Stadt veröffentlicht Studien und arbeitet mit Expert:innen an Strategie zur Leerstandsmobilisierung
Heute Dienstag, 17. September präsentierte Bürgermeister-Stellvertreter Kay-Michael Dankl, zuständig für Wohnen, Bauen und Bodenpolitik eine schon im Jahr 2022 fertiggestellte, aber nie im Original veröffentlichte Studie zum Thema Leerstand von Wohnraum in der Stadt Salzburg. Ergänzend wird eine zweite Studie der Universität Salzburg zum Thema Mindernutzung von Wohnraum präsentiert und diskutiert.
„Die Studie von 2022 wurde nie im Original veröffentlicht, aber in der öffentlichen Debatte verwendet, um einen vermeintlichen Rückgang des Leerstands zu behaupten. Ein genauer Blick zeigt aber, dass es diesen Rückgang nie gab. Viele leerstehende Wohnungen wurden nicht erfasst, weil z.B. Alarmanlagen oder Elektrogeräte so viel Strom verbrauchten, dass auch unbewohnte Wohnungen über dem Messwert beim Jahresstromverbrauch lagen. Der tatsächliche Leerstand liegt also höher“, erklärt Bürgermeister-Stellvertreter Kay-Michael Dankl. „Eine zweite Studie zur Mindernutzung von Wohnraum zeigt, dass sogar im Neubau der letzten zwanzig Jahre viele Wohnungen nicht als Hauptwohnsitze genutzt werden. Bei gewerblichen Bauträgern standen rund 12 Prozent leer oder wurden als Zweitwohnsitze verwendet. Das ist nicht im Sinne der Salzburger Wohnbevölkerung. Wir peilen für 2025 eine umfassende Studie an, die methodisch am neuesten Stand ist und den gesamten Wohnungsbestand im Blick hat“, führt Dankl weiter aus.
Steigende Mieten und hohe Immobilienpreise belasten seit längerer Zeit einen großen Teil der in Salzburg lebenden Wohnbevölkerung. Hinzu kommen die Auswirkungen der Inflation, die vor allem einkommensschwächere Haushalte stark unter Druck setzen. Wohnen ist teuer und die Wohnungsfrage eine zentrale soziale Herausforderung unserer Zeit. In Anbetracht des knappen leistbaren Angebots ist es umso wichtiger, dass vorhandener Wohnraum gut genutzt wird. Das heißt, dass errichtete Wohnungen möglichst ganzjährig und dauerhaft Einwohner:innen als Lebensmittelpunkt zur Verfügung stehen und nicht als Wohnungen ohne Wohnsitzmeldung („Leerstand“) oder Nebenwohnsitzwohnung dem Markt entzogen werden.
„Soziale Wohnungspolitik bedeutet, an mehreren Stellschrauben zu drehen. Mindernutzung von Wohnraum ist kein Kavaliersdelikt mehr. Die beiden vorliegende Studien ermöglichen ein differenziertes Bild über den Status Quo der Leerstandsthematik in der Stadt Salzburg“, ergänzt Bgm.-Stv. Dankl.
Erkenntnisse Studie 1
Im Auftrag der Stadt Salzburg, MA5/03 – Amt für Stadtplanung und Verkehr, wurde die aktuelle Studie "Wohnungsleerstand in der Stadt Salzburg – Datenaktualisierung 2022" vom Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen (SIR) erstellt. Um den Wohnungsleerstand in der Stadt Salzburg zu erheben, wurde der Stromverbrauch als Indikator genutzt. Wohnungen wurden dann als leerstehend eingestuft, wenn der Stromverbrauch unter 200 kWh pro Jahr lag. Mit dieser Erhebungsmethode wird ein geschätzter Gesamtleerstand von 3.600 Wohnungen in der Stadt Salzburg angenommen, was etwa 3,5 % aller Wohnungen entspricht. Solche Leerstände seien in unattraktiveren Lagen und älteren Wohnungen tendenziell häufiger. Im geförderten Mietwohnbau gibt es kaum langfristige Leerstände. Zieht man die so genannte Leerstandsreserve ab, bleiben auch 2022 fast 2.500 mobilisierbare Wohnungen in der Stadt.
„Die Zahl der langfristigen Leerstände ist zwar von 2014 bis 2022 zurückgegangen, was aber vorwiegend auf die Umsetzung einzelner größerer Projekte wie der Strubergasse oder der General-Keyes-Straße zurückzuführen ist“, erklärt Studienautorin Inge Strassl.
Um zwischen 2014 und 2022 Vergleichbarkeit herzustellen, wurden beide Male 200 kWh als Grenzwert festgelegt. Methodisch einschränkend wirkte in der Studie, dass heute davon auszugehen ist, dass sehr viele Wohnungsneubauten mit moderner Haustechnik einen höheren Basisstromverbrauch haben. Dadurch könnten im Vergleich zur ersten Erhebung im Jahr 2014 mittlerweile viele Neubauten aus dem Erhebungsraster gefallen sein. Aussagekräftiger ist die Studie für den Bestandswohnungsbau: Größere Langzeitleerstände gibt es in diesem Bereich in Eigentumswohnanlagen von 1960 bis 1980, im geförderten jedoch Mietwohnbau kaum. Der Rückgang seit 2014 muss also differenziert betrachtet werden. „Eine strukturelle Reduktion des Leerstandes seit 2014 konnte nicht festgestellt werden“, hält Bgm.-Stv. Dankl fest.
Erkenntnisse Studie 2
Die zweite Studie, "Mindergenutzter Wohnraum in der Stadt Salzburg – Strukturen und Motivation von Wohnraum ohne Hauptwohnsitz", ist ein Forschungsprojekt des Fachbereichs Soziologie und Sozialgeographie der Universität Salzburg im Auftrag der Stadt Salzburg, MA5 – Raumplanung und Baubehörde. Die Studienautor:innen untersuchten erstmals, welche Rolle Leerstand und Nebenwohnsitzwohnungen im Neubau der letzten zwei Jahrzehnte (2000-2021) in der Stadt Salzburg – insbesondere bei Wohnbauprojekten von städtebaulich relevanter Größe – spielt und welche Faktoren diese Phänomene begünstigen. Mit adressbezogenen Verknüpfungsanfragen von Wohnungs- und Meldedaten konnten Aussagen zur Melderealität von 7.295 Wohneinheiten (60 % der in diesem Zeitraum errichteten Wohnungen) für den Untersuchungszeitpunkt im April 2022 (Stichtagsbetrachtung) gemacht werden. Die Untersuchung stützt sich zudem auf standardisierte Haushaltsbefragungen in Gebieten mit hohem Anteil mindergenutzten Wohnraums.
Dazu Studienautor Andreas Van-Hametner: „Es fehlte bislang an detaillierten Kenntnissen zu den Ausmaßen und den dahinterliegenden Strukturen von mindergenutztem Wohnraum. Mit der vorliegenden Untersuchung konnten wir erstmals aufzeigen, dass Leerstand und Nebenwohnsitzwohnungen auch im Neubau eine größere Rolle spielen. Für eine Analyse der gesamten Stadt müssen erst die Datensätze auf sogenannte „Klärungsfälle“ geprüft werden.“
Die Studie kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass mindergenutzte Wohnungen auch im Wohnungsneubau eine wesentliche Rolle spielen. Rund 8,7 % der 7.295 untersuchten Wohneinheiten wiesen zum Untersuchungszeitpunkt entweder keine Wohnsitzmeldung („Leerstand“) oder ausschließlich Nebenwohnsitzmeldungen auf. Den deutlich größeren Anteil an diesem mindergenutzten Wohnraum machen dabei mit einem Anteil von 5,6% Wohnungen ganz ohne Meldung („Leerstand“) aus. Die Ausprägung mindergenutzten Wohnraums wird wesentlich von den Faktoren Bauträgertyp, Ausrichtung auf Eigentum oder Miete sowie Größe der Wohnbauprojekte bestimmt. Bei Projekten gemeinnütziger Bauträger mit überwiegend Mietwohnungen und großen Kooperationsprojekten von gewerblichen und gemeinnützigen Bauträgern ist der Anteil mindergenutzter Wohnungen im Vergleich unterdurchschnittlich.
Segmente am Wohnungsmarkt sind unterschiedlich stark betroffen
Vergleichsweise höhere Leerstände weisen den beiden diskutierten Studien nach Projekten mit überwiegend Eigentumswohnungen sowohl im Bestand als auch im Neubau auf. Wenn die Wohnungen nicht gemeinnützig und gefördert, sondern im gewerblichen Sektor errichtet wurden, erhöhen sich die Zahlen im Durchschnitt noch einmal. In der Stichprobe der Universität Salzburg sind nur 1,9 % der gemeinnützigen Mietwohnungen leerstehend. In Mischprojekten ist die Zahl mit 3,3 % etwas höher. Gemeinnützige Eigentumswohnprojekte weisen 6,5 % Leerstand auf. Gewerbliche Projekte kommen auf bis zu 7,4 % (ohne Nebenwohnsitze).
Bürgermeister-Stellvertreter Kay-Michael Dankl resümiert: „Der Eigentumsbereich ist das wohnungspolitische Sorgenkind in der Stadt. Von 1000 Eigentumswohnungen von privaten Investoren stehen etwa 100 leer oder werden nur als Nebenwohnsitz genutzt, was enorm hoch ist. Als Stadt wirken wir dem entgegen und setzen im Neubau und bei der Sanierung auf gemeinnützigen Mietwohnbau mit weniger Leerstand.“
4 Schritte zur Mobilisierung: Verstehen, Nachschauen, Einheben, Mobilisieren
Die Stadt Salzburg arbeitet an mehreren Stellen gegen die Mindernutzung von Wohnraum. Für eine erfolgreiche Umsetzung einer Strategie setzt die Stadt ein abteilungsübergreifendes Projekt im Magistrat der Stadt Salzburg auf, das im wesentlichen vier Punkte abdecken wird:
- Grundlagen verstehen: Weitere Studien und Analysen durch Wohn-Expert:innen
- Vor Ort nachschauen: Mitarbeiter:innen der Baubehörde prüfen die Verdachtsfälle
- Die Abgaben einheben: Das Abgabenamt hebt die Leerstandsabgaben ein und straft
- Leerstand mobilisieren: Abgaben sind nicht der einzige Weg zu einer Mobilisierung
„Mit der Veröffentlichung der Studien und der Einrichtung eines Projektteams wurden erste Schritte gesetzt. Das Ziel ist es, die mobilisierbaren Leerstände in Schwerpunkt-Aktionen zu finden und schrittweise einer Wohnnutzung zuzuführen. Parallel werden Anreize wie eine Vermieterberatung eingeführt, aber auch Strafen erhöht. Hier erhofft sich die Stadt mehr Spielräume vom Land für eine konsequente Leerstandspolitik auf der Gemeindeebene“, fasst Bgm.-Stv. Kay-Michael Dankl die geplanten Schritte zusammen.
Tobias Neugebauer