Geschichte und Gegenwart vereint: Stadt stellt Siegerprojekt für Neugestaltung Waagplatz/Mozartplatz vor
Im Jahr 2016 hat der Salzburger Gemeinderat ein Konzept zur Neugestaltung von Salzburger Plätzen und Gassen beschlossen. Nach der Umgestaltung von Residenzplatz und Kajetanerplatz stehen nun Waag- und Mozartplatz am Programm. Am Dienstag, 7. Februar 2023 stellten Baustadträtin Anna Schiester, Baudirektor Alexander Schrank und die Sieger des Architekturwettbewerbs, Lohrer und Hochrein, das Siegerprojekt vor.
Zwei Plätze mit langer Geschichte
Beide Plätze zeichnen sich durch eine besondere historische und baukulturelle Bedeutung aus: Der Waagplatz wurde ursprünglich als ältester Markt- und Gerichtsplatz angelegt, die Bürgerhäuser um den Platz stammen im Kern bereits aus dem Mittelalter. Der Mozartplatz wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts planmäßig angelegt. Mehrere mittelalterliche Häuser wurden abgerissen um Platz für den zeitgleich angelegten Neubau seiner Salzburger Residenz („Neue Residenz“) zu schaffen und einen ursprünglich geplanten Erweiterungsbau derselben nach Norden zu ermöglichen. Bevor der Mozartplatz – mit Errichtung des Mozart-Denkmals (1842) – jedoch überhaupt zum „Mozart-Platz“ wurde, hat man ihn mit Errichtung des einstigen Michael-Brunnens, zum „Michaelsplatz“ gemacht.
Neugestaltung – eine Herausforderung:
Bei der planerischen und gestalterischen Neugestaltung des großen Planungsgebiets gilt es viele Anforderungen unter einen Hut zu bekommen. Diese sind u.a.:
- Altstadtschutz und Weltkulturerbe
- Verschiedene Verkehrs- und Nutzungskonzepte (z.B. Christkindlmarkt, Rupertikirtag, Taxis, Parkplätze,…)
- Archäologische Funde im Erdreich
- Unzählige Leitungen im Boden (die u.a. das Setzen von Bäumen erschweren)
- Barrierefreiheit
- Anliegen von Bewohner:innen, Geschäftstreibenden und Nutzer:innen/Tourist:innen etc (welche im Vorfeld im Zuge eines Beteiligungsprozesses eingebunden waren)
Und als wäre das noch nicht schwierig genug, sind wir noch mit einem anderen Thema konfrontiert, das man in der heutigen Zeit nicht ausklammern kann: Der Klimakrise.
„Fakt ist nämlich, dass die Sommer immer heißer werden. Die Tage mit über 30 Grad zunehmen und es vermehrt zu Starkregenereignisse kommt, bei denen in kürzester Zeit große Wassermassen zu Boden fallen und versickern können müssen. Diesem Umstand wurde beim ausgeschriebenen Wettbewerb erstmals Rechnung getragen“, erklärt Baustadträtin Anna Schiester.
Neben den zwei Bewertungskriterien „Architektur“ und „Baukultur“ wurde erstmals eine dritte Kategorie zur Bewertung eingeführt, nämlich: „Klimafitte Platzgestaltung“: Das heißt, die teilnehmenden Architekt:innen waren angehalten, Themen wie Begrünung, Beschattung, Entsiegelung von Flächen, Brunnen, Trinkwasserspender, den Einsatz von klimafreundlichen Baustoffen und dergleichen mitzuplanen. „All diese komplexen Herausforderungen galt es beim Wettbewerb zu beachten – keine leichte Aufgabe. Umso mehr freut es mich, dass wir heute den Sieger des Wettbewerbs bekannt geben dürfen, dem es gelungen ist die historischen Besonderheiten der Plätze mit den gegenwärtigen Herausforderungen – Klimawandelanpassung, Verkehrsberuhigung und vieles mehr – in Einklang zu bringen“, so Schiester.
„Es freut mich für die Stadt Salzburg, dass wir mit dem Waagplatz und dem Mozartplatz weitere zwei Innenstadtplätze neugestalten dürfen. Mit der Umsetzung des sensiblen Siegerprojektes aus dem Wettbewerb werden Stadträume mit einer sehr hohen Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung und die Gäste unserer Stadt geschaffen“, sagt Baudirektor Alexander Schrank.
Ausschreibung – ein Wettbewerb:
11 Teilnehmer (aus österreichischem und deutschem Raum), darunter 5 Architekturbüros und 6 Landschaftsplanerbüros – allesamt international tätig und Preisträger von Wettbewerben – wurden zum einstufigen und anonymen Realisierungswettbewerb eingeladen.
Durchführung – Chronologie des Wettbewerbs:
• Febr.-Sept. 2022: Erstellung der Ausschreibungsunterlagen
• 24.02.22 – 31.03.22: Bürger:innen Beteiligungsverfahren: ca. 40 Rückmeldungen per E-Mail
• 07.07.22: Öffentlicher Infoabend im Rathaus (ca.50 Personen) für Anwohner:innen, Unternehmer:innen, Nutzer:innen.
Folgende Inhalte wurden dabei mit den Anwesenden diskutiert: Nutzungsplan, Verkehrs- und Nutzungskonzept, Bauhistorische Grundlagen, Stellungnahmen Sachverständigen Kommission, Bundesdenkmalamt, Ergebnis Bürgerbefragung, Vorbereitungen für den Architekturwettbewerb
• 27.09.22: Ausgabe / Versand der Wettbewerbsunterlagen an die 11 Teilnehmer:innen
• 11.10.22: Konstituierung der Preisjury*
• 06.12.22: Abgabe der Wettbewerbsunterlagen
• 07.12. bis 27.12.22: Externe Vorprüfung der eingelangten Unterlagen (7 Abgaben)
• 17.01.23: Preisgerichtssitzung (7 Jurymitglieder)
*Zusammensetzung des Preisgerichts
(F) FachpreisrichterInnen (S) SachpreisrichterInnen
- Alfred Berger, Wien, Vorsitzender der Jury (F)
- Raoul Bukor, Wien, stellv. Vorsitzender der Jury (F)
- Edgar Spraiter, Salzburg (F)
- Alexander Schrank, Baudirektion MA 6, halbe Stimme (F)
- Michael Handl, Amtsleiter MA 6/04, halbe Stimme (F)
- Robert Ebner, Salzburg, halbe Stimme (S)
- Redl-Bunia, MA 5/01- Baurechtsamt, halbe Stimme (S)
- Christina Tscherteu, Förderung Kunst am Bau (S)
- Baustadträtin Anna Schiester (S)
BeraterInnen des Preisgerichts (ohne Stimmrecht, ohne Vollständigkeit):
- Dipl.-Ing. Christian Bratka (MA 6/00 - Baudirektion, Leiter Baucontrolling)
- Ing. Wolfgang Riegler (MA 6/00 - Baudirektion, Baucontrolling)
- Dipl.-Ing. Christian Stadler (MA 7/02 - Stadtgärten, Amtsleiter)
- MMag. Dr. Philipp Götzl
- Bernhard Dannbauer
- Dipl.-Ing.in Susanne Mayer (MA 5/01-Baurechtsamt)
- Mag. arch. Thomas Gruber (Sachverständiger)
- BM KommRin Dipl.-Ing.in Eva-Maria Habersattner-Lindner (SVK)
- Arch. Dipl.-Ing. Andreas Schmid (SVK)
- Dipl.-Ing. Richard Friesacher (MA 6/04)
- Thomas Egger (MA 6/04 öffentliche Beleuchtung)
- Ing. Bernhard Gruber (MA 6/03 Tiefbaukoordination)
- Mag.a art. Elfriede Wimmer-Repp (Kunstbeirat Stadt Salzburg)
- Arch. Dipl.-Ing. Robert Wurbs (Kunstbeirat Stadt Salzburg)
Verfahrensorganisation:
- Arch. DI Johannes Schallhammer
- Hannah Eder
Unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen ist es den Architekten Lohrer + Hochrein aus München gelungen, Altstadtschutz und Klimaschutz nicht als Widerspruch zu sehen, sondern als einander ergänzend. „Ich freue mich, dass wir heute das Siegerprojekt des Wettbewerbs präsentieren dürfen und wir mit der Umsetzung des Projektes ein neues, attraktives Eingangstor in die Altstadt schaffen“, so Baustadträtin Anna Schiester.
Das Siegerprojekt – ein Konzept
Freiräumliches Konzept:
Das vorliegende Konzept verbindet die beeindruckende städtebauliche Raumfolge mit erweiterter Aufenthaltsqualität, verbesserter Klima-Resilienz und Nachhaltigkeit. Die fließend ineinander übergehende spannungsreich Folge von Räumen unterschiedlichster Dimensionen wird offengehalten. Der Raum von überbordender Ausstattung befreit und mit lediglich drei Elemente akzentuiert:
- Intarsien - In den Stadtboden der Teilräume werden intarsienartig Felder eingelegt. Weitgehend mit einem Material- und Texturwechsel verbunden werden sie Träger der Badeschwämme für Klimapuffer und Wurzelraum.
- Klimabäume – konzentriert auf wenige Punkte werden kompakte Großbäume gesetzt unter deren Schatten ergänzend kühle Aufenthaltsbereiche angeboten werden können.
- Skulpturen und Brunnen – die historischen Elemente verbleiben an ihren Platz und werden durch raumwirksame Trinkbrunnen und gegebenenfalls neu arrangierte zeitgenössische Skulpturen ergänzt.
Klima-Konzept
Das Projekt arbeitet hinsichtlich der Klima Resilienz über den gesamten Lebenszeitraum hinweg auf drei Ebenen:
- Vermeiden – der vorhandene Unterbau wird - sofern im Detail möglich - belassen und lediglich in der oberen Schicht überarbeitet und verstärkt.
- Reduzieren – Naturstein besitzt gegenüber einem elaborierten Asphalt einen weitaus geringeren CO2-Fussabdruck und ist über die gesamte Lebensdauer werthaltiger. Zudem wird der Anteil der versiegelten Fläche deutlich reduziert.
- Kompensieren - Die offenporigen Intarsien werden aufbauend auf ein mineralisches Grundgerüst zum Bodenschwamm ertüchtigt – Speicher für Niederschläge und transpirierende Kühlkörper für heiße Tage. Seitenbereiche werden zudem mit kraftvollen Solitärbäumen überstellt. Ergänzend wird niederschwellig Trinkwasser offeriert.
Archäologie / Denkmalpflege
Für die Belagsfläche wird lediglich eine Überarbeitung der vorhandenen Tragschichten und die verstärkende Verwendung von EcoPrec als Bettungsschicht vorgeschlagen. Damit lässt sich ein flächiger Eingriff in den Baugrund vermeiden. Die Schwammkörper / Baumquartiere arbeiten vorrangig im Bereich der neuzeitlichen Platzaufschüttung. Die Bäume sind gruppiert auf wenige Orte konzentriert gesetzt und umspielen - innerhalb dem erforderlichen Abstands - bereits vorhandene Medientrassen, bei denen von einer bereits erfolgten Störung im Untergrund ausgegangen werden kann.
Verkehrskonzept
Der gesamte Bereich wird als Begegnungszone ausgewiesen. Die vorhandene Schilderdichte wird dem entsprechend deutlich reduziert. Die Einfahrt vom Salzachufer her wird mit einer nach vorne gesetzten Schrankenanlage weiterhin beschränkt. Dort erlauben auch getrennte Radspuren eine unbehinderte Ein- und Ausfahrt mit Fahrrädern. Zufahrten und Andienung sind über die gut befestigten Flächen gewährleistet. Erforderliche Stellplätze werden mit Intarsiensteinen im Belag markiert. Für die Platzqualität wäre es dennoch empfehlenswert – insbesondere in den Sommermonaten – über eine weitere Reduzierung von ausgewiesenen Stellplätzen zu diskutieren. Radstellplätze sind dezentral in Paketen mit dem vorgegebenen Bügelsystem ausgewiesen.
Stadtboden
Das sympathisch ruhige und doch markante Stadtboden-Prinzip des Residenzplatzes wird in Format, Material und changierenden Farbspektrum über den nun anstehenden Perimeter fortgeschrieben. Beim Waagplatz ändert sich das Format von Platten auf Pflasterplatten um mit dem kleineren Format dem engeren Raum und dessen Gefällesituation gerecht zu werden. Sofern es die detaillierteren Baugrunduntersuchungen erlauben wird der vorhandene Unterbau lediglich oberflächlich überabreitet und angepasst. Mit EcoPrec wird eine neue verstärkende Zwischenschicht eingebracht, um trotz des Erhalts des Unterbaus eine ausreichende robuste Decke zu entwickeln.
Barrierefreiheit
Der Belag ist ausreichend ebenflächig und griffig. Stufen werden vermieden, Gefälle - so weit von den Anschlüssen her möglich - in die notwendigen flachen Neigungen verzogen. Die Granitsteine haben eine gesägte Oberfläche. Die Fugen sind eng gesetzt. Entlang der Hauptlinien werden als Grundgerüst der Orientierung in den Belag taktile Leitlinien eingefräst. Zudem werden in der Feinplanung die im Platz anfallenden Brücke und Übergänge ergänzend in diese Tastfolge eingeflochten.
Bäume
Mit kräftigen Solitären (einzeln stehende Bäume) werden die Teilräume akzentuiert und kühlere, beschattete Zonen in der Raumflucht angeboten. Die Arten orientieren sich an den klimaresilienten “Zukunftsbäumen“ und reagieren mit filigranerem Blatt- und Astwerk auf die Fassaden in der direkteren Umgebung.
Brunnen und Skulpturen
Neue raumwirksame Trinkbrunnen ergänzen den Reigen der bereits vorhandenen Skulpturen und Denkmälern. Durch die Verwendung von bedarfsgesteuertem Trinkwasser lässt sich der Eingriff in den Untergrund minimieren und Unterhaltskosten reduzieren.
Bänke
Aus einer leichten Faltung entwickelten sich modulartig gegliedert die langen Bänke. Verwendet wird unbehandeltes Lärchenholz auf einem reduzierten Stahlgerüst, das durch die einheitliche Lattung leicht im späteren Unterhalt zu tauschen ist. Modulweise lässt sich die Bankfolge bei Veranstaltungen mit größerem Platzbedarf leicht entfernen.
Für die Umsetzung des Gesamtprojekts sind rund 7,2 Mio. Euro vorgesehen.
Bauzeitplan:
- Leitungssanierungen– Mozartplatz/Kaigasse: (Strom-, Fernwärme-, Wasserleitungen, Kanal) Herbst 2023
- Geplanter Baubeginn – Waagplatz: Herbst 2024
- Geplante Fertigstellung – Waagplatz Ende 2025
- Gesamtfertigstellung aller Planungsgebiete ca. 2027
Klemens Kronsteiner