Josef Thorak

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Josef Thorak, 1944

Bildhauer

* 7. Februar 1889 in Wien

† 25. Februar 1952 in Schloss Hartmannsberg, Bayern

Straßenbenennung: Josef-Thorak-Straße, beschlossen am 18. Februar 1963

Lage: Aigen; Parallelstraße zur Baumbichlstraße.

 

Josef Thorak wurde am 7. Februar 1889 in Wien unehelich geboren. Die Familie seines gleichnamigen Vaters, eines Hafnergesellen, war nach Ostpreußen zuständig, seine Mutter Mathilde Emig war 1853 im Stadtteil Riedenburg in der Stadt Salzburg zur Welt gekommen. Beide Eltern entstammten einfachsten Verhältnissen. Die Mutter zog kurz nach der Geburt des Sohnes mit dem Kind zurück nach Salzburg, wo sie als Hausangestellte den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn bestritt. Zwar heirateten die Eltern 1896 in der Bürgerspital-Pfarrkirche und der nur zeitweilig anwesende Vater anerkannte im August desselben Jahres seine Vaterschaft, wodurch aus Josef Emig Josef Thorak wurde, die Familienverhältnisse blieben jedoch zerrüttet. Das Kind wurde daher im September 1896 in die „Besserungsanstalt für verwahrloste Knaben“ Edmundsburg gegeben, die zum Stift St. Peter gehörte und von Kreuzschwestern aus Linz betreut wurde. Dort kam es nach kurzer Zeit zum Eklat. Der Neunjährige wollte im Dezember 1898 dem Heim entkommen, indem er ein Bett anzündete. Der Brand konnte zwar rasch gelöscht werden, Thorak wurde jedoch von einer der Schwestern gezüchtigt. Seine Mutter wandte sich in Folge an den Arzt Dr. Franz Schuchter, der die Verletzungen bestätigte. Die Angelegenheit gelangte schließlich vor Gericht, wo die Oberin der Edmundsburg und die Schwester, die den Jungen geschlagen hatte, zu geringen Strafen verurteilt wurden. Bedeutender als der Schuldspruch jedoch war die über mehrere Monate ausgetragene Debatte im deutschnationalen „Salzburger Volksblatt“ und in der klerikalen „Salzburger Chronik“, die einen weltanschaulichen Stellvertreterkampf darstellte und schlussendlich dazu führt, dass Mathilde Thorak sich aufgrund des öffentlichen Aufruhrs gezwungen sah, mit ihrem Sohn Salzburg zu verlassen. Josef Thorak musste nach 2½ Jahren seine Schulausbildung abbrechen, er nahm sie nie wieder auf.

Unsteten Jahren verbunden mit zeitweiliger Wohnungslosigkeit und Bettelei folgten ab 1903 die Lehre als Töpfer in der Slowakei, Wanderjahre als Geselle in der k. u. k. Monarchie und im Deutschen Reich und schließlich eine erste Anstellung in der Wienerberger Tonwarenfabrik. Nebenbei besuchte Josef Thorak einen Kurs für Berufstätige an der Kunstgewerbeschule bei Anton Hanak. 1911 gelang es ihm schließlich mithilfe der Protektion seiner damaligen Quartiergeberin und des frühen Förderers Julius von Schlosser, des Direktors des Kunsthistorischen Museums in Wien, an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Klasse von Professor Josef Müllner aufgenommen zu werden. Thorak schloss – unterbrochen von zwei kriegsbedingten Aufenthalten in Ostpreußen im Sommer 1914 und im Frühjahr 1915 sowie einer Studienreise nach Bulgarien und Rumänien – die Ausbildung im August 1915 ab. Julius von Schlosser vermittelte den jungen Künstler an Wilhelm von Bode, den Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen Berlins, über den Thorak ein Atelier in der Klasse des Präsidenten Ludwig Manzel an der Preußischen Akademie für bildende Künste bekam. Zudem wurde der 28-Jährige 1917 Mitglied der Berliner Secession.

Der als Lebemann mit ‚Wiener Schmäh‘ in der Reichshauptstadt umtriebige Josef Thorak lernte in jener Zeit die Beamtentochter Hertha Kroll kennen, woraus sich zunächst eine unverbindliche Liebschaft entwickelte. Im August 1918 heirateten sie, nachdem bereits am 4. Jänner 1917 der gemeinsame Sohn Siegfried unehelich zur Welt gekommen war. Am 28. April 1921 erblickte der zweite Sohn Klaus das Licht der Welt.

In der politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich revolutionären Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg ernährte Thorak seine Familie bis Mitte der 1920er Jahre durch Aufträge, die ihm häufig sein Förderer von Bode vermittelte. Arbeiten im Schloss der adeligen Familie von der Marwitz ermöglichten es Thorak schließlich, ein kleines Haus in Bad Saarow in der Mark Brandenburg, 70 km südöstlich von Berlin, zu erwerben. Zudem bezog der Künstler ein Atelier in der Reichshauptstadt, in dem er in den Folgejahren insbesondere Kriegerdenkmäler für Gemeinde-, Regiments-, Vereins- und Privatfriedhöfe schuf. In dieser Zeit war Thorak wiederholt in Kontakt mit jüdischen Kollegen, so ließ er sich vom Architekten Harry Rosenthal seinen Hausneubau in Bad Saarow planen, der Gartenarchitekt Georg Bela Pinower konzipierte die Außenanlage, für jüdische Berliner Bankiers fertigte er diverse Arbeiten an. Dass Josef Thorak sich in jener Zeit antisemitisch geäußert hätte, ist nicht überliefert. Der niederländische Schriftsteller Nico Rost, von Juni 1944 bis zur Befreiung im April 1945 Häftling im KZ Dachau, beschrieb den Bildhauer folgendermaßen: „Thorak! Der ‚offizielle‘ Bildhauer des Dritten Reiches. Ich entsinne mich seiner noch recht gut – aus dem Romanischen Café in Berlin. Vor 1933. Ein Streber, der nichts unversucht ließ, um die Kunstkritiker für sich zu gewinnen, sie wohlwollend zu stimmen, der es auch nicht verschmähte, recht bedeutende Beiträge von jüdischen Mäzenen anzunehmen und der außerdem wer weiß was darum gegeben hätte, um bei Flechtheim [Alfred Flechtheim (1878–1937), jüdischer Kunsthändler und Galerist in Berlin; Anm. d. Verf.] ausstellen zu können. Das war allerdings vor Hitler.“

Der große künstlerische Durchbruch gelang Thorak bis zum Ende der 1920er Jahre nicht, daran änderten auch sein Engagement in der Berliner Secession, der Gewinn eines Staatspreises 1928 und eine durchaus breite publizistische Aufmerksamkeit in Berliner Blättern nichts. Das erste Großprojekt, bei dem er im Auftrag der Berliner Verkehrsgesellschaft unter Federführung des Architekten Jean Kraemer an der skulpturalen Gestaltung eines Platzes in Berlin-Charlottenburg arbeitete, brachte nur vorübergehend finanzielle Erleichterung. Langfristig entscheidender war jedoch einerseits der Kontakt zum Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht und anderen Berliner Honoratioren, über die Thorak Auftragsarbeiten erhielt, andererseits die Würdigung durch den einflussreichen und in der Kunstwelt anerkannten Wilhelm von Bode, mit dem Thorak eine grundlegend antimodernistische Tendenz verband und der 1929 eine erste Monografie über den 40-jährigen Künstler verfasste. Einen Hinweis auf Thoraks steigende Bekanntheit – zumindest in Berlin – liefert auch die Tatsache, dass der Filmemacher Hans Cürlis ihn als einen von mehreren Künstlern in seiner Dokumentarfilmreihe „Schaffende Hände“ porträtierte. Zu jener Zeit begann Thorak, der händeringend nach Anerkennung strebte, fälschlicher- und unerlaubterweise den Titel „Professor“ zu führen, den er erst in der NS-Zeit durch seine Berufung an die Akademie in München 1937 verliehen bekam.

Josef Thorak hatte sich zwar offiziell am 8. Februar 1926 von seiner Ehefrau Hertha scheiden lassen, die beiden lebten aber weiterhin unter einem Dach, wobei Thorak bald zum gefürchteten Tyrannen für seine geschiedene Frau und die beiden Kinder wurde. Um das Jahr 1928 lernte der Künstler bei einer Ausstellung Hilda Lubowski kennen, eine Berliner Arzttochter mit polnisch-jüdischen Wurzeln, die ihn und seine Ex-Frau in der Folge auch im Haus in Bad Saarow besuchte. Nachdem Hertha Thorak am 24. Juli 1928 plötzlich verstorben war und Josef Thorak mit Hilda Lubowski inzwischen eine intime Beziehung begonnen hatte, heirateten die beiden nach einem ‚Trauerjahr‘ am 28. September 1929 in Berlin-Wilmersdorf. Zusätzlich zu den beiden Söhnen aus erster Ehe, um die sich deren Stiefmutter Hilda Thorak kümmerte, kam am 9. März 1930 der dritte Sohn Peter zur Welt. Der leidenschaftliche Jäger Thorak und seine Frau begannen in Bad Saarow vermehrt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Boxlegende Max Schmeling und seine spätere Ehefrau, die Schauspielerin Anny Ondra, zogen in die Nachbarschaft und verbrachten viel Zeit mit dem Ehepaar Thorak. „Wie Thorak selber waren auch seine Feste von schlichtem, bäuerlichem Zuschnitt. Mit Vorliebe servierte er seinen Gästen derbe Gerichte und Faßbier“, so Schmeling in seinen „Erinnerungen“. Der Bergsteiger, Schauspieler und Filmregisseur Luis Trenker stieß bald ebenfalls zu diesem Kreis, genauso wie der Schauspieler Harry Liedtke und andere.

 

Der Künstler und der Nationalsozialismus 1933–1936

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre zeitigte auch auf Josef Thoraks Auftragslage Auswirkungen, die Familie geriet erneut an den Rand der materiellen Not. Erst die Betrauung mit der Ausführung des Altarkreuzes und weiterer Plastiken für die St. Josefskirche in Berlin-Tegel 1932 brachte Besserung. In eben dieser Zeit vollzog sich der politische Umbruch in Deutschland. Adolf Hitler gelang es, den Stimmenanteil der NSDAP bei den Wahlen am 31. Juli 1932 von 18,3 % (1930) auf 37,4 % zu verdoppeln. Einem marginalen Einbruch bei den neuerlichen Wahlen am 6. November desselben Jahres folgten die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Jänner 1933 und der Zuspruch von 43,9 % der Wahlberechtigten zur NSDAP bei den letzten Wahlen der Weimarer Republik am 5. März 1933, die bereits unter nicht mehr demokratisch zu nennenden Verhältnissen abliefen. Die Nationalsozialisten begannen nun ihre diktatorischen Maßnahmen auf allen Ebenen durchzusetzen. Als politischer Opportunist wandte sich Josef Thorak den neuen Machthabern zu, ohne jedoch aktiv Anschluss an die Partei, ihre Organisationen und Repräsentanten zu suchen. Wenngleich er also kein ausgeprägtes politisches Streben hatte, so hegte er doch Sympathien für Adolf Hitler und insbesondere für dessen Interesse an Architektur, Malerei und Bildhauerei. Durch diesen Umstand und in der Hoffnung auf damit verbundene Aufträge einerseits sowie der Furcht, er würde wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau politisch-künstlerische Zurücksetzungen erfahren, entschlossen sich Hilda und Josef Thorak, ihre Ehe aufzulösen. Sie kamen überein, sich scheiden zu lassen, wobei der Bildhauer die Schuld für die Scheidung auf sich nahm, indem er „den ihm zur Last gelegten Ehebruch“ eingestand. Hilda Thorak konnte weiterhin im ehemals gemeinsamen Haushalt leben und Josef Thorak pendelte zwischen seinem Berliner Atelier, München und später Schloss Hartmannsberg und dem Haus in Bad Saarow. Nicht zuletzt dieser Schritt machte es möglich, dass Thorak in der Folge Zugang zu höchsten NS-Kreisen erhielt. Tatsächlich hätte sich dem geschiedenen Paar und ihrem gemeinsamen Sohn aber auch ein Ausweg aus dem nationalsozialistischen Deutschland geboten: Auf Vermittlung von Luis Trenker wurde Thorak in die Gestaltung eines monumentalen Denkmals in Ankara eingebunden, das sein Lehrer Anton Hanak begonnen hatte und dessen Ausführung nach dem Tod Hanaks vom Architekten Clemens Holzmeister fortgeführt wurde. Thorak reiste erstmals im April 1934 in die Türkei, im Dezember desselben Jahres wurde ein Vertrag abgeschlossen und er begann mit seiner Arbeit. Neben dem „Emniyet“-Denkmal sollte er weitere Projekte in der Türkei realisieren, etliche waren zumindest avisiert. Doch ein Blick auf die Büsten, die Josef Thorak 1933 und 1934 anfertigte, zeigt die Richtung seiner weiteren politischen Orientierung bereits sehr deutlich: Im Sommer 1933 modellierte er den Kopf von Propagandaminister Joseph Goebbels, 1934 wurde bei der Frühjahrsausstellung der Akademie in Berlin nicht nur Thoraks Atatürk-Büste gezeigt, sondern auch das Konterfei seines Freundes Ernst ‚Putzi‘ Hanfstaengl, der im November 1923 am Putschversuch Adolf Hitlers teilgenommen hatte, seit 1931 Mitglied der NSDAP war und auf höchster Ebene zwischen Deutschland und Großbritannien vermittelte. Eine Plastik des Kopfes von Benito Mussolini, die Adolf Hitler 1940 dem Porträtierten zum Geschenk machte, folgte im Schaffen, ehe der Künstler durch die Abnahme der Totenmaske von Reichspräsident Paul von Hindenburg im August 1934 im nationalsozialistischen Deutschland in jeder Zeitung und damit in aller Munde war. Mit dieser Arbeit erfolgte auch die öffentliche Hinwendung Josef Thoraks zu Adolf Hitler, den er in einem Interview mit dem „Völkischen Beobachter“ lobpreiste. Über die Familie von Hitlers ‚Leibfotografen‘ Heinrich Hoffmann, insbesondere über dessen Gattin Erna Hoffmann, kam Thorak schließlich in persönliche Verbindung mit Hitler. Die erste längere Begegnung des Künstlers mit dem Diktator erfolgte in Form einer Einladung zu einem mehrtägigen Aufenthalt auf den Obersalzberg im Frühjahr 1936, um dort an der Büste des ‚Führers‘ zu arbeiten. Als Folge dieser ‚Adelung‘ müssen die unzähligen Aufträge öffentlicher und halböffentlicher Stellen angesehen werden, die Thoraks Schaffen in den kommenden Jahren dominierten: Eine Großplastik „Boxer“ (als Modell diente Max Schmeling) für das Schwimmstadion bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, eine Hitlerbüste für das „Haus des Deutschen Sports“ im gleichen Jahr, ein Relief am Gebäude der Reichsbank in Berlin, eine Skulpturengruppe mit Siegesgöttin für das Märzfeld auf dem Parteitagsgelände in Nürnberg, die Gruppen „Kameradschaft“ und „Familie“ für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris 1937 und viele andere mehr. Während der Arbeit an den beiden letztgenannten Werken erhielt der Bildhauer im Februar 1937 Besuch in seinem Atelier. Joseph Goebbels erwähnte ihn hier zum ersten Mal in seinem Tagebuch: „Mit Führer bei Prof. Thorak Entwürfe für Pariser Weltausstellung angeschaut. Ganz groß und monumental. Thorak ist unsere stärkste plastische Begabung. Dem muß man Aufträge geben.“ Nicht nur bei Hitler stand Thorak hoch im Kurs, Joseph Goebbels genoss die Gesellschaft des Bildhauers gleichfalls und verkehrte auch privat mit ihm, wie ein Tagebucheintrag vom Ostermontag 1937, also nur wenige Wochen nach der Visite im Atelier, belegt: „Nachm[ittag] kleine Teegesellschaft. Zerletts, Anny Ondra, Bildhauer Torak [sic], Breker und v. Kalckreuth. Es wird viel palavert und dabei ist es am Kamin sehr gemütlich. Fast wie Weihnachten. Ich bin gerne mit Künstlern zusammen. Sie sind anregend und begeisterungsfähig. Man geht ganz und gerne aus sich heraus.“ Nachdem in den ersten Jahren der NS-Herrschaft divergierende Ansichten über das Wesen der „deutschen Kunst“ vorgeherrscht hatten, etablierte sich um 1936 in der Bildenden Kunst jene Ästhetik, die heute als Inbegriff nationalsozialistischen Kunstausdrucks gilt. Antikisierende, muskulöse und rassisch „reine“ Männer- und „gesunde“ Frauenfiguren stehen „entarteten“ Körpern gegenüber. Die ab Mitte der 1930er Jahre entstandenen Arbeiten von Josef Thorak erfüllten diese ästhetischen Anforderungen perfekt, sie fanden großes Gefallen innerhalb der nationalsozialistischen Führungsriege, die Thoraks Schöpfungen zur öffentlichen Propaganda im In- und Ausland nutzte. Die Bedeutung der Künste als Feigenblatt für die repressiv-rassistische NS-Herrschaft und für ihre Stabilisierung kann nicht überschätzt werden. Vor allem die Frage der Parteimitgliedschaft war daher in den Fällen der prominenten Künstlerinnen und Künstler sekundär. Und auch Geld spielte keine Rolle, wie die umfangreiche Korrespondenz zwischen den kommunalen Stellen, Albert Speer und Josef Thorak bezüglich der künstlerischen Ausgestaltung des Parteitagsgeländes in Nürnberg deutlich vor Augen führt, die auch während des Krieges als vordringlich, jedoch nicht kriegswichtig behandelt wurde. Allein für die oben genannte bronzene Figurengruppe für das Märzfeld, bestehend aus einer Siegesgöttin, zwei Männern mit Schild und Schwert und zwei Rossebändigern sowie für die zwei Reiterskulpturen „Schwertträger“ und „Fahnenträger“ waren Thorak laut einer von Albert Speer unterzeichneten Aufstellung insgesamt 660.000,- RM zugesagt. Bis Mai 1942 hatte er bereits 408.000,- RM erhalten. Teilweise musste der Bildhauer von diesem Betrag zwar Personal- und Materialkosten sowie Leistungen Dritter, u. a. von der Württembergischen Metallwarenfabrik Geislingen-Steige (WMF), tragen, sein Honorar war aber immer noch großzügig. Josef Thorak war innerhalb weniger Jahre vom beinahe mittellosen, vornehmlich in Berlin und Umgebung bekannten Bildhauer zum über die Grenzen des „Dritten Reiches“ hinaus repräsentierenden und präsenten Staatskünstler geworden, der mit Arno Breker (und in Konkurrenz mit diesem) zu Hitlers favorisierten Skulpteuren zählte.

 

1937 – das „Wendejahr“

Das Jahr 1937 war eines der nachhaltigsten in Josef Thoraks Karriere. War er bis dahin als freischaffender Künstler von privaten und öffentlichen Aufträgen abhängig, erfuhr er durch die im Frühjahr erfolgte Berufung zum Professor für Bildhauerei an der Akademie für Bildende Künste in München die lange angestrebte Anerkennung in Form einer akademischen Position, die ihn auch finanziell absicherte. Die Personalie selbst ging nicht auf Adolf Hitler zurück. Der bayerische Gauleiter und Kultusminister Adolf Wagner und die Unterstützung von Joseph Goebbels gegen die Widerstände aus dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sowie gegen die Ressentiments Münchner Kreise waren für die Berufung Thoraks maßgeblich verantwortlich. Gauleiter Wagner gab in einem Schreiben klare Anweisungen: „Professor Thorak besitzt mein besonderes und persönliches Vertrauen. Ich lege Wert darauf, dass er zum 15. 3. d. J. ernannt wird und sein Amt hier antreten kann. (…) Der Führer ist von dem Berufungsvorhaben von mir unterrichtet. Er begrüsst die Berufung sehr und hat sofortigen Vollzug bei der Vorlage zugesichert. Ich bitte deswegen um beschleunigte Verhandlung.“ Der zuständige Minister Dr. Bernhard Rust stimmte dem Vorgang widerwillig zu, bestand allerdings darauf, dass „die deutschblütige Abstammung Thoraks und gegebenenfalls seiner Ehefrau“ unbedingt nachgewiesen werden müsse. Obwohl der Künstler für seine geschiedene Frau Hilda Thorak keinen „Ariernachweis“ erbringen konnte, unterzeichnete Hitler am 3. April 1937 die Berufungsurkunde zum ordentlichen Professor, als Grundgehalt waren 7.000,- RM jährlich festgelegt. Auf Antrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wandelte Reichsminister Rust im November 1939 Thoraks bis dahin widerrufliches Beamtenverhältnis in eine Professur auf Lebenszeit um.

Gegen Jahresende 1937 begann Thoraks Freund Albert Speer – die beiden gingen bald zum vertrauten Du über und verbrachten mit Magda Goebbels, Arno Breker, Wilhelm Kreis und Karl Brandt im März 1939 einen gemeinsamen Urlaub in Sizilien – mit der Planung des Baues eines Ateliers für Thorak in München-Baldham, das dem Bildhauer von Adolf Hitler zugesagt worden war. Die Finanzierung erfolgte auf Anweisung Adolf Hitlers durch die bayerische Finanzverwaltung, „die Erwerbskosten usw. werden vom Führer übernommen“. Immobilie und Gebäude standen ohne Unterbrechung im Eigentum des Staates. Da das Atelier Thorak als Arbeitsstätte für private und öffentliche Aufträge miet- und kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde, trug es die Bezeichnung „Staatsatelier“. Thorak war über dieses Geschenk sehr erfreut, richtete er Anfang 1938 doch einen überschwänglichen Dankesbrief an den bayerischen Gauleiter, in dem er u. a. schrieb: „Ich versichere Ihnen hiermit, dass ich auch im laufenden Jahr bemüht sein werde, Ihnen, sowie unserem Führer, viel viel Freude durch meine Arbeit zu schenken.“ In formaler Anlehnung an die Reichskanzlei in Berlin realisierten Speer bzw. der ausführende Münchner Architekt Josef Schatz auf dem 5,5 ha großen Gelände ein 1600 m2 umfassendes Ateliergebäude mit enormen Ausmaßen: Drei Tore mit 11,5 m Höhe bildeten den Zugang zu einer 35 x 20 m großen und 15 m hohen zentralen Halle, in die das Tageslicht durch die Oberlicht-Glasdecke fiel. Diese Dimensionen sollten die reibungslose Anlieferung der unbehauenen Steinquader und ein uneingeschränktes Arbeiten ermöglichen, damit Thorak die staatlich beauftragten Monumentalplastiken wie das „Denkmal der Bewegung“ für München oder das „Denkmal der Arbeit“ an der geplanten Autobahn am Walserberg schaffen konnte. Am 23. Februar 1939 begingen die Bauherren das Richtfest, aus diesem Anlass sandte Josef Thorak ein Telegramm an Adolf Hitler: „Dringend. An den Führer. Obersalzberg. Von dem 17 Meter hohen First des neuen Ateliers grüsst der Richtkranz. Die ganze Belegschaft und der glückliche künftige Hausherr grüssen Sie mein Führer in Dankbarkeit und Treue. Professor Thorak.“ Als Dank und ‚Gegenleistung‘ für die Finanzierung seiner Arbeitsstätte lieferte Thorak 1939 zwei bronzene Pferdestatuen nach Berlin, die vor der Neuen Reichskanzlei aufgestellt wurden. (Die beiden Pferde sowie eine von Thorak 1942 geschaffene Büste Adolf Hitlers wurden erst 2015 wieder aufgefunden.) Eine Auflistung jener Werke, die Thorak in seinem Atelier in Baldham geschaffen hatte, steht bislang aus. 1943 führten Dr. Arnold Fanck und Dr. Hans Cürlis Regie bei dem 14-minütigen Filmporträt „Josef Thorak – Werkstatt und Werk“, der als Gemeinschaftsproduktion der Kulturfilm-Institut und der Riefenstahl-Film hergestellt wurde. Neben den überdimensionalen Gipsmodellen für das Nürnberger Märzfeld sind der Bildhauer und seine Gehilfen auch bei der Arbeit am Modell für das „Denkmal der Arbeit“ für den Walserberg zu sehen. Die Frage, wann Thorak gegen Kriegsende aus Baldham nach Oberbayern bzw. Salzburg ging, bleibt offen. Im Staatsatelier fanden am 5. Mai 1945 die Kapitulationsverhandlungen der Heeresgruppe G mit den US-Streitkräften statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude zunächst als Garage und US-Offizierskasino, in den 1950er Jahren wurden u. a. einzelne Szenen des Filmdreiteilers „08/15“ im Atelierbau gedreht. Von 1963 bis 1983 fungierte der Komplex als Kulissenlager der Bayerischen Staatsoper, seit 1991 beherbergt er das Depot der Archäologischen Staatssammlung. Im Zusammenhang mit den von Thorak in Baldham geschaffenen Monumentalarbeiten ist folgendes Schreiben des Bildhauers aus dem Frühjahr 1940 an die Marmorindustrie Kiefer AG in Kiefersfelden überliefert: „Auf Ihr Ersuchen, mich zu äussern, ob nach meiner Meinung der den Rainberg überragende Felsen wert sei, unter Naturschutz gestellt zu werden, teile ich mit, dass ich, nachdem mir die Situation und die Belange genau bekannt sind, der Ansicht bin, dass es mir ganz zweckmässig erscheinen würde, diesen Felsen für Monumentalbauten im Vierjahresplan aufzuarbeiten, womit die Mönchsbergwand von der Leopoldskron-Riedenburg-Seite freigelegt und auch ein sehr schön gelegenes Baugelände gewonnen würde.“ Dass Thorak tatsächlich die im Brief durchklingende Ortskenntnis hatte und das angesprochene Felsmaterial zu verarbeiten gedachte, erscheint aufgrund des Gesamtzusammenhanges unwahrscheinlich. Hintergrund des Schreibens war nämlich die Absicht des Oberbürgermeisters der Stadt Salzburg als untere Naturschutzbehörde, den oberen Rainberg unter Naturschutz zu stellen. Dagegen erhoben die Eigentümer Einspruch, wollten sie doch den Berg wirtschaftlich nutzen, indem sie die Abbaurechte an die Marmorindustrie Kiefer verkauften. Nach einem längeren Verfahren dürfte Thorak der letzte Strohhalm gewesen sein, an den die Eigentümer bzw. die Marmorindustrie sich zu klammern versuchten, denn bereits eine Woche später erhielt der Oberbürgermeister die Zustimmung zu seinem Vorhaben aus dem Büro der Landeshauptmannschaft als höhere Naturschutzbehörde. Thoraks Schreiben scheint demnach eher aus Gefälligkeit der Marmorindustrie Kiefer gegenüber verfasst worden zu sein denn als Absichtserklärung zur Nutzung des Rainbergfelsens.

1937 fand die erste „Große Deutsche Kunstausstellung“ im „Haus der Deutschen Kunst“ in München statt. Die Errichtung des Gebäudes erfolgte ab 1933 auf Anordnung Adolf Hitlers, der beabsichtigte, in der „Hauptstadt der Bewegung“ alljährlich eine Leistungsschau nationalsozialistischen Kunstschaffens abzuhalten, die gleichzeitig auch als Verkaufsausstellung fungierte. Da die Zahl der eingebrachten Objekte und deren Verkauf sprunghaft zunahm, wurde ab dem zweiten Jahr ihres Bestehens die Hauptausstellung, die von Juni bzw. Juli bis Oktober stattfand, durch eine sogenannte Austauschausstellung ergänzt, in der bereits verkaufte Werke durch neue ersetzt wurden. Insgesamt fanden bis 1944 also acht Haupt- und sieben Austauschausstellungen statt, allesamt unter der Schirmherrschaft Adolf Hitlers. Josef Thorak war von Beginn an alljährlich und mit jeweils mehreren Werken bei den Hauptausstellungen präsent. Insgesamt wurden 44 Werke aus seiner Hand gezeigt. Der Großteil der Arbeiten waren Statuen und Büsten. An vorderster Stelle der Käufer steht Adolf Hitler selbst, der fünf Objekte erwarb: die Statue „Frauenakt“ (ausgestellt 1940, Verkaufspreis 30.000,- RM), die Büste „Friedrich der Große“ (1940, 20.000,- RM), die Kopfstudie „Otto Gebühr“ (1943, 10.000,- RM), die Büste „Reichsminister Dr. Todt“ (1943, 10.000,- RM) und die Büste „Friedrich Nietzsche“ (1944, 50.000,- RM – der teuerste Ankauf Hitlers bei der Ausstellung 1944). Für die Büste Friedrichs des Großen lieh sich Thorak im Frühjahr 1939 via Albert Speer via Martin Bormann von Hitler jene Büste, die der Diktator kurz zuvor von der Stadt München als Geburtstagsgeschenk überreicht bekommen hatte. Weitere Käufer thorakscher Werke waren Martin Bormann (vier Arbeiten), Joseph Goebbels und Robert Ley (jeweils drei Arbeiten) sowie Albert Speer (eine Arbeit). Die nationalsozialistische Führungsriege erwies sich also auch in dieser Hinsicht als gebefreudig und bescherte Josef Thorak ein beachtliches finanzielles Zubrot. Relativ zeitgleich mit der ersten Münchner Ausstellung diskutierte die kulturelle NS-Elite über potentielle Preisträger des Deutschen Nationalpreises für Kunst und Wissenschaft, der 1937 von Adolf Hitler gestiftet wurde und für den bei der erstmaligen Verleihung auch Thorak im Gespräch war. „Beratungen Nationalpreis. Vorschläge: Thorak, Wackerle, Prof. Bartels, Johst u. a. Die sind schon brauchbar“, vermerkte Goebbels in seinem Tagebuch. Auch Adolf Hitler sprach sich u. a. für den Bildhauer aus: „Zu Mittag beim Führer. Lange Aussprache: über Nationalpreis. Er lehnt Johst und Pfitzner mit Recht ab. Sauerbruch, Torak (sic), Wackerle, Furtwängler stehen im Vordergrund. Und dann schlägt er – Rosenberg vor. O Gott! Ich bin davon etwas erstaunt. Ich stelle nun mal alle Namen zusammen.“ Einen Monat später sprachen Hitler und Goebbels erneut über die Angelegenheit: „Lange Aussprache mit dem Führer: ich lege ihm Vorschläge für den Nationalpreis vor. Er tendiert stark zu Rosenberg. Aber will sich alles noch überlegen. Dann wohl auch Sauerbruch und Torak (sic). Aber alles noch offengehalten. Die Feier selbst steht fest. Ebenso Breslau, wo er und ich reden werden.“ Thoraks Name taucht im Zusammenhang mit dem Nationalpreis ab diesem Zeitpunkt in Goebbels‘ Tagebuch nicht mehr auf. Preisträger 1937 waren schließlich der 1934 verstorbene Architekt Paul Ludwig Troost (er wurde posthum geehrt), der Asienforscher Wilhelm Filcher, die beiden Ärzte August Bier und Ferdinand Sauerbruch sowie Reichsleiter Alfred Rosenberg.

 

Thoraks geschiedene Frau und sein Sohn – Bespitzelung und Emigration

Während Josef Thoraks Karriere im nationalsozialistischen Kulturbetrieb steil nach oben ging, wurde die Situation für seine geschiedene Frau Hilda und seinen Sohn Peter immer gefährlicher. Der Nachbar Max Schmeling berichtete in seinen Memoiren davon, dass die Gestapo eines Tages das Anwesen Thoraks in Bad Saarow umstellte, um festzustellen, mit wem Hilda Thorak Kontakt hatte. (Der Boxer gab an, in den darauffolgenden Tagen sogar bei Joseph Goebbels persönlich für Hilda Thorak interveniert zu haben.) Der Rechtsanwalt und Freund des Bildhauers, Dr. Karl Pfeiffer, gab nach dem Krieg an: „Eine einschneidende und von beiden Teilen nicht vorausgesehene Änderung trat mit dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze ein. Von diesem Augenblick an bis zu dem Zeitpunkt, wo seine Frau sich entschloss, Deutschland zu verlassen, war Thorak den schlimmsten Bedrohungen ausgesetzt. Ich weiss, dass sein in der Nähe von Bad Saarow in der Mark gelegenes kleines Besitztum oft in den Abendstunden regelrecht umstellt war und abgesucht wurde in der Hoffnung, Thorak zu erwischen, wenn er zu seiner früheren Frau gehe. Wer die treibenden Kräfte bei diesen Aktionen waren, konnte zuverlässig nie festgestellt werden. Die Dienststellen, bei denen Thorak sich beschwerte, waren jedenfalls nicht in der Lage, den bedrückenden und bedrohlichen Zuständen, die wie gesagt eine ganze Zeit anhielten, ein Ende zu bereiten. Es war auch klar, dass sie ihn nicht schützen würden, wenn, begründet oder nicht, eine Anzeige gegen Thorak wegen Vergehens gegen die Nürnberger Gesetze erfolgt wäre.“ Nicht klar ist, ob sich zwei Einträge von Goebbels in seinem Tagebuch im Februar 1937 auf ebendiese Geschehnisse bezogen: „Prof. Torak (sic) schildert mir die Schikanen, denen er in Saarow seitens eines Wilden und der Ortsbehörden ausgesetzt ist. Ich verspreche ihm Schutz und Hilfe.“ Und neun Tage später: „Fall Torak (sic) ist nun klar. Ich werde die Stänker (sic) zurechtstutzen.“ Ob Propagandaminister Goebbels tatsächlich Schritte in die eine oder andere Richtung veranlasste, ist bislang nicht erforscht. Für die geschiedene Ehefrau Hilda Thorak und den Sohn Peter wurde die Situation jedenfalls insbesondere nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 lebensgefährlich. Sie waren zur Emigration gezwungen. Dem Reisepass von Hilda Thorak, der im Herbst 2017 von einem Hamburger Antiquariat für 5.000,- € zum Verkauf angeboten wurde, ist auf der Titelseite das rote „J“ für „Jüdin“ und die mit Bleistift hinzugefügte Datumsangabe „2.11.1938“ aufgestempelt. Auf der zweiten Seite mit dem Passfoto ist links unten ein weiterer Stempeleintrag in blauer Farbe erkennbar: „25 FEVR 1939“. Dies ist jener Tag, an dem Hilda Thorak mit ihrem Sohn NS-Deutschland verließ und nach Frankreich emigrierte. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich musste sie nach Großbritannien weiterfliehen. Der knapp 10-jährige Peter war zu jener Zeit für eine ärztliche Behandlung in der Schweiz, erst nach dem Krieg konnte er zu seiner Mutter nach Großbritannien.

 

Thoraks Aufnahme in die NSDAP

Auf Josef Thoraks Aufstieg im NS-Kulturleben hatte seine (Schein-)Scheidung keine Auswirkungen. Auch dass er zu jenem Zeitpunkt wie viele andere Künstlerinnen und Künstler im „Dritten Reich“ nicht Mitglied der NSDAP war, stellte weder für ihn noch für die NS-Führungsschicht ein Problem dar. Im Unterschied zu seiner Verehrung für Hitler äußerte der Künstler hinsichtlich der nationalsozialistischen Politik weder Sympathien noch Antipathien, sein Biograf schreibt demnach auch von „Thoraks weitgehend ideologiefreiem Ringen um Erfolg und Anerkennung“. Im September 1938 aber verlangte die Reichskammer für bildende Künste für die Aufnahme des Künstlers in die Kammer eine politische Beurteilung durch die NSDAP München-Oberbayern, die wiederum die für Thorak zuständige Ortsgruppe „Danziger Freiheit“ in München damit beauftragte. Die zwei Tage später verfasste Antwort der Ortsgruppe fiel wohl nicht im Sinne des Anfragestellers aus: Thorak, der eineinhalb Jahre zuvor die Professur in München erhalten hatte, sei „bei der zustandigen (sic) Ortsgruppe ‚Danziger Freiheit‘ nicht gemeldet“, bekleide kein Amt in der Partei oder ihren Gliederungen, sei geschieden – „(Frau war Jüdin)“ – und verhalte „sich dem Pol. Leiter gegenüber völlig ablehnend und wird von diesem wegen seines hochmütigen Verhaltens auch nicht mehr angegangen“. Im ausführlichen Gesamturteil wurde der Parteigenosse in der Charakterisierung Thoraks überdeutlich: „Seine Abgeschlossenheit und seine Verschleierungstaktik haben es trotz verschiedener Bemühungen, auch über den zuständigen Blockleiter, unmöglich gemacht irgend etwas über Parteizugehörigkeit usw. in Erfahrung zu bringen. Es wird angenommen, daß Th. nicht Parteigenosse ist. Spenden usw. werden nicht gegeben. Eine Fahne wurde trotz eines riesigen Fahnenmastes bei gegebenen Anlässen nie aufgezogen. Über seine künstlerische Befähigung und Leistung soll ein Urteil nicht abgegeben werden, nachdem Th. durch den Führer stärkstens gefördert und von ihm geschätzt wird. Der Führer besucht Th. wiederholt in seinem Atelier. Von zuverlässigen Parteigenossen und nationalsozialistischen Künstlern wird Th. allerdings, besonders auch in Hinblick auf seine wenig geklärte Vergangenheit, als ausgesprochener Konjunkturmann (…) bezeichnet.“ Der Gaupersonalamtsleiter erkannte die Bredouille, in die er durch dieses Schreiben der Ortsgruppe geraten war. Er schob die Zuständigkeit auf die nächst höhere Ebene, das Bayerische Staatsministerium des Innern: „Ich übermittle Ihnen [die] Abschrift der Beurteilung der zuständigen Ortsgruppe. Da es sich bei Professor Thorak wohl um einen der bedeutendsten Künstler der Gegenwart handelt, der vom Führer grosse Förderung erfährt, bitte ich Sie, die Angelegenheit doch dem Gauleiter zu unterbreiten, da ich mich nicht für befugt halte, die Beurteilung in dieser Form weiterzugeben – abgesehen davon, dass Professor Thorak, wie aus der Beurteilung hervorgeht, viel unterwegs ist, sodass eine eingehende Beurteilung seitens der zuständigen Ortsgruppe gar nicht gegeben werden kann. Ich bitte den Gauleiter entscheiden zu lassen, in welcher Form die Beurteilung abzugeben ist.“ Die Antwort des Ministeriums ist zwar im Akt nicht erhalten, wohl aber ist das Endergebnis der Erhebung in einem Briefkonzept des Gaupersonalamts an die Reichskammer dokumentiert: „Im Auftrag des Gauleiters teile ich Ihnen mit, dass die politische Beurteilung von Professor Thorak mit der Tatsache, dass er einer der bedeutendsten Künstler der Jetztzeit ist, als erledigt betrachtet werden kann. Heil Hitler!“

Wie der Gaupersonalamtsleiter richtig festgestellt hatte und wie auch sein Bild in der Öffentlichkeit zeigte, gehörte Thorak ohne Zweifel zu den führenden bildenden Künstlern des „Dritten Reichs“, doch auch er musste ständig um die Gunst und Aufmerksamkeit der Potentaten ringen. In Goebbels Worten aus dem Jahr 1940 klingt dieses Auf und Ab durch, wenn der Propagandaminister im Februar festhielt: „Der Führer lobt sehr die letzten Entwürfe von Breker, den er für den größten Bildhauer unserer Zeit hält. Thorak verblaßt ganz dagegen. Speer und Breker sind von mir dem Führer zugeführt worden. Das ist von großer Bedeutung gewesen. Die Berliner Bildhauerei war immer führend im Reich.“ Thorak schien sich des Rückgangs in der Gunst seines „Führers“ durchaus bewusst gewesen zu sein, bedankte er sich doch in ebendiesen Tagen schmeichlerisch bei Hitler und bezeugte ihm seine Treue: „Mein Führer! Für die grosse, grosse Freude, die Sie mir mit Ihrem so lieben Geschenk zu meinem Geburtstag bereitet haben, danke ich Ihnen ganz ergebenst. Mein Führer, Sie können überzeugt sein, dass ich mich weiterhin fleissig und mit ganzer Kraft für die deutsche Kunst einsetzen werde. Heil mein Führer!“ Im August desselben Jahres und im Zusammenhang mit der Kunstausstellung in München folgte in Goebbels‘ Aufzeichnungen die indirekte Entwarnung: „Auch Thorak ist jetzt wieder in Kurs.“ Möglicherweise ist in diesem ständigen Schwebezustand einer der Gründe zu suchen, warum der zeitlebens um Anerkennung und Ruhm bemühte Josef Thorak im Frühjahr 1941 um Aufnahme in den NSDAP ansuchte. Am 23. April füllte er den zweiseitigen Antrag aus. Seine zwei Jahre zuvor emigrierte zweite Ehefrau verschwieg er darin, unter Familienstand gab er „verwitwet“ an. Das nächste erhaltene Schriftstück in Sachen Parteieintritt datiert vom Dezember 1942. Martin Bormann, Leiter der Partei-Kanzlei, teilte dem Reichsschatzmeister mit: „Schon vor Jahren bat Professor Thorak um Aufnahme in die Partei; der Führer hat dies damals abgelehnt mit dem Bemerken, er werde Thorak bei wirklich passender Gelegenheit selbst in die Partei aufnehmen. Diese Aufnahme soll nun, wie ich Ihnen im Auftrage des Führers mitteile, zum 30. 1. 1943 stattfinden; den formellen Aufnahmeantrag füge ich bei. Mit Rücksicht auf den schon lange zurückliegenden ersten Aufnahmeantrag Thoraks wünscht der Führer, dass Thorak eine entsprechend niedrige Mitgliedsnummer zugewiesen wird.“ Akten über eine frühere Beantragung der Mitgliedschaft konnten bislang nicht gefunden werden, in den Unterlagen rund um die politische Beurteilung 1938 ist davon an keiner Stelle die Rede. Dem Reichsschatzmeister war zunächst nicht klar, mit welchem Datum und welcher Nummer Thorak in die NSDAP aufgenommen werden sollte, weshalb er bei Martin Bormann rückfragte. Bormanns Antwort war eindeutig: „Auf Ihr Schreiben vom 17.12. darf ich zur Klarstellung umgehend erwidern: Professor Thorak bat schon seit vielen Jahren um seine Aufnahme in die NSDAP; er trug diese Bitte aber immer nur mündlich einmal bei diesem, einmal bei jenem Parteigenossen, der gar nicht zuständig war, vor und infolgedessen ist die Aufnahme jahrelang unterblieben. Der Ihnen übersandte Aufnahmeschein wurde erst ausgefüllt, als der Führer von den Aufnahmewünschen Thoraks erfuhr und mich beauftragte, Thorak zunächst wenigstens einmal einen Aufnahmeschein ausfüllen zu lassen, damit bei wirklich passender Gelegenheit die Aufnahme vom Führer selbst vollzogen werden könne. Aus allen diesen Gründen soll als Aufnahmedatum des Professors Thorak der 30.1.1933 gelten. Ich bitte Sie, mir die entsprechende Mitgliedskarte zu übersenden, da der Führer die Karte dem Professor Thorak selbst aushändigen will. Heil Hitler!“ Der Reichsschatzmeister kam der Aufforderung am 30. Dezember nach. Da Adolf Hitler entgegen seinem Wunsch Thorak die Mitgliedskarte nicht persönlich überreichen konnte, sandte sie Bormann dem Bildhauer am 28. Jänner 1943 postalisch zu und begrüßte ihn als nunmehrigen Parteigenossen. Das rückdatierte Aufnahmedatum ist beachtenswert, war der 30. Jänner 1933 doch der Tage der NS-Machtübernahme in Deutschland. Der jüngste Eintrag auf Thoraks Mitgliedskarte in der Zentralkartei im Bundesarchiv Berlin, der mit der an Thorak vergebenen Mitgliedsnummer 1.446.035 versehen ist und die identen vorgenannten Daten enthält, stammt vom 17. Februar 1943. Die Ortsgruppe Zorneding in München bestätigte seine Anmeldung und die Entrichtung des Beitrages für März 1943. In diesem Monat erhielt das neue Parteimitglied Josef Thorak außerdem das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ohne Schwerter ausgehändigt, das Adolf Hitler neben Thorak auch anderen Kulturschaffenden wie dem Dirigenten Clemens Krauss, dem Reichsbaurat Roderich Fick und dem Maler Roman Feldmeyer offiziell per 30. Jänner 1943 verliehen hatte.

 

Josef Thorak in den Tagebüchern von Joseph Goebbels

Wie sowohl die Vorgänge um seine politische Beurteilung für die Aufnahme in die Reichskulturkammer als auch seine Aufnahme in die NSDAP zeigen, stand Josef Thorak unter der uneingeschränkten Protektion Adolf Hitlers. Daher ist es umso erstaunlicher, dass es vom Diktator selbst keine direkte Äußerung über den Bildhauer gibt, sondern jede Aussage über Dritte vermittelt ist. Der Protokollführer im Führerhauptquartier, Henry Picker, gibt wenig spezifisch an: „Hitler nannte ihn uns gegenüber mit größtem Respekt den ‚Meister der Verinnerlichung‘.“ Ähnlich äußerte sich auch der Oberbürgermeister von Nürnberg, Willy Liebel, in einem Brief an Thorak: „Sie, sehr verehrter Herr Professor Thorak, sind der Künstler, dessen Plastiken der Führer immer wieder besonders hervorhebt (…).“ Bei Goebbels taucht Thoraks Name – wie bereits mehrfach angeführt – immer wieder im Tagebuch und in den Diktaten auf. Im Juli 1941 eröffnete der Propagandaminister die Kunstausstellung in München, wohlwollend hielt er fest: „Mit hervorragenden Arbeiten glänzen Breker, Klimsch und Thorak in der Plastik.“ Von letzterem waren die 4-figurige Brunnenanlage „Das Urteil des Paris“ und die Plastik „Zwei Menschen“ ausgestellt. Im März 1942 besuchten der Propagandaminister und der italienische Minister für Volkskultur den Bildhauer im Atelier. „Nachmittags fahre ich mit Pavolini nach Trudering [gemeint ist Baldham; Anm. d. Verf.] zu Professor Thorak. Wir besichtigen in seinem monumentalen Atelier seine neuesten Arbeiten, die wirklich imponierend sind. Thorak ist nach seiner inneren Umkehr, vor allem nach seiner Abkehr von den klobigen Figuren zweifellos einer unserer begabtesten Plastiker. Seine Behausung draußen ist sehr originell; aber er hat das Recht dazu, weil er auch etwas leistet.“ Erneut erntete der Bildhauer Lob beim Propagandaminister für seine Arbeiten, die bei der Kunstausstellung im Sommer 1942 gezeigt wurden. „Die Ausstellung ist nun fertig und meiner Ansicht nach die beste, die wir bisher veranstaltet haben. Das Niveau ist selbst dem vergangenen Jahr gegenüber, wo es schon sehr hoch war, weiter gehoben worden. Es sind ausgezeichnete Werke dabei. In der Plastik dominieren Breker, Klimsch und Thorak. (…)“ Ausgestellt waren die Werke „Letzter Flug“, „Pietà“, „Mutter mit Kind“, „Leda mit dem Schwan“, eine Bildnisbüste und die Büsten von Mussolini und Otto von Bismarck. Rund ein Jahr später, in seinem Diktat vom 25. Juni 1943, nahm Goebbels erneut Bezug auf die jährliche Leistungsschau der deutschen Kunst. „Thorak hat für die Münchener Ausstellung ein Fridericus-Denkmal im Modell geliefert, das von einem monumentalen Wert sein soll. Ich freue mich, es bei der Besichtigung zu Gesicht zu bekommen.“ Einige Seiten weiter im Text kam er erneut auf das Reiterstandbild zu sprechen und wies auch auf die politische Dimension desselben hin. „Thoraks Leistungen, die in der neuen Kunstausstellung zu sehen sind, finden den ungeteilten Beifall des Führers. Insbesondere hat er für Linz einen Fridericus geschaffen, der Thorak in die erste Reihe der Schöpfer großer Reiterfiguren stellt. Wie der Führer die Absicht hat, in Linz ein Fridericus-Denkmal aufzustellen, so will er in Berlin ein Prinz-Eugen-Denkmal aufstellen. Auch in den äußeren Symbolen und Sinngebungen müssen wir die Verklammerung des Reiches immer wieder zum Ausdruck bringen.“ Das von Goebbels als Fridericus-Denkmal bezeichnete Werk war in München unter dem Titel „Der königliche Reiter“ ausgestellt, außerdem konnte das Publikum von Thorak die Statuen „Paracelsus“, „Hannele“, „Danziger Freiheitsdenkmal“, die Kopfstudie „Otto Gebühr“, die Büsten „Kopernikus“ und „Reichsminister Dr. Todt“ sowie die 2-figurige Gruppe „Francesca di Rimini“ besichtigten. Im Diktat am darauffolgenden Tag überschlug sich Goebbels förmlich mit Lob für den Bildhauer: „Am späten Nachmittag besichtige ich die Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München. Sie ist sehr gut ausgefallen. (…) An Plastik ist hervorragend Thorak vertreten. Er hat ein Reiterdenkmal Friedrichs des Großen geschaffen, das für Linz bestimmt ist. Außerdem ist imponierend sein Kopernikus und sein Paracelsus. Thorak spuckt augenblicklich ein Meisterwerk nach dem anderen aus; er befindet sich auf der Höhe seines Schaffens.“ Dies sollte die letzte Erwähnung Thoraks im Tagebuch des Ministers für längere Zeit sein, erst eineinhalb Jahre später, im Dezember 1944, kam Goebbels noch einmal auf den Bildhauer zurück.

 

Erwerb des „arisierten“ Schlosses Prielau bei Zell am See

Nicht zuletzt als Folge der Anerkennung durch Hitler und Goebbels war Josef Thorak zum Großverdiener im „Dritten Reich“ geworden. Lag sein steuerpflichtiges Einkommen laut den Unterlagen des Finanzamtes Rosenheim 1940 bei 55.748,- RM, stieg es im Jahr 1943 auf 343.206,- RM an. Diese Summe entsprach mehr als dem 200-fachen des damaligen Durchschnittslohnes. Mit Fortschreiten des Krieges sollte dieses Vermögen Thorak nun ermöglichen, sich in einer Zeit der zunehmenden Bedrohung durch die unsichere Kriegslage sichere Häfen zu schaffen. Der nahe Reichsgau Salzburg bot sich an. Am 13. April 1943 unterzeichnete er den Kaufvertrag über das nahe Zell am See gelegene Schloss Prielau, das rückwirkend per 1. März 1943 in seinen Besitz überging. Der Kaufpreis betrug 60.000,- RM. Thorak wurde dadurch nicht nur Besitzer des Schlosses, sondern auch landwirtschaftlich nutzbarer Flächen im Ausmaß von über 8 ha. Die Vorgeschichte zu diesem Kauf liest sich wie eine Blaupause nationalsozialistischer Beraubungsgeschichte: Nach dem Tod des Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal erwarb dessen Witwe Gertrude von Hofmannsthal im Oktober 1932 Schloss Prielau von Anton Neumayer, in dessen Familie sich das Anwesen seit 120 Jahren befunden hatte. Wenige Jahre nach dem Kauf erfolgte der „Anschluß“ Österreichs an das „Dritte Reich“, Gertrude von Hofmannsthal galt nun laut den Nürnberger Rassegesetzen als „Volljüdin“ und musste daher zuvorderst um Leib und Leben, aber auch um ihren Besitz fürchten. Nachdem sie sich selbst in Sicherheit gebracht hatte, versuchte sie im August 1938 daher durch eine Schenkung der Liegenschaften an ihre Tochter Christiane, die mit dem „Arier“ Dr. Heinrich Zimmer verheiratet war, Schloss Prielau und die dazugehörigen Liegenschaften vor dem Zugriff der staatlichen Stellen zu retten. Das Ehepaar Zimmer emigrierte 1939 selbst nach Großbritannien bzw. in die USA und verkaufte die Immobilien zu einem günstigen Preis im September 1940 an den befreundeten Schärdinger Bauunternehmer und Bierbrauer Gustav Kapsreiter. Dies nahmen die NS-Machthaber jedoch nicht hin. Am 16. November 1940 wurde der ehemalige hofmannsthalsche Besitz von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt, die Beschlagnahme im Grundbuch angemerkt, der Wiener Rechtsanwalt Dr. Stephan Lehner zum Verwalter bestellt und der Verkauf an Kapsreiter rückabgewickelt. Da Gertrude von Hofmannsthal nach Großbritannien emigriert war, wurde sie laut Verlautbarung im Reichsanzeiger vom 14. Dezember 1940 ausgebürgert. Mit der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, beschlossen am 25. November 1941, war das Schicksal des Besitzes schließlich endgültig besiegelt: Aufgrund dieser Verordnung wurde Gertrude von Hofmannsthal nunmehr auch die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, ihr Besitz fiel ohne finanzielle Abgeltung an das Deutsche Reich, Reichsfinanzverwaltung. Zunächst war seitens des Reichsgaues Salzburg geplant, das Schloss und die landwirtschaftlichen Flächen anzukaufen und auf dem Anwesen ein Kreiskrankenhaus für den Landkreis Zell am See zu errichten. Diese Pläne sollten jedoch bald Makulatur werden. Im September 1942 schrieb der Salzburger Gauleiter Gustav Adolf Scheel an Josef Thorak: „Regierungspräsident Dr. Reitter berichtete mir, daß Sie meiner Einladung, sich im Reichsgau Salzburg anzusiedeln, Folge leisten wollen und sich für das Schloß Prielau in Zell am See interessieren. Ich habe Weisung gegeben, alle Schritte zu unternehmen, daß dieses Schloß vom Reichsgau erworben wird, der es Ihnen dann verkaufen wird. Ich bitte, die Angelegenheit vorläufig als vertraulich zu behandeln. Jedenfalls freue ich mich, daß Sie sich entschlossen haben, in unseren schönen Gau zu kommen.“ Der Gauleiter, der sich durch die Vermittlung des Schlosses an Thorak der Gunst Adolf Hitlers sicher sein konnte, handelte wie angekündigt, der Reichsgau Salzburg erwarb rund ein halbes Jahr später Schloss Prielau zum Preis von 60.000,- RM vom Deutschen Reich. In einem Schreiben des Gaukämmerers Dr. Robert Lippert an den Reichsstatthalter führte Lippert an, dass der „von Ihnen, Gauleiter, am 13.4.43 unterfertigte Kaufvertrag Reichsgau Salzburg – Professor Thorak (…) inzwischen mit den nötigen Genehmigungen des Landerates Zell am See versehen worden“ sei. Gleichzeitig wies Lippert Scheel darauf hin, dass noch Einwände von Gustav Kapsreiter zu erwarten sind und wohl auch der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Bedenken wegen der Veräußerung der landwirtschaftlichen Flächen – dies war während der Kriegszeit gesetzlich verboten – den Vorgang noch beeinspruchen werde. Lippert war zudem mit Thorak selbst in Kontakt. In der erhaltenen Abschrift eines Briefes des Bildhauers aus München führte dieser aus: „Ich bin heute in Prielau gewesen und habe mir alles noch einmal genau angesehen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich sobald wie möglich über das Anwesen endgiltig (sic) disponieren könnte, denn es ist mir ein Bedürfnis, dieses reizende kleine Schloss künstlerisch (museal) mit vorhandenen Mitteln auszugestalten, möchte aber dies nicht run (sic), bevor nicht vollständige Klarheit geschaffen ist und vor allen Dingen die gerichtliche Eintragung erfolgt ist.“ Um die Interessen des Reichsgaues abzusichern, dachte Lippert in der Folge daran, (als Zusatz zum bereits abgeschlossenen Vertrag?) ein Rückkaufsrecht für den Reichsgau Salzburg im Falle des Ablebens von Josef Thorak festzulegen und zur Abwehr der Beeinspruchung durch den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft die landwirtschaftlichen Flächen aus dem Verkauf an Thorak auszuscheiden. Beides dürfte den Akten zufolge nicht realisiert worden sein. Das jüngste Schriftstück des Arisierungsaktes datiert vom 16. November 1943, darin wurde der Gaukämmerer mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes von Josef Thorak an Schloss Prielau beauftragt. Am 1. Dezember 1943 erfolgte die Eintragung des neuen Eigentümers Josef Thorak als Besitzer von Schloss Prielau im Grundbuch Maishofen. Dass auch die Äcker und Wiesen an Thorak veräußert wurden, brachte Scheel wegen des Verbotes derartiger Rechtsgeschäfte gegenüber dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in weiterer Folge in Erklärungsnotstand, mehrmals wurde er aufgefordert, in dieser Sache Stellung zu beziehen und den Verkauf an Thorak zu erklären. Um auf Nummer sicher zu gehen, machte Scheel die gesamte Angelegenheit zu einer (indirekten) Anweisung Adolf Hitlers, wie aus dem Antwortschreiben des Salzburger Gauleiters vom 19. Juli 1943 deutlich wird, in dem er dem Ministerium gegenüber bezüglich der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen angab, er habe „wirklich nichts anderes getan, als den Wünschen des Führers entsprochen“. Josef Thorak, seit Juli 1937 auch Besitzer des Schlosses Hartmannsberg nahe dem Chiemsee, benötigte laut Scheel eine „kleine landwirtschaftlich nutzbare Fläche, da er auf dem Besitz Schloss Prielau einige Modellpferde (Geschenk des Führers) halten“ müsse, daher sei ihm das Schloss samt Grundstücken verkauft worden. Auch Gaukämmerer Lippert berief sich in Vertretung des Gauleiters in einem Schreiben an die Rechtsanwälte von Gustav Kapsreiter auf Adolf Hitler. „Sie wurden bereits (…) am 13. Juli insbesondere davon in Kenntnis gesetzt, dass der Führer über persönlichen Vortrag von Professor Thorak das Schloss Prielau für die vorgesehenen, auch kriegsbedingten Zwecke bestimmt hat.“ Es kann wohl ohne Zweifel angenommen werden, dass Hitler den Verkauf des Schlosses und der landwirtschaftlichen Flächen an Thorak billigte. Dass der Bildhauer in der Angelegenheit Schloss Prielau bei Hitler auch tatsächlich persönlich vorsprach, legt der oben zitierte Brief und legen weitere Äußerungen im Rückstellungsverfahren nahe. Unklar bleibt allerdings, ob es bei dieser Intervention an höchster Stelle um die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit Gustav Kapsreiter, um die gesetzlich nicht gedeckte Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen an einen Nicht-Landwirt oder um beide Sachverhalte ging. Das Schreiben Scheels an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und die im Brief von Lippert erwähnten „kriegsbedingten Zwecke[n]“ legen eine Interpretation in Richtung landwirtschaftlicher Flächen nahe. Die Frage, welche Rolle der Diktator zu welchem Zeitpunkt in der Angelegenheit tatsächlich spielte, kann nicht letztgültig geklärt werden. Laut obigem Schreiben dürfte Thorak im Spätsommer 1942 über den Salzburger Gauleiter Gustav Adolf Scheel auf Schloss Prielau aufmerksam gemacht worden sein. Scheel wollte möglicherweise seinem Gau durch die Ansiedlung eines von der höchsten NS-Riege hochgeschätzten Künstlers, der nicht zuletzt familiäre Beziehungen zu Salzburg hatte, besonderen Glanz verleihen. Der Name Adolf Hitler taucht erst ein dreiviertel Jahr nach diesem Schreiben, als es zu Komplikationen im Erwerbsprozess kam, zum ersten Mal in der erhaltenen Korrespondenz auf. Soweit bislang bekannt existiert kein Schriftstück aus der Kanzlei des Führers oder der Reichsleitung in München, das einen direkten Eingriff Adolf Hitlers belegt. Die Erwähnung seines Namens als Drohgebärde (für Kapsreiter) und oberste Instanz (für das Ministerium) genügte. Die charismatische Herrschaft des „Führers“ war ungebrochen und unangezweifelt.

Josef Thorak fühlte sich in Schloss Prielau, für das er bei Kajetan und Joseph Mühlmann mehrere in Frankreich gestohlene Kunstwerke erwarb, und unter der Protektion des Salzburger Gauleiters Scheel sichtlich wohl, zumal auf München bereits die ersten alliierten Bomberangriffe geflogen wurden. Der Bildhauer wusste um sein Prestige im „Dritten Reich“ und um die herausgehobene Bedeutung seiner Person und seiner Kunstwerke, die er mitunter in die Waagschale warf, um seine Wünsche zu erreichen, wie ein Schreiben des Gauleiters vom Juni 1943 an den Gaujägermeister Eduard Paul Tratz nahelegt: „Prof. Thorak möchte in der Nähe von Schloss Prielau bei Zell am See eine Jagd pachten. Es handelt sich dabei vor allem um eine Hochwildjagd (Hirsche). Ich möchte Sie bitten, alle Ihre Dienststellen anzuweisen, Herrn Professor Thorak eine solche Jagd möglichst bald zur Verfügung zu stellen. Ich bitte um Bericht.“ Mit gleichem Datum versicherte der Gauleiter auch Thorak von der positiven Erledigung seines Wunsches: „Sehr verehrter und lieber Herr Professor Thorak! Hiermit darf ich Sie herzlichst bitten, im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Jagdreviere den Ihnen beliebigen Abschuss auszuüben. Ich bitte Sie, sich jeweils mit Oberlandesforstmeister Starkel in Verbindung zu setzen. Beste Wünsche. Heil Hitler!“ Laut Tratz gab es in der Nähe von Prielau jedoch lediglich das Jagdgebiet Fischhorn, dessen Pächter der ehemalige peruanische Konsul Heinrich Gildemeister war. Tratz riet Scheel daher, er möge sich mit dem „Vertreter des im feindlichen Auslande sich befindlichen Gildemeister“ in Verbindung setzen. Sollte diese Lösung nicht möglich sein, „bliebe nurmehr die Pachtungsmöglichkeit von reichsforstlichen Jagden für Herrn Prof. Thorak offen“. Nach Rücksprache des persönlichen Referenten des Reichsstatthalters beim Leiter des Landesforstamtes, Oberlandesforstmeister Starkel, wurde die im Forstamt Piesendorf liegende Maierwaldjagd für Thorak reserviert. Spätestens mit Oktober 1943 wurde der Bildhauer Jagdherr dieses Gebietes, da ab diesem Zeitpunkt Matthias Meissl aus Kaprun als Jäger und Jagdaufseher bei Thorak in Dienst stand. Meissl gab nach 1945 im Rahmen des Spruchkammerverfahrens gegen Thorak an, dass Thorak ihm „jederzeit ein hochherziger, freigeistiger und äußerst liebenswürdiger Jagdherr“ gewesen sei.

 

„Paracelsus“ und „Fischer von Erlach“: Kunstwerke für Salzburg

Josef Thorak wusste sich für die Bemühungen von Gauleiter Scheel in ihm entsprechender Weise zu bedanken, wie ein Brief von Scheel an den Künstler verdeutlicht: „Sehr geehrter Herr Professor! Sie haben dem Reichsgau Salzburg das Denkmal-Modell ‚Paracelsus‘ geschenkweise überlassen. Hierfür möchte ich Ihnen den herzlichsten Dank aller Salzburger aussprechen. Den Dank dafür bitte ich vor allem bei der Aufstellung des Denkmals selbst übermitteln zu dürfen. Gleichzeitig verfertigten Sie für Salzburg das Denkmal ‚Fischer von Erlach‘ in der Grösse von 5 m, welches für den Makartplatz vorgesehen ist. Auch dieses Modell haben Sie uns überlassen. Selbstverständlich wird das Material von uns gestellt und ich freue mich sehr, wenn wir das Denkmal hier in absehbarer Zeit zur Aufstellung bringen können. Heil Hitler!“ Da der Brief das gleiche Datum trägt wie jener an Thorak bezüglich der Jagdpacht und die Beauftragung Scheels an Tratz, ein passendes Jagdgebiet zu finden, liegt der Schluss nahe, dass Scheel mit diesem Schreiben einen ‚Vertrag‘ zwischen dem Reichsgau und dem Künstler geschlossen sehen wollte – Statuen für Hirschjagd also. Das von Scheel erwähnte Modell der Skulptur „Fischer von Erlach“ war nachweislich bis zumindest 1963 beim Bildhauer und Steinmetzmeister Alois Eibl in der Nonntaler Straße zwischengelagert und ist heute wegen seiner Dimensionen in der alten Aussegnungshalle des Salzburger Kommunalfriedhofs deponiert, jenes der „Paracelsus“-Skulptur ist nicht erhalten. Die Entstehungsgeschichte des letztgenannten Kunstwerkes, das im unmittelbaren Zusammenhang mit der vom NS-Regime forcierten Paracelsus-Tradition der Stadt Salzburg steht, reicht in das Jahr 1942 zurück und soll aufgrund der bis heute mit zum Teil unrichtigen Argumenten geführten Auseinandersetzung an dieser Stelle näher analysiert werden. Ende September 1942 sandte die im Jahr zuvor gegründete Paracelsus-Gesellschaft e. V. im Auftrag von Bürgermeister Dr. Franz Lorenz, zweiter Vizepräsident der Gesellschaft, „Material über Paracelsus an Prof. Dr. (sic) Josef Torak (sic)“ nach München. Welche Unterlagen dem Bildhauer übermittelt wurden, ist nicht überliefert, auf alle Fälle befand sich eine Ausgabe der Paracelsus-Trilogie des Schriftstellers Guido Erwin Kolbenheyer darunter. Josef Thorak bedankte sich in zwei kurzen Briefen an die Gesellschaft für „die Zusendung der Paracelsus-Schriften“ und die „liebenswürdige Zusendung der Paracelsus-Trilogie“. Zwar war in diesem Zusammenhang nicht von der Ausfertigung einer Plastik durch den Künstler die Rede, doch kann von einem entsprechenden Projekt ausgegangen werden, denn wenige Monate später kündigte der persönliche Referent des Gauleiters und Reichsstatthalters dem Salzburger Oberbürgermeister Anton Giger an, dass Scheel „in absehbarer Zeit mit Ihnen wegen Aufstellung eines Paracelsus-Denkmales die Verbindung aufzunehmen“ gedenke. Unklar bleibt, ob Thorak vom Reichsgau, von der Stadt oder der Gesellschaft einen Auftrag für das Denkmal erhalten hatte oder ob der Bildhauer eigeninitiativ tätig wurde. Die Pläne schienen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls schon weit fortgeschritten zu sein, denn der Stadtdirektor Dr. Emanuel Jenal informierte drei Wochen später die Beigeordneten der Stadt von den beabsichtigten Feierlichkeiten anlässlich des 450. Geburtstages von Paracelsus 1943, für das der Dichter Richard Billinger ein Theaterstück anfertigen werde. „Ausserdem (sic) schafft der Bildhauer Professor Dr. Thorak an einem Paracelsus-Denkmal, das – wie mir Herr Bürgermeister mitteilt – am Platz zwischen Festspielhaus und Frauenhof [Franziskanerkloster; Anm. d. Verf.] aufgestellt werden soll, der auch den Namen P.-Platz [Paracelsus-Platz, heute Max-Reinhardt-Platz; Anm. d. Verf.] erhalten soll. Ich finde letztere Idee ausgezeichnet, da ich das Empfinden habe, dass die Salzburger noch immer zu wenig Verständnis für die ausserordentliche (sic) Bedeutung des P.-Kultes [Paracelsus-Kultes; Anm. d. Verf.] für unsere Stadt besitzen. Es ist daher notwendig, dass man genau so wie bei Mozart auch in Salzburg einige Örtlichkeiten mit dem Namen des Paracelsus dauernd verknüpft, (…). Zu dieser Platzbenennung gehört selbstverständlich, dass sich anlässlich dieser Bestimmung der Reichsstatthalter und die Stadt verpflichten, diesen Platz später entsprechend auszugestalten. Hiezu gehört die Entfernung der Garagen daselbst, die Abtragung des Philharmonikerstöckls vom Bühnenhaus und die Schliessung (sic) der Baulücke, sodass das Ganze einen schönen geschlossenen alten Salzburger Platz gibt. Es dürfte sich auch die Herstellung einer kleinen Grünanlage um das Denkmal selbst empfehlen. (…) Es ist h. a. nicht bekannt, ob die Stadt besondere Beiträge für die Erwerbung des P.-Denkmals und für die Aufstellung desselben zu zahlen hat. Es empfiehlt sich aber jedenfalls, auch dieses Denkmal in den Schutz und das Eigentum der Stadt, wie alle anderen zu übernehmen. Es wird sich daher empfehlen, einen entsprechenden Betrag hiefür sowie für die sonstigen Auslagen der P.-Feier in den Haushalt 1943 aufzunehmen.“ Einige Punkte in diesem Plan waren aber noch unklar, darunter die Ortsfrage. „Ueber (sic) den Aufstellungsplatz in Salzburg sind sich die Herren noch nicht einig. Ich hoffe aber[,] dass ein würdiger Platz gefunden wird“, so Bürgermeister Lorenz Mitte Jänner 1943 an Dr. Richard Dingeldey, den ersten geschäftsführenden Vizepräsidenten der Paracelsus-Gesellschaft. Viel entscheidender aber war im Frühjahr 1943 offenbar die Frage, ob der „Paracelsus“ von Josef Thorak zu den geplanten Feierlichkeiten überhaupt fertiggestellt sein würde. Lorenz setzte Dingeldey einen Monat später über die bisherigen Planungen der 450-Jahr-Feier in Salzburg in Kenntnis. „Hiezu erlaube ich mir Ihnen folgende Mitteilung zu machen. Optimal ergibt sich derzeit folgendes Bild. Bildhauer Prof. Thorak arbeitet bekanntlich an einem Paracelsus Denkmal, (…). Ob Prof. Thorak das Denkmal schon heuer aufstellen wird, weis (sic) ich nicht. (…) Wenn die Denkmalsaufstellung zur Festspielzeit möglich wäre, so wäre dies selbstverständlich der besondere Anlass für die Durchführung einer grösseren (sic) Paracelsus-Feier, (…).“ Lorenz bat Dingeldey, sich mit Generalmusikdirektor Clemens Krauss, Chef der Salzburger Festspiele und der Münchner Oper, bezüglich einer Aufführung des Billinger-Stückes bei den Festspielen 1943 in Verbindung zu setzen. „Andererseits können Sie auch von Prof. Thorak in München erfahren, wie es sich mit der Frage der Denkmalsaufstellung verhält.“ Sollte weder Stück noch Statue rechtzeitig fertig werden, plädierte Lorenz für die Abhaltung eines ‚einfachen‘ Paracelsus-Tages am 24. September. Dingeldey reagiert umgehend, in seiner Antwort an Lorenz gab er aber zu bedenken, „daß nach den z. Zt. laufenden gesetzlichen Verfügungen und der letzten Sportpalastrede von Dr. Goebbels mir der richtige Zeitpunkt für Feiern irgendwelcher Art nicht zu sein scheint“. Er nahm aber wie versprochen Kontakt mit Clemens Krauss auf, der ihm mitteilte, „daß überhaupt noch nicht feststeht, ob die Festspiele in diesem Jahr stattfinden“. Und Dingeldey fuhr nach Baldham, wo er offensichtlich von Thorak eine ikonografische Interpretation der im Entstehen begriffenen Statue bekam. „Gestern war ich auch im Atelier von Prof. Thorak. Das Modell zu dem Paracelsus-Denkmal ist nach meinem Empfinden ein ganz großer Wurf. Der Kopf stark vergeistigt mit dem Blick in die Ferne gerichtet, ist ganz vorzüglich gelungen. Auf dem Knie liegt ein umgeschlagenes Buch, das andeuten soll, daß Paracelsus den alten Büchern und Schriften seine neuen entgegenstellt; auf dem Buch hält er mit einer Hand eine Retorte. Professor Thorak wird demnächst auch einen Stein aus Untersberger Marmor bekommen und dann an die Arbeit gehen. Er hätte das Werk gern in diesem Jahr im Haus der Deutschen Kunst ausgestellt und war an sich nicht für eine Aufstellung in Salzburg bereits in diesem Jahr. Schließlich meinte er, ich solle mit dem Gauleiter noch einmal darüber sprechen.“ Auf der Rückseite dieses Briefes an Bürgermeister Lorenz ließ Stadtdirektor Jenal am 15. März 1943 einen Amtsvermerk anlegen, dass Dingeldey anlässlich der Uraufführung von G. W. Pabsts „Paracelsus“-Film in Salzburg anwesend war und Lorenz mitgeteilt habe, „daß Prof. Thorak ihm bekanntgab, daß er das Paracelsusdenkmal, an dem er gerade arbeite, heuer in der Ausstellung der Deutschen Kunst in München auszustellen beabsichtige und dasselbe erst im nächsten Jahre in Salzburg mit einer größeren Feierlichkeit verbunden aufgestellt werden soll“. Dem Willen Thoraks wurde entsprochen. Die Marmorausführung des „Paracelsus“, die heute im Kurgarten der Stadt Salzburg steht, wurde – wie bereits oben erwähnt – also zunächst bei der Großen Deutschen Kunstausstellung ab Juni 1943 in München öffentlich gezeigt, laut Katalog war sie nicht für den Verkauf vorgesehen. Noch während sich der „Paracelsus“ in München befand, wusste die „Salzburger Zeitung“ zu berichten, dass die Skulptur auf einem nach dem Arzt benannten Platz in Salzburg aufgestellt werde. Es hat den Anschein, dass die Angelegenheit vor Ort in der Zwischenzeit weiterverfolgt wurde und zu diesem Zeitpunkt bereits konkrete Formen angenommen hat. Einerseits erhielt Oberbürgermeister Giger Mitte August 1943 einen Brief des Vereins Deutscher Chemiker e. V. in Berlin, in dem sich deren Schriftführer nach dem Programm der geplanten Feierlichkeiten erkundigte, denn „wie wir erfahren, soll demnächst ein von Prof. Thorak geschaffenes Paracelsus-Denkmal aufgestellt werden“. Andererseits erging aus dem Büro des Oberbürgermeisters die Aufforderung an das Stadtbauamt, die Pläne für die Platzgestaltung sowohl für das „Paracelsus“- als auch für das „Fischer von Erlach“-Denkmal am Makartplatz vorzulegen. Aus diesem Grund trafen sich am 19. August 1943 Giger, der Architekt Otto Reitter, Regierungsrat Dr. Harald Lettner (er vertrat den zur Wehrmacht eingerückten Bürgermeister Lorenz) und Stadtdirektor Jenal, der ein Gedächtnisprotokoll über dieses Gespräch anfertigte. Aus diesem Schriftstück geht hervor, dass Reitter den Anwesenden im Auftrag des Gauleiters Folgendes berichtete: „Prof. Thorak ist im Begriff, für Salzburg 2 Denkmäler herzustellen, und zwar das Parazelusdenkmal (sic) [,] dessen Entwurf derzeit im Haus der Deutschen Kunst in München steht[,] und ein Denkmal des Fischer von Erlach.“ In der Folge erläuterte Reitter die Vorstellungen über die Aufstellungsorte der beiden Plastiken und hielt bezüglich der Situierung des „Paracelsus“ zwischen Festspielhaus und Franziskanerkloster fest: „Prof. Thorak ist mit diesem Platz einverstanden.“ Die Ausgestaltung der Anlage war groß dimensioniert. „Das Denkmal soll über einer Brunnenschale liegen, die einen Durchmesser von 5 m hat und auf einem achteckigen Sockel steht, aus dem aus allen acht Seiten das Wasser in das Becken strömt. Dieser Sockel erhält ebenfalls figurlichen Schmuck durch Prof. Thorak.“ Durch Reitter forderte der Gauleiter die Vertreter der Stadt nun zur Stellungnahme auf, wobei zuvorderst die Frage der Besitzverhältnisse zu klären war. „Es ist die allgemeine Ansicht, daß die Stadt das Denkmal erhalten soll, weil die Stadt bekanntlich auch alle anderen Denkmäler in der Stadt in ihr Eigentum, ihren Schutz und ihre Erhaltung übernommen hat.“ Auch der avisierte Platz der Aufstellung, der zu diesem Zeitpunkt noch Eigentum des Reiches war, sollte an die Stadt übertragen werden. „Zu den Kosten des Denkmals, erklärt Arch. Reitter, daß das Denkmal selbst von Prof. Thorak Salzburg geschenkt wird“, sodass lediglich die Frage der Übernahme der Kosten für die Brunnenanlage, die zur Vermeidung von „Trinkwasservergeudung“ mit Wasser aus dem Almkanal betrieben werden sollte, und für die Kosten der Aufstellung des Denkmals zu klären war. Der „Fischer von Erlach“ sollte „am Markartplatz (sic) vor der Dreifaltigkeitskirche, unterhalb der Stufen in der Grünanlage“ seinen Platz finden, wofür noch einige gartengestalterischen Maßnahmen vorgenommen werden mussten. „Wer das Denkmal bezahlen wird, ist noch unbestimmt“, genauso wie die Kostendeckung der notwendigen Umbauten und der Denkmalsaufstellung – „darüber soll später verhandelt werden“. Wie der letzte Absatz des Protokolls nahelegt, war die Realisierung alles Angesprochenen insgesamt aber noch in weiter Ferne. „Der Gauleiter wünscht eine baldige, grundsätzliche Stellungnahme der Stadt, ob sie mit der Auswahl der Plätze für beide Denkmäler einverstanden ist. (…) Der Gauleiter ist damit einverstanden, daß die Aufstellung der Denkmäler mit Rücksicht auf die derzeitigen Kriegszustände erst später erfolgen soll.“ Nach dieser Besprechung scheint die Angelegenheit zunächst nicht weiter verfolgt worden zu sein, beide Werke hatten auch im Frühjahr 1944 noch nicht den ihnen zugedachten Bestimmungsort gefunden. Über die tatsächlichen Wege des „Paracelsus“ und des „Fischer von Erlach“von München nach Salzburg, ihre Ankunft in der Salzachstadt, die Übergabe an die Stadtgemeinde etc. liegen keine Akten und Zeitungsberichte vor. Anlässlich des 55. Geburtstages von Josef Thorak im Februar 1944, zu dem ihm Gauleiter Scheel seine persönlichen Glückwünsche nach Schloss Prielau überbrachte, war in der „Salzburger Zeitung“ lediglich zu lesen, dass die beidenSkulpturen „in unserer Stadt zur Aufstellung gelangen sollen“. In einem Schreiben von Jenal an den Präsidenten der Paracelsus-Gesellschaft, Reichsgesundheitsführer Dr. Leonardo Conti, vom April 1944 erwähnte der Stadtdirektor, dass „das von Thorak fertiggestellte Denkmal zur Aufstellung kommen“ soll, vier Wochen später avisierte auch Giger Conti gegenüber die „Aufstellung des Paracelsus-Denkmals“ in Salzburg. Den letzten Hinweis auf die Statue liefert der Entwurf eines Briefes an Conti, den Lettner und Jenal im Namen Scheels an den Reichsgesundheitsführer aufgesetzt hatten, demzufolge „auch bereits das von Prof. Thorak geschaffene Marmordenkmal des Paracelsus seiner Aufstellung“ in Salzburg harrte. Als Kunstwerk von besonderem Rang brachte man den „Paracelsus“ schließlich wenige Monate vor Kriegsende im Stollen von St. Peter in Sicherheit. Auf die Wege der Statue und ihre Aufstellungsorte nach 1945 wird zurückzukommen sein.

 

Der Gauleiter vergibt eine Friedhofsgruft

Nachdem er ihm bereits zu Schloss Prielau verholfen und sich für seine Jagdpacht eingesetzt hatte, sicherte Gauleiter Gustav Adolf Scheel Thorak zu Jahresende 1943 eine entsprechende Stätte im Friedhof von St. Peter zu, nachdem er sich nach der Beschlagnahme des Stiftes 1942 das Entscheidungsrecht über die Vergabe der Grabstellen und Grüfte vorbehalten hatte: „Der Gauleiter und Reichsstatthalter hat verfügt, daß an Sie eine Gruft im St. Peter-Friedhof in Salzburg käuflich zu überlassen ist. Gleichzeitig hat der Gauleiter und Reichsstatthalter die Bewilligung erteilt, daß schon in den nächsten Tagen der Sarg mit der Leiche Ihrer vor geraumer Zeit verstorbenen Mutter beigesetzt wird und s. Z. auch Sie Ihre letzte Ruhestätte finden.“ Die im Jänner 1943 im Alter von fast 90 Jahren in Salzburg verstorbene Mathilde Thorak war bereits am 1. Oktober desselben Jahres, also mehr als fünf Wochen vor dem Brief aus dem Büro des Reichsstatthalters an Thorak, vorübergehend in der Kommunegruft von St. Peter beigesetzt worden. Eine Umbettung des Leichnams sollte jedoch noch längere Zeit auf sich warten lassen, da entgegen dem Schreiben der Reichsstatthalterei im Herbst 1943 noch keine Gruft frei war. Josef Thorak wurde schließlich von der Verwaltung St. Peter und Michaelbeuern am 27. September 1944 – zehn Monate nach der Zusage des Gauleiters – informiert, dass ihm die Gruft XII, die ehemals der Metzgerfamilie Plohberger gehörte, zur Nutzung rückwirkend vom 8. November 1943 bis zum 7. November 1973 übertragen werde. Für das 30-jährige Benützungsrecht und die jährlichen Benützungsgebühren wurden ihm 2.000,- RM vorgeschrieben, der Verwalter schränkte jedoch im gleichen Schreiben ein: „Den Abschluss eines Vertrages für die Ihnen zugesprochene Gruft behalte ich mir noch vor, weil dzt. eine völlige Neuregelung in allen Petersfriedhofsangelegenheiten in Ausarbeitung ist.“ Drei Wochen später veranlasste der Bildhauer die Überweisung der geforderten 2.000,- RM per Verrechnungsscheck, in der Handmappe der Friedhofsverwaltung wurde vermerkt, dass Thorak den „Beistellungs- und Unterhaltsbetrag voll bezahlt“ habe. Die Kriegslage – auf Salzburg fielen in jenen Wochen die ersten Bomben – führte dazu, dass bis zum Ende des „Dritten Reichs“ keine weiteren Schritte gesetzt wurden.

 

Porzellanmanufaktur Allach – ein Wirtschaftsbetrieb der SS

In Folge der Intensivierung der alliierten Luftangriffe auf München hielt sich Josef Thorak ab 1943 zwar häufig im Pinzgau oder in seinem oberbayerischen Schloss Hartmannsberg auf, doch er war auch weiterhin in seinem Atelier in Baldham tätig. Und er stellte seine Kunstfertigkeiten der Porzellanmanufaktur Allach, einem Wirtschaftsbetrieb der SS, zur Verfügung, wobei seine Tätigkeit anhand der vorhandenen Quellen nur unbefriedigend rekonstruierbar ist. Das Anfang 1936 im Auftrag von Reichsführer-SS Heinrich Himmler gegründete Unternehmen gehörte de jure ab Oktober 1939 zum Wirtschaftsimperium der SS und fiel in die Zuständigkeit der Amtsgruppe W I (Steine und Erden – Reich; Leiter: Dr. Karl Mummenthey) des Hauptamtes Verwaltung und Wirtschaft (ab 1942 Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS), geleitet von Oswald Pohl. Für Himmler war die Manufaktur in Allach ein Lieblings- und Prestigeprojekt, er engagierte auf Honorarbasis mehrere Künstler, die Entwürfe für die Produkte der Porzellanmanufaktur vorlegten, die dann wiederum von den Arbeitern ausgeführt wurden. Neben Kantinengeschirr und sanitären Gegenständen für das Deutsche Rote Kreuz und für die Dienststellen der Waffen-SS und der Polizei im Rahmen der Kriegswirtschaft wurden insbesondere propagandistische Porzellanfiguren (z. B. [historische] Soldaten, SS-Fahnenträger, Reichsarbeitsdienstmann etc.) und Tierdarstellungen hergestellt. Alle Produkte aus Allach waren im Boden mit dem Zeichen der SS, der doppelten Sigrune, gestempelt. Rund die Hälfte der Erzeugnisse waren Sonderanfertigungen für den Reichsführer-SS, die wichtigste Keramik darunter war der Jul-Leuchter, den Himmler zu Weihnachten, das von den Nationalsozialisten als Jul-Fest gefeiert wurde, an SS-Männer verschenkte. Zu diesen nicht frei verkäuflichen Werken zählten auch Sonnwend-, Lebens- und Geburtsleuchter, die im Privaten die religiösen durch NS-Insignien ersetzen sollten. Die Produktion der Waren erfolgte zunächst in der eigenständigen Gemeinde Allach, ab Oktober 1937 verlegte die SS die Fertigung sukzessive auf das Gelände des SS-Übungs- und Ausbildungslagers beim KZ Dachau. Damit einher ging der vermehrte Einsatz von KZ-Häftlingen im Produktionsablauf. Hatte Himmler diesen zunächst abgelehnt, so waren 1940 erstmals zehn Häftlinge aus dem Dachauer Schutzhaftlager für die Porzellanmanufaktur abgestellt. Der Vorarbeiter war ein ehemaliger Soldat der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, dem es gelang, vornehmlich Spanienkämpfer in die Porzellanfabrikation zu holen. Im Juli 1941 waren bereits rund 40 Gefangene in zwei Arbeitskommandos tätig, nachdem 13 Insassen des KZ Buchenwald in diesem Monat nach Dachau zur Arbeit in der Manufaktur überstellt worden waren. Ende 1943 verrichteten ca. 90 KZ-Insassen Zwangsarbeit, die Zahl ging gegen Kriegsende auf knapp 30 zurück. Die auf dem SS-Gelände eingesetzten Häftlinge wurden täglich vom Schutzhaftlager zu ihrer Arbeitsstätte geführt und nach ihrer Schicht zurückgebracht. Natürlich handelte es sich bei diesen Tätigkeiten um KZ-Zwangsarbeit, doch waren die Überlebenschancen durch die Zuteilung zur Porzellanmanufaktur Allach höher als in anderen Arbeitskommandos. Hans Landauer, österreichischer Spanienkämpfer und seit 6. Juni 1941 Häftling im KZ Dachau, wurde wenige Tage nach seiner Ankunft dem Kommando in Allach zugeteilt. Rückblickend bezeichnete er die Tätigkeit in der Porzellanmanufaktur als „Glücksfall“ und eine der „unvorhergesehene[n] Überlebenschancen“, „die mir zweifelsohne in Dachau das Leben retteten“. Über Todesopfer im direkten Zusammenhang mit den Arbeiten in der Porzellanmanufaktur ist bislang nichts bekannt. Josef Thorak war als künstlerischer Berater der SS in der Porzellanmanufaktur tätig. In einer nicht datierten Notiz über abzuschließende Verträge mit Künstlern wurde vermerkt: „Das Unternehmen steht z. Zt. in Verhandlungen mit Herrn Prof. Thorak, den man ebenfalls als Mitarbeiter gewinnen will.“ Der Name des Bildhauers taucht auch in einer der zentralen Quellen über das Wirtschaftsimperium der SS, dem sogenannten Mindener Bericht, auf, der von den drei hohen Funktionären des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, Dr. Hans Hohberg, SS-Hauptsturmführer der Reserve der Waffen-SS Dr. Leo Volk und SS-Obersturmbannführer der Reserve der Waffen-SS Dr. Karl Mummenthey, 1946 in britischer Internierung in Minden verfasst wurde. Darin führten sie über die Personalstruktur der Manufaktur in Allach aus: „Zum Kreis der Künstler gehörten aus der Anfangszeit Prof. Diebitsch, Prof. Kärner, später Prof. Wagenfeld (…), Prof. Thorack (sic) in letzter Zeit.“ Josef Thorak kontrollierte die künstlerische Qualität eines Teils der Häftlingsarbeiten, wie Hans Landauer in den 1990er Jahren festhielt: „Thorak begutachtete meine Ziethenhusaren (sic) und Panduren, Prof. Kärner fast täglich meine Morisken und die diversen Trachtenpärchen (…).“ Im Nachkriegsverfahren gegen Oswald Pohl vor dem Nürnberger Gerichtshof war auch die Porzellanmanufaktur Allach Thema, doch taucht in den gedruckten Unterlagen und ungedruckten Quellen zum Prozess der Name Josef Thorak nicht auf. Ein Grund dafür mag darin zu finden sein, dass der von Hohberg, Volk und Mummenthey verfasste Bericht nicht als Beweismittel im Verfahren Verwendung gefunden hatte.

Als im Sommer 1944 in den Räumlichkeiten der Salzburger Residenz die Ausstellung „Deutsche Künstler und die SS“ gezeigt wurde, waren nicht nur sechs Werke von Josef Thorak zu sehen, darunter seine Büste von Adolf Hitler, die als erste Abbildung im Ausstellungskatalog nach dem Titelblatt abgedruckt war. Im Kaiser-Saal wurde den Besucherinnen und Besuchern eine separate Ausstellung der Wirtschaftsbetriebe der SS präsentiert. In Glasvitrinen und freistehend waren 13 Objekte aus der Porzellanmanufaktur Allach zu sehen, darunter auch einer der von Landauer zitierten Zieten-Husaren nach dem Entwurf von Theodor Kärner. Die Wachsbüste „Wilhelm von Bode“, des frühen Förderers und ersten Biografen von Josef Thorak, erstand nach Ausstellungsende die Landesgalerie Salzburg, die ab 1942 von Friedrich Welz im Auftrag von Gauleiter Gustav Adolf Scheel errichtet wurde. Das für 10.000,- RM erworbene Werk bildete gemeinsam mit drei anderen Arbeiten aus der SS-Ausstellung die letzte Ankaufsserie der Landesgalerie, die am 15. September 1944 in das Inventarbuch eingetragen wurde. Alle vier Kunstwerke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von der Residenzgalerie übernommen, die Thorak-Büste befindet sich heute im Bestand des Museums der Moderne.

 

Zwangsarbeiter aus dem KZ Dachau für Josef Thorak?

Im Zusammenhang mit Josef Thoraks Funktion als künstlerischer Berater für die Porzellanmanufaktur Allach wird in der Sekundärliteratur häufig seine Anforderung von Zwangsarbeitern aus dem KZ Dachau für Arbeiten in seinem Staatsatelier angeführt. Aussagen von ehemaligen Insassen des KZ bilden hierfür die Grundlage. Der niederländische Schriftsteller und Journalist Nico Rost wurde im Mai 1943 festgenommen, er war von Juni 1944 bis Kriegsende im KZ Dachau interniert. Seine Erinnerungen an diese Zeit hielt er in tagebuchartigen Aufzeichnungen fest, die 1946 in den Niederlanden unter dem Titel „Goethe in Dachau. Literatuur en werkelijkheid“ erstmals publiziert wurden, die deutsche Übersetzung „Goethe in Dachau. Literatur u. Wirklichkeit“ erschien 1949. In seinen Notizen vom Oktober 1944 berichtet er vom Abtransport des Mithäftlings Frederik Jan ‚Fritz‘ van Hall nach Auschwitz, der mit Johann Hendrik van Zweden nur wenige Monate zuvor auf eine Anfrage von Thorak an den Lagerkommandanten von Dachau hin ins Staatsatelier nach Baldham hätte kommen sollen. „Fritz und van Zweden wurden dafür ausgewählt, sollten zu Thorak. In Zivilkleidung. Hätten sich nur einmal täglich bei der örtlichen Polizeibehörde zu melden. Das beste Kommando von Dachau!“, so Rost, der ebenfalls versuchen wollte, bei Thorak engagiert zu werden, um eine Biografie über den Bildhauer zu schreiben, „und dann wollten wir drei zusammen fliehen… Aber der Kommandant hatte dann wochenlang keinen SS-Mann, keinen ‚Posten‘ frei, um die beiden nach ihrem Bestimmungsort zu bringen. Trotzdem war ‚reserviert für Bildhauer Thorak‘ lange ein Zauberspruch, der sie vor anderen Transporten oder Kommandos bewahrte.“ Johann Hendrik van Zweden wurde am 29. April 1945 im KZ-Außenlager Mühldorf befreit, Frederik Jan van Hall kam am 24. November 1944 auf Transport nach Auschwitz. Er starb nach der Räumung von Auschwitz auf dem Todesmarsch am 18. Jänner 1945 in Gleiwitz.

Wie bereits ausgeführt gehörte Josef Thorak für Adolf Hitler und Joseph Goebbels eindeutig zu den wichtigsten Künstlern des „Dritten Reichs“. Der Diktator und sein Propagandaminister verzeichneten ihn daher nicht nur auf der 1.041 Künstlerinnen und Künstler umfassenden „Gottbegnadeten“-Liste. Hitler selbst erklärte ihn für sakrosankt, indem er ihn neben Arno Breker, Fritz Klimsch und Georg Kolbe auf die Sonderliste der „Unersetzlichen Künstler“ im Bereich der Bildhauerei setzte. Josef Thorak musste demzufolge nie zur Wehrmacht einrücken oder Dienst in Rüstungsbetrieben leisten. Die letztmalige Erwähnung Thoraks in Goebbels‘ Tagebüchern findet sich Anfang Dezember 1944, rund zwei Monate nachdem die Bildung des finalen militärischen Aufgebotes beschlossen worden war. „Thorack (sic) hatte mich gebeten, vom Volkssturm dispensiert zu werden. Ich habe das abgelehnt, und der Führer billigt das. Der Volkssturm ist eine Organisation, an der teilzunehmen jeder verpflichtet ist, und zwar ohne jede Ausnahme.“ Ob der Bildhauer tatsächlich Volkssturmmann wurde, ist unklar.

Das Privatleben des Lebemannes Josef Thorak verlief auch in seinem letzten Lebensjahrzehnt turbulent. Die Haushälterin in Schloss Hartmannsberg und Geliebte des Bildhauers hatte am 28. Oktober 1941 Thoraks vierten Sohn Remco zur Welt gebracht. Der kleine Junge ertrank im Juli 1945 im See neben dem Schloss. Siegfried, Thoraks ältester Sohn aus erster Ehe, mit dem er allerdings relativ wenig Kontakt hatte, war als Soldat bei Stalingrad gefallen. Noch während der Bildhauer die in der englischen Emigration lebende Ex-Frau Hilda nach Ende der NS-Herrschaft seiner Liebe versicherte, um von ihr ein günstiges Zeugnis für das anlaufende Spruchkammerverfahren zu erhalten, heiratete er am 6. September 1946 standesamtlich zum dritten Mal. Die 31-jährige Erna Hoenig/Hönig, deren Vater aus Ungarn stammte, war US-amerikanische Staatsbürgerin. Sie war nach der Ausbombung ihrer Wohnung in München eigenen Angaben zufolge auf Einladung des Bildhauers 1944 in Schloss Hartmannsberg eingezogen, damit „ich nicht wie andere amerikanische Staatsangehörige in ein Internierungslager kam“. Am 6. Juni 1949 kam der jüngste Sohn Hein Thilo zur Welt.

 

Entnazifizierung in Österreich

Im Mai 1945 sah sich Josef Thorak vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz. Sein gesamtes künstlerisches Schaffen der vergangenen zwölf Jahre war dem Dienst an NS-Granden und ihrer Politik verpflichtet, sein Name war untrennbar mit der nationalsozialistischen Kunstästhetik verbunden. Davon hatte er beruflich und finanziell über die Maßen profitiert. Thorak wurde nach Kriegsende von seiner Professur in München suspendiert, Schloss Hartmannsberg von den US-amerikanischen Behörden requiriert. Vorübergehend fanden aus den KZs befreite jüdische DPs darin Zuflucht. Thorak selbst suchte die Nähe zur alten Heimat seiner Mutter, er ließ sich in Bayrisch Gmain bzw. Großgmain – im wörtlichen Sinn direkt an der grünen Grenze zwischen Deutschland und Österreich – nieder, wo er mit Unterstützung des Leiters der Bad Reichenhaller Saline zu seinen künstlerischen Wurzeln, der Tontöpferei, zurückkehrte.

Ein Jahr nach Kriegsende begannen die österreichischen Behörden mit Nachforschungen über Thoraks Rolle in der „Arisierung“ von Schloss Prielau. Dr. Roeder (Röder?) vom Sicherheitsreferat der Bezirkshauptmannschaft Zell am See wies im Mai 1946 die Salzburger Sicherheitsdirektion und die US-amerikanische CIC-Stelle in Zell am See auf diesen Fall hin und empfahl die Einleitung umfassender Erhebungen, insbesondere im Hinblick auf § 6 des Kriegsverbrechergesetzes (KVG), das den Tatbestand der „mißbräuchlichen Bereicherung“ ahndete. Die Staatsanwaltschaft leitete Ende Mai die beiden Schreiben an die Kollegen in Linz zur Überprüfung weiter. Dass Revierinspektor Karl in Maishofen angab, dass Thorak „in Hartmannsberg bei Ennsdorf (sic) a. Chiemsee in Bayern aufhältlich“ und „seit Kriegsende nicht mehr nach Prielau gekommen“ sei, sollte sich als glücklicher Umstand für den Beschuldigten erweisen. Kurioserweise, jedoch in korrekter Befolgung der damaligen Gesetzeslage, leitete die Staatsanwaltschaft Linz am 4. Juni 1946 die Voruntersuchung wegen § 6 KVG ein. Gleichzeitig veranlasste sie „die Ausschreibung des Besch[uldigten] Josef Thorak zur Verhaftung bei Betretung im Inland“ im staatspolizeilichen Fahndungsblatt und beantragte im selben Schriftsatz die „Abbrechung des Verfahrens gegen Josef Thorak gemäß § 412“ der Strafprozessordnung aus dem Jahr 1945. Dieser Paragraf besagte, wenn „der Täter eines Verbrechens oder Vergehens nicht bekannt ist oder nicht vor Gericht gestellt werden kann, so muss doch die Erhebung der Beschaffenheit der Tat auf Antrag des Staatsanwaltes mit der vorschriftsmäßigen Sorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden. Das Verfahren ist in solchen Fällen erst, wenn keine Anhaltspunkte zu weiteren Nachforschungen mehr vorhanden sind, bis zur künftigen Entdeckung oder Auffindung des Täters einzustellen.“ Ob die österreichischen Behörden in der Folge Nachforschungen in Hartmannsberg anstellten oder die bayerischen und US-amerikanischen Stellen um Verhaftung und Auslieferung Thoraks ersuchten, ist nicht aktenkundig und insofern unwahrscheinlich, als das Gericht die Verhaftung ja nur im Falle der „Betretung im Inland“ (und Thorak wurde ja in Hartmannsberg vermutet) angeordnet hatte. Im Oktober 1947 ersuchte Rechtsanwalt Dr. Valentin Gelber, der Salzburger Rechtsvertreter Thoraks, das Landesgericht Linz, eine Bestätigung der Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten zu übermitteln, „da Prof. Thorak in absehbarer Zeit nach Österreich kommen soll“. Das Gericht übersandte wenige Tage später die Bestätigung, „dass das gegen Prof. Josef Thorak hg. anhängig gewesene Verfahren wg. § 6 KVG (…) mit Beschluß v. 8. 8. 47 gem. § 109 StPO eingestellt“ worden war. Die spärliche Aktenüberlieferung gibt über die Schritte der Behörden bis zum genannten Beschluss vom 8. August 1947 keine Auskunft, daher kann auch nicht rekonstruiert werden, nach welchem Gesichtspunkt des § 109 der Strafprozessordnung geamtshandelt wurde. Der Paragraf besagte: „(1) Die Voruntersuchung ist durch Verfügung des Untersuchungsrichters einzustellen, sobald der Ankläger das Begehren nach strafgerichtlicher Verfolgung zurückzieht oder auf Einstellung der Voruntersuchung anträgt, oder erklärt, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung finde. (2) Außerdem kann die Einstellung der Voruntersuchung nur durch Beschluss der Ratskammer oder des Gerichtshofes zweiter Instanz erfolgen.“ Zwar wurde vom Gericht im August 1947 auch die Löschung der Ausschreibung im Fahndungsblatt angeordnet, offensichtlich jedoch nicht vorgenommen, denn im April 1949 wies die Erhebungsgruppe des Landesgendarmeriekommandos Salzburg das Linzer Gericht darauf hin, dass Thorak, der „schon seit längerer Zeit in Grossgmain (sic) Nr. 165 wohnhaft“ sei, noch immer im Fahndungsblatt aufscheine. Das heißt im Umkehrschluss, dass sich der Bildhauer offensichtlich ordnungsgemäß in Großgmain angemeldet hatte, vom dortigen Polizeiposten jedoch trotz aufrechter Fahndung nicht verhaftet oder zumindest einvernommen worden war.

 

Restitution von Schloss Prielau

Im Sommer 1947 sollte Schloss Prielau, das ja den Anlass für die Erhebungen der österreichischen Behörden gegeben hatte, selbst zum Gegenstand juristischer Aufarbeitung werden. Nachdem Gertrude von Hofmannsthal im Juli des Jahres die Rückgabe der entzogenen Liegenschaften entsprechend dem 3. Rückstellungsgesetz durch ihren Anwalt Dr. Emil Neuspiel in Wien eingebracht hatte, musste Thorak laut dem Teilerkenntnis der Rückstellungskommission beim Landesgericht Salzburg vom 9. Dezember 1947 das Schloss und die dazu gehörigen Liegenschaften zurückgeben. Dem vorgebrachten Argument, Thorak hätte die Liegenschaft im guten Glauben erworben, nichtwissend, dass sie einer „Volljüdin“ geraubt worden war, folgte das Gericht nicht. Ein anderer Antrag von Thoraks Rechtsvertretern hingegen zog das Verfahren in die Länge, nämlich die Frage nach den von Thorak getätigten Aufwendungen, die er im Zuge der Restitution nun von Gertrude von Hofmannsthal abgegolten wissen wollte. Um den Sachverhalt zu klären, wurde beim Salzburger Baumeister und gerichtlich beeideten Sachverständigen Ing. Gustav Fill ein Gutachten in Auftrag gegeben, das jedoch ausschließlich die Ist-Situation im Frühjahr 1948 dokumentierte und sich auf die Aussagen von Erna Thorak stützte, da für sämtliche angeführten Posten keine Rechnungsbelege vorhanden waren. „Diese wurden nach Angaben von Frau Thorak in Bayern aufbewahrt und sollen anlässlich der Kriegsereignisse verloren gegangen sein.“ Basierend auf diesem Gutachten schränkte das Gericht am 21. Juli 1949 zur „Sicherstellung der Forderung des Antragsgegners [Thorak; Anm. d. Verf.] auf Ersatz seiner Investitionen“ das Eigentumsrecht von Gertrude von Hofmannsthal grundbücherlich ein. Nachdem die rechtmäßige Besitzerin und der Bildhauer in der Frage der Aufwendungen einen Vergleich geschlossen hatten, erfolgte im Juni 1952 – nach dem Tod von Josef Thorak – die grundbücherliche Löschung des eingeschränkten Eigentumsrechts.

 

Spruchkammerverfahren in Deutschland

Neben diesen beiden juristischen Vorgängen in Österreich gingen relativ zeitgleich auch die bayerischen Behörden an die Aufarbeitung des Falles Josef Thorak. Da der Bildhauer an mehreren Orten Bayerns beruflich tätig und privat wohnhaft war, standen sie vor einer bürokratischen Herkulesaufgabe. Es sollte daher mehr als eineinhalb Jahre dauern, ehe es zur Anklage kam. Laut der Spruchkammerakte sammelte Staatsanwalt Dr. Julius Herf, der Generalankläger beim Kassationshof in München, wohin das Verfahren gezogen wurde, ab Herbst 1946 sämtliches Thorak belastendes Material von den Spruchkammern mehrerer bayerischer Gemeinden und Bezirke (Ebersberg, Traunstein, Rosenheim-Land, Garmisch-Partenkirchen) und von Münchner Behörden. Am 24. Februar 1948 unterfertigte Herf schließlich die Klageschrift gegen Josef Thorak aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946. Dieses Gesetz verpflichtete jede Deutsche und jeden Deutschen über 18 Jahre, sich zu registrieren. Es kannte insgesamt fünf Gruppen, denen die Registrierten zugeteilt und denen entsprechend sie juristisch beurteilt wurden: I – Hauptschuldige; II – Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer); III – Minderbelastete (Bewährungsgruppe); IV – Mitläufer; V – Entlastete. Der Münchner Generalankläger beantragte die Einreihung von Josef Thorak in die Gruppe II als Nutznießer (Artikel 9). „Nutznießer ist: Wer aus der Gewaltherrschaft der NSDAP, aus der Aufrüstung oder aus dem Kriege durch seine politische Stellung oder seine politischen Beziehungen für sich oder andere persönliche oder wirtschaftliche Vorteile in eigensüchtiger Weise herausgeschlagen hat.“ Weiters nach Artikel 9 II 2: „Nutznießer ist insbesondere, soweit er nicht Hauptschuldiger ist: Wer erhebliche Zuwendungen von der NSDAP, ihren Gliederungen oder angeschlossenen Verbänden erhielt.“ Und auch der Artikel 16 wurde schlagend, der die entsprechenden Sühnemaßnahmen beinhaltete. Die Akten des Verfahrens und der beiden Berufungen – sie umfassen mehr als 500 Seiten – vermitteln den Eindruck, dass seitens der Anklage sehr wohl an einer angemessenen Bestrafung Thoraks gelegen war, doch macht bereits der erste Absatz des Klageschrift deutlich, wie unzureichend der Generalankläger vorbereitet war: „Der Betroffene gibt an, niemals der Partei oder einer ihrer Organisationen angehört zu haben. Er will lediglich Mitglied der Reichskammer der Bildenden Künste und der Deutschen Jägerschaft gewesen sein.“ Diese Aussage Thoraks, eine bewusste Lüge, wurde im gesamten Verfahren nicht überprüft und nie korrigiert. Weshalb nicht bei den US-amerikanischen Behörden, die nach Kriegsende im Besitz der NSDAP-Zentralkartei waren, nachgefragt wurde, bleibt unklar. Das Verschweigen der Parteimitgliedschaft kann jedenfalls als eine wichtige Voraussetzung für die drei Freisprüche von Josef Thorak angesehen werden. In der Klageschrift folgten entsprechend den zentralen Anklagepunkten hinsichtlich der Nutznießerschaft Ausführungen über Verbindungen des Bildhauers zur NS-Elite, insbesondere zu Hitler und dem bayerischen Gauleiter Wagner, Thoraks sprunghaft ansteigendes Einkommen zwischen 1938 und 1944 aufgrund seiner Aufträge durch den NS-Staat und die Errichtung und kostenlose Überlassung des Staatsateliers in Baldham. Der Verteidiger des Bildhauers, Dr. Weihrauch, konzentrierte sich in der Folge darauf, seinen Mandanten – Thorak war ja angeblich nie NSDAP-Mitglied – als unpolitischen Künstler darzustellen, der nur seine Aufträge ausgeführt, davon aber selbst keinen Nutzen gezogen habe. In einem wortgewaltigen 21-seitigen Schreiben mit 42 Anlagen konterte der Rosenheimer Rechtsanwalt die Anklageschrift. Und er brachte ein Argument in die Diskussion ein, auf das auch Thorak selbst nach 1945 immer wieder hinwies: „Es ist schon so: Der ‚Bildhauer des 3. Reiches‘[,] zu dem ihn die Propaganda und besonders die Fotografen gestempelt haben, hat den Nazis nicht einmal den kleinen Gefallen getan, auch nur ein einziges Abzeichen, ein einziges Hakenkreuz oder Hoheitszeichen oder SA-Käppi zu modellieren – auch der kritischste Gutachter wird bei den vielen Werken des Künstlers vergeblich danach suchen“, so Weihrauch in einem weiteren Schreiben. Für seine unpolitische Haltung wurde eine Reihe entlastender Zeugenaussagen beigebracht, aus zwei dieser Schreiben sei auszugsweise zitiert: „Thorak ist niemals Nationalsozialist gewesen. Das findet seine sehr einfache Erklärung darin, dass er als Künstler überhaupt kein Verhältnis zur Politik und schon gar nicht zu politischen Parteien hatte. Ihm war die Politik und alles, was dazu gehört, immer eine Sache, mit der er überhaupt nichts anzufangen wusste, und die ihm deshalb auch völlig gleichgültig war“, so Thoraks Freund Karl Pfeiffer. „Thorak hat seinen Auftraggebern gegenüber seinen künstlerischen Willen oft unter schweren Kämpfen durchgesetzt. So hat er es, so viel ich weiß, nach 1933 bei Staatsaufträgen gehalten. Er hat sich nicht, wie andere, zur heroischen Geste verführen lassen. Ich glaube, ihm war im Grunde Auftrag eben Auftrag, ob er nun, wie früher, das Grabmal für die Familie Ullstein schuf oder später die Siegesgöttin für das Nürnberger Märzfeld… Propaganda durch die Kunst entsprach nicht seiner Art; (…). Ihm darum aus seinem ‚Nutznießertum‘ keinen Strick drehen, sondern ihm die Chance geben, möglichst rasch zum freien Schaffen zu kommen. Das wünsch ich ihm von Herzen.“ Und auch über die Einstellung des Verfahrens gegen Thorak in Linz informierte Rechtsanwalt Weihrauch die Münchner Behörden: „Vorzuwerfen hatte man ihm auch dort nichts anderes, als was die marktschreierische Nazipropaganda aus ihm gemacht hatte: den angeblichen Bildhauer des Dritten Reiches.“ In der Verhandlung am 24. Mai 1948 vor der Spruchkammer München I folgten der Vorsitzende und die Beisitzer der Argumentation Weihrauchs und kamen zu dem Urteil: „Thorak Josef ist vom Gesetz nicht betroffen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.“ Der Generalankläger legte am 1. Juni 1948 Berufung gegen dieses Urteil ein. Die Verhandlung vor der Berufungskammer München – 1. Senat fand am 25. Juli 1949 statt. Erneut wurde Thorak freigesprochen, erneut legte der Generalankläger Berufung ein, da er den Vorwurf der Nutznießerschaft als nicht ausreichend berücksichtigt sah. An diesem Punkt des Verfahrens wurden nun auch erstmals Erkundigungen über die „Arisierung“ von Schloss Prielau eingezogen. Die dritte und letzte Verhandlung vor der Berufungskammer München – 2. Senat, bei der Thorak aufgrund eines ärztlichen Attests entschuldigt war, erfolgte am 9. Februar 1951. Der Vorsitzende und seine beiden Beisitzer kamen zu dem Urteil: „Die Berufung des öffentlichen Klägers gegen die Entscheidung der Spruchkammer München vom 24. 5. 48 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.“ Die auf sieben Seiten ausgeführte Begründung begann mit dem Halbsatz „Gegen den Betroffenen, der nicht nur nicht listenmäßig belastet, sondern auch nicht einmal einfaches Mitglied der Partei oder ihrer Organisationen gewesen ist, (…)“. Das Gericht schrieb somit ungeprüft die Kardinallüge Thoraks fort. Die letzten zwölf Monate seines Lebens war Josef Thorak von Rechts wegen ein freier und nicht vorbestrafter Bürger.

 

Nachkriegszeit

Parallel zu seinen Gerichtsverfahren war Josef Thorak bemüht, nicht nur juristisch sondern auch künstlerisch seinen Ruf als führender Bildhauer des „Dritten Reichs“ abzuschütteln. Wie viele andere Künstler begann er nach Kriegsende, vermehrt Kunstwerke mit religiösen Motiven anzufertigen, womit er an einen Strang seines Œuvres anschloss, den er ab 1933 absolut vermieden hatte. Zu den Arbeiten sind etwa die Statue „Heilige Ursula“ für den Orden der Kreuzschwestern in Linz – seine Erlebnisse mit den Schwestern in der Edmundsburg schienen vergessen – oder „Die Taufe Christi“, die Kleinplastiken „MadonnaBavaria“, „Karfreitag“ und „Maria mit den sieben Engeln“ sowie eine Madonna mit Kindern für die Missionskirche in südafrikanischen Ndanda zu zählen. Und er versuchte sich über Salzburger Politiker als treuer Sohn seiner vermeintlichen Vaterstadt zu positionieren, wie ein Protokoll der Sitzung des Stadtsenates Anfang 1950 nahelegt: „Bgm.Stv. [Bürgermeister-Stellvertreter, Anm. d. Verf.] Schneider-Manns Au berichtet, daß er sich auf Grund der letzten Zeitungsnachrichten, wonach Prof. Thorak der Stadtgemeinde eine Paracelsusstatue zum Geschenk gemacht hätte, veranlaßt sah, Prof. Thorak zu sich zu bitten. Letzterer erschien mit Ing. Kühn und erklärte, daß er von keiner Seite einen Auftrag für diese Statue bekam, sondern daß es lediglich sein Dankesausdruck an die Gemeinde sei, die ihm hier wieder eine Heimat bot. Außerdem sei dies nicht nur die Paracelsusstatue, sondern auch noch andere Werke. Diese Darlegungen wurden von Bgm.Stv. Dir. Schneider-Manns Au in einer Aktennotiz festgelegt. Bgm.Stv. Hofrat Hildmann gibt weitere Ausführungen und teilt mit, daß er über diese Angelegenheit unterrichtet war, jedoch davor gewarnt habe, vor einer Aufklärung diese Sache an die Öffentlichkeit zu bringen. Da dies nun aber trotzdem geschehen sei, ist eine baldige Bereinigung herbeizuführen. Er berichtet über die Schwierigkeiten, die ihn während seiner Amtsperiode 1945/46 nicht dazukommen ließen, mit Thorak in Verbindung zu treten. Es liege kein Schriftstück vor, noch konnte bis jetzt jemand bezeugen, daß die Statue jemals an die Stadt übergeben wurde. Er schlägt vor, den kürzlich von der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten ehemaligen NS-Bürgermeister Dr. Lorenz eine Erklärung abgeben zu lassen. Weiters sollen in der nächsten Zeit die Geschenkstücke besichtigt werden. Das Bauamt möge einen geeigneten Aufstellungsort für die Paracelsusstatue vorschlagen. Prof. Thorak habe sich auch beklagt, daß ihm in Künstlerkreisen noch immer eine Zurückstellung widerfahre, wofür ihm zugesagt wurde, daß nach Klärung seiner politischen Angelegenheit seine der Stadt gewidmeten Geschenke anläßlich einer Ausstellung im Künstlerhaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Zumindest das zuletzt erwähnte Versprechen wurde realisiert. Das Kulturamt der Stadt Salzburg und die Salzburger Kulturvereinigung hielten im Sommer 1950 in der neu geschaffenen Gartenanlage im Zwerglgarten eine Ausstellung mit Werken von Josef Thorak ab, eines der 17 gezeigten Objekte des Bildhauers war der „Paracelsus“, der einer Zeitungsnotiz zufolge bis Anfang 1950 in einem Stollen des Peterskellers sein Dasein gefristet hat. Die Eröffnung der Ausstellung fand am 15. Juli statt. Das Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg, das offizielle Presseorgan der Stadt, brachte in der darauffolgenden Woche einen Bericht, in dem u. a. zu lesen war, dass Bürgermeister-Stellvertreter Richard Hildmann zunächst die Grüße des in Oberösterreich zur Kur weilenden Bürgermeisters Anton Neumayr überbrachte. Hildmann „sprach dann anschließend Prof. Thorak den Dank der Stadtgemeinde aus für die Werke, die der große Künstler seiner Vaterstadt (sic) zum Geschenk gemacht hat. Die bedeutendsten darunter sind die beiden Kolossal-Figuren ‚Paracelsus‘ (bereits in Untersberg-Mamor ausgeführt) und ‚Fischer von Erlach‘ (noch im Modell), doch soll letztere Figur, sobald die notwendigen 40.000 Schilling für den Ankauf des erforderlichen Marmorblockes aufgebracht werden können, ebenfalls zur Ausführung kommen. Die Bevölkerung von Salzburg habe nun die Möglichkeit, so führte Hofrat Hildmann weiter aus, die beiden Groß-Plastiken des Meisters anzusehen und mitzuentscheiden, wo sie später aufgestellt werden sollen.“ Die im Text gemachte Andeutung, Thorak habe mehrere (sämtliche?) ausgestellten Objekte der Stadt Salzburg geschenkt, lässt sich archivalisch nicht belegen, weder in der Urkundensammlung des Stadtarchivs Salzburg noch in anderen Beständen finden sich Hinweise auf einen derartigen Schenkungsvorgang. Fünf Wochen nach diesem ersten Bericht über die Ausstellung brachte das Amtsblatt einen Aufsatz über die Schau und über das Leben Thoraks, „Der Salzburger Bildhauer Josef Thorak. Kleine Biographie eines großen Künstlers“, verfasst vom Vizepräsidenten der Salzburger Kulturvereinigung, Professor Dr. Matthias Partick. Der größte Teil des Textes war in schmeichlerischem Tonfall Thoraks Werdegang bis Anfang der 1930er Jahre gewidmet, die Zeit des Nationalsozialismus kam nur kurz und indirekt zur Sprache: „Die hier in Salzburg gezeigten Figuren sind ein Teil seiner freien Arbeiten aus der Zeit von 1937 bis 1945, (…).“ Thoraks Argumentation Schneider-Manns Au gegenüber aufnehmend und dabei in höchstem Maße und mehrfach geschichtsklitternd führte der Autor weiter aus: „Das Paracelsus-Standbild sowie die Plastik Fischer von Erlach schenkte der Meister aus Freude über seine Rückkehr in seine alte Heimat der Stadt Salzburg, deren Dank ihm gewiß ist und der auch in Form der hier dem Künstler ermöglichten großzügigen Ausstellung zum Ausdruck gekommen ist. Besser als Worte es vermögen, sprechen die Werke des Meisters selbst, die keiner der zeitgebundenen Kunsttheorien oder politischen Ideologien entfließen, sondern dem reichen, in der Tiefe wurzelnden Gemüt der bedeutenden Künstlerseele.“ Bis Ende August wurden bereits mehr als 15.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. „Diese erfreuliche Tatsache beweist, wie sehr diese Ausstellung sowohl beim internationalen Fremdenpublikum als auch bei der einheimischen Bevölkerung Anklang gefunden hat“, so Partick. Der Bildhauer, das Kulturamt und die Künstlervereinigung entschieden sich schließlich dazu, Kriegsversehrten und Fürsorgeberechtigten freien Eintritt zu gewähren, insgesamt sahen so rund 22.000 Menschen die Werke Thoraks im Zwerglgarten. Zwei von einer Meraner Firma versprochene Blöcke italienischen Marmors für die Ausfertigung des „Fischer von Erlach“ waren im Artikel angekündigt, weitere Hinweise dazu finden sich allerdings nicht. Die umfangreiche Personale für Thorak, die ihm das offizielle Salzburg widmete, und die zeitgleich stattfindende Ausstellung von Werken des von den Nationalsozialisten verfemten Fritz Wotruba in der Galerie Welz und in der Residenz veranlasste Salzburger Journalisten zu Artikel, in denen Thorak über die Maßen gelobt und Wotruba verunglimpft wurde. Für den „Paracelsus“ standen nach dem Tod Josef Thoraks mehrere Aufstellungsorte zur Diskussion. Der Stadtverein schlug die Platzierung an der Ecke Kaigasse – Nonnbergstiege oder an der Franziskanermauer, wo sich heute das Wandrelief für Franz Rehrl befindet, vor. Auch die Aufstellung im Zwerglgarten, auf der Grünfläche am rechten Brückenkopf der Staatsbrücke neben dem Bankhaus Spängler oder beim Leopoldskroner Weiher anstelle der dortigen Johannes-Nepomuk-Statue wurde ventiliert. Dem Wunsch der Paracelsus-Gesellschaft gemäß verblieb die Statue des Arztes schließlich im Kurgarten, wobei zunächst die Platzierung an jener Stelle angedacht war, an der sich bis 1937 das Kosmorama von Johann Michael Sattler befunden hatte. Von 1956 bis 1967 stand der „Paracelsus“ vor dem Haupteingang zum alten, 2017 abgerissenen Paracelsusbad an der Auerspergstraße, ehe sie zurück in den Kurgarten versetzt wurde, wo sie sich noch heute befindet. Im Unterschied dazu blieb Thoraks „Kopernikus“ mehr oder weniger unverrückt dort stehen, wo die Plastik im Rahmen der Ausstellung 1950 aufgestellt worden war. Dass auch sie in der NS-Zeit entstand und eine vergleichbare politische Aussage wie „Paracelsus“ beinhaltet, nämlich die ideologische Vereinnahmung des berühmten Astronomen, blieb ungesagt. Kopernikus stand in der NS-Propaganda symbolisch für die Rückkehr der polnischen Teile Preußens ins Deutsche Reich. Der Wissenschafter wurde 1473 in Thorn geboren, der heute polnischen Stadt Toruń, die zweieinhalb Jahrhunderte zuvor vom Deutschen Orden gegründet worden war. Bis ins 20. Jahrhundert wechselte die staatliche Zugehörigkeit der Stadt mehrfach, ehe das gesamte Gebiet im Vertrag von Versailles schließlich 1920 Polen zugeschlagen wurde. Nach der Eroberung Polens 1939 wurde im Sinne der NS-Ideologie Toruń und damit auch Kopernikus, dessen 470. Geburtstag und 400. Todestag 1943 gefeiert wurde, wieder „deutsch“. Vor diesen historischen Entstehungsbedingungen führte der unkommentierte Verbleib der Statuen„Paracelsus“ und „Kopernikus“ im öffentlichen Raum der Stadt Salzburg immer wieder zu heftigen Debatten und künstlerischen Aktionen.

Praktisch zeitgleich mit der Eröffnung der Ausstellung im Juli 1950 schien Josef Thorak die Zeit günstig, Schritte bezüglich der Klärung der Frage seiner Staatsbürgerschaft zu setzen, wobei die Anbahnung der Gespräche nicht dokumentiert ist. Regierungsrat Dr. Kwisda von der Salzburger Landesregierung wurde am 20. Juli aus dem Büro von Landeshauptmann Dr. Josef Klaus informiert, dass „Sie in der nächsten Zeit Herr Thorak in [Angelegenheit] seiner Staatsbürgerschaft besuchen“ wird. „Ich ersuche, den Fall wohlwollend zu klären ohne Rücksicht auf die bisherige berufliche Tätigkeit. Wenn es sich ergeben sollte, dass Thorak tatsächlich bis zu seinem 6. Lebensjahr oder gar noch bis in seine Hochschuljahre als Österreicher gegolten hatte, müsste dieser Umstand für die Behandlung seines Gesuches von ausschlaggebender Bedeutung sein.“ Die Angelegenheit lief jedoch nicht reibungslos ab, wie der Rechtsanwalt von Josef Thorak, Dr. Reinhold Möbius, in einem vielsagenden Schreiben an seinen Duz-Freund Josef Klaus vom November 1950 erläuterte. „Ich wäre Dir angesichts der Verdienste des Professor Josef Thorak im besonderen (sic) um die Stadt Salzburg und im Hinblick auf die Bedrängnis, in die Professor Thorak durch die Ungeklärtheit seiner Staatsbürgerschaft geraten ist, sehr verbunden, wenn auf diesem einfachen Wege der Staatsbürgerschaftsausweis möglichst umgehend ausgestellt werden könnte. Der Vollständigkeit halber möchte ich bemerken, dass ein Gesuch um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, weil Prof. Josef Thorak im Sinne des Gesetzes einen zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt nicht nachweisen kann, im Innenministerium wahrscheinlich auf unüberwindliche Schwierigkeiten stossen (sic) würde, da Professor Thorak in künstlerischer Beziehung sehr viele Feinde in Wien hat.“ Zu guter Letzt bedankte sich Möbius bei Klaus „für Deine bisherige wohlwollende Unterstützung dieses Ansuchens“. Der Salzburger Landeshauptmann wandte sich eine Woche später direkt an Thorak und erläuterte, dass sein Fall zunächst „an den Magistrat der Stadt als politische Behörde erster Instanz“ zur Klärung offener Fragen abgegeben wurde. „Nach Wiedervorlage des ergänzten Aktes an das hiesige Amt wird die Angelegenheit einer eingehenden und, wie ich Sie versichern kann, tunlichst wohlwollenden Prüfung unterzogen werden. (…) Jedenfalls werde ich der Angelegenheit mein besonderes Augenmerk zuwenden [handschriftlich ergänzt:] und mich nachdrücklich dafür einsetzten, daß Ihnen die österr. Staatsbürgerschaft im Verleihungswege zuteil wird, wenn die Anerkennung nicht möglich sein sollte.“ Fünf Wochen später bedankte sich Thorak bei Klaus für sein Schreiben und erklärte, „dass ich alles unternommen habe, was mir möglich war, um den Nachweis meiner früheren Staatsangehörigkeit beizubringen. Leider musste ich konstatieren, dass ich viele wertvolle Dokumente und Papiere bei der Plünderung des Staatsateliers Baldham bei München eingebüsst (sic) habe. Es wird mir deshalb, sehr geehrter Herr Landeshauptmann[,] nichts anderes übrig bleiben als Ihrem Vorschlag nachzukommen und die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu betreiben.“ Seinen Brief schließt Thorak mit der durchaus forschen Bitte, „mir dabei behilflich zu sein, dass die Angelegenheit schnellstens erledigt wird“. Der Vorgang fand im Frühjahr 1951 ein für Thorak glückliches Ende. „Es freut mich Ihnen mitteilen zu können, daß Ihre Staatsbürgerschaftsangelegenheit nunmehr sowohl in Wien als auch in Salzburg eine aufrechte Erledigung gefunden hat“, so der Entwurf eines Schreibens des Landeshauptmannes an den Bildhauer, in dem auch die Zustellung der Staatsbürgerschaftsurkunde avisiert wurde. Wenige Tage später war Thorak offiziell Österreicher.

 

Gruft auf dem Friedhof von St. Peter

Nicht so unkompliziert lösen ließ sich eine weitere Salzburger Angelegenheit. Die Gruft am Friedhof von St. Peter beschäftigte Josef Thorak bis zu seinem Tod. Nach Ende der NS-Herrschaft meldeten sich bei der Stiftsverwaltung von St. Peter Nachfahren der Familie Plohberger, die sich entsprechend der testamentarischen Bestimmungen als die rechtmäßigen Besitzer der Gruft XII bezeichneten. Einer von ihnen, Ing. Otto Schueller aus Villach, zeigte als Sprecher der Erbengemeinschaft Bereitschaft, die Grabstätte, für die Thorak 1943 bereits 2.000,- RM bezahlt hatte, an den Bildhauer zu verkaufen. Schueller nahm brieflich mit Thorak Kontakt auf, der sich wiederum umgehend und mit Verwunderung im Herbst 1946 an die Erzabtei wandte: „Da mir die Gruft auf 30 Jahre zur Nutzung übergeben wurde mit der Bedingung, dass ich selbst auch dort meine Ruhe finden soll und ich auch die Bezahlung für die Überlassung besorgt habe, wirkt es befremdend auf mich, dass Herr Schueller mit einem Kaufangebot an mich herantritt.“ Kurz darauf verstarb Otto Schueller. Ein bis dahin in St. Peter unbekannter Bruder des Verstorbenen, Dr. Heinrich Schueller, Rat am Verwaltungsgerichtshof a. D. in Wien, setzte sich mit dem Kämmerer der Erzabtei, Pater Wolfgang Schmidhuber, in Verbindung und erklärte wie sein verstorbener Bruder bereit zu sein, die Gruft an Josef Thorak abzugeben. Er werde die Angelegenheit seinem Sohn, Dr. Albert Schueller, Rechtsanwalt in Wien, übertragen. Was folgte, kann als Lehrbeispiel für die Eskalationsspirale in einer juristischen Auseinandersetzung dienen, in deren Mittelpunkt die Fragen des rechtmäßigen Erwerbs und der Vererbbarkeit einer Gruft auf dem Friedhof von St. Peter sowie des Verlustes der Besitzansprüche in Folge (vermeintlich) unterlassener Pflege der Grabstätte standen. In mehreren Schreiben, die dem Akt einliegen, versteiften sich die beteiligten Parteien auf ihren jeweiligen Standpunkt, die Fronten verhärteten sich. Schließlich rückte aber doch eine Lösung in greifbare Nähe: Nachdem der Vertreter der Erbengemeinschaft 9.000,- S gefordert hatte, ließ Thorak über seinen Salzburger Rechtsanwalt, Dr. Valentin Gelber, St. Peter und Rechtsanwalt Schueller mitteilen, dass er bereit sei, 4.000,- S als Kaufsumme der Gruft XII zu bezahlen. Noch bevor Thorak und Schueller, der dieses Angebot stellvertretend akzeptiert hatte, einen entsprechenden Vertrag abschließen konnten, teilte jedoch Kämmerer Schmidhuber dem Bildhauer mit, dass dies eine überzogene Forderung sei und er eine Summe von 1.000,- S für angemessen halte, womit Schmidhuber bei Schueller großes Missfallen auslöste. Thorak war nun nicht mehr bereit, die vereinbarten 4.000,- S zu zahlen und trat Ende 1949 endgültig von seiner Absicht, die Gruft XII zu erwerben, zurück. Der Kontakt mit dem Stift blieb jedoch bestehen, nicht zuletzt, weil Mathilde Thorak noch immer in der Kommunegruft bestattet war und sich Josef Thorak als rechtmäßiger Besitzer einer Gruft auf dem Petersfriedhof sah. Bei einem Besuch des Bildhauers in St. Peter im Juni 1951 wurde ihm vom weltlichen Mitarbeiter der Stiftskämmerei, Rentmeister Andreas Lindenthaler, mitgeteilt, dass das Stift „entgegenkommender Weise eventuell bereit“ sei, ihm „die Gruft Nr. XXV (ehemals Kleinmayrische Gruft)“ zu überlassen, „damit Sie doch endlich zu einer Gruft kommen und Ihre Frau Mutter, die noch immer in der Kommunegruft ist, in der eigenen Gruft beisetzen können“. Bedingung dafür waren die Bezahlung der „derzeit geltenden Ankaufs- und Benützungsgebühren“ und der Verzicht „auf Ihre eventuellen oder vermeintlichen, wie immer gearteten Rechte und Ansprüche auf die Plohbergerische Gruft ohne dafür irgend welche Entschädigungs- oder Rückerstattungsansprüche geltend zu machen“. Nachdem daraufhin keine Reaktion mehr von Thorak kam, hielt Pater Schmidhuber diese mündlich getroffene Abmachung Anfang Februar 1952 in einem Schreiben an Thorak fest und bat ihn um eine Rückmeldung bis 20. des Monats. „Sollte bis dahin Ihrerseits keine Antwort erfolgen, so nehmen wir an, dass Sie kein Interesse haben die Angelegenheit in der obigen Weise zu ordnen.“ Die Sekretärin Thoraks antwortete umgehend, dass der Bildhauer sich „zur Zeit wegen Krankheit im Sanatorium befindet“ und sie selbst nicht Stellung in dieser Frage nehmen könne. Sie werde aber nach Thoraks Genesung wieder mit St. Peter Kontakt aufnehmen. Das nächste dem Akt einliegende Blatt ist die Parte von Josef Thorak, der am 25. Februar 1952 in Schloss Hartmannsberg verstarb. Da Thorak vom Erwerb der Gruft XII von den plohbergerschen Erben zurückgetreten war und der avisierte Erwerb der Gruft XXV zu seinen Lebzeiten nicht mehr erfolgt war, befand sich offiziell keine Grabstätte im Besitz der Familie Thorak. Der verstorbene Bildhauer wurde kurzerhand wie seine Mutter in der Kommunegruft beigesetzt. „Namens der Stadt Salzburg richtete Bürgermeister Pacher an die Witwe des Künstlers ein in herzlichen Worten gehaltenes Beileidsschreiben. Auch Bürgermeister-Stellv. Schneider-Manns Au sprach der Witwe seine tiefempfundene Anteilnahme aus“, wusste das Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg zu berichten. Sein Schaffen in der NS-Zeit wurde in diesem Nachruf enthistorisiert. „Ab 1918 war Thorak als selbständiger Bildhauer tätig. Berühmt wurde der Künstler durch seine Monumental-Plastiken, die er für die Türkei, insbesondere aber für Deutschland schuf.“ Die Internationale Paracelsus-Gesellschaft, deren Mitglied der Künstler war, legte einen Kranz am Grab des Verstorbenen nieder und hielt in ihrem Paracelsusbrief fest, dass sie „dem Meister Joseph (sic) Thorak stets ein treues Andenken bewahren“ werde. Unmittelbar nach Thoraks Tod und noch vor seiner Bestattung ließ sich Dr. Oskar Hirt, Abteilungsvorstand im Kulturamt der Stadtgemeinde Salzburg, von St. Peter über den Stand „in Sache ‚Gruft – Prof. Thorak‘“ informieren. Die Friedhofsverwaltung antwortete umgehend, indem sie ihm die beiden oben genannten Bedingungen für den Erwerb der Gruft XXV, die mit Thorak im Juni 1951 vereinbart worden waren, zur Kenntnis brachte. Am 28. Februar schlossen die Witwe Erna Thorak, die von Vizebürgermeister Karl Schneider-Manns Au (VdU) begleitet wurde, und Pater Wolfgang Schmidhuber für das Stift St. Peter eine Vereinbarung, die u. a. festhielt: Die Witwe und Schneider-Manns Au haben „vorgesprochen und ersucht, dass die seit Jahren schwebende Angelegenheit betreffend der Gruft des verstorbenen Prof. Thorak im St. Peterfriedhof bereinigt und so seine Beisetzung im St. Peterfriedhof, dem Wunsche des Verstorbenen gemäss (sic), ermöglicht werde“. Erna Thorak verzichtete auf jegliche Ansprüche auf die Gruft XII und willigte ein, die Ankaufsgebühr von 6.000,- S ebenso wie die jährliche Nutzungsgebühr von 200,- S für Gruft XXV ab 1952 zu bezahlen. Am darauffolgenden Tag fand um 10.00 Uhr in der Kirche von St. Peter für den Verstorbenen die Seelenmesse mit Orgelspiel statt, die Einsegnung erfolgte im Anschluss. Exakt acht Monate später, am 29. Oktober 1952, wurden die Leichname von Mathilde und Josef Thorak in die Gruft XXV überführt. Dort liegen Mutter und Sohn unter der von Josef Thorak geschaffenen Marmorplastik „Pietà“begraben. Die noch heute auf der linken Seitenwand der Gruft angebrachte Tafel für Mathilde Thorak nennt als Todesjahr fälschlicherweise das Jahr 1948. Ob dieses Datum bewusst unrichtig eingraviert wurde, um „den frühen Erwerb der Anlage zu vertuschen“, bleibt fraglich. Erna Thorak war zumindest bis 1982 Inhaberin der Gruft, die bis heute von den Nachkommen der Familie erhalten wird. Die entsprechende Karteikarte, Akt 3446/1, unterliegt dem Datenschutz.

 

Straßenbenennung

In einer Besprechung im Kulturamt des Magistrats der Stadt Salzburg im September 1958 wurde über die Benennung einer Straße „in Aigen beim Reitgutweg“ debattiert und der Name Thorak neben Johann Piger genannt. „Ein weiterer Vorschlag bezieht sich auf die Benennung nach dem Bildhauer Josef Thorak (in Salzburg geboren), von dem u. a. die Plastiken ‚Kopernikus‘ und ‚Paracelsus‘ (diese ein Geschenk an die Stadt) in Salzburg aufgestellt sind.“ In der Gemeinderatssitzung fiel schließlich die Wahl auf Piger, Gründe für diese Entscheidung sind nicht dokumentiert. Rund ein Jahr später ging folgender Brief in der Kulturabteilung der Stadt ein, verfasst von der Oberlehrerin Justine Seiser: „Vor einigen Wochen war ich im Café Tomaselli mit mehreren Nordländern in Gesellschaft und wurde gefragt, wo die Torakstraße (sic) ist? Meine Verlegenheit, diese nicht zu wissen, wurde mir übel vermerkt. Ich schämte mich aber für die Kultur Vereinigung von Salzburg zu gestehen, daß es diese vielleicht überhaupt noch nicht gibt. Nachdem man doch noch zu Lebzeiten oft weniger wertvollen Menschen Platz- und Straßennamen gab, wäre es höchst an der Zeit, unseren großen Thorak mit einer Straßen- oder Platzbenennung zu ehren.“ Frau Seiser, über die keine weiteren biografischen Angaben gemacht werden können, schloss ihr Schreiben mit der „Erwartung, daß meinen Zeilen Erfolg verheißen ist“. Damit nicht genug, wurde sie, wie ein Aktenvermerk auf der Rückseite ihres Briefes festhielt, am 5. August im Amt vorstellig. Dort wurde ihr „mitgeteilt, daß im Zusammenhang mit Strassen-Neubenennungen den zuständigen g.r. [gemeinderätlichen; Anm. d. Verf.] Organen im Vorjahr bereits einmal der Vorschlag unterbreitet wurde, in Salzburg, und zwar im Benennungsgebiet ‚Bildhauer‘ einen Strassenzug nach Thorak zu benennen. Der Entscheid lautete damals jedoch zu Gunsten des Alternativvorschlages Johann Piger.“ Darüber hinaus wurde der Petentin „erklärt, daß eine willkürliche Benennung in einem beliebigen Stadtgebiet oder die Umbenennung einer bestehenden Strasse in Thorakstrasse aus grundsätzlichen Erwägungen und wegen zu erwartender Beispielsfolgerungen nicht erfolgen kann. Der Vorschlag bleibt in Evidenz, bis sich eine geeignete Gelegenheit zur Realisierung bietet.“ Die Benennung einer Straße nach Josef Thorak blieb weiterhin auf der Agenda, so etwa in der Sitzung des Stadtratskollegiums vom 27. April 1961, in der Bürgermeister-Stellvertreter Sepp Weilhartner (FPÖ) „die Torak-Straße (sic) urgiert“. Nachdem Anfang 1963 der zuständige Gemeinderat Hermann Ingram (FPÖ) dem Kulturausschuss eine Reihe an Straßenneubenennungen vorgelegt hatte und diese akkordiert worden waren, beschloss der Stadtsenat in seiner Sitzung vom 21. Jänner einstimmig den Antrag an den Gemeinderat weiterzuleiten. Dieser segnete in seiner zweiten Sitzung des Jahres 1963 am 18. Februar einstimmig (14 SPÖ, 13 ÖVP, 9 FPÖ, 1 KPÖ; drei Stimmberechtigte waren entschuldigt) die Benennung von 22 Straßenzügen ab, darunter die „Josef-Thorak-Straße“. Das Amtsblatt skizzierte Thoraks Biografie folgendermaßen: „Bildhauer Thorak (1889 bis 1952), ein gebürtiger Salzburger, lebte lange Zeit in Deutschland, wo ihn die Berliner Akademie 1928 mit einem Staatspreis auszeichnete. Von ihm stammen z. B. die Großplastiken ‚Kopernikus‘ und ‚Paracelsus‘ in Salzburg.“ Nachdem in der dritten und vierten Auflage von Franz Martins Standardwerk „Salzburgs Straßen“ (1977) und „Salzburger Straßennamen“ (1995), das nach dem Tod des Verfassers 1950 von seiner Tochter Willa Leitner-Martin und dem Enkel Andreas Martin fortgeschrieben wurde, der Text aus dem Amtsblatt mehr oder weniger wortident übernommen worden war und so jegliche Erwähnung von Josef Thoraks enger Beziehung zum Nationalsozialismus bzw. dessen höchsten Repräsentanten fehlte, wurde in der Ausgabe aus dem Jahr 2006 folgender Satz hinzugefügt: „Zur Zeit der NS-Herrschaft macht er sich als Monumentalbildhauer einen Namen.“