Die IKG Salzburg im 21. Jahrhundert

Das Ende der Gründungsgeneration

Nach der Befreiung 1945 blieben einige hundert jüdische Flüchtlinge in Salzburg und errichteten eine neue Gemeinde. Ihre Kinder aber zogen in den meisten Fällen fort. Marko Feingold betonte bereits in den 1990er Jahren, dass die jüdische Gemeinde Salzburg zunehmend mit „Überalterung“ zu kämpfen hätte: Die IKG war bereits von ca. 500 Mitgliedern auf ca. 100 geschrumpft. Der Zuzug einer Handvoll russisch-jüdischer Familien nach 1989 brachte längerfristig keine Entspannung des demographischen Problems, da sie Salzburg wieder verließen.

Jubiläen

Im Jahr 2001 feierte die jüdische Gemeinde das 100-jährige Bestehen ihrer Synagoge. Es handelte sich um die erste Feier, an der auch ein österreichischer Bundespräsident teilnahm, der damit die Bedeutung der IKG Salzburg für Österreich unterstrich. Im Jahr 2011 jährte sich die Gründung einer eigenen Kultusgemeinde zum 100. Mal. Heute (2021) kann die IKG bereits auf eine über 110-jährige Geschichte zurückblicken. Marko Feingold erlebte dieses letzte Jubiläum nicht mehr. Mit ihm verstarb am 19. September 2019 einer der letzten Gründer einer neuerlichen Gemeinde nach dem Holocaust und der älteste Holocaustüberlebende Österreichs. Ein halbes Jahr vor seinem Tod übernahm Hanna Feingold, Witwe Marko Feingolds, als erste Frau das Amt der Salzburger Präsidentin. An ihrer Seite steht der über 90-jährige Vizepräsident und Vorbeter David Spitzer. Der Holocaustüberlebende kam nach der Befreiung 1945 als DP nach Salzburg, emigrierte nach Israel und kehrte wieder zurück nach Salzburg.

Aktuelle Herausforderungen

Nachwuchsprobleme, Renovierungen und antisemitisch motivierter Vandalismus

Auch aktuell kämpft die IKG Salzburg mit dem Problem der Überalterung, die Gemeinde verkleinert sich zunehmend. Die IKG verfügt zudem nur über wenige finanzielle Mittel. Dringend notwendige Renovierungsarbeiten an Synagoge und Friedhof stellte die kleine Gemeinde daher vor große Herausforderungen. Hanna Feingold ist bemüht, die Sichtbarkeit der jüdischen Gemeinde in Salzburg zu verstärken und lud daher im Jahr 2020 einige FremdenführerInnen ein, sodass sie diese in ihren Rundgängen stärker berücksichtigen können. Auch heißt sie, wie auch schon ihr Mann, Schulklassen willkommen. Waren zu Marko Feingolds Lebzeiten noch bis zu 100 Schulklassen pro Jahr (!) in der Synagoge zu Gast, verringerte sich diese Zahl seither drastisch auf nur noch 20.

Ein weiteres Problem, das die IKG Salzburg weiterhin beschäftigt, ist die Angst vor Antisemitismus. In den Jahren 2013 und 2014 beschmierten Rechtsextreme zahlreiche Stolpersteine, die für jüdische Opfer verlegt wurden. Auch die Synagoge wurde immer wieder Ziel von Vandalismus. Ausgerechnet am 75. Jahrestag der Novemberpogrome im Jahr 2011 wurden Türschlösser der Synagoge verklebt (s. Link Der Standard), Türglocke, Schild und Sicherheitsanlage mit schwarzem Lack beschmiert. Einige Monate später besprühten Rechtsextreme die am Gartenzaun angebrachten Davidsterne mit gelber Farbe (s. Link ORF) und verunstalteten sie damit zu „Judensternen“.

Polizeischutz und Sicherheitsvorkehrungen, die schon seit Jahrzehnten erhöht sind, wurden erst vor kurzem wieder verstärkt – aus Angst, die antisemitischen Verschwörungsmythen in Zusammenhang mit Covid-19 könnten zu weiterem Vandalismus führen. Direktem offenen Antisemitismus oder tätlichen Übergriffen waren jüdische SalzburgerInnen bislang (Stand: 15.03.2021) kaum ausgesetzt.

Literaturempfehlung:

Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000.