Restauriertes „Andreashaus“ als Herzstück des Welterbetags 2025

Anlässlich des Österreichischen Welterbetags öffnete die Stadt Salzburg am Samstag, dem 26. April, die Tore des frisch restaurierten Wohn- und Geschäftshauses und Pfarrhofs St. Andrä im Andräviertel. Im Rahmen eines halbtägigen Tags der offenen Tür hatten Interessierte Gelegenheit, das beeindruckend restaurierte Gebäude bei Führungen zu entdecken und Einblicke in die Geschichte sowie in die aufwändigen Sanierungsmaßnahmen zu gewinnen. Ungefähr 270 Personen machten sich ein Bild dieses schönen Stückchens Weltkulturerbe, darunter Altbürgermeister Heinz Schaden. Vor den Vorhang geholt wurde speziell die Handwerkskunst der Wandmalerei, die neben anderen kunsthandwerklichen Techniken wie der Vergoldung oder Stuckierung immaterielles Kulturerbe darstellt.
Für Welterbebeauftragter und Abteilungsvorstand der Raumplanung und Baubehörde Andreas Schmidbaur war dieser Tag ein besonderer: "Welterbe ist natürlich auch Diskussion über einzelne Projekte, aber Welterbe ist viel, viel mehr: Ein Verständnis für die mit dieser Auszeichnung verbundenen Chancen und Verantwortungen, ein Bewusstsein für den unglaublichen Wert, in dem wir uns tagtäglich bewegen und aufhalten dürfen. Seit Jahren verwendet die Stadt Salzburg ein besonderes Format des Welterbetags – „Baustellenbesichtigung“ gemeinsam mit gut lesbarer, hochqualitätvoller Dokumentation (booklet). Dabei kann die Bevölkerung hinter die Kulissen unseres Welterbes schauen und die Liebe, die Professionalität und auch den Aufwand, der uns als Stadt wichtig ist, erleben. Für mich jedes Jahr ein besonderes Erlebnis in unserer Vermittlungsarbeit zum Welterbe!"
Ein Tag im Zeichen des Welterbes
Der Welterbetag, der weltweit rund um den 18. April gefeiert wird, soll auf den Schutz und die Bedeutung einzigartiger Kultur- und Naturstätten aufmerksam machen. In diesem Jahr stand der Tag in Salzburg ganz im Zeichen des Andräviertels, das als Herz der Salzburger „Neustadt“ gilt und im Rahmen der Quartiersdialoge derzeit im Fokus des Welterbes steht.
Ein besonderes Augenmerk galt dem sogenannten „Andreashaus“, das 1899/1900 von Universalkünstler und Architekt Josef Wessicken als Pfarrhof St. Andrä als auch als Wohn- und Geschäftshaus geplant wurde und bis heute diese verschiedenen Funktionen erfüllt. Die kunstvoll in historistisch italienischen Stilformen eines venezianischen Palazzo gehaltene Fassade, auf der vorderseitig ein Mosaik des namensgebenden Apostels Andreas prangt – ein wahres Juwel der Gründerzeit – wurde im Rahmen der Sanierung teilweise rekonstruiert. Mit der Freilegung historischer Bögen wurde die ursprüngliche Struktur des Geschäftssockels wieder hergestellt. Ein zentrales Anliegen des Projekts war zudem die barrierefreie Erschließung: Ein neuer Lift erschließt das Gebäude nun auf allen Ebenen – und wurde gestalterisch so integriert, dass sich ein Originalfliesenmotiv des historischen Stiegenhauses darin wiederfindet. Diese zeitgenössische Adaption verbindet Alt und Neu auf bemerkenswerte Weise.
Sorgfältige Restaurierung eines Gesamtkunstwerks
Der Pfarrhof war von Beginn an als dekoratives buntfarbiges Gesamtkunstwerk in seinem Inneren und Äußeren angelegt, was zunächst gar nicht klar war. „Seine Schönheit hat sich uns erst nach und nach – im Verlauf der Restaurierungsarbeiten – erschlossen, wie auch seine Farb- und Designkonzept.“, so Bauhistorikerin Redl-Bunia. Die 2012 gestartete und 2024 abgeschlossene Sanierung des Pfarrhofs, erfolgte mit besonderem Augenmerk auf ein sensibles Bauen im Bestand. Dies erforderte punktuelle Kompromisslösungen, um historische Substanz zu erhalten und gleichzeitig moderne Anforderungen umzusetzen. „Die dafür erforderliche Achtsamkeit im Umgang mit dem hochwertigen historischen Bestand und seiner künstlerischen Gestaltung war nur im Zusammenspiel der beteiligten Kräfte möglich.“, so Thomas Trattner vom Büro „Baukultur 2“.
Ein künstlerisches Highlight stellt das restaurierte Stiegenhaus dar. Dafür wurden Kilometer lange Ornamentbänder, bestehend aus sogenannten Linierungen und Schablonierungen: das sind farbige handgemalte Linien und mit Schablonen handgestupfte Schmuckbänder aus pflanzlichen und geometrischen Motiven in reiner Handarbeit und Überkopf an Decken und Wänden von einem 20köpfigem Team präzise und minutiös aufgetragen.
Während zuletzt alle Wände schlicht weiß gestrichen waren, konnten im Zuge der Arbeiten die ursprünglichen Farbgebungen und Ornamentierungen als Originalreste entdeckt und rekonstruiert werden. Erste Spuren der historischen Malereien tauchten an der Abschlussdecke auf, woraufhin das Stiegenhaus vorsichtig mit Knochenleim „strappiert“ – also schonend freigelegt wurde. Diese Methode ist vergleichbar mit einem Peeling für Wände und ermöglichte es, die jüngeren, zum Teil schädlichen, da Kunststoff gebundenen Schichten behutsam abzutragen und die Wände und Decken auf ihre originale Oberfläche freizulegen. Von der bauzeitlichen Ausstattung bunter Wände und Decken waren nur mehr Reste auszumachen, nachdem man die wasserlöslichen Leimfarben abgewaschen hatte.
Nun galt es, in kriminalistischer Feinarbeit und Kombinationsgabe vor allem die Details der einstigen Ornamentik der Schablonenmalereien nachzuvollziehen, was Kirchenmalermeisterin und Restauratorin Christiane Lange bravourös gelungen ist. „Dafür hab‘ ich ganz schön tüfteln müssen, da ja kaum mehr etwas da war.“, so die Mitarbeiterin der Restaurierungswerkstätten Neubauer, die anhand von 1:1 Fotos die dekorativen Formen mit Transparentpapier nachgezeichnet hat. Anhand ihrer Zeichnungen konnten dann die neuen Schablonen angefertigt werden, die teilweise zwei- oder dreischlägig, also in 2 bis 3 Lagen für 2 bis 3 Farbtöne mit dem Pinsel ausgestupft wurden. Dabei hält eine Person die Schablone, während die andere die Farbe aufträgt, wobei es ganz Vieles zu beachten gilt: dass die Schablone gerade liegt und ganz perfekt im nächsten Arbeitsgang angesetzt wird, um eine exakte Kontur der Schmuckbänder zu gestalten. Dies gilt auch für die rahmenden Linien, die in mehreren Etappen mit dem Malerlineal und einem schmalen Pinsel, genannt „Strichzieher“, gezogen werden. „Jeder Strich, jeder Farbauftrag ist eine Herausforderung. Dafür braucht es hohe Konzentration, ein echtes Standvermögen, ein gutes Auge, große Präzision während des Arbeitens, wo nicht zu viel oder zu wenig Farbe auf den Pinsel darf, und vor allem – ganz viel Liebe zu den Dingen.“, so Kirchenmalermeisterin Lange, die selbst Lehrlinge in dieser Handwerkskunst ausbildet.
Das Ergebnis der in reiner Handarbeit wieder hergestellten Ornamente kann sich sehen lassen und fügt sich harmonisch in die mit gelblicher Tonerde in zartem Beigegelb getünchten Wände ein. Diese besondere originale Wandfarbe konnte im Zuge der Arbeiten ebenfalls entdeckt und dank eines Materialvorrats in den Restaurierungswerkstätten glücklicherweise wieder hergestellt werden.
Die umfassende Restaurierung wurde zwischen 2021 und 2023 umgesetzt, in deren Zuge auch das kunstvoll geschmiedete Stiegengeländer, vom schwarzen Lack befreit, wieder seinen original lindgrünen Ölanstrich erhalten hat. Insgesamt leistet somit diese Stiegenhaus-Restaurierung einen wertvollen Beitrag zu Bewusstsein und allgemeinem Wissensstand, dass neben Fassaden und Innenräumen die Treppenhäuser der Gründerzeit und des Jugendstils äußerst kunstvoll gestaltet waren.
Neues Welterbe-Booklet mit wissenschaftlichem Output
Verteilt wurden bei den im Halbstundentakt stattfindenden Führungen auch das eigens von der Stadtgemeinde herausgegebene und dem Pfarrhof gewidmete Welterbe-Booklet, das von Frau Irene Holzleitner-Warwitz erarbeitet worden ist. Im Zuge ihrer akribischen Recherchen fand die Kunsthistorikerin heraus, dass Baukünstler und Universaldesigner Josef Wessicken, der auch die Andräkirche und viele andere Gebäude in Stadt und Land Salzburg, etwa Bad Gastein, und darüber hinaus entworfen hat, äußerst früh, nämlich bereits 1870 den Weg in den Jugendstil beschritten hatte – eine kunsthistorische Novität und echte Besonderheit!
Dies ist vor allem anhand seiner für die südhessischen Kirchen St. Margareta in Froschhausen und St. Stephan in Mainz-Gonsenheim entworfenen Ornamente erkennbar, als auch an seinen Entwürfen für die Andräkirche sowie die Deckenornamentik des Andreashauses: Es sind dies, dem (damals neuen) Jugendstil verhaftete, stilisierte Pflanzenmotive, und zwar eines Kirschlorbeers, der für weltlichen Ruhm steht, als auch eines Efeus als christlichem Motiv für die Ewigkeit, neben einem dritten tulpen- oder glockenähnlichem Blütenmotiv, das mit bereits rein geometrischen Formen kombiniert ist.
An der Wand hingegen gestaltete Josef Wessicken ein traditionelles historistisches Akanthusranken-Band. Dieses Nebeneinander von Tradition und Innovation in der Motivik der Wandmalereien hat die beteiligten Expertinnen und Experten übrigens zunächst zu der Annahme geführt, dass die Ausstattung in zwei Phasen entstanden sei. Die Forschungen Holzleitners kamen aber zu dem Ergebnis, dass der bis dato unterschätzte Baukünstler und Designer Wessicken ein sehr produktiver Zeichner und in allen historischen Baustilen bestens geschulter wie zugleich äußerst kreativ-innovativer Entwerfer war. Einerseits fertigte er bis ins Detail naturalistische Zeichnungen etwa des Kirschlorbeers, Efeus oder Akanthusblatts an – auch bis um 1900; andererseits formte er – parallel dazu –
diese Pflanzenmotive sehr fortschrittlich zu plakativen, geometrisch stilisierten Art Deco-Ornamenten um.
Der Welterbe Tag
Der 18. April steht seit 1982 weltweit als „International Day of Monuments and Sites“ bzw. “World Heritage Day” im Zeichen des UNESCO-Welterbes und soll auf die Besonderheiten und Einzigartigkeiten des gemeinsamen Kultur- und Naturerbes der Welt aufmerksam machen. Vor allem soll ins Bewusstsein gerufen werden, dass es steter Bemühungen bedarf, diese einzigartigen Kultur- und Naturschätze vor Verfall oder Zerstörung zu bewahren. Dazu haben sich 196 Staaten und Gebiete der Welt im Rahmen der Welterbekonvention im Interesse der gesamten Menschheit verpflichtet.
1.223 Stätten von „außergewöhnlichem, universellen Wert“ stehen derzeit unter dem besonderen Schutz der UNESCO und damit der internationalen Staatengemeinschaft – von den Pyramiden von Gizeh über die Ruinenstätte von Machu Picchu bis hin zu den Regenwäldern auf Borneo und dem Great Barrier Reef. Das weltweite Netzwerk der UNESCO-Welterbestätten leistet dabei wesentliche Beiträge zu den globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030.
Lapuch Laura BA