Stefan Zweig
Stefan Zweig wuchs in Wien in einer großbürgerlichen, nicht-religiösen Familie auf. Schon während seines Philosophiestudiums wandte er sich intensiv der Schriftstellerei zu. 1914 verfiel er (wie viele anderer seiner Zeitgenossen) kurz der kollektiven Weltkriegseuphorie, wurde aber rasch erklärter Pazifist und migrierte in die neutrale Schweiz. 1917 erwarb er gemeinsam mit der Schriftstellerin Friderike Winternitz – sie trat 1905 vom Judentum zum Katholizismus über – das Paschinger Schlössl auf dem Kapuzinerberg in Salzburg; der Umzug erfolgte 1919. Stefan Zweig lebte zurückgezogen und mied das Salzburger Gesellschaftsleben. Er schätze die Landschaft Salzburgs, nutzte die vorteilhafte Lage für unzählige Reisen und empfing in seiner Villa Besuch von befreundeten Intellektuellen aus allen möglichen Ländern. Damit wurde das Paschinger Schlössl zu einem Ort der internationalen Hochkultur.
Als 1933 die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen, zählte Stefan Zweig zu den meistgelesenen Schriftstellern im deutschsprachigen Raum und war aufgrund der Übersetzung in zahlreiche Sprachen weltberühmt. Seine Literatur wurde verboten und fiel den von der Deutschen Studentenschaft inszenierten Bücherverbrennungen zum Opfer – auch jener in Salzburg vom 30. April 1938.
Stefan Zweig wurde bereits in den 1920er Jahren Opfer des grassierenden Antisemitismus in Salzburg und in der Zeitung „Der Eiserne Besen“ attackiert. 1934, zur Zeit des austrofaschistischen Regimes und unmittelbar nach den Februarkämpfen, durchsuchten Polizeibeamte seine Villa nach Waffen – ein rechtswidriger Akt, durch den ihm schlagartig bewusst wurde, dass er hier nicht mehr sicher war. Er verließ Salzburg und kam über Paris nach London. Bereits 1934 begann seine Liebesbeziehung mit seiner Sekretärin Lotte Altmann. Die Ehe mit Friederike wurde 1938 geschieden. Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges heirateten Stefan Zweig und Lotte Altmann und emigrierten wenig später in die USA. Endlich in Sicherheit, doch weit entfernt von seiner „geistigen Heimat Europa“ hatte er zunehmend mit schweren Depressionen zu kämpfen. Auch ein Umzug nach Brasilien brachte keine Verbesserung. Anfang 1942 nahmen sich Stefan und Lotte Zweig das Leben; sie waren mit ihren Kräften am Ende.
In Salzburg fühlt sich Friderike Zweig bei der Auflösung des Haushaltes und dem Verkauf des Hauses alleingelassen. Erst 1937 konnte mit der Familie Gollhofer ein Kaufvertrag abgeschlossen werden. Friderike Zweig wohnte mit den beiden Töchtern aus erster Ehe, Alice und Suse Winternitz, in Nonntal in einer von Stefan Zweig für sie gemieteten Villa. Gemeinsam mit den Töchtern gelangte sie über Frankreich in die USA, wo sie in Stamford, Connecticut, lebte. 1943 gründete sie das Writers Service Center, eine Hilfsorganisation für geflüchtete Schriftsteller, sowie 1954 die American-European-Friendship-Association. Sie war auch Ehrenpräsidentin der Internationalen Stefan-Zweig-Gesellschaft. Bei ihren vier Europareisen hat sie Salzburg – ihr „verlorenes Paradies“ – bewusst gemieden. Die bislang Friderike Zweig zugeschriebene Rolle als Unterstützerin des erfolgreichen Ehemannes, die den Status der alleinigen Verwalterin des geistigen Erbes von Stefan Zweig und somit die Deutungshoheit über sein Werk beansprucht habe, wird derzeit hinterfragt bzw. erweitert. Neue Forschungen verweisen auf ihre Rolle als Journalistin, Roman-Autorin, Übersetzerin, Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin, Literaturvermittlerin sowie als Gesprächspartnerin, Kritikerin und möglicherweise auch Mit-Autorin von Stefan Zweig.
Heute finden sich in der Stadt Salzburg mehrere Erinnerungszeichen, die dem Weltliteraten gewidmet sind: Bereits 1956 wurde jener Weg am Kapuzinerberg, der zu Stefan Zweigs ehemaligen Wohnsitz führte, nach ihm benannt; 2019 wurde der daran anschließende Platz bei der Linzergasse in Stefan-Zweig-Platz umbenannt. Seit dem Jahr 2014 trägt außerdem die Pädagogische Hochschule Salzburg Stefan Zweig in ihrem Namen. 2016 wurden Stolpersteine, die an die Schicksale des Weltliteraten, seine Ex-Frau Friderike und die Stieftöchter erinnern, verlegt. Seit 2011 markiert eine Gedenktafel in der Nonntaler Hauptstraße Friderike Zweigs letzten Wohnort.
- Friderike. zweigheft 24, hg. vom Stefan Zweig Zentrum Salzburg, Salzburg, Dezember 2020.
- Gert Kerschbaumer, Stefan Zweig. Der fliegende Salzburger, Salzburg / Wien 2003.