Robert Jungk

*1913 +1994

Robert Jungk ist 1913 in Berlin geboren. Sein Vater David Baum (Künstlername Max Jungk) war Dramaturg, Schauspieler und Regisseur, seine Mutter Sara Bravo (Künstlername Elli Branden) Schauspielerin. Der Vater starb 1937 im Prager Exil, die Mutter überlebte in der Schweiz. Die Familie repräsentierte eine geglückte deutsch-jüdische Symbiose. Die Synagoge wurde höchstens an den hohen Feiertagen besucht, Robert Jungk war nicht beschnitten und feierte keine Bar Mitzwa. In einer zunehmend antisemitischen Welt vermittelte ihm das spirituelle Judentum des bekannten jüdischen Denkers Martin Buber eine positive jüdische Identität. Emotional verbunden war er den Kameraden, einer nicht-zionistischen Jugendbewegung, die im Sinne Bubers eine Synthese zwischen der deutschen Kultur und dem Judentum anstrebte.

Diese war mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 endgültig gescheitert. Robert Jungk flüchtete damals noch aus politischen Gründen über Zürich nach Paris, 1936 ging er nach Prag und fand letztendlich in der Schweiz Asyl. Unter verschiedenen Pseudonymen – die Schweiz belegte Flüchtlinge mit einem Arbeits- und Publikationsverbot - arbeitete er für schweizerische Zeitungen sowie den Londoner Guardian und schloss ein Studium ab. Nach dem Holocaust fühlte er sich dem Judentum nicht durch die Religion, sondern durch ein starkes Solidaritäts- und Gemeinschaftsgefühl mit den jüdischen Opfern verbunden. Sein Überleben betrachtete er als Auftrag, vor neuen Katastrophen zu warnen und für unterdrückte Minderheiten zu sprechen. Der jüdische Nationalstaat Israel war für ihn keine Option. Er verstand sich als Weltbürger, heimatlos und gleichzeitig in der ganzen Welt zu Hause.

Neubeginn nach 1945

Robert Jungk mit Ehefrau Ruth und Sohn Peter Stephan auf Urlaub in Salzburg

In Europa wollte Robert Jungk nach dem Krieg allerdings nicht mehr leben. Von 1947 bis 1948 arbeitete er als Korrespondent europäischer Zeitungen bei der UNO in New York und in Washington. 1948 heiratete er die Wienerin Ruth Suschitzky, deren Eltern in Auschwitz umkamen. Die beiden übersiedelten 1949 nach Los Angeles, wo 1952 Peter Stephan zur Welt kam. Im selben Jahr erschien Robert Jungks vielbeachtetes Buch Die Zukunft hat schon begonnen.Amerikas Allmacht und Ohnmacht, ein Bericht aus amerikanischen Rüstungslaboratorien sowie eine Warnung vor den Folgen von Atombombentests. Weitere Bücher, in denen er gegen das nukleare Wettrüsten und einen drohenden atomaren Krieg anschrieb, folgten. 1977 prägte er mit seinem gleichnamigen Buch den Begriff Atomstaat.

Die Familie Jungk ließ sich 1957 in Wien nieder. 1960 wird Robert Jungk Vorsitzender der Österreichischen Anti‑Atom‑Bewegung. Gleichzeitig erwachte sein Interesse für die Zukunftsforschung. Er war Mitherausgeber der zehnbändigen Buchreihe Modelle für eine neue Welt und 1967 Mitinitiator von Mankind 2000, eine internationale Organisation, die sich mit der Darstellung konstruktiver Zukunftsentwürfe beschäftigte. Gemeinsam mit dem Soziologen und Friedensforscher Johan Galtung berief er die erste Weltkonferenz für Zukunftsforschung in Oslo ein. Als Honorarprofessor hielt er von 1968 bis 1975 Gastvorlesungen an der TU Berlin für das neu gegründete Fach Zukunftsforschung.

Übersiedelung nach Salzburg

1971 übersiedelte die Familie Jungk nach Salzburg. 1972 wurde Robert Jungk von der Polizei verletzt, als er sich an der Demonstration gegen den Salzburg-Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Richard Nixon beteiligte. Der Protest richtete sich vorrangig gegen den Vietnamkrieg. Als sich 1977 im Salzburger Festspielhaus die Internationale Atomenergiebehörde zu Beratungen über den weltweiten Ausbau der Atomenergie traf, beteiligte er sich an der Protestaktion. Robert Jungk engagierte sich u.a. im gewaltfreien Widerstand gegen die geplante Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa, gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in der Oberpfalz sowie gegen das AKW Temelin.in Tschechien (damals Tschechoslowakei) oder den Atomstandort Mutlangen. 1986 erhielt er den Alternativen Nobelpreis Right Livelihood Award. Im selben Jahr ging mit der Eröffnung der Internationalen Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) (s. Link) im Corso Haus in der Imbergstraße sein langer Traum in Erfüllung. Der Platz vor der JBZ wurde 2011 in Robert-Jungk-Platz umbenannt. Dieser „übersiedelte“ 2015 gemeinsam mit der JBZ nach Lehen. Die JBZ ist nach wie vor ein wichtiger Ort des Dialoges über Zukunftsfragen.

Mit fast 80 Jahren kandierte Robert Jungk 1992 bei den Bundespräsidentschaftswahlen für Die Grünen. Er erzielte 5,7 Prozent der Stimmen. In seinen letzten Lebensjahren kamen ihm auch zahlreiche Ehrungen zu, unter anderem die Ehrenbürgerschaft der Stadt Salzburg (1989), der Alternative Büchnerpreis (1992), im Jahr 1993 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, der Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung sowie das Ehrendoktorat der Universität Osnabrück. In Berlin-Wilmersdorf und in Krefeld wurde eine Schule nach ihm benannt.

Robert Jungk starb 1994 in Salzburg und ist in einem Ehrengrab am jüdischen Friedhof begraben. Der Salzburger Kultusgemeinde war er allerdings nie beigetreten. Nur zehn Monate später, 1995, verstarb auch seine Frau Ruth Jungk. Sie wird oft als schillernde Persönlichkeit und schärfste Kritikerin von Robert Jungk bezeichnet.

Peter Stephan Jungk

Demonstration der Ostermarschbewegung in Wien 1966
Im Vordergrund Sohn Peter Stephan

Peter Stephan Jungk hatte 1972 nach der Matura Salzburg verlassen, arbeitete als Regieassistent am Theater in Basel und begann ein Studium am American Film Institute in seiner Geburtsstadt Los Angeles. Von 1976 bis 1979 lebte er erneut in Salzburg, wo er u.a. bei der Verfilmung von Peter Handkes Die linkshändige Frau als Regieassistent mitwirkte. 1980 besuchte er – allerdings nur kurz – in Jerusalem eine Thoraschule. Seit 1988 lebt er mit seiner Frau, der Fotografin Lillian Birnbaum in Paris, 1994 wurde Tochter Adah Dylan geboren. An der Universität Salzburg hatte er 2012 eine Gastprofessur.
In seinen Werken thematisiert er häufig die Komplexität von Identität und Heimat.
Im 2015 erschienenen Buch "Die Dunkelkammer der Edith Tudor-Hart" dokumentierte er das keineswegs einfache Leben der Cousine seiner Mutter. Edith Tudor-Hart war eine bekannte Fotografin und bis 1960 in London als Spionin für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig. Der Film Auf Ediths Spuren (s. Link) hatte 2017 Premiere. Edith Tudor-Hart war die Schwester des bekannten Fotografen Wolfgang Suschitzky, dessen Nachlass dem Salzburger Fotohof (s. Link) als Dauerleihgabe übergeben wurde.
2021 erschien sein jüngster Roman "Marktgeflüster".

Literaturempfehlung:
  • Helga Embacher, Aber zuerst bin ich Weltbürger und dann erst Jude: Robert Jungks Judentum, Arbeitspapier der Robert-Jungk-Stiftung 22, herausgegeben von der Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen, Salzburg 2013.
  • Peter Stephan Jungk, Aigen. Uferstraße 47, in: Helga Embacher, Ernst Fürlinger und Josef P. Mautner (Hg.), Salzburg: Blicke, Salzburg 1999.