Nazi-Zwangsarbeitslager in der Stadt Salzburg aufgespürt

14.10.2011

In der TriBühne Lehen präsentierte Thomas Weidenholzer, Historiker und Mitarbeiter im Stadtarchiv, am Donnerstagabend, 13. Oktober 2011, vor rund 180 Interessierten „vergessene“ Nazi-Zwangsarbeitslager in der Stadt Salzburg.

Weidenholzer war bei Recherchen auf Arbeitslager an der Kleßheimer Allee und in der Paumanngasse in Lehen gestoßen. Das Polizeigefängnis am Rudolfsplatz habe als Sammellager zum Weitertransport nach Dachau gedient, aber auch als Exekutionsort für entflohene „Ostarbeiter“. Weidenholzer konnte die Namen von 9.000 dort inhaftierten Menschen, zumeist östlicher Herkunft, ausfindig machen und stieß auf viel mehr Todesopfer als bisher bekannt.

Auch bei der 2009 in Konkurs gegangenen Glockengießerei Oberascher, die 1939 auf die Produktion von Haubitzengeschoßen und Granaten umgestellt hatte, fand er ein Barackenlager für ZwangsarbeiterInnen. Zudem hätten Baufirmen und Betriebe mit Holzverarbeitung Lager für Zivilarbeiter und Kriegsgefangene - stets streng voneinander getrennt - unterhalten.

Rassistische Bürokratie

Besonders erschütternd für den Historiker: Dokumentationen von Exekutionen - etwa die eines 17-Jährigen - die von Mitgefangenen durchgeführt werden mussten. Und die barbarische, „rassistische“ Bürokratie: „Auf 48 Quadratmeter wurden entweder 20 Deutsche oder 45 Ausländer untergebracht“. Ende 1941 „verwaltete“ die Gauhauptstadt Salzburg rund 350 Kriegsgefangene in ihrem Lager an der Paumanngasse. Sie verlieh diese an Salzburger Betriebe und verbuchte Einahmen und Ausgaben konsequent als „Wirtschaftsförderung“.

Die Stimmung gegenüber Kriegsgefangenen war zwiespältig. Der Salzburger Ratsherr Fritz Gruber etwa hatte kein Verständnis dafür, dass 80 bis 100 gefangene Russen per Obus zum Bahnhof gefahren werden sollten. Anrainer fürchteten nämlich, dadurch Wanzen zu bekommen.

Rigorose Separation

Hilfestellungen durch die Bevölkerung wurden von den Nazi-Behörden rigoros geahndet. Das Herschenken von Zigaretten an Polen brachte Franz H. fünf Monate Gefängnis ein. Von 1940 bis 1945 wurden 104 Personen wegen „verbotenem GV“ (Geschlechtsverkehr) angeklagt. Das Strafmaß lag zwischen einem und viereinhalb Jahren Kerker bzw. Straflager, je nach Abstammung des Partners/der Partnerin.

Während das Verbot von Abtreibungen bei deutschen Frauen im Frühjahr 1943 verschärft wurde, wurde es zugleich für Ostarbeiterinnen und später Polinnen aufgehoben: Von März bis Dezember 1943 wurden an der Frauenklinik im Landeskrankenhaus an ihnen 45 Schwangerschaftsunterbrechungen vorgenommen. Zynischerweise wurde die Kosten der Abbrüche vom Arbeitsamt getragen. Ziele dabei: die Arbeitskraft der Frauen zu erhalten und die Vermehrung „fremdländischen Blutes“ zu verhindern…

Weitere Informationen zum Projekt „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ auf
www.stadt-salzburg.at/ns-projekt

Thomas Weidenholzer vom Stadtarchiv:
Thomas Weidenholzer vom Stadtarchiv:

Karl Schupfer