Marko Feingold als Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg

Zurück in der Kultusgemeinde

Nach seiner Pensionierung 1977 begann Marko Feingold wieder für die Israelitische Kultusgemeinde tätig zu sein, hatte er in den Jahren zuvor auch nicht mehr viel Kontakt zu dieser gehabt. Zunächst war er amtierender Vizepräsident der Gemeinde, nach dem Tod ihres Präsidenten Ladislaus Friedländer Ende November 1982 übernahm Feingold die Leitung und war seit 1985 offiziell ihr neuer Präsident. Wie Feingold später betonte, hätte sein eigener Vater wohl nur schwer glauben können, was aus seinem Sohn geworden war – von einem nicht unbedingt herausragenden Schüler zum Hofrat und Präsident einer Kultusgemeinde!

Die Rabbinerfrage

Als Feingold seine Präsidentschaft antrat, gab es in Salzburg bereits lange keinen Rabbiner mehr. Eine Salzburger Familie der Gemeinde hatte einen Schwiegersohn aus Israel, der sehr religiös war und in der Synagoge die Thoralesung durchführen konnte. Hierfür erhielt er eine wöchentliche Pauschale. Nachdem dieser aber nach Antwerpen umgezogen war, benötigte die Gemeinde eine neue Lösung. War Marko Feingold selbst auch keiner seiner Fürsprecher, so akzeptierte er 1990 doch den streng religiösen, US-amerikanischen Lubawitscher-Rabbiner David Nussbaum – auf Wunsch einiger Gemeindemitglieder. Er war der erste Vollzeit-Rabbiner, der seit der Flucht von Rabbi Margules 1938 für die Kultusgemeinde tätig war. Aufgrund einiger Unstimmigkeiten beschloss diese aber 2001 sich von Rabbi Nussbaum zu trennen. Seit 2003 ist die Gemeinde wieder ohne Rabbi.

In symbolischer Hinsicht nicht unwesentlich war auch, dass im Jahr 1988 die feierliche Amtseinführung von Paul Chaim Eisenberg zum Oberrabiner des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs in Salzburg (und nicht in Wien) stattfand. Als Reaktion auf die Waldheim-Debatte sollte damit auch ein größerer Zusammenhalt der jüdischen Gemeinden untereinander und zudem eine Intensivierung des christlich-jüdischen Dialoges angestrebt werden.

Nachwuchsmangel

Eine der größten Herausforderungen der Gemeinde seit den 1970er Jahren bis heute war und ist ihre altersmäßige Zusammensetzung und damit verbunden ein eklatanter Nachwuchsmangel: Zwar waren in der Nachkriegszeit rund 500 Juden und Jüdinnen in Salzburg ansässig, hauptsächlich so genannte Displaced Persons. Allerdings konnte sich daraus, wie Feingold bedauerte, keine blühende jüdische Gemeinde der Zukunft entwickeln: Wie er schilderte, kam es zwischen 1945 und 1950 zu einigen Totgeburten oder die geborenen Kinder waren zu schwach, so dass sie bald nach der Geburt verstarben – Spätfolgen der KZ-Haft der Mütter. Vor allem aber ließen die meisten der nach dem Holocaust nach Salzburg zurückgekehrten oder neu angesiedelten Juden und Jüdinnen ihre eigenen Kinder im Ausland (vorrangig in Großbritannien, Israel und der Schweiz) studieren. Fast ausnahmslos kamen diese Generation und wiederum deren Kinder nicht mehr in die Stadt zurück.

Aufgaben als Präsident

Bis heute umfasst diese Arbeit eine diverse Bandbreite an Aufgaben – darunter fallen etwa:

  • die Instandhaltung des Synagogengebäudes, das Vornehmen allfälliger Reparaturen, baulicher Veränderungen und Montagen;
  • die Pflege des jüdischen Friedhofs;
  • die Wahrung der Sicherheit (bspw. die Weitergabe der Gebetszeiten an die Polizei);
  • die Vermittlung von Firmen, die koschere Produkte erzeugen wollen sowie die Besorgung von koscheren Produkten und Hilfe jeder Art für Mitglieder der Gemeinde, sowie auch die Unterstützung von Bedürftigen;
  • die Kontaktpflege zu anderen Religionen (etwa in Bezug auf gemeinsame Friedensgebete und Gedenkfeiern) sowie Interviews mit Interessierten;
  • die Kontaktpflege zu anderen jüdischen Gemeinden in Österreich und im Ausland;
  • das Herstellen und Aufrechterhalten von Kontakten zu Politik, Wissenschaft und dem Bildungsbereich;
  • die Organisation kultureller Veranstaltungen und die Öffnung der Synagoge zum Kennenlernen;
  • und nicht zuletzt der fortwährende Kampf gegen Antisemitismus.

​​​​​​​Anfeindungen und Anerkennung

Marko Feingold mit Bürgermeister Reschen bei der Einweihung des Mahnmals

Als Präsident der Kultusgemeinde hatte Marko Feingold zudem immer wieder mit Anfeindungen und Drohungen zu kämpfen. So erhielt er etwa in der Zeit der so genannten Waldheim-Affäre einige Drohbriefe. Wurden diese im Lauf der Zeit weniger, so häuften sie sich ab 1999 bzw. im Zuge der ersten ÖVP-FPÖ-Koalition wieder. Oft waren die Briefe nun nicht mehr anonym, sondern mit Adresse und Unterschrift der Absender versehen. 1988 wurde Feingold zudem unter Polizeischutz gestellt: Nach der Ausstrahlung des Dokumentarfilms „Mustergau Salzburg“ im ORF richtete dieser einige informative Telefonstellen für ZuseherInnen ein. An einem dieser Telefone saß Marko Feingold – nachdem er teils wüste Beschimpfungen seitens mancher AnruferInnen erhalten hatte, verständigte der ORF zu seinem Schutz die Polizei.

Zugleich kam es unter der Präsidentschaft Feingolds von offizieller Seite sukzessive zu mehr Anerkennung und Respektsbekundungen gegenüber der jüdischen Gemeinde: So wurde im November 1985 auf dem Vorplatz der Salzburger Synagoge ein Mahnmal errichtet, das an die zwischen 1938 und 1945 verfolgten und vertriebenen Salzburger Juden und Jüdinnen erinnern soll. Erstmals wurde hierbei von Seiten der Republik Österreich eine Mitschuld an der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung einbekannt. Aus Sicherheitsgründen befindet sich das Erinnerungsdenkmal aber im Inneren des Synagogengeländes, hinter einer Hecke und einem Gitter und ist von der Straße kaum einsehbar. Dass der Platz traurigerweise gut gewählt war, bezeugt auch folgender Umstand: Kurz nach der Aufstellung wurde die Hausmauer des Steinbildhauers, der das Denkmal angefertigt hatte, mit einem Davidstern besprüht.

Im Jahr 1993 wiederum wurden auf dem jüdischen Friedhof Gedenktafeln enthüllt, auf denen die Namen der Toten eingraviert sind, deren Gräber während des Nationalsozialismus geschändet und ausgelöscht worden waren. Stadt und Land Salzburg luden außerdem 1938 vertriebene Salzburger Juden und Jüdinnen und deren Nachkommen zu einem Besuch ein. Im Zuge des diesbezüglichen Empfangs am 5. August 1993 präsentierte die Israelitische Kultusgemeinde, unter der Leitung Feingolds auch das Buch Ein ewiges Dennoch. 125 Jahre Juden in Salzburg. 2001 schließlich feierte die Kultusgemeinde Salzburg das 100jährige Bestehen ihrer Synagoge – die erste Feier in Gegenwart eines österreichischen Bundespräsidenten (Thomas Klestil).

Privates zweites Glück

Hanna und Marko M. Feingold, 1992


Ende der 1990er Jahre fand Marko Feingold auch privat ein zweites Glück. Am 27. Jänner 1998 – dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz und zugleich Geburtstag Wolfgang Amadeus Mozarts – heirateten Hanna und Marko Feingold in kleinstem Kreis. Seine Frau stand Feingold bei der Arbeit für die Kultusgemeinde beständig bei und war ihm bis zum Ende Stütze und Begleiterin.

Literaturempfehlung:

Marko M. Feingold, Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte, hg. von Birgit Kirchmayr / Albert Lichtblau, Wien 2000.