Quelle: Stadtarchiv Salzburg, Fotoarchiv Franz Krieger

1938 bis 1945 - die jüdische Gemeinde Salzburgs im Nationalsozialismus

Der "Anschluss" im März 1938 und seine Folgen

Schikanen, Brutalität und Ausgrenzung auf allen Ebenen

Zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ Österreichs an NS-Deutschland (12. März 1938) war die jüdische Gemeinde in Salzburg bereits sehr klein. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 1934 hatten nur 239 EinwohnerInnen „israelitisch“ als ihr Religionsbekenntnis angegeben. Hinzu kam eine zahlenmäßig unbekannte Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, die nach der „Machtergreifung“ Hitlers im Jänner 1933 aus Deutschland nach Salzburg geflohen war, um der Verfolgung zu entgehen.

Der Einmarsch der deutschen Truppen  im März 1938 markierte allerdings auch in Salzburg den Beginn der systematischen Beraubung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und die vollständige Zerstörung der Gemeinde: In den einstigen österreichischen Bundesländern war unmittelbar mit dem „Anschluss“ ein Wettkampf entbrannt, welcher Gau als erster „judenrein“ sein würde. Mit einer in Deutschland bis dahin nicht gekannten Gewaltandrohung und Gewaltausübung, mit willkürlichen Verhaftungen, Beschlagnahmungen, privaten Raubzügen bzw. „wilden Arisierungen“ und Berufsverboten sollte der jüdischen Bevölkerung die Existenzgrundlage entzogen werden. D. h.  nicht nur sollte sie materiell beraubt, sondern auch psychisch zermürbt und zum Aufgeben gedrängt werden.

Auch in Salzburg setzte bereits im März eine erste Verhaftungswelle jüdischer Männer ein. Als Reaktion darauf verließ ein Teil der Juden und Jüdinnen Salzburg schon kurz nach dem „Anschluss“ und ging ins Exil. Jene, die in der Stadt blieben, wurden vielfach zur Zielscheibe von Spott und Verachtung nichtjüdischer SalzburgerInnen, von denen viele bereits vor dem März 1938 Mitglieder illegaler NS-Organisationen waren.

Mit diesen unkoordinierten Gewalttätigkeiten gegen Juden und Jüdinnen gingen auch systematische Maßnahmen zu ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung und Stigmatisierung einher. Zu den hierbei wohl schwerwiegendsten Bestimmungen zählte die Anordnung von Berufsverboten. Bereits am 14. März 1938 wurden jüdische Richter und Staatsanwälte ihrer Posten enthoben, wenige Tage später alle jüdischen Beamten und Rechtsanwälte in Stadt und Land Salzburg aus ihren Ämtern vertrieben. Im Herbst 1938 folgte ein Berufsverbot für jüdische Ärzte. Ziel dieses Vorgehens war es, den Betroffenen ihre finanzielle und soziale Basis zu entziehen und sie gesellschaftlich noch stärker zu isolieren.

Boykott-Aktionen

Zudem kam es auch zum Boykott jüdischer Warenhäuser, SA-Männer klebten Zettel mit der Aufschrift „Judengeschäft“ auf deren Auslagen und bezogen Posten vor den Läden. Beamten und ihren Ehefrauen etwa wurde von den NS-Behörden unter Androhung der Entlassung verboten, bei Juden einzukaufen. Diese Aktionen sollten einerseits die jüdischen Besitzenden zur Aufgabe ihrer Geschäfte drängen, andererseits die nichtjüdischen KundInnen einschüchtern.

Es kam zudem zu einigen Denunziationen aus der Bevölkerung, im Zuge derer Salzburger Geschäftsleute fälschlicherweise angezeigt wurden, jüdisch zu sein. Etliche unter ihnen sahen sich gezwungen, in den lokalen Zeitungen Klarstellungen zu schalten, dass sie kein „jüdisches Geschäft“ seien. So gab etwa das Lederwarenhaus Fritsch in der Getreidegasse bekannt: „Die von übelwollender Seite verbreiteten Gerüchte, daß die Firma Fritsch ein jüdisches Unternehmen sei, sind unwahr! Die Firmeninhaber sind Arier und die Firma Fritsch ist ein rein arisches Unternehmen.“

Weitere Maßnahmen – Verbot von Trachtenkleidung und stigmatisierende Kennzeichnungen

Eine weitere Form symbolischer Ausgrenzung bestand in einer Maßnahme des Salzburger Polizeidirektors Benno von Braitenberg, die Juden und Jüdinnen im Juni 1938 „das öffentliche Tragen von alpenländischen (echten oder unechten) Trachten wie Lederhosen, Joppen, Dirndlkleidern, weißen Wadenstutzen, Tirolerhüten usw.“ verbot. Bei Verstößen dagegen drohte eine Geldstrafe oder zweiwöchige Haft.

Weitreichende antisemitische Maßnahmen folgten dann (im gesamten Gebiet des „Reichs“) mit dem Stempeleintrag „J“ in den Pässen von Jüdinnen und Juden (ab Oktober 1938), dem Zwang als zweiten Vornamen „Israel“ bzw. „Sara“ zu führen (ab Jänner 1939) und ab September 1941 den gelben, so genannten „Judenstern“ auf der Kleidung zu tragen.

Literaturempfehlung
  • Johannes Hofinger, Nationalsozialismus in Salzburg: Opfer. Täter. Gegner, Innsbruck 2016.
  • Daniela Ellmauer / Helga Embacher / Albert Lichtblau (Hg.), Geduldet, Geschmäht und Vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Salzburg 1998.
  • Helga Embacher, Die Salzburger jüdische Gemeinde von ihrer Neugründung im Liberalismus bis zur Gegenwart, in: Dies (Hg.), Juden in Salzburg: history, cultures, fates, Salzburg 2002, 38-66.
  • Günter Fellner, Antisemitismus in Salzburg, 1918-1938, Wien/Salzburg 1979.
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934 – 1945. Eine Dokumentation, Band 2, Wien 1991.