KZ Buchenwald
Das Konzentrationslager Buchenwald, acht Kilometer von der Stadt Weimar entfernt auf dem Ettersberg gelegen, war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Es bestand zwischen Juli 1937 und April 1945. Insgesamt waren in diesem Zeitraum etwa 266.000 Menschen aus zahlreichen Ländern Europas inhaftiert, ca. 56.000 von ihnen überlebten das Lager nicht. Viele Gefangene wurden von der SS ermordet oder starben an den unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Manche Häftlingsgruppen wie etwa sowjetische Kriegsgefangene wurden zur sofortigen Ermordung in der Genickschussanlage selektiert.
Von 1937 bis Dezember 1941 wurde Buchenwald vom Lagerkommandanten Karl Otto Koch geleitet, ihm folgte bis April 1945 Herman Pister nach. Koch wurde später von der SS selbst wegen Mordes und Korruptionsvergehen angeklagt und am 5. April 1945 hingerichtet. Pister wurde nach dem Krieg als NS-Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und starb 1948 in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech.
Am 11. April 1945 näherten sich Einheiten der US-Armee dem Lager, woraufhin die SS weitgehend floh und das Lager befreit werden konnte. Im Untergrund hatte sich jedoch unter Häftlingen schon länger eine Widerstandsorganisation formiert, der es auch gelungen war, aus einem SS-Lager entwendete Waffen versteckt zu halten. Ab Anfang April bemühte sie sich durch verschiedene Sabotageaktionen, so genannte „Evakuierungen“ bzw. Todesmärsche aus Buchenwald zu verzögern. Am 8. April glückte es zudem, die US-Armee per Funk heimlich um Hilfe zu rufen. Die Befreiung von Buchenwald ist somit als ein Zusammenspiel der heranrückenden US-Armee und dem internen, kommunistisch geprägten Widerstandskommando zu verstehen.
Ankunft in Buchenwald und Wundversorgung
Buchenwald war auch das KZ, in welchem Marko Feingold mit Abstand am längsten inhaftiert war. Vom Tag seiner Ankunft, dem 12. Juli 1941, bis zur Befreiung 1945 verbrachte er dort insgesamt drei Jahre und neun Monate. Er wurde zunächst ins Krankenrevier eingewiesen, wo seine chronischen Wunden am Bein von zwei Häftlingen operiert wurden. Einer unter ihnen, der Kommunist Walter Krämer, war für seine medizinischen Fähigkeiten, die er sich im Selbststudium angeeignet hatte, bekannt und half damit vielen. Feingold verbrachte zwei Wochen im Krankenrevier. Schließlich entging er nur knapp einem Experiment des KZ-Arztes Waldemar Hoven, der zwölf Häftlinge für eine Hautübertragung suchte. Feingold war dafür vorgesehen, wurde aber am Ende doch nicht von Hoven ausgewählt, da sich seine Wunde in der Nacht zuvor auf einmal geschlossen hatte. Alle anderen elf Häftlinge starben in den folgenden Wochen an Blutvergiftung.
Arbeitskommandos Steinbruch, Lorenziehen, Steinetragen
Nachdem Marko Feingold das Krankenrevier verlassen hatte können, wurde er zu Beginn dem Arbeitskommando im Steinbruch zugeteilt. Später folgte das Lorenziehen, das darin bestand, die im Steinbruch abgespaltenen Steine abzutransportieren. Allerdings liefen die Loren nicht wie üblich auf Schienen, sondern mussten von den Häftlingen allein mit ihrer Körperkraft über den oft holprigen Boden gezogen werden. Im nächsten Arbeitskommando wurde Feingold zum Steinetragen für den Straßenbau eingeteilt. Um Schlägen seitens der SS oder von Kapos zu entgehen, waren die Häftlinge gezwungen, schnellstmöglich große, schwere Steine zu nehmen. Zudem kam es beim Aussuchen oft zu Verletzungen an den Fingern durch andere, sich vom Haufen lösende Steine. Umso froher war Marko Feingold, als es ihm gelang, von diesem Arbeitskommando weg in die Fuhrkolonne zu kommen.
Arbeitskommando Fuhrkolonne; Strafen und Erniedrigungen
Die Häftlinge der Fuhrkolonne, sarkastisch auch „singende Pferde“ genannt, transportierten Baumaterialien, Zement, Holz und Baumstämme zu den jeweiligen Baustellen. Der SS war man auch hier schutzlos ausgeliefert. Feingold erinnerte sich etwa an den besonders grausamen SS-Mann Gustav Greuel und folgenden Vorfall: Als er mit anderen Häftlingen der Fuhrkolonne einen Wagen mit Split für den Straßenbau vollladen musste, konnte aus logistischen Gründen jeweils nur eine Person die Schaufel halten. Daraufhin befahl Greuel, alle müssten mit ihren bloßen Händen schaufeln, wovon diese ganz offen wurden. Im Anschluss ließ er die Häftlinge verprügeln, wobei sie ihren Kopf zwischen seine Knie legen mussten, während ein Kapo ihnen die Schläge verabreichte. Dies war nur eine der unzähligen brutalen Bestrafungsmethoden, die Marko Feingold am eigenen Leib zu spüren bekam.
Erniedrigungen konnten zudem mitunter auch von Mitgefangenen ausgehen: Jüdische Häftlinge mussten in Buchenwald im Sommer abends oft noch zusätzlich in der Gärtnerei arbeiten. Feingold empfand diese Arbeit als besonders furchtbar. Sie bestand darin, ein Gemisch von Kot, Harn und Küchenabfällen auf die Felder zu transportieren und dort aufzutragen. Hierzu kippten ihnen in der Gärtnerei tätige polnische Häftlinge den schmutzigen Inhalt in Tragen ein. Feingolds Schilderungen zufolge taten viele das absichtlich so, dass die jüdischen Häftlinge dabei mit Kot vollbespritzt wurden.
Überleben als Maurer
Im Frühsommer 1942 bekam Marko Feingold schließlich die Gelegenheit, in Buchenwald als „Maurerlehrling“ zu beginnen. Die SS plante damals den Bau der so genannten Gustloff-Werke, eine Waffenfabrik, die im März 1943 in Betrieb ging. Der politische Häftling Robert Siewert, als Kommunist und Widerstandskämpfer inhaftiert, machte den zuständigen Bauführer darauf aufmerksam, dass er deutschsprachige Häftlinge zu Maurern ausbilden könne. Siewert, in Feingolds Worten die „graue Eminenz des Lagers“, stand als deutscher politisch Verfolgter in der Häftlingshierarchie (siehe Link Arolsen Archives) weit oben und nutzte seine Stellung immer wieder dazu, anderen Häftlingen zu helfen. So war es Feingold zufolge kein Zufall, dass fast alle von ihm ausgewählten Maurerlehrlinge Juden waren. Auch er versuchte sein Glück und bat Siewert, als Lehrling bei ihm aufgenommen zu werden, was dieser sofort akzeptierte. Aus diesem Grund betrachtete er ihn auch als seinen Lebensretter: Ab Oktober 1942 wurden auf Befehl Himmlers alle jüdischen Häftlinge bis auf rund 200 Facharbeiter bzw. Handwerker nach Auschwitz deportiert. Ohne Siewert hätte Feingold dasselbe Schicksal ereilt.
Leben und überleben: der „Feinkostladen Feingold“
Marko Feingold war in Buchenwald die gesamte Zeit über im selben Block - dem Block Nr. 22 - untergebracht. Dieser galt als „jüdischer Block“, wobei ihm vor allem deutsche und österreichische Juden zugeteilt waren. Dem Block stand der Kommunist Emil Carlebach als Blockältester vor. Marko Feingold empfand ihn als sehr streng, äußerst auf Disziplin und Ordnung bedacht und zudem ihm persönlich gegenüber gehässig, da er kein Kommunist war und auch nicht vorgab einer zu sein. Die Abneigung Carlebachs rührte auch vom Umstand her, dass Feingold von russischen Häftlingen immer wieder Brot und Margarine organisierte, die ihm dann im Block von Häftlingen, die etwas Geld zur Verfügung hatten, abgekauft wurden – im „Feinkostladen Feingold“, wie er es selbst sarkastisch bezeichnete. Nachdem er allerdings einmal mit verdächtig viel Brot erwischt und Carlebach darüber in Kenntnis gesetzt worden war, belehrte ihn dieser, ein „guter politischer Häftling“ tue so etwas nicht, nur ein „Geschäftemacher“. Feingold wiederum rechtfertig dies damit, dass er aufgrund seiner Ablehnung der kommunistischen Ideologie nicht auf die unmittelbare Unterstützung der untereinander organisierten kommunistischen Mithäftlinge setzten konnte. Nichtsdestotrotz sah er in der Lagergemeinschaft von Buchenwald und der bestehenden Solidarität unter Häftlingen den wichtigsten Unterschied zu Auschwitz, wo seinem Empfinden nach der pure Selbsterhaltungstrieb dominierte hatte.
Angst vor Strafe und Tod
Waren die Bedingungen als Maurerlehrling für Feingold auch besser als in den Arbeitskommandos zuvor, so blieb sein Leben dennoch in ständiger Gefahr. Er erinnerte sich etwa an einen Vorfall im Mai 1943 mit einem kroatischen SS-Mann, dem so genannten „Waldläufer“. Er hatte ihn und Fritz Mandl, einen österreichischen Mithäftling, vom Wald aus bei den Gustloff-Werken beobachtet und gemeldet, dass sie getratscht hätten anstatt zu arbeiten. Als Strafe bekamen sie 25 Hiebe auf das Gesäß. Zudem dachten sie, sie würden in weiterer Folge „abgespritzt“ (d. h. mit einer Injektion getötet) werden: Drei Häftlinge, die vor ihnen wegen „Nicht-Arbeitens“ gemeldet worden waren, hatte man auf diese Weise umgebracht. Letztlich geschah Feingold und Mandl nichts. Das Gefühl, dass man jederzeit sterben konnte, und die Gewissheit, dass man in Buchenwald sterben werde, waren jedoch omnipräsent. Marko Feingolds einziger Wunsch war, es solle am Ende wenigstens nicht weh tun.
Überlebenswille und Lichtblicke
Nichtsdestotrotz blieb in ihm stets ein Überlebenswille aufrecht, der ihn nicht aufgeben ließ. Verbunden war dies auch damit, dass Feingold sehr auf seine Körperhygiene bedacht war und sich aufmerksam bemühte, diese nicht zu vernachlässigen. So nutzte er etwa am Abend die Zeit vor der Essensausgabe dazu, sich zu pflegen und seine Kleidung durchzuwaschen, bevor die anderen Häftlinge mit ihrem Geschirr kamen. Zwar bedeutete dies, ein paar Minuten später essen zu können. Seiner Ansicht nach war es aber ohnehin besser, wenn die abendliche Suppe etwas kälter und dadurch fester war. Dies verlieh das Gefühl, man habe etwas mehr im Magen. An seiner Kleidung nahm er zudem schneiderische Änderungen vor, die ihm etwas mehr Komfort verschafften: Er machte seine viel zu weite Jacke enger, kürzte die Ärmel und nähte sich Achselpolster ein, was Tragearbeiten als Maurer weniger schmerzhaft machte.
Einer der wenigen Lichtblicke im KZ-Alltag war auch die Korrespondenz mit seiner Schwester. Es war Feingold erlaubt, alle drei Monate eine Karte zu schreiben. Seine Schwester antwortete ihm hierbei immer, es ginge ihrem Bruder Ernst gut, auch als dieser schon lange tot war. Ende 1941 verfasste Feingold zudem eine Karte an die seit 1938 von den Nationalsozialisten eingesetzte Kultusgemeinde Wien, in der er um Unterstützung bat. Bis zum Schluss erhielt er daraufhin alle paar Monate ein Hilfspaket aus Wien. Feingold erinnerte sich lebhaft an ein Grahamweckerl, das im ersten Paket enthalten war und für ihn eine kulinarische Besonderheit darstellte.
- Wolfgang Benz / Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 3, Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006.
- Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000 (2. Auflage Salzburg / Wien 2012).
- Gitta Günther / Gerhard Hoffmann, Konzentrationslager Buchenwald 1937 bis 1945. Kleines Lexikon, Ilmenau 2016.
- David A. Hackett (Hg.), Der Buchenwald-Report. Bericht über das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, München 2002.
- Hermann Langbein ,, ...nicht wie die Schafe zur Schlachtbank": Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Frankfurt am Main 1980.
Literarische Erfahrungsberichte anderer Häftlinge (Auswahl):
- Jean Améry, Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten, Stuttgart 2000.
- Emil Carlebach, Tote auf Urlaub. Kommunist in Deutschland. Dachau und Buchenwald 1939 bis 1945, Bonn 2000.
- Imre Kertész, Der Spurensucher – Erzählung, Frankfurt am Main 2002.
- Jorge Semprun, Schreiben oder Leben, Frankfurt am Main 1997 (Übersetzung aus dem Französischen, Originaltitel: L’écriture ou la vie, Paris 1994).
- Elie Wiesel, Die Nacht zu begraben, Elischa, München 2005.