Dr. h. c. Herbert von Karajan
Dirigent
* 5. April 1908 in Salzburg
† 16. Juli 1989 in Anif
Platzbenennung: Herbert-von-Karajan-Platz, beschlossen am 10. Juli 1991
Lage: Altstadt; linkes Ufer der Salzach; auf ihn münden die Hofstallgasse, das Siegmundstor (Neutor), die Bürgerspitalgasse und der Universitätsplatz.
Der Dirigent Heribert Adolf Ernst von Karajan wurde am 5. April 1908 in Salzburg als Sohn des Chirurgen, Primar am St. Johanns-Spital und Landessanitätsdirektors Dr. Ernst von Karajan und von Martha, geb. Kosmac, geboren. Die Familie der Mutter stammte aus der Slowakei, der Vater aus einer griechisch-makedonischen Familie, er war durch 32 Jahre im Spital tätig und baute die Chirurgische Abteilung zu einem modernen Institut aus.
Herbert von Karajan begann seine Klavierausbildung im Alter von vier Jahren am Salzburger Mozarteum bei Franz Ledwinka. Ab 1917 studierte er Harmonielehre bei Franz Sauer, Komposition und Kammermusik bei Bernhard Paumgartner. Er besuchte das Konservatorium Mozarteum und belegte die Klavierklasse von Ledwinka. Nach der Matura 1926 – am ersten Termin konnte er wegen Erkrankung nicht teilnehmen – ging Karajan nach Wien, belegte Musikwissenschaft an der Universität Wien, nahm Klavierunterricht bei Josef Hofmann und studierte Dirigieren bei Franz Schalk und Alexander Wunderer an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst. Als Hörer der Musikakademie wohnte er während des Studienbetriebs in Wien zunächst im Hotel Stadt Triest, dann in verschiedenen Wohnungen im 1. Wiener Gemeindebezirk (Stubenbastei, Kolowratring), die unterrichtsfreie Zeit verbrachte er jeweils in Salzburg im elterlichen Haus in der Schwarzstraße Nr. 1 (heute Nr. 9).
Während des Dirigentenstudiums trat Karajan als Pianist auf, etwa bei einem auf Radio Wien übertragenen Konzert des Wiener Symphonieorchesters unter Leitung von Bernhard Paumgartner. Seinen ersten öffentlichen Auftritt als Dirigent absolvierte Karajan noch vor Abschluss seiner Studien am 22. Jänner 1929 im Großen Saal des Mozarteums bei einem außerordentlichen Symphoniekonzert des Mozarteumsorchesters. Die Salzburger Zeitungen waren voll des Lobes. Seine „Dirigentenbegabung“ habe in Wien bereits für „Aufsehen“ gesorgt, er habe „unstreitige Anlagen für den Beruf des Dirigenten“ bewiesen, so die „Salzburger Chronik“. Die „Salzburger Wacht“ lobte das sichere Auftreten und die „markante Stabführung“. Begeistert war Otto Kunz im „Salzburger Volksblatt“: „Herr Herbert Karajan hält als angehender Dirigent die Versprechungen, die er als Wunderkind am Klavier gab. Sein erster öffentlicher Schritt auf das Dirigentenpodium (…) zeigt einen starken, gezügelten Dirigentenwillen, der sich durchzusetzen versteht. (…) Der Abend war, ohne Lokalpatriotismus gesagt, eine kleine überraschende Sensation. (…) Maßgebend aber bleibt die Urkraft der Musikalität Karajans und die Intuitivität, mit der er auf das Orchester wirkt.“ Karajan erinnere an „den jungen Clemens Krauß“.
Kurz nach seinem Abschluss an der Musikakademie wurde Karajan nach einem Dirigentengastspiel mit Beginn der Saison 1929/30 als Erster Opernkapellmeister am Stadttheater Ulm verpflichtet. Ab 1930 war Karajan unter den Lehrkräften der Sommer-Orchesterakademie der Stiftung Mozarteum.
Deutschnationale Prägung
Karajan wurde in einem ideologischen Milieu sozialisiert, das viele Berührungspunkte zum frühen Nationalsozialismus hatte. 1925 war er Konkneipant bei der schlagenden Alldeutschen Gymnasialverbindung Rugia in Salzburg, dürfte jedoch, um seine Hände nicht der Verletzungsgefahr auszusetzen, „keine Mensuren ausgefochten haben“. Einen Hinweis auf antisemitische Einstellungen geben seine Eintragungen 1927 und 1928 in den Studienbüchern der Universität Wien, in denen er sich als „(Deutsch)Arier“ oder „Arisch“ eintrug, was nur „ganz rechte deutschnationale und offensiv antisemitische Studenten“ taten. In einem Brief an seine Eltern berichtete er über seinen Wohnungsvermieter Rechtsanwalt Dr. Karl Samuely: „Er ist ein Jude Rechtsanwalt.“ 1934 polemisierte er in einem Brief an seine Eltern gegen die Wiener Volksoper, dass er dort nicht dirigieren wolle, da „es ja doch nur ein Vorstadttheater, ohne Namen war, außerdem wird das gesamte Palästina dort gesammelt sein“.
NSDAP-Mitgliedschaft
Herbert von Karajan trat am 8. April 1933, also vor dem Parteiverbot, in Salzburg bei der Ortsgruppe Neustadt der NSDAP bei und erhielt die Mitgliedsnummer 1.607.525. Laut Schilderung des Ortsgruppenleiters Johann Mösel aus dem Jahr 1939 wurde Karajan „im April 1933“ von „Pg. Klein Herbert, Salzburg. Sigmunds (sic) Haffnergasse 16“, angeworben. Klein habe „von ihm S 5,- als Werbebetrag erhalten“ und Karajan „den dafür bescheinigten Anmeldezettel ausgefolgt“. Den Anmeldeschein habe Klein „nachher bei der Werbestelle in Salzburg, Schwarzstrasse 1 abgegeben“. Die Werbestelle der NSDAP Salzburg war demnach ident mit der Wohnanschrift der Familie Karajan. Kurz nach dem Parteibeitritt verließ der Dirigent Österreich, um seinen Posten in Ulm anzutreten. Beim Wohnsitzwechsel war vorgesehen, sich jeweils bei der zuständigen Ortsgruppe zu melden, dem dürfte Karajan in Ulm nachgekommen sein. Ohne dass zwischenzeitlich ein Austritt oder eine Abmeldung aus der Partei erfolgt wäre, erhielt Karajan die zweite Mitgliedsnummer 3.430.914, die mit Datum 1. Mai 1933 in den Karteikarten eingetragen wurde. Diese Mitgliedsnummer wurde Karajan zwischen 1933 und 1935 zugewiesen, da sie aus einem Nummernblock stammt, der in dieser Zeit an 1933 Beigetretene vergeben wurde. In einem von Karajan selbst im November 1936 unterzeichneten Formular in seinem Aachener Personalakt scheinen laut Rathkolb die höhere Nummer und das Datum 1. Mai 1933 bereits auf. Beide Nummern existierten 1939 nebeneinander in den beiden parallel geführten NSDAP-Mitgliederkarteien (Gaukartei und Zentralkartei) und die Reichsleitung ließ, nachdem Karajan am 6. Juli 1938 die Ausstellung eines Mitgliedsbuches – worauf Parteimitglieder erst nach längerer Mitgliedschaft Anspruch hatten – beantragt hatte, überprüfen, welches Beitrittsdatum und damit welche Mitgliedsnummer formal ihre Richtigkeit hatte. Karajan schien zu diesem Zeitpunkt mit beiden Nummern und beiden Beitrittsdaten in den Unterlagen der Reichsleitung auf. Die niedrigere Nummer und das Salzburger Beitrittsdatum wurden schließlich gestrichen. Diese Mitgliedschaft war formal nicht in Kraft getreten, da Karajan außer dem Aufnahmebeitrag keine weiteren Mitgliedsbeiträge in Salzburg entrichtet hatte. Daher wurde rein parteirechtlich die ältere Nummer für ungültig erklärt, auf den Karteikarten gestrichen, die 3-Millionen Nummer und das Datum 1. Mai 1933 blieben in der Zentralkartei bestehen (bzw. ersetzten in der Gaukartei auf einen neu angefügten Formblatt, das erst nach 1937 in Verwendung war, die alte Nummer), das Mitgliedsbuch wurde im Juli 1939 an die Ortsgruppe Aachen mit dem Auftrag, es an Karajan auszufolgen, gesandt. Als Beitritts-Ortsgruppe galt dem Mitgliedschaftsamt weiterhin Salzburg. Die formale Streichung der älteren Nummer ändert nichts an Karajans Bestreben, der NSDAP am 8. April 1933 beizutreten, es erfolgte kein neuerlicher Beitritt, sondern nur die Zuweisung einer neuen Nummer und eines neuen Beitrittsdatums. Einige Karajan-Biographen haben die Karteikarten offenkundig aufgrund eingetragener Monatsmeldungen im Sinne einer Erzählung des Dirigenten aus der Nachkriegszeit, er sei erst 1935, um Generalmusikdirektor werden zu können, der NSDAP beigetreten, falsch interpretiert. Ein Beitritt 1935 wäre wegen der allgemeinen Aufnahmesperre der NSDAP zu dieser Zeit gar nicht möglich gewesen. Es gab zwar einige wenige Ausnahmen, eine solche hätte sich aber wohl aktenmäßig niedergeschlagen, was bei Karajan nicht der Fall ist.
Karriere in NS-Deutschland
1934 endete Herbert von Karajans Engagement in Ulm und er wurde als Leiter der Oper und erster Dirigent des Stadttheaters Aachen verpflichtet. Seine Berufung wurde vom „Salzburger Volksblatt“ als „eine Ehrung seiner Vaterstadt“ gesehen. Ein Jahr später wurde der Dirigent zur Saison 1935/36 als Nachfolger von Peter Raabe Generalmusikdirektor in Aachen. Am 20. August 1936 wurde er von Reichsmusikkammer und Stadtverwaltung zum Städtischen Musikbeauftragten für Aachen ernannt.
Im Herbst 1938 gab Karajan mit Ludwig van Beethovens „Fidelio“ sein Debüt an der Berliner Staatsoper. Drei Wochen später gelang ihm mit der Aufführung von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ und nach der enthusiastischen Kritik Edwin von der Nülls mit der viel zitierten Überschrift „Das Wunder Karajan“ der künstlerische Durchbruch. Die Kritik dürfte vom Generalintendanten der Staatsoper Heinz Tietjen lanciert worden sein. Am 6. November 1938 berief der preußische Ministerpräsident Generalfeldmarschall Hermann Göring Karajan an die Berliner Staatsoper. Gleichzeitig blieb der Dirigent Generalmusikdirektor der Stadt Aachen.
Am 4. März 1939 wurde Karajan zu einem Künstlerempfang von Hitler in Berlin eingeladen. Am 20. April 1939 wurde ihm von Hitler der Titel „Staatskapellmeister“ verliehen. Für seine Berufsausübung war er ab Kriegsbeginn „uk“ gestellt, musste also keinen Kriegsdienst leisten.
Im April 1940 wurde Karajan vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz zum „Staatlichen Musikberater“ ernannt. Über seinen Agenten Rudolf Vedder verfügte Karajan über hilfreiche Kontakte zu den Größen des NS-Staates. Vedder verkehrte mit höchsten SS-Kreisen, etwa mit dem Ersten Adjutanten Heinrich Himmlers, Ludolf-Hermann von Alvensleben.
Propagandaeinsatz
Im Rahmen seiner Dirigententätigkeit war Herbert von Karajan auch im Sinne der NS-Propaganda tätig, er dirigierte 1935 zu Hitlers Geburtstag Richard Wagners „Tannhäuser“ und leitete für „Kraft durch Freude“, eine Organisation der Deutschen Arbeitsfront, eine „Fidelio“-Aufführung zum Maifeiertag. Für den Kreisparteitag der NSDAP Aachen im Juni 1935 ließ er mehrere Chorwerke politischen Inhalts einstudieren, darunter auch die NS-Werke „Festlicher Hymnus“ (Otto Siegl), „Unsere Seele“ (Bruno Stürmer), „Flamme empor“ und „Feier der neuen Front“ (Richard Trunk). 1942 dirigierte er im Auftrag des Reichspropagandaamtes Berlin eine Reihe von Konzerten, u. a. für das Winterhilfswerk.
Herbert von Karajan wurde bereits vor Kriegsbeginn für die Auslandspropaganda eingesetzt. Das NS-Regime überwachte die kulturelle Betätigung im Ausland und setzte ihn im Juni 1939 bei einem Konzert in Athen als Dirigent ein. 1940 gastierte er in Madrid, in Rom und im Dezember 1940 mit Chor und Orchester der Stadt Aachen in Paris. Veranstalter des Propagandakonzertes war das Deutsche Institut beim Auswärtigen Amt. Ebenfalls in Paris gab Karajan ein Gastspiel im Mai 1941 mit der Berliner Staatsoper. Der Sicherheitsdienst der SS hob letzteren Auftritt in einem 1943 entstandenen Überblick „zur Frage des Einsatzes der deutschen Musik im Ausland“ besonders hervor. Im Jänner 1944 trat Karajan in Rumänien auf, die Ankündigung der Radioübertragung des Symphoniekonzertes in der rumänischen Presse hielt laut Übersetzung des Reichspropagandaministeriums fest, Karajan habe sich „in einer steil ansteigenden Karriere an der Staatsoper in Berlin einen beneidenswerten Ruf“ erworben.
Im Juni 1942 wurde Karajans Vertrag an der Berliner Staatsoper nicht verlängert, da der Dirigent „maßlose Forderungen“ gestellt haben soll. Allerdings boten sich für Karajan weiterhin ausreichend Auftrittsmöglichkeiten, etwa sechs Doppelsymphoniekonzerte pro Jahr mit der Staatskapelle bis 1944. Dieser Rückschlag in Karajans Karriere wurde in der wissenschaftlichen Literatur wiederholt mit seiner Heirat mit der „Vierteljüdin“ Anna Maria (Anita) Gütermann (geb. 2. Oktober 1917) in Verbindung gebracht, obwohl diese erst nach Auslaufen seines Vertrages mit der Staatsoper, nämlich am 22. Oktober 1942 stattfand. Zudem war eine Heirat mit einem „Mischling 2. Grades“ für „Deutschblütige“ nach den Nürnberger Gesetzen nicht verboten. Tatsächlich dürfte seine Ehe mit der aus einer Industriellenfamilie stammenden Gütermann Vorteile geboten haben, so Rathkolb. Anita Gütermann suchte sogar den direkten Kontakt zu Joseph Goebbels und traf ihn zu einer Unterredung in Venedig, um Vorbehalte der Reichskanzlei auszuräumen.
Das Reichsicherheitshauptamt vermerkte am 9. April 1943 per Stempel auf einer Karajan betreffenden Karte der Reichsmusikkammer, „nachteilige Notierungen in politischer Hinsicht liegen nicht vor“. Am 6. Juni 1943 wurde die Heirat vermerkt und wenige Wochen später festgehalten: „Lt. Ministerentscheid v. 26.6.1943 ist in dieser Angelegenheit nichts zu unternehmen.“ Hitler dürfte laut Prieberg per Gnadenerlass festgelegt haben, dass Karajan trotz seiner Hochzeit NSDAP-Mitglied bleiben könne. Im April 1944 wandte sich der Präsident der Reichskulturkammer in der Angelegenheit an die Reichsleitung und bat um Auskunft über Karajans NSDAP-Mitgliedschaft, da seine Gattin „Vierteljüdin“ sei, woraufhin die Mitgliedschaftsdaten übermittelt wurden.
Einen größeren Einfluss auf Karajans Karriereknick hatte zweifellos der wegen Unzuverlässigkeit erfolgte Ausschluss seines Konzertagenten Rudolf Vedder aus der Reichsmusikkammer per 30. Juli 1942, dieser konnte ihm damit keine Auftritte mehr vermitteln. Zudem wurde Vedder zeitweise aus der NSDAP und der SS ausgeschlossen. Das brachte Wilhelm Furtwängler wieder in die bevorzugte Stellung.
Ab 1944 widmete sich Karajan vor allem dem Linzer Reichs-Bruckner-Orchester, das mit Unterstützung von Staatssekretär Leopold Gutterer aus dem Goebbels-Ministerium zu einem führenden Orchester des Reiches aufgebaut werden sollte. Grund dafür war auch, dass in Linz noch relativ unbehelligt von Luftangriffen Aufnahmen gemacht werden konnten. Im Juni 1944 war noch im Berliner Rundfunk Karajans erste Stereo-Aufnahme entstanden. Im August wurde Karajan auf die „Liste der Gottbegnadeten“ gesetzt, was ihn weiterhin vor Kriegseinsätzen bewahrte. Am 18. Februar 1945 gab der Dirigent ein letztes Konzert mit der Staatskapelle in Berlin. Unmittelbar danach gelang es ihm gemeinsam mit seiner Gattin, sich per Flugzeug nach Mailand abzusetzen. Er hatte diesen Schritt seit November 1944 geplant. In Mailand wartete er das Kriegsende ab und wurde im April 1945 mutmaßlich auch Zeuge der Zurschaustellung von Mussolinis Leichnam.
Mieter der „arisierten“ Villa Schubert in Thumersbach
1942 war die Stadt Salzburg zumindest kurzzeitig bemüht, Karajan auszuzeichnen, sein Name fand sich auf ersten Überlegungen für mögliche Preisträger des Kulturpreises der Stadt Salzburg 1943, er kam jedoch nicht zum Zuge. Intensiver waren die Bemühungen des Gaues, dem Dirigenten einen angemessenen Landsitz zukommen zu lassen. Die seit 1936 in Besitz von Vera Schubert stehende Villa Schubert in Thumersbach wurde auf Grund einer Verfügung der Gestapo mit 17. April 1941 ins Eigentum des Reichsgaues Salzburg übernommen, also „arisiert“ . Ein Teil der Liegenschaft, das „Wiesenlehen“, wurde an ein Ehepaar verpachtet, Mieter bezogen die Villa. Ab 1943 bemühten sich die Salzburger Behörden, Karajan eine seinen Ansprüchen genügende Wohnung anzutragen.
Gauleiter Gustav Adolf Scheel hatte Herbert und Anita Karajan bei einem Treffen am 7. August 1943 eine Wohnung in der Villa vorgeschlagen. Das Ehepaar fuhr bereits am nächsten Tag nach Thumersbach, um sie zu besichtigen und anschließend an Propagandaamtsleiter Dr. Heinz Wolff eine Reihe von Wünschen heranzutragen, die Wolff dem Gauleiter mitteilte: „Herr v. Karajan bittet den Gauleiter ergebenst, daß für ihn nach Möglichkeit das Haus ganz frei gemacht wird, da er sonst keine Möglichkeit zu arbeiten hat. (…) Herr v. Karajan fragt an, ob er am 15.9.43 oder spätestens am 1.10.43 das Haus beziehen kann. Im ganzen drückte Herr v. Karajan des Öfteren seine lebhafte Befriedigung über das Entgegenkommen des Gauleiters aus und bat mich, Ihnen seinen ergebensten und herzlichsten Dank auszurichten.“
Zunächst mussten die bestehenden Mieter, die Familien zweier Architekten, umgesiedelt werden. Einer erklärte sich dazu bereit, wenn der Gau im Gegenzug sowohl die Übersiedlungskosten als auch die Bewohnbarmachung seiner Büroräumlichkeiten in Zell am See übernehmen würde. Die andere Mietpartei konnte wegen Krankheit bzw. fehlender Ersatzwohnung noch bleiben, sodass zunächst „nur“ das Obergeschoß und einige Räume im Erdgeschoß der Villa für die Karajans zur Verfügung standen, insgesamt 119,37 qm. Frau Karajan war kurz vor Einzug deshalb enttäuscht und wandte sich direkt an Gauleiter Scheel: „Sehr verehrter Herr Gauleiter, leider muss ich Sie nochmals wegen des Zeller Häuschens belästigen. Nachdem Frau Schmid nun scheinbar endlich am 1. XI. die Wohnung verlässt und mein Mann wegen des Auszugs der anderen Partei verbindlich mit Herrn Dr. Wolff gesprochen hat, musste ich heute zu meinem Befremden feststellen[,] dass dieselben überhaupt noch nichts davon erfahren haben. Landrat Dr. Allerberger[,] der sich in besonders netter Weise der ganzen Sache annimmt, wusste auch nichts davon. - Mittlerweile sind aber unsere Möbelwagen angekommen und wir wollten doch so gerne endlich unsere Ruhe finden. Würden Sie liebenswürdiger Weise nochmals Auftrag geben[,] dass nun das Haus leer zur Verfügung gestellt wird.“ Die Karajans bezogen nunmehr am 10. Dezember 1943 die Villa und nutzten im Erdgeschoss die Küche und Garderobe sowie eine Speisekammer und bewohnten im ersten Stock fünf Zimmer, ein Kabinett und ein Badezimmer. Die Wohnung im Erdgeschoss wurde erst im Frühjahr 1944 frei. Das Ehepaar bemühte sich nunmehr, diese zusätzlich (und damit die gesamte Villa) zugewiesen zu bekommen, Frau Karajan berief sich auf eine Zusage des Gauleiters, dieser wollte für die Dauer des Kriegsnotstandes jedoch eine bombengeschädigte Familie unterbringen. Karajan war damit nicht zufrieden, wie sich aus einem Schreiben von Amtmann Ullrich von der Reichsstatthalterei an ihn ergibt: „Mit den Ihnen mietvertraglich überlassenen Räumen habe ich Ihr Wohnungsbedürfnis weitestgehend berücksichtigt. Die Zahl dieser Räume überschreitet beträchtlich das nach der Wohnraumlenkungsverordnung zulässige Höchstmass. Eine zusätzliche Vermietung könnte in Ansehung der herrschenden Wohnungsnot nicht mehr verantwortet werden, da ich, wie Sie verstehen werden, auch den Raumbedürfnissen anderer Familien Rechnung tragen muss.“ Am 12. April 1944 fand „auf Ansuchen des Herrn von Karajan“ eine Besichtigung der Wohnverhältnisse durch den Landrat von Zell am See und den Gaukämmerer statt, „weil er angab, zur Ausübung seines Berufes dringend einen weiteren Wohnraum“ zu benötigen. Der Landrat zeigte sich vom Wohnungsbedarf nicht überzeugt. Obwohl nun auch die Mutter von Frau Karajan im Haus residierte, sei ausreichend Wohn- und Arbeitsraum vorhanden. Der Landrat schlug eine fünfköpfige Familie als Mieter im Erdgeschoß vor und bat den Gauleiter um Zustimmung. Karajan habe sich jedoch gegen eine Familie mit Kindern „verwahrt und erklärt, dass er zu seiner beruflichen musikalischen Tätigkeit Kinder ausgeschlossen wissen müsse. Er selbst möchte die nach Entnahme eines Zimmers verringerte Wohnung an ein älteres Ehepaar vermietet wissen, von dem er sich nicht nur erhofft, dass es lautlos darin wohnt, sondern ihm auch Hausmeisterdienste leistet. (…) Gelegentlich der nahezu zweistündigen Vorsprache der Familie von Karajan bei mir habe ich aus seinen Ausführungen entnommen, dass er seine Unterbringung in der Villa Schubert nicht etwa als ein für den Krieg geltendes Entgegenkommen des Gaues betrachtet, sondern der Meinung ist, dass ihm die Villa Schubert für alle Zeiten als endgültiger Wohnsitz zur Verfügung gestellt wurde.“
Der Reichstatthalter lehnte in der Folge eine weitere Raumabgabe an Karajan zunächst ab, wollte aber der Bitte nach Zuweisung eines kinderlosen Ehepaars entgegenkommen, auch nachdem Karajan im Mai 1944 „neuerlich um Überlassung eines weiteren Zimmers im Erdgeschoß“ gebeten hatte. Das vom Landrat daraufhin vorgeschlagene kinderlose Ehepaar kam jedoch ebenfalls nicht zum Zug, sondern der Gauleiter persönlich bestimmte die weitere Vorgangsweise: „Die ehemalige Villa Schubert steht Herrn und Frau Karajan zur Verfügung.“ Im Erdgeschoß stehen die Wohnküche und ein weiterer Raum „für kinderloses Ehepaar zur Verfügung, das gleichzeitig in der Lage ist, für die Instandhaltung des Hauses mitzusorgen", wobei dem Generalmusikdirektor das Vorschlagsrecht zukomme. Das zur Beheizung nötige Brennholz sollten die Pächter des Wirtschaftsgutes des Wiesenlehens dem Dirigenten zur Verfügung stellen. Der Gauleiter bestand auch darauf, dass ihm der Entwurf für den Mietvertrag vorzulegen sei, eine einmonatige Kündigungsfrist komme nicht in Frage. Schließlich wurde eine dreimonatige Kündigungsfrist und eine monatliche Miete von 230,- RM, sowie eine Abnutzungsentschädigung von 80,- RM pro Monat vereinbart. Den Mietvertrag für die bisher genutzten Räumlichkeiten hatte Karajan nie unterzeichnet und war die Miete dafür schuldig geblieben, er hatte 840,- RM nachzuzahlen.
Anlässlich der Übergabe der Villa wurde der Pächter des Wirtschaftsgutes gebeten, dem Ehepaar mit der Belieferung von Gemüse entgegenzukommen und auf die “besonderen grossen Aufgaben des Dirigenten“ Rücksicht zu nehmen. Als Untermieter schwebte Karajan nun eine alleinstehende Frau vor. Zuvor hatten sie offenbar ein italienisches Hausbesorgerehepaar beschäftigt, die Reichstatthalterei bestand jedoch auf deutschen Arbeitskräften.
Das Verhalten des Dirigenten und seine Bevorzugung gegenüber bombengeschädigten Familien stieß in der Bevölkerung und beim Landrat von Zell am See auf Unverständnis, wie letzterer dem Reichsstatthalter im September 1944 mitteilte. Es sei „zweifellos auf Einwirkung der Familie v. Karajan“ die Zuweisung der von ihm vorgeschlagenen Familien „wieder verworfen“ worden. Statt wie vorgesehen nun „in der unteren Etage eine Wohnküche und einen weiteren Raum an ein kinderloses Ehepaar, das gleichzeitig für die Instandhaltung des Hauses mitsorgen soll, also gewissermassen Hausmeistergeschäfte zu verrichten habe, abzugeben“, würden nunmehr „die fraglichen Räume an die ledige Angestellte des staatl. Gesundheitsamtes Dorothea Siebers vermietet“. Für den Landrat stand damit fest, „dass es dem Ehepaar v. Karajan bei seinem ganzen Vorgehen nur darum zu tun war, ihren ursprünglichen Plan durchzudrücken, nämlich den für zwei Personen schon sehr reichlichen Wohnraum in der ersten Etage durch Hinzunahme weiterer Räume zu vergrössern. Diese Einstellung ist im Hinblick auf den äusserst beschränkten Wohnraum zahlreicher Volksgenossen und insbesondere der durchweg sehr beengten Unterbringung bombengeschädigter bezw. evakuierter Personen unverständlich. Sie zeigt nur zu deutlich, dass die Familie v. Karajan für die Belange anderer, insbesondere einfacher Volksgenossen kein Herz hat und der Volksgemeinschaft nicht das notwendige Verständnis entgegenbringt. (...) Die Wohnungssache v. Karajan hat in der Bevölkerung schon grössten Unwillen hervorgerufen. Es wird nach dem gesunden Volksempfinden geurteilt und dargelegt, dass besser gestellte Familien auch jetzt noch bevorzugt behandelt werden.“ Die Bevölkerung kooperiere nun in Fragen der Wohnraumbeschaffung immer weniger unter Verweis auf die Bevorzugung von Karajan. Es sei „unverständlich“, dass er mit seinen Wünschen durchgedrungen sei.
Im Jänner 1945 ließ der Gauleiter den Gauhauptmann bei Frau Karajan anfragen, ob diese Räume für eine weitere Familie abgeben könne, wobei Scheel selbst weiterhin den Wünschen des Generalmusikdirektors entsprechend die Zuweisung einer kinderreichen Familie ausschloss. Gauhauptmann Dr. Oskar Grazer bat Frau Karajan um Verständnis, dass „zunehmende Obdachlosigkeit bombengeschädigter Volksgenossen“ nun Maßnahmen auch dort, wo bisher „von der Erfassung nicht voll ausgenützt oder überzähliger Wohnräume (...) Abstand genommen werden konnte“, notwendig seien. Man müsse nun „auch Teile Ihrer Wohnung in der Villa Wiesenlehen, die Ihnen bisher allein zur Verfügung stand, zur Einquartierung von Bombengeschädigten“ heranziehen. Das Amt werde „die Zuweisung einer besser situierten Familie“ in Aussicht nehmen. Unterwürfig bat der Gauhauptmann darum, „dem Gebot der Stunde Verständnis entgegen zu bringen“ und „mir möglichst umgehend Ihre Bereitwilligkeit für eine Einquartierung unter Angabe der Wohnräume, die Sie abzutreten bereit sind, mitzuteilen“. Eine Antwort ist nicht überliefert. Die Villa wurde nach dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen von diesen genutzt. Karajans Mutter bemühte sich unter Berufung auf diesen Umstand um Erlass des Mietzinses ab 1. April (sic) 1945. Das Land bestand auf der Nachzahlung des Mietzinses für April und Mai, da das Mietobjekt zu diesem Zeitpunkt ja noch zur Verfügung stand.
Entnazifizierung
Über Triest, wo Herbert von Karajan sechs Konzerte dirigierte und die zuständigen Stellen davon ausgegangen waren, dass er kein NSDAP-Mitglied gewesen sei, kehrte der Dirigent Ende 1945 nach Salzburg zurück, offiziell meldete er sich am 22. März 1946 in der Schwarzstraße 1 bzw. der Josef-Friedrich-Hummel-Straße 1 an. Um wieder auftreten zu können, musste er sich als vormaliges NSDAP-Mitglied einem Zulassungsverfahren unterziehen. Dabei machte er sich zunutze, dass zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen meist noch nicht auf Aktenbasis gefällt werden konnten. Er konstruierte erfolgreich einen quasi erzwungenen Parteieintritt sowie einen Parteiaustritt nach seiner Hochzeit mit Anita Gütermann.
Im Fragebogen für ehemalige Nationalsozialisten laut Erlass des Landes Salzburg vom 8. August 1945, den Karajan eigenhändig ausfüllte und mit einigen handschriftlichen Beilagen versah, führte er aus, dass er „im Jahre 1935 oder 36 u. zwar nach mehrmaliger dringender Aufforderung zuletzt auf ausdrückliches Verlangen des Kreisleiters von Aachen[,] der vom Parteibeitritt meine Vertragsverlängerung abhängig machte“, der NSDAP beigetreten sei. Der Kreisleiter hatte freilich keinerlei Einfluss auf diese Bestellung, zudem herrschte zu diesem Zeitpunkt Aufnahmesperre. Sein Parteiabzeichen habe er nur getragen, „wenn ausdrücklich vorgeschrieben“. Obwohl – wie oben ausgeführt – seine Auslandsauftritte auch vom Auswärtigen Amt organisiert wurden, behauptete er, dass seine Auftritte „im Gegensatz zu vielen anderen Dirigenten[,] die den betreffenden Ländern durch das deutsche Propaganda Ministerium oder Auswärtige Amt quasi aufgezwungen wurden[,] auf rein geschäftlich künstlerischer Basis zwischen mir und den betreffenden Konzertinstituten abgeschlossen wurden. Es kam deshalb zu vielen Reibereien zwischen dem Ministerium und mir[,] bis schliesslich 1944 eine Verfügung herauskam[,] die den Künstlern verbot[,] anders als durch das Ministerium mit dem Ausland zu verhandeln. Das war das Ende meiner auswärtigen Tätigkeit.“ Seine Entlastungsstrategie fußte jedoch vor allem auf der Konstruktion eines Parteiaustrittes: „Ich wurde nach meiner Heirat mit Frau Anita Gütermann im Jahre 1942 vor ein Parteigericht in Berlin zitiert. Dort wurden mir Vorhaltungen wegen meiner Eheschließung mit einer nicht ‚arischen’ 25% Frau (sic) gemacht. Daraufhin erklärte ich meinen Austritt aus der Partei. Von diesem Zeitpunkt an erfuhr meine Tätigkeit eine der gesamten musikalischen Öffentlichkeit deutlich spürbare Restriction.“ Unter anderem behauptete Karajan „das Verbot einer Berufung nach Dresden, das Verbot in Wien und bei den Salzburger Festspielen zu dirigieren, die Verweigerung einer Auftrittserlaubnis für die Schweiz und Schweden und endlich im Jahre 1944 eine völlig unmotivierte, nur mich, als einzigen Dirigenten betreffende Herabsetzung meines bisherigen Honorars um 50%“.
Für Karajan gingen zahlreiche Unterstützungsschreiben ein, u. a. von Freunden der Familien Karajan und Gütermann, von Mitgliedern der von ihm geleiteten Orchester oder von Festspielpräsident Heinrich Puthon, der Karajan Zutritt zu den Toscanini-Proben von 1934 bis 1937 verschafft hatte und ihn dabei als unpolitisch kennengelernt habe. Karajan habe „nie irgendeine ‚Nazi’-freundliche Aeusserung gemacht“, nie das Parteiabzeichen getragen und nie den Hitler-Gruß verwendet, so Puthon. „Es ist meine Ueberzeugung, dass er seinen so raschen Aufstieg zur Beruehmtheit nur seiner Kunst und seinem Koennen verdankt“, schließlich sei er „von fuehrenden Parteigenossen stark angefeindet“ worden. Andere wurden von der Kommission befragt, etwa der Komponist Gottfried von Einem, der Karajan regimekritische Aussagen zuschrieb.
Am 15. Dezember 1945 bestätigte die Theater- und Musik-Abteilung des US-Nachrichtenkontrolldienstes (Information Services Branch, ISB) die Auftrittsgenehmigung von Karajan, welche allerdings erst im Jänner 1946 in den „Salzburger Nachrichten“ bekannt gemacht wurde. Die Entscheidung beruhte auf den Falschangaben Karajans, wie aus dem Text der Begründung hervorgeht. So sei Karajan 1935 (!) der NSDAP beigetreten und nach seiner Heirat mit einer „nicht-arischen Frau (…) 1942 in Berlin vor ein Parteigericht gestellt“ worden, „vor dem er seinen Austritt aus der Partei erklärte.“ Daraufhin sei er beruflich stark eingeschränkt gewesen. „Die Kommission ist der Ansicht, daß es sich um einen Fall der politischen Maßregelung handelt und somit auch formell die Gründe vorliegen, von Karajan zum Wiederauftreten zuzulassen.“ Karajan habe durch „sein Einstehen für eine rassisch verfolgte Frau (…) Genugtuung geleistet“. Dem Dirigenten konnte die Täuschung der ISB gelingen, da diese ohne Akteneinsicht entscheiden musste. In der Folge „klammerte“ sich Karajan „lebenslang an diese unwahre Version“.
Trotz Widerständen der Wiener Stadtregierung und des sowjetischen Kulturoffiziers konnte Herbert von Karajan bereits im Jänner 1946 die Wiener Philharmoniker dirigieren, allerdings wurde Karajans Fall nochmals untersucht, die britischen Vertreter in der Alliierten Entnazifizierungskommission berichteten, dass Karajan auf einer Liste aus dem Jahr 1943 als Agent des Sicherheitsdienstes in Aachen geführt wurde, allerdings erhärtete sich der Verdacht nicht. Otto Pasetti vom ISB zweifelte die Vorwürfe gegen Karajan im Jänner 1946 an und sprach sich dezidiert gegen eine Festnahme des Dirigenten aus, bevor keine handfesten Beweise vorlägen: „Arrest of Karajan would create great confusion and concern among Austrians if he had to be released later because of lack of evidence.“ Auch der Autor Klaus Riehle, der sich in seinem Karajan-Buch mit diesem Verdacht befasste, konnte lediglich Vermutungen über Kurier-Dienste oder einen Einsatz als V-Mann anstellen, aber keine Belege für eine Tätigkeit Karajans für den SD vorlegen.
Weitere Auftritte Karajans im März 1946 wurden laut Meldung von „Neues Österreich“ „ganz plötzlich abgesagt (…), weil sich herausgestellt hatte, daß sich der Dirigent als Illegaler in der Nazipartei betätigt hatte“. Eine Kunstkommission werde entscheiden, ob „Karajan überhaupt als Dirigent noch tragbar ist“. Die österreichische Begutachtungskommission beschloss, dass Karajan als Dirigent – aber nicht in leitender Funktion – eingesetzt werden dürfe. Die französischen, US-amerikanischen und sowjetischen Delegierten des Alliierten Entnazifizierungsbüros waren hingegen für eine Beibehaltung des Auftrittsverbotes. Im Oktober 1947 wurde Karajan schließlich wieder zugelassen, auch für die Festspiele 1948. Diese Zulassung galt jedoch nicht für Deutschland. Ein geplantes Engagement in München 1948 konnte er nicht wahrnehmen. Die US-Stellen in Österreich hatten ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er einen eigenen Antrag stellen müsste, dem kam Karajan nicht nach. In der Folge wurde 1949 vom Licensing Adviser in Hamburg auch von seiner Verwendung als Dirigent des Hamburger Philharmonie Orchesters abgeraten. Er sei zwar ein exzellenter Dirigent aber als „leidenschaftlicher Nazi“ bekannt („known as an ardent Nazi“).
Nachkriegszeit
Nach Aufhebung des Auftrittsverbots dirigierte Herbert von Karajan 1947 im Wiener Musikverein die Wiener Philharmoniker. 1948 leitete er für die Gesellschaft der Wiener Musikfreunde einen Konzertzyklus und wurde von ihr zum Konzertdirektor (bis 1964), sowie „auf Lebenszeit“ zum Direktor des Singvereins der Gesellschaft ernannt. Ab 1948 wirkte er als ständiger Gastdirigent der Mailänder Scala (bis 1968), im selben Jahr dirigierte er erstmals das Philharmonia Orchestra in London und wirkte an den Internationalen Musikfestwochen in Luzern mit, denen er bis 1988 verbunden blieb. 1951 trat er zum ersten Mal bei den Bayreuther Festspielen auf. Ab 1954 unternahm er weltweite Gastspielreisen mit verschiedenen internationalen Orchestern. Er wurde 1955 als Nachfolger Furtwänglers „Chefdirigent“ der Berliner Philharmoniker und erhielt diesen Posten „auf Lebenszeit“. Ab 1956 war er künstlerischer Leiter der Wiener Staatsoper (bis 1964) sowie bis 1960 der Salzburger Festspiele. In diesem Jahr leitete er das Konzert zur Eröffnung des Neubaues des Großen Festspielhauses. 1964 wurde er in das Direktorium der Festspiele berufen. Karajan war 1967 Begründer der Salzburger Osterfestspiele und deren Gesamtleiter. Ebenfalls 1967 dirigierte er erstmals in New York an der Metropolitan Opera. 1968 gründete Karajan die Herbert-von-Karajan-Stiftung mit Sitz in Berlin, der 1969 an der Universität Salzburg, die ihn 1968 zum Ehrensenator ernannt hatte, ein Forschungsinstitut für experimentelle Musikpsychologie angeschlossen wurde. 1973 gründete der Dirigent die Salzburger Pfingstkonzerte, aus denen die Pfingstfestspiele hervorgingen. Sie standen unter seiner künstlerischen Leitung. 1977 kehrte er nochmals ans Pult der Wiener Staatsoper zurück.
Herbert von Karajan präsentierte im Rahmen der Osterfestspiele am 15. April 1981 die Weltneuheit Compact Disc (CD) gemeinsam mit den Entwicklern und Produzenten bei einer Pressekonferenz im Salzburger ORF-Landesstudio. Karajan war an der digitalen Aufnahme- und Wiedergabetechnik besonders interessiert. Seine Einspielung der „Alpensinfonie op. 64“ von Richard Strauss war 1982 die erste CD in der Geschichte der klassischen Musik.
Herbert von Karajan wurde oftmals ausgezeichnet und geehrt, so als Ehrenbürger der Stadt Salzburg (1968). „Die Landeshauptstadt Salzburg ernennt den österreichischen Dirigenten und gebürtigen Salzburger Herbert von Karajan anläßlich der Vollendung seines 60. Lebensjahres in Würdigung seiner überragenden Verdienste als Dirigent und Regisseur bei den Salzburger Festspielen, als weltweit anerkannter Interpret klassischer und zeitgenössischer Musik und im besonderen als Begründer der Osterfestspiele in Salzburg zum Ehrenbürger der Landeshauptstadt Salzburg.“ Er erhielt den Ring des Landes Salzburg, wurde Ehrenbürger der Stadt Wien (1978), erhielt das Ehrenbürgerrecht in Berlin (1973), Ehrendoktorate der Universitäten von München, Salzburg, Oxford (alle 1978) und Tokio (1979). 1985 wurde er mit dem Ehrenring der Salzburger Festspiele ausgezeichnet.
1987 dirigierte Herbert von Karajan zum einzigen Male das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. 1988 zog er sich aus dem Direktorium der Salzburger Festspiele zurück, im Jahr darauf trat er als künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker ab. Er verstarb am 16. Juli 1989 in seinem Haus in Anif, das er um 1968 erbauen ließ. Sein Grab befindet sich am Anifer Friedhof.
Platzbenennung
Die SPÖ-Gemeinderät*innen Mag. Anita Pirker, Erich-Franz Peyerl, Dr. Heinz Salfenauer, Mag. Susanne Chrawat-Pessler, Dr. Manfred Seiss und Bernd Scheichl stellten am 11. April 1991 im Kulturausschuss den Antrag, die „Hofstallgasse“ in „Herbert-von-Karajan-Gasse“ umzubenennen. Als Begründung führten sie an, der Dirigent wäre „in Salzburg geboren und Ehrenbürger dieser Stadt“, er „war jahrzehntelang maßgeblich an der künstlerischen Entwicklung der Salzburger Festspiele beteiligt. Seine Opernaufführungen und Symphoniekonzerte galten stets als etwas Außergewöhnliches. Mit den von ihm initiierten Osterfestspielen und Pfingstkonzerten setzte er kulturpolitische Akzente.“ Aufgrund dieser engen Verbindung zu den Festspielen biete sich gerade die Hofstallgasse „im Reigen von Furtwänglergarten, Max-Reinhardt-Platz und Toscaninihof in hervorragender Weise für eine Benennung nach Herbert von Karajan an“. Einen Monat später legte die Magistratsabteilung 2 ihren Amtsbericht vor, in dem zunächst auf die historische Bedeutung des Hofmarstalls hingewiesen wurde. „Die Kulturverwaltung gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß bei einer diesbezüglichen Umbenennung der historische Bezug verlorenginge und damit ein Stück Stadtgeschichte in Vergessenheit geraten könnte.“ Das Amt schlug als Alternative und um „Herbert von Karajan im Festspielbezirk die gewünschte Verkehrsfläche zu widmen“ die „Umbenennung des Siegmundsplatzes“ vor, der „erst 1873“ nach Erzbischof Siegmund Graf Schrattenbach benannt worden war. Da der von ihm in Auftrag gegebene Durchbruch durch den Mönchsberg offiziell den Namen „Siegmundstor“ trug, würde eine Umbenennung des „Siegmundsplatzes“ nicht „den Namen eines Salzburger Kirchenfürsten eliminieren. (…) Der Herbert-von-Karajan-Platz würde ein Pendant zum Max-Reinhardt-Platz darstellen. Zwischen diesen beiden Plätzen liegen die Festspielhäuser. Auf den historischen Bezug würde die Hofstallgasse hinweisen.“ Der Kulturausschuss stimmte diesem Vorschlag in seiner nichtöffentlichen Sitzung vom 16. Mai einstimmig zu. In der nichtöffentlichen Sitzung des Stadtsenates vom 27. Mai erklärte die Bürgerlisten-Gemeinderätin Dr. Elisabeth Moser, dass sie dem Amtsvorschlag nicht zustimmen könne, „da es problematisch sei, in einem zentralen Bezirk noch Plätze umzubenennen. Sie befürchtet, daß daraus Folgebeispiele entstehen könnten.“ Der Antrag wurde vom Stadtsenat gegen die Stimme der Bürgerliste angenommen. Die Benennung einer Verkehrsfläche nach Herbert von Karajan stand schließlich auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 10. Juli 1991. In dieser Sitzung brachte Gemeinderat Dr. Eckhard Schaller namens der Fraktion der Bürgerliste einen Gegenantrag zum Amtsbericht ein: „Unter der Annahme und in der Hoffnung, daß Herbert von Karajan nicht der letzte große Festspielkünstler gewesen sein wird und damit die Frage der künftigen Vorgehensweise bei diesem Beschluß berücksichtigt werden muß, stellt die Bürgerliste fest: Die Benennung von Plätzen in der Altstadt bzw. im ‚innersten Festspielbezirk‘ nach den Gründern Max Reinhardt und Arturo Toscanini war aus stadtgeschichtlicher Sicht nicht nur vertretbar, sondern auch richtig. Selbst die Benennung des unmittelbar angrenzenden Furtwängler Parks scheint aufgrund der herausragenden musikalischen Persönlichkeit noch vertretbar.“ Demgegenüber war die Umbenennung der „Marktgasse“ in „Wiener Philharmoniker-Gasse“ schon fragwürdiger, war sie doch „bereits Ausdruck der Ausweitung des Festspielbezirkes zu Lasten ‚der normalen Stadt‘“. Für die Bürgerliste stand fest: „Diese Entwicklung sollte aus unserer Sicht nicht weiterlaufen.“ Da Karajan „neben seinem Engagement als Musiker ein leidenschaftlicher Pilot“ gewesen war, beantragte die Bürgerliste daher in Anlehnung an den New Yorker „Kennedy Airport“ oder den Pariser Flughafen „Charles de Gaulle“ die Umbenennung des „Salzburg-Airport“ in „Karajan-Airport“. An der sich daraus ergebenden Diskussion beteiligten sich Bürgermeister Dr. Harald Lettner (SPÖ) und die Gemeinderät*innen Dr. Elisabeth Moser (BL), Franz Peyerl (SPÖ), Dr. Eckhard Schaller (BL), Mag. Anita Pirker (SPÖ) und Dr. Erich Marx (FPÖ). „Es wird vor allem die Frage erörtert, ob namentliche Veränderungen im Altstadtbereich vorgenommen werden sollen oder nicht. Die SPÖ tritt für eine Namensnennung im Nahbereich des Festspielhauses ein.“ Wie sich aus einem Leserbrief in den „Salzburger Nachrichten“ rekonstruieren lässt, sprach Gemeinderätin Moser offensichtlich auch Karajans NS-Vergangenheit an. Dies wurde weder ins Protokoll aufgenommen noch von anderen Mandatar*innen aufgegriffen, Karajans Leben in den 1930er und 1940er Jahren spielte im gesamten politischen Prozess der Platzbenennung praktisch keine Rolle. Der von Schaller eingebrachte Gegenantrag wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ mehrheitlich abgelehnt, der Amtsvorschlag zur Umbenennung des „Siegmundsplatzes“ in „Herbert-von-Karajan-Platz“ mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ (20), ÖVP (8) und FPÖ (4) gegen die Stimmen der Bürgerliste (4) angenommen. Die feierliche Enthüllung der Platztafeln fand am 17. August 1991 in Anwesenheit der Witwe Eliette von Karajan, hoher politischer Vertreter von Stadt und Land Salzburg, Festspielpräsident Dr. Albert Moser und einer großen Zahl an Repräsentant*innen der Hochkultur statt.