Angekommen in Salzburg

Marko Feingold in seinen Anfangsjahren in Salzburg, 1946

Nachdem die 128 Überlebenden des KZ Buchenwald die russische Demarkationslinie nicht hatten passieren dürfen, blieb dem Konvoi nichts anderes übrig, als sich auf den Rückweg zu machen. Die Überlebenden hatten aber genug von Buchenwald und so stiegen bei jedem Zwischenhalt immer ein paar von ihnen aus und nicht wieder ein. Als man am Abend des 20. Mai wieder in Salzburg Halt machte, verließen einige den Konvoi. Darunter war Marko Feingold. Er hatte sich spontan dazu entschieden, auszusteigen. Die Gruppe zählte – neben ehemals Inhaftierten des KZ-Flossenbürg – zu den ersten KZ-Überlebenden, die nach Salzburg kamen. Viele weitere sollten folgen.

Salzburg war nicht ansatzweise auf die Neuangekommenen vorbereitet. Die Stadt musste bereits Tausende Flüchtlinge beherbergen und es herrschte großer Wohnungsmangel. Einige KZ-Überlebende hatten sich in den Mönchsbergstollen eingerichtet. Die „Gestrandeten“ – darunter Eduard Goldmann, Emmerich Hosek sowie die Brüder Hermann und Moritz Einziger – waren folglich auf sich allein gestellt. Gleich nach ihrer Ankunft waren sie federführend am Aufbau wichtiger Organisationen beteiligt. Marko Feingold erhielt eine Position in der „KZ-Küche“, einer öffentlichen Ausspeisung in St. Peter, und wurde 1946 zum Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Salzburg [des jüdischen Komitees Salzburg (Ersatz für IKG) gewählt. Diese Position hatte er einige Monate inne. Die Einziger-Brüder übernahmen Funktionen in jüdischen Hilfsorganisationen (Jüdisches Komitee und Joint) und im Wiederaufbau der Israelitischen Kultusgemeinde.

KZ-Küche und Jewish DP-Camps

Marko Feingold, damals 32 Jahre alt, Eduard (Edi) Goldmann und Emmerich Hosek waren in der KZ-Küche für die Verpflegung von etwa 550 Überlebenden diverser Konzentrationslager und Zuchthäuser verantwortlich. Sie organisierten alle benötigten Lebensmittel und wurden dabei von der Salzburger Landesregierung unterstützt. Auf ihren Einkaufsfahrten trugen die drei bewusst eine Armschleife mit dem Schriftzug „Buchenwald“, um als KZ-Überlebende erkennbar zu sein. Bei der Beschaffung der Lebensmittel kamen sie mit zahlreichen ehemaligen Nationalsozialisten in Kontakt. Nicht immer verliefen die Treffen spannungsfrei. Marko Feingold erinnerte sich besonders an einen Vorfall, bei dem ein Angestellter ihm gegenüber die Shoah verharmloste. Er behauptete, in den Konzentrationslagern seien nur Verbrecher und keine anständigen Leute inhaftiert gewesen. Dieses Vorurteil war damals sehr weit verbreitet.

Salzburg wurde zu einem wichtigen „Zwischenort“ für Displaced Persons (DPs). Für die Verpflegung jüdischer DPs zeigte sich u.a. die jüdisch-amerikanische Hilfsorganisation Joint verantwortlich. Sie trat an Marko Feingold in seiner Funktion als Lebensmittellieferant heran und engagierte ihn auch für die Verpflegung der DPs mit frischem Obst und Gemüse. Im Gegenzug dazu bekam er amerikanische Fleisch- und Fettkonserven – und damit hochkalorische Lebensmittel, die wiederum in der KZ-Küche dringend benötigt wurden. Sein Verantwortungsbereich erweitere sich mit der Übernahme administrative Arbeiten in jüdischen DP-Lagern.

Mitarbeiter in der Bricha

Die Fluchtorganisation Bricha verfolgte das Ziel, für den Aufbau eines jüdischen Staates jüdische Überlebende nach Palästina zu bringen. Da eine legale Einreise bis zur Gründung des Staates Israel im Mai 1948 nicht möglich war, mussten die Überlebenden über die Staatsgrenzen geschleust werden. Ein wichtiger Abschnitt der Route nach Palästina führte über die Grenze zwischen Salzburg und Italien. Marko Feingold unterstützte die Bricha bei der Durchführung von Transporten und es gelang ihm, einige Lastautos bei der Salzburger Landesregierung zu organisieren. Zu Hilfe kam ihm dabei das nicht nur in Salzburg vorherrschende politische Interesse, die jüdischen Flüchtlinge so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Marko Feingold begleitete einige Transporte nach Italien. Die Überstellung war allerdings sehr herausfordernd, da die britische Besatzungsmacht versuchte, die Transporte zu stoppen. Beim Grenzübertritt waren Marko Feingolds Italienischkenntnisse, die er zwischen 1933 und 1938 erworben hatte, sehr hilfreich. So konnte er italienischen Grenzbeamten weismachen, er würde Italiener repatriieren. Dazu wurde auch mit falschen Papieren gearbeitet. Als besonders wirksam erwiesen sich auch amerikanische Produkte wie Zigaretten oder alkoholische Getränke, die Beamte bei illegalen Grenzüberquerungen „wegschauen“ ließen. Marko Feingold unterstützte auch die Bricha, als diese 1947 mehrere Tausend jüdische Flüchtlinge über die Krimmler Tauern schleuste.

Literaturempfehlung:
  • Thomas Albrich (Hg.), Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945, Wien / Innsbruck 1998.
  • Helga Embacher, Neubeginn ohne Illusionen, in: Marko M. Feingold (Hg.), Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg, Wien / Köln / Weimar 1993, 285–336.
  • Erich Fein und Karl Flanner, Rot-Weiss-Rot in Buchenwald. Die österreichischen politischen Häftlinge im Konzentrationslager am Ettersberg bei Weimar 1938–1945, Wiener Neustadt 2008.
  • Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000.
  • Susanne Rolinek, Jüdische Lebenswelten 1945–1955. Flüchtlinge in der amerikanischen Zone Österreichs, Innsbruck 2007.