Welterbetag in Nonntal: Tag der offenen Tür auch heuer herausragend

26.04.2024
Voller Stolz wurde heute das Gebäude in der Nonntaler Hauptstraße 22 präsentiert
(v.l.n.r.: stv. Welterbebeauftrager Manuel Dornstauder, Vorsitzender d. Ziviltechniker:innen- und Architekt:innen Michael Strobl, Bauhistorikerin Dagmar Redl-Bunia, Baumeister Christian Schluder)

Der Welterbetag ist ein jährliches Ereignis, das die reiche Geschichte und kulturelle Bedeutung Salzburgs hervorhebt. Inmitten des idyllischen Nonntals, das auf das späte Mittelalter zurückgeht und seine Ursprünge im ältesten Frauenkloster des deutschen Sprachraums hat, öffnen sich die Türen zu einem ganz besonderen Schatz: dem historischen Haus in der Nonntaler Hauptstraße 22. Den Tag der offenen Tür können Interessenten des Welterbes nutzen, um nicht nur die Geschichte und Architektur des Hauses zu entdecken, sondern auch einen Moment zu ergreifen, um die Bedeutung der Erhaltung und Restaurierung historischer Bausubstanz zu würdigen.

Vizebürgermeister und Ressortchef Florian Kreibich: „Seit über einem viertel Jahrhundert ist die Stadt Salzburg Teil des Weltkulturerbes der UNESCO. Es ist wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, von welcher Schönheit und welchem Juwel wir damit alle tagtäglich umgeben sind, um es eben gerade nicht „alltäglich“ werden zu lassen. Wir nehmen daher den Welterbe-Tag erneut zum Anlass, um den Wert und die Faszination des Welterbes wieder präsenter werden zu lassen.“

Welterbebeauftragter und Abteilungsvorstand der MA5 – Raumplanung und Baubehörde – Andreas Schmidbaur: „Neben den wichtigen Regelwerken zum Schutz und zur Weiterentwicklung des Welterbes ist für die UNESCO auch das Verständnis und die Begeisterung der betroffenen Bürgerschaft ein wichtiges Anliegen. Dazu hat die Stadt Salzburg in den letzten Jahren eine Reihe von unterschiedlichen Instrumenten verwendet: Als wesentlichstes, umfassendes Format die Quartiersdialoge im Welterbe, weiters das zukünftige Welterbe-Besucherzentrum, die Booklet-Reihe zu einzelnen „Juwelen“ im Welterbegebiet und eben die Tage der offenen Tür in ausgewählten, frisch renovierten Objekten, die den „Blick hinter die Fassaden“ freigeben.“

Noch bis 18 Uhr werden heute Führungen jede halbe Stunde durch das Haus in der Nonntaler Hauptstraße 22 angeboten.

Im Tal der Nonnen 

Das Nonntal geht auf das späte Mittelalter zurück. Auch sein ursprünglicher, seit spätestens 1326 geläufiger Name „Nunnetal“ verweist auf die Entstehung der einstigen Vorstadt am Fuß des Nonnbergs. Hier wurde bereits 600 Jahre früher, das älteste Frauenkloster im deutschen Sprachraum 713/15 angelegt, auf der dem Festungsberg vorgelagerten, geschützten Terrasse: das Stift Nonnberg als Benediktinnerinen-Kloster und Pendant zur Erzabtei St. Peter. Es sind also die ersten Nonnen, die dem Tal im Süden Salzburgs und seiner einstigen, lange ländlich geprägten Vorstadt den Namen gegeben haben! 

Im Laufe des Mittelalters siedelten sich am Südabhang der Nonnberg-Terrasse Dienstboten und Handlager des Klosters an, wie es der Besiedlung der Hänge anderer erhöht liegender Stifte, etwa Melk, entspricht. Vorerst erfolgte die der Topographie angepasste Bautätigkeit am Berghang entlang der „Oberen Zeile“ (Nonnberggasse), dann der „Mittleren Zeile“ (Erhardsgässchen) und erst zuletzt entlang der „Unteren Zeile“ (Nonntaler Hauptstraße), welche vom Hochwasser der Salzach und ihres Zuflusses, des Hellbrunner Baches, am ehesten bedroht war.  Die Verbauung von Hanglagen von oben nach unten diente demnach dem Hochwasserschutz – ein generell, nicht nur bei Salzburgs Stadtbergen feststellbares Prinzip historischen Städtebaus.

In der Nähe der gotischen Erhardskapelle, des Vorgängerbaus der im Frühbarock als „kleiner Dom“ der Vorstadt Nonntal neu errichteten Erhardskirche, entstand an der „Unteren Zeile“ bereits um 1380 das Haus Nonntaler Hauptstraße 22. 

Eine Sanierung voller Überraschungsfunde

Die Sanierung und achtsame Adaption des Geschäfts- und Wohnhauses in der Nonntaler Hauptstraße 22 zeigen eine ambitionierte Privatinvestition durch „Bullbau“ in ein beeindruckendes Barockhaus. Am Hang des Nonnbergs direkt unter Stift und Festung gelegen, verweist sein baulicher Kern mit gotischem Stiegenhaus und die Kapelle mit einem Auge-Gottes-Symbol im Zentrum der Decke auf die mittelalterliche und frühneuzeitliche Entstehung des inneren Nonntals.  
Im Gebäude befinden sich neben einem Geschäftslokal (die ehemalige Kapelle), welches direkt von der Nonntaler Hauptstraße erschlossen wird, vier Wohneinheiten. Das Gebäude erstreckt sich über drei Voll- und zwei Zwischengeschosse. Reicher Stuckdekor des Rokokos und Klassizismus wurde dankenswerterweise freigelegt und meisterhaft restauriert. Mit beinahe detektivischer Akribie hat man anhand von Mustersymmetrien, Vergleichsbeispielen, Abdrücken oder Resten von Vorzeichnungen in Kohle am Objekt fehlende Rokokodekors nachvollzogen und als Ergänzung zu den originalen Dekors manuell frisch dazu modelliert. Die künstlerisch kostbaren Rokokostuckaturen waren in der einstigen Kapelle (und dem späteren Geschäftslokal) bereits sichtbar, wenn gleich auch durch Überarbeitungen stark geschädigt. Überraschenderweise sind diese im Zuge der Bauführung durch Zufall unter einer dicken jüngeren Putzschicht aus Zement auch am Deckengewölbe der ehemaligen, nebenan liegenden Sakristei und des jetzigen Foyers aufgetaucht.  Auch staunten die Malermeister nicht schlecht, als beim Abscheren der weißen Wände plötzlich gelbe Wandfarbe aufgetaucht ist. Es hat sich herausgestellt, dass es sich hierbei um Reste einer ockergelben gotischen Wandmalerei mit schwarzen Umrandungen aus Kohlepigment handelt – als gemalte Illusion von Wandpfeilern und Werksteinen aus gelblichem Sandstein. Eine sogenannte Quadrierung (gemalte Steinquader), wie sie sonst eher in Ostösterreich bekannt und überliefert ist, als Ausstattung des rund 500 Jahre alten gotischen Stiegenhauses.  Die Restaurierungen im Haus Nonntaler Hauptstraße 22 stellen ein Best-practice-Beispiel gewerblicher Handwerkskunst auf höchstem Niveau dar!

„Im Bestand bauen bedeutet nicht nur ressourcenschonend zu bauen, es bedeutet auch altes Wissen über handwerkliche Kunst, materialtechnisch richtige Ausführung wiederzuentdecken - eine wahre Fundgrube und nicht zu unterschätzende Wissensvorteil für Architekt:innen. In der Nonntaler Hauptstrasse 22 konnte die Bauherrschaft im Rahmen der Bauaufsicht die Faszination des Entdeckens selbst hautnah miterleben und sieht nun auch als Nutzer den Mehrwert für die oft langwierigen Prozesse. Für mich als freischaffender Architekt ist Bauen im historischen Bestand eine vielfältige und sehr erfüllende Aufgabe. Und als Vorsitzender der Architekt:innen in Salzburg und Oberösterreich sehe ich für unseren Berufsstand vorrangig die Chancen für ein breites Betätigungsfeld. Denn beim Bauen im Bestand braucht es genau unsere fachliche Expertise, Unabhängigkeit und Fähigkeit, gesamtheitlich zu denken“, erklärt der Architekt Michael Strobl. 

Bauen im Bestand bester Klasse

Die komplexe historische Bausubstanz erforderte beim Innenausbau inkl. Personenaufzug viel Fingerspitzengefühl vom Planungsbüro. So musste etwa die Situierung des neu eingebauten Liftes immer wieder verändert werden, um bei diesem Eingriff wirklich Wertvolles nicht zu schädigen, sondern erhalten zu können. Auch konnten für nichtbelichtete Räume funktionale Nutzungen wie Technik- oder Fahrradraum gefunden werden. Das bestehende Grabendach musste wegen seines bereits sehr schlechten Zustandes zur Gänze abgebrochen, aber in weiterer Folge in ursprünglicher Form 1:1 nachgebildet werden. Insbesondere war hierbei die Statik gefordert, um durch Einbau einer neuen Stahlkonstruktion im obersten Voll- als auch im Dachgeschoß einerseits den Dachraum für Wohnzwecke nutzbar zu machen, andererseits das Gebäude insgesamt zu stabilisieren. 

Während die Umsetzung des Umbaus und der Sanierung rund eineinhalb Jahre gedauert hat: von August 2021 bis Februar 2023, hat die Planung gleich fünf Jahre in Anspruch genommen – vor allem wegen der vielen erforderlichen Voruntersuchungen an der wertvollen historischen Substanz. Neben dem alten Dachstuhl des historischen Grabendaches wurden die alten Mauern, vielen Farbschichten und Stuckkaturen in mehreren Einzelbefunden untersucht, auch um Klarheit über die komplexe Baugeschichte zu gewinnen und das Altstadthaus als Teil des Salzburger Weltkulturerbes bestmöglich für die Zukunft und in seiner charakteristischen Erscheinung und als Teil des spezifischen Stadtbildes der mittelalterlichen Vorstadt Nonntal zu erhalten.

Laura Lapuch