Dr. Erwin Kerber
Jurist, Direktor der Salzburger Festspiele ab 1929, der Wiener Staatsoper (1936–1940) und des Salzburger Landestheaters (1942/43)
* 30. Dezember 1891 in Salzburg
† 24. Februar 1943 in Salzburg
Straßenbenennung: Erwin-Kerber-Straße, beschlossen am 21. Oktober 1969
Lage: Aigen; von der Ziegelstadelstraße nach Osten führend.
Nach der Tochter Elise Maria Theresia, geboren am 18. Dezember 1883 in Salzburg, brachte Theresia Kerber am 30. Dezember 1891 ebenfalls in der Stadt Salzburg Erwin Ludwig Hermann Kerber zur Welt. Beide Kinder wurden im Salzburger Dom römisch-katholisch getauft, der Sohn am 21. Jänner 1892. Die Familie Kerber war ein stadtbekannter bürgerlicher Haushalt. Der Vater Hermann Kerber, 1849 in Meran geboren, war in den 1880er Jahren nach Salzburg zugezogen, hatte hier einen Buch- und Kunstverlag gegründet und die traditionsreiche Duyle‘sche Buchhandlung (heute Buchhandlung Höllrigl) erworben, die er 1901 an seinen Mitarbeiter Eduard Höllrigl weiterverkaufte. Hermann Kerber war aber nicht nur Buchhändler, Verleger, führendes Mitglied der Salzburger Handels- und Gewerbekammer, im Staatseisenbahnrat und im Landesverband für Fremdenverkehr tätig, sondern engagierte sich auch nachhaltig im kulturellen Leben der Stadt. Als Kuratoriumsmitglied der Internationalen Stiftung Mozarteum half er mit, dass die Stiftung 1910 bis 1914 das Mozarthaus (das „Alte Mozarteum“ an der Schwarzstraße) bauen und 1917 Mozarts Geburtshaus in der Getreidegasse käuflich erwerben konnte. In seine Zeit im Kuratorium fielen auch fünf der acht Salzburger Musikfeste, die als Vorläufer der Salzburger Festspiele gelten. Therese Kerber wiederum war eine Tochter von Louis (auch Luis bzw. Ludwig) Jung, der aus der Nähe von Straßburg nach Salzburg zugezogen war und hier 1865 das Hôtel de l’Europe gegründet hatte.
Ausbildung und Erster Weltkrieg
Erwin Kerber besuchte in Salzburg die Volksschule und ab dem Schuljahr 1902/03 das Staatsgymnasium (heute Akademisches Gymnasium Salzburg), wo der spätere Salzburger Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl zu seinen Klassenkollegen zählte. Nach der Matura im Juni 1910 nahm Kerber das Studium der Rechte in Wien auf, wo er am 4. Februar 1911 der Landsmannschaft der Salzburger in Wien beitrat. Seine Aktivitas umfasste das Sommersemester 1911, das Wintersemester 1911/12 und das Wintersemester 1913/14. In den Sommersemestern 1912 und 1914 fungierte er als Säckelwart, im Studienjahr 1913/14 stand er der Landsmannschaft als Obmann vor. Der Sänger Anton Dermota charakterisierte Kerber später folgendermaßen: „Äußerlich wirkte er wie ein Salzburger Naturbursche, blond, blauäugig, mit mehreren Schmissen auf der rechten Wange, die den ehemaligen nationalen Studenten verrieten.“ Erstmals berichteten Salzburger Zeitungen im April 1911 über den jungen Hochschüler, der gemeinsam mit einem Studienkollegen auf Einladung des Halleiner Volksbildungsvereines „leichtfaßliche Vorträge“ zum Besten gab. Im „Zeichensaal der k.k. Fachschule“ las Kerber „zwei Erzählungen unseres derzeit bedeutendsten österreichischen Dramatikers Karl Schönherr vor (…)“.
Erwin Kerbers Studium wurde 1914 unvermittelt durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Nachdem der 22-Jährige im Jänner 1914 zum Kadett des k.k. Landwehr-Feldhaubitzen-Regiments 44 ernannt worden war, avancierte er im Dezember desselben Jahres zum Fähnrich in der Reserve. Wann genau er an die Front ging, ist offen. Belegt ist, dass Kerber im Februar 1915 für „besonders tapferes Verhalten vor dem Feinde“ am Kriegsschauplatz Galizien mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse ausgezeichnet wurde. Neben anderen brachte auch die Tageszeitung „Deutsche Presse“ eine kurze Meldung darüber, die mit den Worten schloss: „Heil dem wackeren Kämpfer für Deutschlands Ehre!“ Im Mai 1915 wurde Kerber zum Leutnant, im Juni 1917 zum Oberleutnant befördert. Er erhielt im Oktober 1915 auf Anordnung des Kaisers die „Allerhöchste belobende Anerkennung“ ausgesprochen, im September 1916 wurde ihm das Signum laudis verliehen. Im November 1917 berichteten die Zeitungen über die erneute „Allerhöchste Belobigung“ Erwin Kerbers durch den Kaiser und die Verleihung der Schwerter. Gegen Kriegsende geriet Kerber in italienische Gefangenschaft, konnte aus dieser jedoch fliehen.
Nach der Niederlage im Krieg und dem Ende der Habsburgermonarchie setzte Erwin Kerber sein Studium an der Universität Innsbruck fort. Die Gründe für den Studienortswechsel sind nicht bekannt. Er promovierte am 30. Juni 1919 zum Doktor der Rechte. Am 28. Jänner 1920 wurde er in der Landsmannschaft zum Alten Herrn ernannt.
Salzburger Festspielhaus-Gemeinde
Die gute (verwandtschaftliche) Vernetzung der Familie Kerber im Salzburger Kulturleben dürfte dem Sohn zugutegekommen sein, wurde Erwin Kerber doch unmittelbar nach Abschluss des Studiums Sekretär des Zweigvereins Salzburg der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde, die drei Jahre zuvor von Dr. Heinrich Damisch und Friedrich Gehmacher gegründet worden war und in dem sein Onkel Georg Jung, Besitzer des Hôtel de l’Europe, Stellvertreter von Friedrich Gehmacher als Vorstand war. Anlässlich des Todes von Georg Jung im November 1934 wusste das „Salzburger Volksblatt“ zu berichten, dass Jung es war, „der Dr. Kerber sozusagen entdeckte und ihn in das Sekretariat der Festspielhaus-Gemeinde brachte“. Erwin Kerber übernahm im Salzburger Zweigverein die administrativen Agenden von seinem Vorgänger Franz Neumayr, er war verantwortlicher Schriftleiter der ab 1919 herausgegebenen „Mitteilungen der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde“, trat bei unterschiedlichsten Veranstaltungen als Repräsentant der Salzburger Festspiele auf und publizierte regelmäßig in lokalen Zeitungen über Wesen und Programm des Festivals. Wie vielen anderen wird auch Erwin Kerber das Verdienst zugesprochen, Max Reinhardt bei einem Kaffee mit Hermann Bahr auf die Idee gebracht zu haben, Hofmannsthals „Jedermann“ nicht in der Felsenreitschule, sondern auf dem Domplatz zu inszenieren. Kerber war de facto eine der zentralen administrativen Personen von Beginn des Festivals an. Im Zuge der Neuorganisation der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde bestellte der Aufsichtsrat ihn schließlich im Oktober 1929 zum Direktor der Festspiele, als deren Präsident Heinrich Puthon in der gleichen Sitzung bestätigt wurde. Den Juristen als den organisatorischen Macher der Salzburger Festspiele in der Zwischenkriegszeit zu bezeichnen, ist somit nicht verfehlt.
Am 22. September 1920 vermählte sich Erwin Kerber mit Käthe Unterrainer aus Werfen. Neben Lini Tomaselli, Landesgerichtsrat Dr. Otto Schwendmayr und Theaterdirektor Paul Blasel trat das Ehepaar Kerber gemeinsam bei einem Benefizabend für die Salzburger Festspielhaus-Gemeinde im März 1923 im Stadttheater in dem Stück „Die Taube in der Hand“ von Kurt Götz auf. Wann Erwin und Käthe Kerber gerichtlich geschieden wurden, ist unklar. Käthe Kerber starb 37-jährig am 12. Juni 1931 in der Stadt Salzburg, sie wurde am Kommunalfriedhof beigesetzt. Am 27. Jänner 1930 heiratete Erwin Kerber die 19 Jahre jüngere Hilde Erika Dora Czell, Tochter des Mediziners Dr. Richard Czell und der Dora Czell, geborene Gauert. Hilde Czell war zwar in Wien geboren worden, die Familie jedoch nach Salzburg zuständig. Da Kerber römisch-katholisch, Hilde Czell jedoch evangelisch und da Kerbers erste Ehe geschieden worden war, verweigerte der zuständige Seelsorger die kirchliche Eheschließung. Daher wurde die Ziviltrauung bei der Stadtgemeinde Salzburg vorgenommen. Entsprechend einem Erlass des Bundeskanzleramtes vom 17. Dezember 1929 ermöglichte der Dispens vom Ehehindernis des Ehebandes die Vermählung. Der Brautvater und der Salzburger Sanitätsrat Dr. Theodor Gmachl fungierten als Trauzeugen. Das Ehepaar Kerber zog in das Haus der Brauteltern in der Riedenburgerstraße 17 (heutige Schreibweise: Riedenburger Straße). Auch die zweite Ehe Erwin Kerbers sollte nur von kurzer Dauer sein. Am 19. April 1935 erklärte das Landesgericht Salzburg die Ehe für ungültig. Das Urteil wurde am 5. Juni 1935 vom Obersten Gerichtshof in Wien bestätigt. Nur wenige Monate nach dem Tod seines Vaters und seiner Scheidung ging Erwin Kerber am 13. September 1935 seine dritte Ehe ein. Er heiratete die 1912 in Aspern in Niederösterreich geborene Anna Maria Horvath in der Kirche von Wien-Dornbach. Ein Jahr später kam der gemeinsame Sohn zur Welt. War Klosterneuburg in jener Zeit der Lebensmittelpunkt der Familie, so meldete sich Anna Kerber zwei Mal, vom 5. bis 22. August 1942 und vom 8. bis 12. April 1943, bei den Salzburger Behörden an, beide Male in der Wohnung ihrer Schwägerin Elise Nekola an der Adresse Mirabellplatz 6. Das zweite Datum liegt bereits nach dem Tod ihres Mannes Erwin Kerber.
Wiener Staatsoper
1933 veranlasste der Dirigent und Staatsoperndirektor Clemens Krauß, der seit 1926 regelmäßig bei den Salzburger Festspielen am Dirigentenpult stand, dass Kerber vom zuständigen Ministerium als Direktionsrat an die Wiener Staatsoper engagiert wurde. 1935 –Krauß hatte Ende 1934 auf Einladung von Hermann Göring die Leitung der Berliner Staatsoper übernommen und daher alle seine Ämter in Österreich zurückgelegt – avancierte Kerber zum Verwaltungsdirektor des Wiener Opernhauses unter der Leitung von Felix Weingartner, ein Jahr später wurde er nach dem Abgang Weingartners mit 1. September 1936 zum Direktor berufen, dem in Person des Dirigenten Bruno Walter ein künstlerischer Leiter zur Seite gegeben war. „Die Zusammenarbeit zwischen Kerber und Walter scheint ziemlich problemfrei gewesen zu sein“, so Manfred Stoy in seiner Arbeit über die Wiener Staatsoper. Bis 1940 stand Kerber nunmehr administrativ den beiden wichtigsten musikkulturellen Institutionen Österreichs – den Salzburger Festspielen und der Wiener Staatsoper – vor. Zum 15-jährigen Jubiläum der Festspiele 1935 gab er das reich bebilderte Buch „Ewiges Theater. Salzburg und seine Festspiele“ heraus. Neben Beiträgen von Franz Martin, Bernhard Paumgartner, Joseph Gregor, Bruno Walter und Hugo von Hofmannsthal (posthum) berichtete Kerber darin über die Entstehung des Festivals. Nicht zur Sprache kam in seinem Beitrag jedoch die realpolitische Bedeutung, die den Salzburger Festspielen im Zuge der „Machtergreifung“ der NSDAP in Deutschland 1933 zukam. Salzburg wurde von den „austrofaschistischen“ Bundeskanzlern Dollfuß und Schuschnigg als österreichisches Pendant zu Bayreuth und als international wahrgenommenes kulturelles Symbol der Eigenständigkeit des österreichischen Staates forciert. Erwin Kerber unterstützte diese Bemühungen – wie die Akten und die wissenschaftliche Literatur nahelegen – aus Überzeugung. Als etwa 1936 die Finanzierung des Festivals wieder einmal zu intensiveren Gesprächen zwischen Bund, Land und Stadt Salzburg führte und seitens des Rechnungshofes eine Kürzung der Gagen der Künstlerinnen und Künstler gefordert wurde, erklärte Kerber, dass die Festspiele „an die Wiener Künstler gebunden“ seien, „da es im Hinblick auf das gespannte Verhältnis mit Deutschland nicht möglich ist, Künstler aus dem Reiche für die Salzburger Festspiele zu gewinnen. Die Wiener Philharmoniker besitzen eine vollkommene Monopolstellung; einen Ersatz für sie zu beschaffen wäre ausgeschlossen. Desgleichen seien einzelne Bühnenspezialarbeiter unersetzbar. Die Vorgenannten seien sich ihrer Monopolstellung bewusst und deshalb sei es schwer möglich, ihre Honorare und Entlohnungen herabzusetzen.“ Naturgemäß war Kerber beruflich in direktem Kontakt mit höchsten NS-Kulturfunktionären, darunter etwa Dr. Rainer Schlösser, Präsident der Reichstheaterkammer, dem er im Oktober 1936 einen Besuch in Berlin abstattete und im März 1937 einen Brief über einen Vorfall mit dem Dirigenten Hans Knappertsbusch zukommen ließ.
NS-Zeit
Der „Anschluß“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 brachte auch im Bereich der Kultur umfassende strukturelle Änderungen und weitreichende personelle „Säuberungen“ mit sich, die primär prononcierte politische Vertreter des „Austrofaschismus“ und aufgrund der Nürnberger Rassegesetze aus der „Volksgemeinschaft“ Ausgeschlossene betrafen. Von beiden Vorgängen war Erwin Kerber nicht betroffen. Joseph Goebbels, der im Rahmen der Propaganda für die Volksabstimmung am 29. März 1938 nach Wien kam, traf sich in diesen Tagen auch mit den führenden Kulturverantwortlichen der ehemaligen österreichischen Bundeshauptstadt. An kaum einer Person ließ er ein gutes Haar, so auch an Erwin Kerber nicht, mit dem er am 1. April zusammentraf: „Mit Dr. Kerber Frage Wiener Staatsoper besprochen. Kerber ist ein guter Fachmann. Aber kein Charakter.“ Als führender Kulturmanager stellte sich Kerber in der Folge in den Dienst der NS-Propaganda. Österreichische Zeitungen druckten drei Tage vor der Volksabstimmung unter der Schlagzeile „Alle sagen Ja! Wiener Künstler und der 10. April“ Statements von bekannten Kulturschaffenden, darunter Paul Hörbiger, Paula Wessely und Hilde Konetzni. Erwin Kerbers Statement stand dabei an erster Stelle: „Deutsch sein, heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun – unter diesem Leitmotiv schreitet in der Stunde der Heimkehr die Wiener Staatsoper nach schweren Jahren frohgemut und voll Zuversicht in die neue große Zeit!“ Auffallend an Kerbers Wortspende – auch im Vergleich zu den anderen abgedruckten Zitaten – ist die Tatsache, dass er eher eine deutschnationale denn eine nationalsozialistische Haltung einnahm. Dies kommt auch in den überlieferten Schriftstücken aus Kerbers Gauakt im Archiv der Republik im Österreichischen Staatsarchiv zum Ausdruck. Am 1. September 1938 ersuchte die Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Gauleitung Wien die ihr unterstehende Kreisleitung I, die politische Zuverlässigkeit von „Pg. Gen.Int. Kerber“ [Parteigenosse Generalintendant Kerber; Anm. d. Verf.] zu erheben, da er „für den Arbeitsausschuss des Fachamtes Freie Berufe als Betriebsführer zur Mitarbeit in Aussicht genommen“ wurde. Knapp zwei Wochen später ging eine gleichartige Aufforderung vom Gaupersonalamt an das Kreispersonalamt I der NSDAP Gau Wien ab. Warum diese Anfrage erst am 21. September 1938, also acht Tage später, beim Kreispersonalamt einlangte, ist unklar. Jedenfalls füllte der für Kerber zuständige Ortsgruppenleiter des Kärntnerviertels Zelle 6, Karl Hatzmann, am 26. September 1938 den vierseitigen Fragebogen bezüglich Kerbers politischer Einstellung aus. Darin war u. a. zu lesen, dass Kerber „als Staatsbeamter Mitglied der VF [Vaterländischen Front; Anm. d. Verf.] ohne Funktion“ gewesen sei und zwar „begonnen vom Zeitpunkte des organisierten Eintritts aller Staatsbeamten“, er habe zu diesem Zeitpunkt und davor „keiner politischen Partei angehört“, auch „einem Verbande nicht, war aber angeblich bei der offiziellen Kameradschaft der Staatsoper des Heimatschutzes, ähnlich wie VF“. Er gehöre keiner Gewerkschaft, Loge oder Wehrverband an, sei aber im Juni 1938 in die Reichstheaterkammer der Reichskulturkammer eingetreten. Seine Gebefreudigkeit bei Sammlungen der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt oder des Winterhilfswerkes sei im „durchschnittlich übliche[n] Ausmass“, er liest die NS-Presse. „Seitens der Solisten, Chormitglieder, Angestellten und Arbeiter, Musiker, wird er als Gerechter (sic) sozial wirkender Mann geschildert. Nachteiliges war nicht feststellbar.“ Dieser politischen Faktensammlung schloss sich das mit 15. Oktober datierte abschließende Gesamturteil des Kreisleiters über Erwin Kerber an: „Frontkämpfer, immer völkisch gesinnt, ohne aber zur NSDAP gefunden zu haben. Während der Systemzeit gezwungen, gegen seine eigene Einstellung jüdische Künstler zu beschäftigen. Von seinen Gefolgschaftsmitgliedern wird er als sozial denkender und gerechter mann (sic) geschildert. Parteigenossen aus seiner Gefolgschaft halten es für ungerecht, wenn dieser Mann heute wegen der ihm seinerzeit von Pernter [der von Mai 1936 bis März 1938 für die Staatsoper zuständige Unterrichtsminister Hans Pernter; Anm. d. Verf.] aufgenötigten Judenbeschäftigung Schwierigkeiten haben sollte. Bietet vollkommene Gewähr des Einsatzes für den neuen Staat.“ Am 3. November 1938 informierte die Gauleitung die Leitung der DAF über die zentralen Inhalte: „Genannter ist kein Parteigenosse, war aber immer völkisch gesinnt, ohne aber zur NSDAP gefunden zu haben. Von seinen Gefolgschaftsmitgliedern wird er als sozial denkender und gerechter Mann geschildert. Er bietet vollkommene Gewähr des Einsatzes für den neuen Staat.“ Nur wenige Wochen nach diesem Vorgang erhielt jedoch der Gauleiter von Wien, Odilo Globocnik, ein Schreiben des Gaupersonalamtes „zur besonderen Information“, in dem eine weniger freundliche politische Einschätzung Kerbers zu Tage trat: „Dr. Kerber war Couleurstudent und stammt aus dem nationalen Lager. Als er an die Wiener Staatsoper berufen wurde, wandte er sich der Systemregierung zu. Er war ein Protektor des Juden Dr. Reif-Gintl, den auch er als unentbehrlich bezeichnete. Man nennt ihn zwar als gerechten und sozialen Beamten, doch ist er vom politischen Standpunkte aus als unverlässlich zu bezeichnen.“ Wie diese Rekonstruktion der politischen Beurteilung des Staatsoperndirektors und Leiters der Salzburger Festspiele im ersten halben Jahr der NS-Herrschaft in Österreich verdeutlicht, war seine Stellung innerhalb des neuen Systems keineswegs unumstritten.
In seiner Doppelfunktion als Direktor der Wiener Staatsoper und der Salzburger Festspiele war Kerber nach dem „Anschluß“ am Vollzug der politisch und rassistisch bedingten Entlassungen bzw. Aufkündigung von Engagements beteiligt. Mehr als 60 Personen wurden an der Staatsoper entlassen, zwangspensioniert oder nicht weiter engagiert, ein Teil davon auch an der Mitwirkung bei den Salzburger Festspielen ausgeschlossen. Die Liste umfasste sämtliche Sparten, vom Bühnenarbeiter bis zu Weltstars wie dem Sänger Richard Tauber, dem Geiger Arnold Rosé, den Dirigenten Josef Krips oder die Balletttänzerin Margarete Wallmann. Kerbers Vorgänger als Direktor, Felix Weingartner, wurde nicht wegen seiner „Abstammung“, sondern wegen lange zurückliegender antimilitaristischer Äußerungen aus dem Engagement gedrängt. Und auch der „Volljude“ Bruno Walter war zur Entlassung vorgesehen. Er wartete jedoch nicht darauf, dass die Nationalsozialisten ihn enthoben, sondern bat in einem Telegramm unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich um die Lösung seines Vertrages mit der Wiener Staatsoper und den Salzburger Festspielen. Kerber antwortete seinem künstlerischen Berater kurz: „Euer Verzicht auf weitere Wiener und Salzburger Tätigkeiten wurde zustimmend zur Kenntnis genommen.“ Summa summarum bleibt festzustellen, dass nicht nur in seiner oben geschilderten politischen Beurteilung durch Parteistellen die zwiespältige Haltung Kerbers zum Ausdruck kam, sondern auch die Beurteilung über sein Verhalten in Bezug auf die „Arisierung“ des Staatsopernpersonals ähnlich ausfällt. „Tatsache bleibt, dass er alle rassistischen Maßnahmen des NS-Regimes ‚vorschriftsmäßig‘ exekutiert hat, wenngleich es eine Reihe von Indizien für Hilfestellungen an Betroffene gibt“, so Oliver Rathkolb. In diese Richtung weist etwa ein Schreiben des Korrepetitors Otto Janowitz an Kerber vom 21. Juli 1938, in dem sich Janowitz bei seinem ehemaligen Chef „für die Anteilnahme an seinem Schicksal bedanke. Er hoffe, nach New York zu kommen, das Gedränge emigrierter Menschen sei groß, er mache sich auf einen harten Lebenskampf gefasst.“ Und noch am 20. Oktober 1940 bedankte sich Lothar Wallerstein, Oberregisseur und enger Vertrauter Kerbers, für dessen Freundschaft: „Es gibt kaum einen Menschen, dem ich so zu Dank verpflichtet bin, wie Ihnen. (…) Wenn das, was Sie nun unterstützen, gelingt, so soll auch ich einmal bessere Zeiten sehen u. Gelegenheit finden, Ihnen zu beweisen, dass ich Ihre mir seit Jahrzehnten bewiesene Freundschaft nie vergessen werde.“
Die wenig energische Vorgehensweise von Erwin Kerber rund um die Entlassungen von rassistisch oder politisch Unerwünschten ist wohl als ein gravierender Mitgrund dafür zu sehen, dass im Jahr 1940 sein Stern rapide sank. Kerber wurde mit 31. August vom Staatsoperndirektor zum Leiter des künstlerischen Betriebsbüros degradiert, als sein Nachfolger wurde der Direktor der Hamburger Oper, Heinrich K. Strohm, seit 1937 NSDAP-Mitglied, eingesetzt. Während Kerber via Wien den rauen Berliner Wind zu spüren bekam, gab es parallel dazu aber offensichtlich Bemühungen aus seiner Heimatstadt, ihm die Leitung der wichtigsten musikkulturellen Institutionen an der Salzach zu übertragen. Ein express abgesandter Brief vom November 1940 an Gauleiter-Stellvertreter Anton Wintersteiger, einen Duz-Freund Kerbers (wohl aus Landsmannschaftstagen), spricht Bände: „Lieber Gauleiter! Verzeih, wenn ich Dich, den Vielbeschäftigten, in einer persönlichen Angelegenheit bemühe. Ich wills so kurz und schmerzlos machen wie nur möglich. Seit eineinhalb Jahren werde ich von allerhand Salzburgern befragt, ob ich bereit wäre, die Leitung von Stadttheater-Mozarteum-Festspielhaus zu übernehmen und in einer Hand zu vereinigen. Auch Gauleiter Dr. Rainer machte einmal eine bezügliche Andeutung und Dr. Reitter hat mich zwei und dreimal in dieser Sache befragt. Ich erklärte stets, dass mich dieser Wirkungskreis ausserordentlich interessieren würde und ich mir von dieser Zusammenlegung auch einen wirklichen künstlerischen Auftrieb verspreche, das allerdings nur unter diversen Voraussetzungen, über die man sich gelegentlich eingehend aussprechen müsste. Oberste Voraussetzung sei rückhaltloses Vertrauen; in dieser Richtung hätte ich allerdings einige Zweifel. Nun höre ich aus Salzburg, es sei dem Gauleiter berichtet worden, ich hätte abgelehnt, eine etwaige Berufung anzunehmen. Davon ist keine Rede. Eine Ablehnung ist niemals erfolgt, dies stelle ich ausdrücklich fest. Es wurde mir nahelegt, mcih (sic) um die Stelle zu bewerben. Dies allerdings kommt nicht in Frage. Gerade in seiner Heimat muss man sich hüten, sich aufzudrängen, finde ich. Und gerade jetzt, wo ich an der Wiener Oper aus einer ersten Stellung in eine zweite oder dritte getreten wurde, muss ich doppelt zurückhaltend sein. Nicht nur weil meine eigene ‚Empfindsamkeit‘ naturgemäss jetzt wacher ist als sonst[,] sondern auch, weil ich immerhin mit der Möglichkeit zu rechnen habe und es verstehen müsste, dass Salzburg wenig Lust hat, sich einen abgetakelten König zu holen. Ich bitte Dich, diese Richtigstellung entgegenzunehmen. Ich hoffe dich bei bester Gesundheit und begrüsse Dich in aufrichtiger Verehrung mit Heil Hitler! als Dein alter [Erwin].“ Die Reaktion von Anton Wintersteiger auf diesen „Hilferuf“ von Erwin Kerber ist nicht überliefert, möglicherweise wurde aber versucht, nicht über den Reichsgau, sondern über die Gauhauptstadt Salzburg einen Weg zu finden, der Kerber das Gesicht wahren lassen sollte. Die Gauhauptstadt nämlich beabsichtigte im Herbst 1941, mit Erwin Kerber, „Staatsoperndirektor und Generalsekretär der Festspielhausgemeinde“, einen vierten ehrenamtlichen Beigeordneten in ihr Gremium aufzunehmen und ihm ein eigenes Kulturdezernat zu übertragen. „Sobald Dr. Kerber seine Zustimmung dazu erklärt hat, wird das Gauamt für Kommunalpolitik an den Gauleiter herantreten.“Oberbürgermeister Ing. Anton Giger war diesbezüglich auch in Verhandlungen mit Gauleiter Dr. Friedrich Rainer und seinem Nachfolger Dr. Gustav Adolf Scheel, von dem er im Jänner 1942 mit positiven Nachrichten zurückkehrte: „Auch die Bestellung Dr. Kerbers ist nach Mitteilung des Gauleiters perfekt.“ Anfang Februar berichtete Giger den Beigeordneten der Stadt Salzburg, dass der Vertrag zwischen dem Reichsgau und Kerber bereits „endgültig abgeschlossen“ sei. In den erhaltenen Sitzungsprotokollen der Beigeordneten und der Ratsherren der Stadt Salzburg finden sich keine weiteren Hinweise auf Kerbers Bestellung zum Kulturdezernenten. Die Gründe, warum er schließlich nicht berufen wurde, sind nicht bekannt, möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit der im Anschluss ausgeführten Berufung von Erwin Kerber an das Salzburger Landestheater. Noch ein weiteres Mal taucht Kerber in den Protokollen der Beigeordneten auf, diesmal in seiner Funktion bei den Salzburger Festspielen. In der Sitzung vom 17. April 1942 verlas Oberbürgermeister Giger den Erlass des Reichsstatthalters vom 21. Februar, mit welchem er den Verein Salzburger Festspielhaus-Gemeinde mit Wirkung vom 1. April auflöste. „Das Vereinsvermögen geht auf die Gauselbstverwaltung über, welche künftighin der Veranstaltungsträger der Festspiele ist. Generalintendant Professor Clemens Krauß wurde zum obersten künstlerischen Leiter bestellt und Direktor Dr. Kerber führt die Generalintendanz der Festspiele. Das Personal der SFHG [Salzburger Festspielhaus-Gemeinde; Anm. d. Verf.] kommt in das Dienstverhältnis zum Reichsgau“, wurde in der Niederschrift der Sitzung festgehalten. Die Beigeordneten nahmen die Mitteilung zur Kenntnis, „[ü]ber das neue Abkommen zwischen der Gauselbstverwaltung und der Stadt zum Festspielhaus ist zu berichten“. Für Erwin Kerber änderte sich also vordergründig nichts, mit dieser Maßnahme endete aber nach 25 Jahren die – oftmals in Frage gestellte – Eigenständigkeit der Salzburger Festspiele als Verein. Gab es in den finanziell schwierigen Jahren vor dem „Anschluß“ wiederholt Bestrebungen, die Festspiele gänzlich unter Bundesverwaltung zu stellen, so schuf Reichsstatthalter Scheel nunmehr mit der Übernahme durch den Reichsgau Fakten.
Salzburger Landestheater
Während Erwin Kerbers Position bei den Festspielen also unangetastet blieb, endete seine Tätigkeit in Wien im Frühjahr 1942. Nachdem die Direktion des Mozarteums in künstlerischer Hinsicht mit Clemens Krauß, in administrativer mit Dr. Eberhard Preußner besetzt worden war, blieb für Kerber neben seiner Funktion als Direktor der Salzburger Festspiele unter der künstlerischen Leitung von Clemens Krauß nur mehr die Intendanz des Salzburger Landestheaters, die er mit 1. April 1942 antrat. Verglichen mit der Führung der Staatsoper war dies – der designierte Intendant hatte es in seinem Brief an Wintersteiger offen angesprochen – ein Abstieg um mehrere Stufen. Kerber folgte in dieser Position Dr. Herbert Furreg nach, der als Leiter des flämischen Volkstheaters in das besetzte Brüssel ging. Dem scheidenden Staatsoperndirektor gelang es, „den bisherigen Kapellmeister der Wiener Staatsoper Eduard [recte: Wilhelm] Loibner als Opernchef an das Landestheater Salzburg“ zu berufen, ebenso Loibners Kollegen Anton Paulik und auch „Hans Knappertsbusch soll in Salzburg dirigieren“, so das „Salzburger Volksblatt“. Die offizielle Amtseinführung Erwin Kerbers als Intendant des Salzburger Landestheaters fand am 9. September 1942 statt. Dr. Heinz Wolff, Kulturbeauftragter des Gauleiters, führte ihn bei einem Betriebsappell im Theater ein, bei dem auch Oberbürgermeister Giger und Bürgermeister Dr. Franz Lorenz anwesend waren. Wolffs programmatische Rede über die „prinzipielle Stellung des Theaters im Kriege“ war mit politischen Motiven gespickt: „Das Theater muß sich in die heutige Schicksalsfront eingliedern, es muß selbst Kämpfer und selbst Gestalter sein. Das künstlerische Erlebnis muß aus dem Kriegsgeschehen heraus erfolgen.“ Auf Wolff folgte Kerber, er „ergriff anschließend das Wort zu längeren, launig vorgebrachten Erörterungen“, in denen er u. a. Einblick in die Stückauswahl seiner ersten Saison gab. „Die Ausführungen schlossen mit einem Bekenntnis zu den großen Aufgaben des deutschen Theaters im Kriege.“ Knapp eine Woche später stellte Kerber offiziell in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Heinz Wolff sein Programm für die Spielzeit 1942/43 vor, darunter Mozarts „Die Zauberflöte“, Verdis „Don Carlos“, Puccinis „Madame Butterfly“ und Goethes „Egmont“, der die Saison am 3. Oktober eröffnete. Einen Tag später folgte die Premiere von „Die Zauberflöte“, am 7. Oktober jene der Operette „Eine Nacht in Venedig“ im Festspielhaus und ab dem 6. November war Hermann Bahrs „Die gelbe Nachtigall“ im Landestheater zu sehen, die beiden Letztgenannten wurden von Erwin Kerber inszeniert – so wie weitere acht Stücke bis zu Kerbers Tod.
Der Oberbürgermeister der Stadt Salzburg rief 1942 einen dotierten Kulturpreis der Gauhauptstadt ins Leben, der jährlich vergeben werden und „den bodenverwurzelten Kräften höchsten Anreiz zu eigenem volksverbundenen Schaffen“ sein sollte. Erster Preisträger 1942 war der Komponist und Mozarteums-Professor Cesar Bresgen. Nach dieser nicht unumstrittenen Entscheidung sollte ein aus unterschiedlichen Kunstgattungen zusammengesetzter Beirat über die künftigen Preisträger mitentscheiden. Erwin Kerber stand unter der Rubrik „für Schriftstellertum“ auf der 1942 vom Festspielpräsidenten Heinrich Puthon erstellten „Vorschlagsliste für die Zusammensetzung des Rates“, der hinkünftig über die Zuerkennung des Kulturpreises der Stadt Salzburg entscheiden sollte. Kerber wurde schlussendlich nicht in dieses Gremium aufgenommen. Nach strukturellen Änderungen in der Entscheidungsfindung wurde er im November 1942 jedoch von Bürgermeister Lorenz gebeten, namens des Verwaltungsausschusses des Landestheaters zwei Personen, an die der Preis 1943 vergeben werden könnte, zu benennen. Kerber antwortete wenig engagiert, indem er die beiden Komponisten Franz Salmhofer und Paul Winter vorschlug – beide hatten eigentlich keinen Salzburg-Bezug, von beiden waren jedoch Uraufführungen am Landestheater in der Saison 1942/43 geplant. „Es liegt aber auf der Hand, dass vor der Uraufführung der beiden Werke schwer die Anregung zu einem Antrag verdichtet werden kann, da ja erst Publikum und Presse ihr Urteil fällen werden. Auf rein literarischem Gebiet weiss die Intendanz derzeit keinen Schriftsteller, dessen Werke stark und erprobt genug wären, ihn so sichtbar auszuzeichnen. Am ehesten schiene Richard Billinger in Betracht zu ziehen zu sein, (…). Der Kulturpreis der Gauhauptstadt ging 1943 an den Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl.
Für alle überraschend erlitt der 51 Jahre alte Erwin Kerber am 24. Februar 1943 bei einer Probe im Landestheater einen „Anfall“, nach medizinischer Versorgung vor Ort wurde er in die Wohnung seiner Schwester gebracht, wo er in den Mittagsstunden einem zweiten Herzinfarkt erlag. Mit Datum des darauffolgenden Tages kondolierte Oberbürgermeister Giger der Witwe Anna Kerber: „Im Namen der Gauhauptstadt Salzburg und im eigenen Namen bringe ich Ihnen das tiefgefühlteste Beileid zum Tode Ihres unersetzlichen Mannes zum Ausdruck. Die Gauhauptstadt Salzburg ist Ihrem Manne, der mit einer unendlichen Liebe und restlosen Hingabe alle Festspiele seit Ende des ersten Weltkrieges hier geleitet und durchgeführt hat, zum unauslöschlichen Danke verpflichtet. Wir wissen, dass es nur seiner restlosen Hingabe zu verdanken ist, dass die Salzburger Festspiele diesen ungeahnten Aufstieg zum Weltruhm nehmen konnten. Die Stadt Salzburg wird ihm das nie vergessen. Wir schätzten ihn auch als einen aufrichtigen Charakter und deutschen Mann, der seine deutsche Heimat und seine Vaterstadt über alles liebte. Nehmen Sie daher die Versicherung unserer grössten Anteilnahme entgegen.“ Anna Kerber und Elise Nekola bedankten sich umgehend: „Nehmen Sie unseren innigsten Dank für die vielen Beweise rührender Anteilnahme an dem Heimgang unseres lieben Toten.“ Erwin Kerbers Leichnam wurde am 27. Februar auf dem Salzburger Kommunalfriedhof in der Gruft der Familie Jung beigesetzt. In der Presse wurde Kerber hochgelobt, Dr. Otto Kunz bezeichnete ihn in der „Salzburger Zeitung“ als die „Seele der Festspiele“. Heinz Wolff strich am 28. Februar bei einer Trauerkundgebung im Landestheater Kerbers Verdienste für die Idee des Nationalsozialismus hervor, indem er die Haltung des Verstorbenen überzeichnete. „Damals schon, in den Jahren der Systemregierung, hielt Dr. Kerber eine enge Verbindung aufrecht mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin, inmitten vieler Juden und Judengünstlinge blieb Dr. Kerber der sich dem Nationalsozialismus verbunden fühlende Deutsche. (…) An die innere Gestaltung der Theateraufgaben ging er als glühender, begeisterter Nationalsozialist heran, der sich besonders dem Führer, als dem größten Künstler aller Deutschen und aller Zeiten, verpflichtet fühlte.“ Der Kapellmeister des Landestheaters, Wilhelm Loibner, den Kerber wenige Monate zuvor von Wien nach Salzburg „mitgenommen“ hatte, wurde mit der interimistischen Führung des Hauses betraut. Loibner kehrte im Herbst 1943 an die Staatsoper zurück, die Intendanz des Landestheaters übernahm mit 1. April 1943 Peter Stanchina, bis dahin Direktor des Düsseldorfer Schauspielhauses. Wenige Tage nach Erwin Kerbers Tod fanden die Premieren seiner letzten Inszenierungen am Landestheater, Ruggero Leoncavallos Oper „Bajazzo“ und Giacomo Puccinis „Gianni Schicchi“, statt. Anlässlich seines ersten Todestages veranstaltete das Konzertamt Salzburg im Februar 1944 ein Gedächtniskonzert für Erwin Kerber im Großen Saal des Mozarteums. Das Mozarteum-Orchester spielte unter dem Dirigat von Wilhelm Loibner die „VI. Symphonie“ von Franz Schmidt und die „VI. Symphonie“ von Anton Bruckner.
Der Teilnachlass von Erwin Kerber, bestehend aus Briefen, Zeitungsausschnitten und Büchern mit insgesamt 113 Inventarnummern, befindet sich heute in der Musikabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek.
Straßenbenennung
Das Kulturamt des Magistrats Salzburg legte am 5. September 1969 einen Amtsbericht mit über 30 Vorschlägen von Straßenneubenennungen im gesamten Stadtgebiet vor, nachdem diese am gleichen Tag im Unterausschuss für Straßenbenennungen erörtert worden waren. Vorgang VIII in der Katastralgemeinde Aigen beinhaltete drei Namen. Neben Josef August Lux und Wilhelm Furtwängler war dies Erwin Kerber, nach dem eine „Straße von der Ziegelstadelstraße nach Osten führend“ benannt werden sollte. In den Erläuterungen zu den Benennungsvorschlägen war über den ins Auge Gefassten zu lesen: „Erwin Kerber, geb. 1891 in Salzburg als Sohn des Hofbuchhändlers Hermann Kerber (jetzt Höllrigl) und der Theresia Kerber, geb. Jung, war Generalsekretär der Wiener Staatsoper und später Direktor der Salzburger Festspiele von 1929 bis zu seinem Tode 1943.“ Vom Kulturausschuss wurden in seiner Sitzung am 16. September 1969 „die im Amtsbericht vorgeschlagenen Straßenbenennungen (…) ohne jeden Alternativvorschlag einstimmig angenommen“ und die Weiterleitung an den Stadtsenat zur Beschlussfassung veranlasst. Diese erfolgte am 6. Oktober 1969. Die Benennung der „Erwin-Kerber-Straße“ wurde in der Gemeinderatssitzung am 21. Oktober 1969 einstimmig (19 SPÖ, 13 ÖVP, 8 FPÖ) beschlossen.