Rabbiner David Nussbaum
1990 erhielt die jüdische Gemeinde mit David Nussbaum einen jungen Rabbiner. Das Amt war seit der 1938 erfolgten Vertreibung von Rabbiner David Margules nicht mehr besetzt. Als Folge der Shoah gab es in Europa kaum mehr Rabbiner, nur wenige sprachen Deutsch und selbst größere jüdische Gemeinden konnten schwer einen finden. In Salzburg sorgten einige ehemalige jüdische DPs aus Ostereuropa für die religiösen Bedürfnisse der großteils religiös-konservativ eingestellten Mitglieder. Zu nennen sind vor allem Herzl (auch Herz), Wieder und Ladislaus Nemeti, die beide aus religiösen Familien in Ungarn stammten. Zu den hohen jüdischen Feiertagen kam ein Rabbiner oder Kantor von auswärts. In den 1990er Jahren zählte die Salzburger Gemeinde zwischen 70 und 200 Mitglieder (die Zahlenangaben variieren stark).
David Nussbaum ist im New Yorker Stadtteil Manhattan geboren und wuchs in Queens auf. Sein Vater starb noch vor seiner Geburt. Er besuchte eine Jeschiwa in Flatbush sowie eine Rabbinerschule in Jerusalem. Danach war er in Oak Park/Michigan Lehrer. Seine Frau stammte aus einem ultra-orthodoxen Viertel in Jerusalem, das Ehepaar hatte drei Kinder, davon kamen zwei in Salzburg zur Welt. Entsandt wurde David Nussbaum von der Chabad-Bewegung, auch bekannt als Lubawitscher.
„Messias Now“ – die Chabad-Bewegung
Das Chabad-Zentrum befindet sich in Crown Heights im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Ihren Ursprung hat diese chassidische, ultra-orthodoxe Bewegung im 18. Jahrhundert im kleinen Ort Ljubawitschi im äußersten Westen von Russland. Nach der Shoah gründete Rabbiner Yosef Yitzchak Schneersohn mit vorwiegend Holocaustüberlebenden eine neue Gemeinde in Brooklyn. Damit sollte die Tradition der Lubawitscher in die USA transferiert und zumindest in Form einer Restgemeinde weiter am Leben erhalten werden. Sein Nachfolger und Schwiegersohn, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, baute Chabad zu einer sehr erfolgreichen weltweiten Bewegung aus. Eine zentrale Rolle kam dabei dem Einsatz moderner Kommunikationsmethoden zu. Hinsichtlich Israel wird jeder territoriale Verzicht auf das biblische Land – als Judäa und Samaria bezeichnet - abgelehnt. Mit öffentlichen Stellungsnahmen zur israelischen Politik hält sich Chabad allerdings zurück.
Während viele ChassidInnen abgeschlossen leben, geben sich die Lubawitscher offener und moderater. Sie unternehmen vor allem auch erhebliche Anstrengungen, um säkularen Juden und Jüdinnen die Thora näher zu bringen. Manche sehen darin eine Missionierung von Juden. Ein weiteres Kennzeichen ist ein ausgeprägter Messianismus. Viele AnhängerInnen betrachten den 1994 kinderlos und hochbetagt gestorbenen Menachem Mendel Schneerson bereits als Messias. Dies drohte nicht nur die Bewegung zu spalten, sondern löste heftige innerjüdische Debatten aus.
David Nussbaums Engagement in Salzburg
Im Sinne der Lubawitscher bemühte sich David Nussbaum in Salzburg um die Rückholung säkularer Juden. Telefonisch lud er zum Besuch der Synagoge am Shabbat ein, um eine Minjan, das für einen vollständigen Gottesdienst von zehn Männern benötige Quorum, zu ermöglichen. Einige ließen sich dazu gelegentlich motivieren. Rabbiner Nussbaum erteilte auch Hebräisch-Unterricht und wirkte als Maschgiach, das heißt, er überwachte die Einhaltung der Kaschrut-Regeln bei der Produktion von Lebensmitteln wie Soletti oder Käse im Allgäu. Ein Potential sah er in den vielen jüdischen TouristInnen aus Israel und den USA, denen er am Shabbat den Besuch der Synagoge und koscheres Essen anbot. Zudem zeigte er sich gegenüber Nicht-Juden offen, die zu jüdischen Festen eingeladen wurden.
Die Installierung eines ultra-orthodoxen Rabbiners spaltete allerdings die kleine Gemeinde. Im Herbst 2001 eskalierte ein bereits lange schwelender Konflikt zwischen dem Präsidenten Marko Feingold und Rabbiner David Nussbaum, der 2002 zu Nussbaums Kündigung führte. Die Chabad-Bewegung eröffnete daraufhin in der Schwarzparkstrasse in Gnigl das Chabad Lubavitch House-Salzburg, das laut Website mittlerweile geschlossen ist. David Nussbaum arbeitet nunmehr in München als Maschgiach, z.B. für Fleming’s Kosher Restaurant und Events im jüdischen Gemeindezentrum am Jakobsplatz, für ein koscheren Lebensmittelgeschäft und einen koscheren Feinkostladen.
- Micha Brumlik, Der christliche Gedanke. Chabad Lubawitsch: Hilfe, Bedrohung oder beides?, in: Y. Michal Bodemann undMicha Brumlik, Juden in Deutschland – Deutschland in den Juden. Neue Perspektiven, Göttingen 2009, 112-126.
- Sue Fishkoff, The Rebbe’s Army. Inside the World of Chabad-Lubawitch, New York 2003.