Kunst-Litfaßsäulen und Digiscreen 2018

Die Stadt Salzburg hat im Frühjahr in Zusammenarbeit mit dem Kunstbeirat, der Progress Werbung und der Kulturabteilung des Landes zum fünften Wettbewerb „Kunst-Litfaßsäulen“ eingeladen. Die acht Siegerprojekte setzen sich wieder in sehr unterschiedlicher, pointierter Form mit dem Medium Plakatsäule in allen Erscheinungsformen auseinander. Prämiert und realisiert wurden fünf analoge und drei digitale Projekte:

Klassische Säulen

Reinhold Bidner

Studierte an der FH Salzburg Multi Media Art, an der Kunstuniversität Dundee – Schottland, und diplomierte im Rahmen eines Sokrates Stipendiums in Berlin. 2001 kam er ans Ars Electronica Futurelab Linz und wurde dort 2005 Key-Researcher im Bereich “Timebased Media”. Seit 2006 ist er entweder selbständig oder in Kollektiven (momentan v.a. gold extra) künstlerisch tätig und erhielt für seine Arbeiten in den Bereichen Medienkunst, Animation und Fotografie zahlreiche Preise und Stipendien.
Reinhold lebt und arbeitet in Wien und Salzburg und unterrichtet an der Kunstuniversität Linz (Animation und Motion Graphics).

"Litfaß-Eule", Franz-Josef-Kai 39
Die Litfaß-Eule sieht und hört gerne alles. Demnach möchte diese Kunst-Litfaßsäule auf das Thema Überwachung und die damit einhergehende Einschränkung von Grund- und Freiheits-Rechten hinweisen. Beim “smarten” Umgang mit allzu beliebt gewordenen Devices und Apps vergessen wir gerne darauf, wie sorglos wir mit diesen umgehen, wie präzise uns diese tracken und überwachen, und wie viele Spuren wir tagtäglich im digitalen aber auch realen Raum hinterlassen.
Stets mobil, stets online, stets “connected” ist Segen und Fluch zugleich, bedeutet einerseits noch nie dagewesene Möglichkeiten und Potentiale, andererseits bringen heutige mobile Annehmlichkeiten neue Gefahren mit sich und werfen zahlreiche kommerzielle sowie (sicherheits-)politische Fragen auf, an die diese Litfaß-Eule/-Säule erinnern möchte.

Karin Fisslthaler

Geboren 1981 in Oberndorf bei Salzburg, absolvierte das Studium der Experimentellen Gestaltung am Institut für bildende Kunst und Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit Fragen der medialen Repräsentation von Körper und Körpersprache, Kommunikation und Identitätskonstruktionen. Ihr Hauptarbeitsmaterial dabei ist „Found Footage“.
Karin Fisslthaler lebt und arbeitet als bildende Künstlerin, Filmemacherin und Musikerin (aka Cherry Sunkist) in Wien.

"Social Network“, Franz-Josef-Kai 27 (S-Bahn)
Wir treten täglich auf unterschiedliche Weise miteinander in Kontakt: mittels der Sprache und des Sprechens, über digitale Medien, aber auch mit Blicken, beiläufigen Gesten und Berührungen. Das Social Network, das - von einsamen Händen bedient – uns über Touchscreen und Bildschirme verbindet, lässt die reale Erfahrung von Begegnungen im Alltag unberücksichtigt. Die Collage aus gefundenen Abbildungen bildet ein Netzwerk aus differenzierten Berührungen von Händen und Armen unterschiedlichster Herkunft.
Umkreist man die Litfaßsäule ergibt sich ein in sich geschlossenes, ineinander verwobenes, nonverbales Kommunikationssystem.

Gunda Gruber

Geboren 1971. Studium am Mozarteum Salzburg und an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Regelmäßig Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen seit 2005. Lebt und arbeitet in Salzburg.

"koordinaten korrektur", Giselakai 51-53
Das Bild der Stadt als work-in-progress, die Stadt als eine Form, die von ihren Bewohner*innen immer wieder neu definiert werden muss. Die geschlossene Form der Säule wird visuell mit einem surrealen Raumgefüge verbunden - eine skulptural anmutende, aus vielen sich überlagernden Einzelteilen collagierte Konstruktion, die sich im Schwebezustand zwischen Auflösung und Neuformierung befindet.
Im Gegensatz zu in der Werbung gebräuchlichen Strategien der Plakatgestaltung ist koordinaten korrektur ein Bild, das weder in seiner Struktur schnell erfassbar ist noch eine klare Botschaft vermitteln möchte. Stattdessen möchte es spielerisch den Blick der Vorbeigehenden irritieren und dazu anregen, sich mit dem Zustand unserer Stadt und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Matthias Krinzinger

Geboren 1982 in Innsbruck, studierte Bildhauerei und Medienkunst bei Erwin Wurm an der Universität für angewandte Kunst Wien und diplomierte dort 2012 bei Martin Walde. Neben Ausstellungsteilnahmen im In- und Ausland leitet und organisiert er auch selbst Ausstellungen.

"Kleinvieh macht auch Glanz", Franz-Josef-Straße 1
Die Litfaßsäule wurde flächendeckend mit 1-Eurocent-Münzen beklebt; pro Quadratmeter sind das rund 5.000 Stück. Passanten können einzelne der Kupfermünzen entfernen und mitnehmen.
Dadurch verändert sich das Bild der Litfaßsäule über die Dauer von vier Wochen - bis u.U. der letzte Cent geerntet ist.

Lavinia Lanner

Geboren 1985, lebt und arbeitet in Wien und Abtenau. Das Medium der Künstlerin ist die Zeichnung, welches sie immer wieder in dafür
ungewöhnlichen Kontext bringt. Lanner hat an der Akademie der bildenden Künste/Wien sowie an der Slade School of Fine Art/London studiert. Die Verlagerung des Arbeitsplatzes ist ein zentrales Element ihrer künstlerischen Praxis, so führten sie z.B. Auslandsatelier-Aufenthalte des Landes Salzburg zuletzt in den Iran und nach Indonesien. In zahlreichen Kooperationen stellt sie im In- und Ausland aus und ist Teil
des interdisziplinären Künstler*innenkollektivs Das graue B.

"Ich seh, ich seh", Giselakai 47
Die gezeichnete Darstellung nimmt Bezug auf die uns ständig umgebenden Überwachungskameras. Die Originalzeichnung ist mit 3B-Bleistift auf Papier, Lanners Hauptmedium, ausgeführt und ist hier in fotografischer Reproduktion zu sehen.
Das hybride Gebilde aus haarähnlichen Elementen ist mit vielen Öffnungen bzw. Augen ausgestattet. Diese beobachten nicht nur, sondern verschlucken die Betrachtenden und schicken sie mit unbekanntem Ziel auf eine Reise. Die Ambiguität der Darstellung ist ganz bewusst gewählt und interessiert die Künstlerin aufgrund des Standplatzes der Litfaßsäule im öffentlichen Raum besonders. Egal wo man sich platziert, ist ein (Chamäleon)Auge auf einen gerichtet und fügt sich, getarnt als wohlig glatte Form, in die Umgebung.

City-Light-Säule

Ines Hochgerner

Geboren 1982 in St. Pölten. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Zeichnung, Malerei, Installation und Performance. Diplom 2013  (Malerei/Johanna Kandl) an der Universität für angewandte Kunst, Wien; 2011 Diplom Kunstgeschichte, Universität Wien.
Ausstellungstätigkeit im In- & Ausland, zuletzt u.a. 2018 in der Startgalerie MUSA (Wien Museum), 2017 beim Inter-Format-Symposium der „Nida Art Colony“ in Litauen, 2016 in den Open Studios der Red Gate Gallery (Beijing) und 2014 in der Project Space Gallery
der MRIT’s School of Art, Melbourne (Australien).

"Die Verantwortlichkeiten sind komplex verteilt", Schumacherstraße (Stadtbibliothek)
„Die Verantwortlichkeiten sind komplex verteilt“ ... ist ein Satz, den ich vor kurzem als letzte Antwort in einem längeren E-Mail-Verkehr auf die Frage bzw. der Suche nach einer zuständigen Person bekommen habe. Der Satz ist beeindruckend, da er präzise repräsentiert durch welche Rhetorik zeitgenössische Hegemonien ihre Überlegenheit zementieren. Alles was komplex ist, ist kompliziert, da kann man niemanden mehr einfach etwas fragen, geschweige denn direkt adressieren, und verantwortlich ist letztlich ohnehin niemand, schon gar nicht allein.“

Digitale City-Lights

11 Standorte im Stadtraum

Claudia Larcher

Geboren 1979 in Bregenz. Lebt und arbeitet in Wien. Sie ist bildende Künstlerin mit Schwerpunkten im Bereich Video, Fotografie, Collage und Installation. Zudem experimentiert sie mit Live Visuals bei Performances und Konzerten. Sie hat ihre Arbeit bei Einzelausstellungen präsentiert und an diversen Gruppenausstellungen und Festivals im In- und Ausland teilgenommen.
2015 erhielt sie den Kurzfilmpreis der Viennale sowie 2016 den Outstanding Artist Award für Video- und Medienkunst.

"Urban Landscape"
Ausgangsmaterial für die Videoanimation “Urban Landscape” sind verschiedene Foto- und Videoausschnitte, die zerschnitten, collageartig wieder zusammengefügt und digital animiert werden. Eine minimale Kamerabewegung führt den Betrachter durch einen scheinbar unendlich verwinkelten Raum. Mit vorbeigehende Passanten, Autos und Verkehrszeichen dringt gleichzeitig das Stadtleben hinein und verschmilzt regelrecht mit dem Innenraum. Verschiedene Blickachsen werden miteinander verbunden und schaffen dadurch einen fiktiven, futuristisch anmutenden Raum. Reale Details und abstrakte Strukturen bilden ein Geflecht aus Realität und surrealer Vision, bei der die Parameter
von Zeit und Raum aufgehoben erscheinen.

Ina Loitzl

Geboren 1972 in Klagenfurt, Studium Grafik und Visuelle Medien an der Hochschule Mozarteum Salzburg und in der Klasse für Visuelle Medien an der Hochschule für Angewandte Kunst bei Peter Weibel. Seit 2004 zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen und Einzelausstellungen in Österreich und Europa, sowie Teilnahme an Videofestivals.
Ausgangspunkt der mehrfach ausgezeichneten künstlerischen Arbeiten mit Medien wie Fotografie, Trickfilm und Video, Objektkunst und Installation ist der menschliche, insbesondere der eigene weibliche Körper

"Pieta reloaded"
Ina Loitzl setzt sich in dieser Videoarbeit in Form eines Videoandachtsbildes mit der einprägsamen christlich ikonographischen „Mutter-Sohndarstellung“ in digitaler Form - sprich einem „tableau vivant“ zeitgenössisch auseinander.
Die Abnabelung in der Pubertät und die daraus neu gewonnene Adoleszenz lässt diesen Prozess durch die animierte, filmische Abschiedsszene von einem überhöht dargestellten, schmerzverzerrten Andachtsbild zu einem realen, den Passant*innen sehr nahe liegenden Alltagsbild werden.
Der Wandel der Proportionen, die neu verteilten Rollen der beiden Protagonist*innen zueinander, durch das anfängliche Erinnerungsbild, dem geschaukelten, imaginären Säugling, wird die Schnelllebigkeit und die Vergänglichkeit unserer Existenz klar und evident.