Geschichte des Rathauses
800-jährige bewegte Geschichte
Der ehemalige mittelalterliche Geschlechterturm der Patrizierfamilie Keutzl mit angebautem Wohntrakt und Nebengebäuden hat eine mehr als 800jährige Geschichte. Der Komplex entstand schon im 12. Jahrhundert und lag an der – über den heutigen Rathausplatz verlaufenden – ältesten Stadtmauer und bei einem alten Tränktor, das später überbaut und aufgelassen wurde.
Der nach italienischen Vorbildern konstruierte markante sechseckige Turmaufbau und die schwere von Hans Ralb gegossene älteste der Stadtglocken stammen aus dem 14. Jahrhundert.
Vom Stadtturm zum Rathaus
1407 wurden der Keutzlturm und das spätere Rathausareal von der Stadtgemeinde erworben, die in den Jahrzehnten davor ihre kommunale Autonomie ausgebaut hatte: Seit ca. 1370 existierte ein Stadtrat, wenig später ist der erste Bürgermeister belegt und die Stadtverwaltung begann sich zu differenzieren. Der nunmehrige „Stadtturm“ hatte militärische und Aufsichtsfunktionen, etwa bei Feuer und Aufruhr, gebot mit seinen Glocken die Nachtruhe, und vermittelte mit der Turmuhr, den Turmbläsern sowie den die Stunden ausrufenden Nachtwächtern den Faktor „Zeit“ an die Stadtbewohner.
1482 wurde der Stadtturm offiziell in „Rathaus“ umbenannt.
Ein multifunktionales öffentliches Gebäude
Die Nebengebäude wurden in den ersten beiden Dezennien des 16. Jahrhunderts Richtung Rathausplatz (damals Fischmarkt) und auch salzachseitig unter Einschluss eines Innenhofs zum Rathaus in der heutigen Dimension ausgebaut. Im Ratssaal tagte der Stadtrat, urteilte das Stadtgericht und wurden bürgerliche Tanzveranstaltungen abgehalten. Auch die städtische Kanzlei, die Boten- und Postzentrale, das Zeughaus und ein Vorläufer des Stadtarchivs befanden sich hier. Die Stadthebamme, der Stadtprediger sowie der Stadtschreiber und andere Beamte hatten im Rathaus ihre Dienstwohnungen. Verkaufsläden und Lagerräume waren an verschiedene Berufsgruppen, wie die Stadtbäcker, vermietet. Vom Verkauf von Salzstöcken im Gässchen zwischen Rathaus und Kranzlmarkt 3 rührt der alte Name „Salzgäßlein“.
Das Rathaus war damals Sitz der städtischen Obrigkeit und tritt auf Stadtansichten des 16. Jahrhunderts nach Festung und Residenz als drittwichtigstes Profangebäude der Stadt in Erscheinung.
Ort der Repräsentation und Unterhaltung
Unter den absolut herrschenden Erzbischöfen der frühen Neuzeit wurden Bürgermeister und Stadtrat auf rein administrative und Repräsentationsaufgaben beschränkt und das Rathaus für diese Nutzung 1616 bis 1618 großzügig umgebaut. Nun entstanden die Säulenhalle im ersten Stock und darüber ein großer repräsentativer Tanzsaal mit Musikemporen für die Musikanten. Die wehrhaften Zinnen wurden beseitigt, der Turmaufsatz kuppelförmig eingedeckt und das Gebäude erhielt mit hohen Rundbogenfenstern, Ochsenaugen sowie einer Freskierung mit allegorischen Figuren einen repräsentativen Charakter.
Die Nutzung des Rathauses als Sitz des erzbischöflichen Stadtgerichts trat in den Vordergrund und noch heute grüßt daher die Statue der „Justitia“ (geschaffen 1616 von Hans Waldburger) dominant über dem Eingangsportal. Der Magistrat war hingegen äußerst beengt untergebracht. 1675 und 1772 bis 1775 erfolgten neuerliche Umbauten und das Rathaus erhielt seine heutige Rokokofassade.
In nacherzbischöflicher Ära beherbergte das Rathaus weiterhin die Stadtverwaltung, diente als bürgerlicher Veranstaltungsort, wurde Standort der Stadtpolizei und dann 1855 für zwei Jahrzehnte erster Sitz der damals noch kommunalen „Salzburger Sparkasse“.
Sitz von Bürgermeister, Gemeinderat und Magistrat
Mit der Erlangung der Gemeindeautonomie Mitte des 19. Jahrhunderts erhielten Gemeinderat und Bürgermeister neue politische Bedeutung. Nach Erlassung des Gemeindestatutes wurde der ehemalige Tanzsaal durch Einzug einer Quermauer in Ratssaal und Vorsaal geteilt. 1870 fand die erste Gemeinderatssitzung im neuen Sitzungssaal statt.
1928 wurde salzachseitig das alte Grabendach entfernt und das Dachgeschoss ausgebaut, womit die Fassade an der Salzach ihr heutiges Aussehen erhielt. Bis 1947 blieb das Rathaus Sitz des Bürgermeisters, der seither in Schloss Mirabell amtiert. Auch viele Dienststellen des Magistrats wurden in neue Amtsgebäude übersiedelt. Die Gemeinderatssitzungssäle verblieben aber im Rathaus – es ist damit seit mehr als 500 Jahren Tagungsort frei gewählter Ratsherren bzw. GemeinderätInnen.
Seit dem Abschluss des groß angelegten Umbaues im Jahr 2012 ist das Salzburger Rathaus erneut seiner traditionell vielfältigen Nutzung zugeführt und auch optisch und funktional wieder ein zentraler öffentlicher Ort in der Stadt.
Peter F. Kramml (Stadtarchiv)
Wilfried Schaber (Baubehörde – Altstadtangelegenheiten)