Wege aus dem Personalmangel in der Elementarpädagogik

Auinger: "Höchste Zeit für einen überparteilichen Schulterschluss von Bund, Land und Gemeinden"
13.04.2022

Die Situation in den Kindergärten und Kleinkindgruppen ist österreichweit dramatisch. Für öffentliche und private Träger von Kinderbildungs- und –betreuungseinrichtungen ist es zunehmend schwierig geworden, ausreichend und qualifiziertes Personal zu finden. Ein Problem, auf das der für Kinderbildung- und -betreuung zuständige Bürgermeister-Stellvertreter Bernhard Auinger in der Vergangenheit bereits mehrfach aufmerksam gemacht hat. Bei einem Pressegespräch am Mi, 13. April 22 unterstrich er: „Die Lage spitzt sich weiter zu. Ähnlich dem Pflegenotstand zeichnet sich auch in der Kinderbildung und-betreuung eine drastische Entwicklung ab. Es ist daher höchste Zeit für einen überparteilichen Schulterschluss zwischen Bund, Land und Gemeinden. Dieser Thematik muss die Priorität zukommen, die sie verdient. Im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist flexible Kinderbetreuung eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Dafür braucht es aber eine massive Ausbildungsoffensive und ausreichend finanzielle Mittel.“ Auf dieses höchst aktuelle Problem weisen neben Bernhard Auinger auch Personalvertreter Walter Fuchsbauer und die Leiterin des Kindergartenreferats der Stadt Salzburg, Monika Baumann, hin.

Bekannte Problematik spitzt sich zu

Das Problem ist nicht neu. Der Bedarf an Betreuung steigt, doch das dafür nötige Personal in der Elementarpädagogik ist österreichweit nicht vorhanden, da die Ausbildung in der Vergangenheit nicht parallel zum Betreuungsangebot ausgebaut wurde. Die Stadt Salzburg als größter öffentlicher Träger von Kindergärten, Horten und Kleinkindgruppen im Bundesland musste corona- und krankheitsbedingt zum ersten Mal eine Einrichtung schließen, da das gesamte Personals ausgefallen war.

Monika Baumannbedauert die Ausnahmesituation und versteht den Ärger der Eltern: „Die schwierige Lage, ausgebildetes Personal zu finden, betrifft uns schon länger. Diese Entwicklung hat sich durch die Pandemie und den aktuellen Lehrer:innenmangel weiter drastisch verschärft. In den letzten Jahren gab es viele arbeitssuchende Lehrer:innen, die vorübergehend in den Kindergärten eingesetzt werden konnten und damit den Personalmangel überdeckten. Durch den Lehrer:innenmangel und den Wegfall dieser Personalressource hat sich der Personalmangel in den letzten beiden Jahren noch verschlimmert. In den letzten drei Jahren konnte der Stellenplan der Stadt Salzburg erfreulicherweise um 15 Vollzeitstellen stark aufgestockt werden. Insgesamt stehen nun 311 Vollzeitäquivalente für mehr pädagogisches Personal zur Verfügung. Damit und durch „Springer:innen“ können die Einrichtungen flexibler agieren. Das war ein notwendiger wichtiger Schritt, da auch die Betreuungszeiten in den Ferien ausgebaut wurden. Leider ist es derzeit fast unmöglich, Elementarpädagog:innen für die Arbeit in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen zu finden, sodass aktuell 22 Stellen nicht besetzt werden können.“ Baumann erklärt zudem, warum die Stadt Salzburg nicht mit Gemeinden im ländlichen Raum verglichen werden kann. „Wir bieten in der Stadt teilweise ein Betreuungsangebot von 6.30 Uhr bis 20 Uhr an. Das machen viele Gemeinden nicht in diesem Maße und haben es dadurch oft leichter, Personal zu finden.“

Mitarbeiter:innen leiden unter der großen Belastung

Die Mitarbeiter:innen in den Kinderbetreuungseinrichtungen leiden ebenfalls unter der aktuellen Personalsituation. „Die Mitarbeiter:innen haben speziell in den beiden vergangenen Jahren viel kompensieren müssen und dabei sehr viel Engagement  und Flexibilität bewiesen. Der berufliche Druck und die damit verbundene Belastung haben natürlich ihre Spuren hinterlassen. Es ist daher enorm wichtig, sie zu entlasten“, erklärt Personalvertreter Walter Fuchsbauer und weiter: „Der Druck und die starken Belastungen ergeben sich einerseits durch einen vermehrten Arbeitsaufwand in den Kinderbetreuungseinrichtungen: Es sind umfangreiche Dokumentationsarbeiten wie Sprachfeststellungen und Betreuungsvereinbarungen zu erledigen. Andererseits muss aufgrund einer landesgesetzlichen Regelung die halbe Vorbereitungszeit in den Einrichtungen verbracht werden. Natürlich ist da bei vielen Pädagog:innen der Akku leer!“

Auinger bekräftigt dies: „Wir müssen im ganzen Bundesland die Arbeitsbedingungen für die Elementarpädagog:innen noch attraktiver machen. Neben einer adäquaten Bezahlung müssen auch Gruppengröße, Supervision und Weiterbildungen stimmen.“ Beide begrüßen daher grundsätzlich die Änderungen im Landesgesetz für bessere Arbeitsbedingungen, die etwa verkleinerte Gruppen vorsehen. Auinger und Fuchsbauer orten durch die Gesetzesänderung zum aktuellen Zeitpunkt aber einen massiven Haken: „Wenn wir die Gruppengrößen jetzt auch noch verkleinern und gleichzeitig weniger Pädagog:innen in den Kinderbetreuungseinrichtungen arbeiten wollen, werden die Gemeinden in naher Zukunft im gesamten Bundesland weniger Kindern einen Bildungsplatz anbieten können. Das müssen wir mit allen Mitteln verhindern. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen muss daher mit einer massiven Ausbildungsoffensive von Bund und Land einhergehen.“

Kompetenzdschungel muss entwirrt werden

Der Ressortchef weist auf die Wirren des Föderalismus hin und erwartet sich mehr Kooperation von allen Beteiligten. „Die Kompetenzen und Zuständigkeiten beim komplexen Thema Elementarpädagogik verteilen sich auf Gemeinden, Land und Bund. Es braucht daher dringend gemeinsame Anstrengungen aller Körperschaften, um dem Personalmangel entgegenzuwirken. Das Ziel muss sein, Rahmenbedingungen zu verbessern, die Betreuungsqualität zu sichern und die Ausbildung der Pädagog:innen auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Nur so gewährleisten wir, dass langfristig ausreichend qualifizierte Fachkräfte ausgebildet werden.“

Nachdem im September 2021 erste Gruppen in privaten Einrichtungen schließen hatten müssen, lud Auinger mit Landesrätin Andrea Klambauer zu einem Krisengipfel mit 30 Träger:innen privater Kinderbetreuungseinrichtungen. In einer sehr konstruktiven Diskussionsrunde wurden zahlreiche Maßnahmen erarbeitet, die die Schließung von Gruppen verhindern und gleichzeitig die bestehende hohe Betreuungsqualität sichern sollte. „Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket wurde dem Land, dem ehemaligen Bildungsminister Heinz Faßmann sowie dem derzeitgen Bildungsminister Martin Polaschek übermittelt. Passiert ist aber leider bislang sehr wenig; deshalb braucht es rasch einen weiteren Dialog auf Augenhöhe fernab politischer Ideologien“, so Auinger.

Neues Gehaltsschema als Chance für die Stadt Salzburg

Auinger sieht neben Bund und Land auch die Stadt Salzburg selbst in der Pflicht, mögliche Lösungen und Vorschläge zu liefern, um damit Druck von den Mitarbeiter:innen zu nehmen und zu einer Entspannung der Situation beizutragen. „Die im Herbst erarbeiteten Maßnahmen sind nach wie vor gültig und müssen nur umgesetzt werden, um für eine mittel- und langfristige Entlastung zu sorgen. Darüber hinaus arbeiten wir in der Stadt selbst an Lösungen, um die Situation zu verbessern. Wir nutzen zum Beispiel Arbeitsstipendien, um motivierten und interessierten Umsteiger:innen die zusätzliche Ausbildung zu erleichtern.“

Dazu ergänzt Monika Baumann: „Wir versuchen aktuell gute und bewährte Zusatzkräfte langfristig an uns zu binden. Besonders freue ich mich über Mitarbeiter:innen, die neben ihrer Ausbildung zur Elementarpädagog:in, Sozialpädagog:in oder während ihres Pädagogik-Studiums bereits bei uns als Zusatzkräfte arbeiten. Auch Mitarbeiter:innen während der Nostrifizierung sind mir herzlich willkommen. Ich hoffe, dass diese nach der Ausbildung oder Nostrifizierung zur Fachkraft dauerhaft bei uns arbeiten.“

Auch das neue Gehaltsschema für die Stadt Salzburg bietet zusätzliche Möglichkeiten, wie Walter Fuchsbauer weiß: „Das derzeit diskutierte neue Gehaltsschema ist eine Chance, die Stadt als Arbeitgeberin noch attraktiver zu machen. Dabei sollen facheinschlägige Vordienstzeiten noch stärker im Einstiegsgehalt berücksichtigt werden. Hierbei laufen bereits Gespräche.“

Das Maßnahmenpaket sieht folgende Punkte vor:

  • Zugang zu Ausbildungen ohne Matura als Grundvoraussetzung schaffen

Für alle Ausbildungsvarianten im Bereich Elementarpädagogik, die die Arbeit in einem Kindergarten ermöglicht, ist die Matura eine Voraussetzung. Das ist vor allem für Umsteiger:innen oft eine gewaltige Hürde – eine zeitliche aber auch finanzielle. Ergänzend zu den bestehenden Ausbildungsformen braucht es daher für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung ohne Matura einen erleichterten Zugang zur Elementarpädagog:innen-Ausbildung. Das betrifft speziell das Bildungsanstalt für Elementarpädagogik/BAFEP-Kolleg. Ziel muss sein, die wichtige Gruppe der Kolleg-Absolvent:innen zu vergrößern, da sich sie sicht bewusst für die Ausbildung entscheidet und auch länger im Beruf bleibt.

Darüber hinaus sollte man die Möglichkeit „Elementarpädagogik als Lehre“ prüfen und öffentlich diskutieren. Hier hätte man die Möglichkeit, junge Menschen durch viel Praxiszeit in den Einrichtungen zu verankern.

  • Zusätzliche Ausbildungsförderungen für Schulungen durch das AMS

Ausbildungsförderungen, die es bereits bis 2014 gab, um Quereinsteigern, Personen im zweiten Bildungsweg und Alleinerziehenden eine fachgerechte Ausbildung zu ermöglichen, wären österreichweit ein wichtiger Schritt. Diese Ausbildungen/Schulungen befähigen ein Arbeiten als Pädagog*in einer Kinderbetreuungseinrichtung. Handlungsbedarf liegt hier beim zuständigen Bundesministerium für Arbeit als auch beim AMS.

  • Mehr Männer für den Beruf begeistern

Der Anteil an Männern im Beruf ist leider nach wie vor mit 2 Prozent im Bundesland Salzburg sehr gering. In der Stadt Salzburg ist der Anteil in den vergangenen Jahren zwar auf 16,8 Prozent angewachsen, das grundsätzliche Bedürfnis, nach mehr Männer im Beruf ist aber unverändert. Pädagogisch wäre eine größere Balance der Geschlechter bei den Betreuer:innen zudem sehr sinnvoll. Der Beruf muss daher auch für Männer attraktiver werden. Gerade über den zweiten Bildungsweg besteht die Chance, das pädagogische Personal noch vielseitiger zu besetzen, in dem man Fähigkeiten wie zum handwerkliche Kenntnisse aus vorherigen Berufen auch in den Kinderbetreuungseinrichtungen nützt. Das betrifft und ist gleichermaßen im Sinne von Gemeinden, Land und Bund. Zusätzlich ist das Bildungsministerium gefordert, die Lehrpläne für die Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik diverser und damit auch für die Ausbildung (junger) Männer attraktiver zu gestalten.

  • Zugang zum Bachelorstudium Elementarpädagogik öffnen und anerkennen

In Salzburg gibt es bereits seit 2018 an der Pädagogischen Hochschule das Bachelorstudium Elementarpädagogik. Jedoch sind dafür nur Absolvent:innen der BAFEP zugelassen. Dieses Studium sollte man für alle Maturant:innen - vorbehaltlich zusätzlicher Pflichtpraktika - öffnen, um noch mehr Interessent:innen anzusprechen. Hier ist konkret das Bildungsministerium gefordert.

  • Neuen Lehrgang Elementarpädagogik in Salzburg ermöglichen

Wien, Niederösterreich und das Burgenland haben auf den Mangel an Elementarpädagog:innen reagiert und bieten an vier Pädagogischen Hochschulen einen eigenen Hochschullehrgang an. Speziell für Quereinsteiger:innen aus anderen Bildungsberufen ist diese Möglichkeit attraktiv. Das Bildungsministerium ist hier gefragt, die Angebote auf weitere Bundesländer auszudehnen als auch das Land, es zu unterstützen.

  • Ausbau der Kapazitäten an der BAFEP

Das Interesse an der Ausbildung am BAFEP-Kolleg ist groß. Die Kapazitäten, mehr Kollegklassen anzubieten, sind aber begrenzt. Dazu gibt es bereits Gespräche um adäquate zusätzliche Räumlichkeiten zu finden. Im Zuge der Umsiedlung der BAFEP ist ein Ausbau an Kolleg-Plätzen voranzutreiben. Die Verweildauer im Beruf ist gerade hier wesentlich höher als über den klassischen Schulweg der BAFEP.

  • Aufwertung und zusätzliche Bewerbung des Jobs

Es braucht eine generelle stärkere Bewerbung, Aufwertung und Sichtbarmachung des Berufs auf allen Ebenen. Das Gehalt wurde zwar in den letzten Jahren verbessert, muss aber speziell im privaten Bereich noch nachgebessert werden. Die wichtige Rolle von Elementarpädagog:innen und die dazugehörigen Ausbildungsmöglichkeiten müssen noch stärker im Bewusstsein der Menschen verankert werden.

Abschließend halten alle unisono fest: „Nur wenn es zu einer umfassenden gesetzlichen Reform der Elementarpädagogik auf Bundesebene kommt, die gemeinsam mit Gemeinden, Ländern und sämtliche Sozialpartner erarbeitet wird, kann man den Personalmangel langfristig beheben. Dafür braucht es ausreichend finanzielle Mittel, eine Aufwertung und größere Wertschätzung für die Berufssparte, verbesserte Arbeitsbedingungen, eine Modernisierung sowie den massiven Ausbau der Ausbildung.“

Wege aus der Personalkrise

Informationszentrum/ Sabine Möseneder