer auf die Benennungsliste setzte, blieb von den ursprünglich vorgesehenen vier Komponisten nur mehr Nico Dostal übrig. Die Benennung nach Dostal und Marcic wurde vom Stadtsenat einstimmig an den Gemeinderat weitergeleitet, nach Peyerl und Brandauer mehrheitlich gegen die Stimmen der Bürgerliste. Auch im Gemeinderat am 24. Juli 1984 stimmten die Mandatar*innen der Bürgerliste gegen der beiden Vorgenannten, die Benennung der „René-Marcic-Straße“ erfolgte jedoch einstimmig (10 SPÖ, 9 ÖVP, 2 BL, 5 FPÖ).