Dr. med. Christian Varnschein

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Christian Varnschein, um 1928

Mediziner, Leiter der Salzburger Rettungsgesellschaft

* 18. Dezember 1867 in Salzburg

† 20. April 1944 in Salzburg

Straßenbenennung: Dr.-Varnschein-Gasse, beschlossen 1937

Lage: Äußerer Stein; Verbindungsstück vom Giselakai zur Imbergstraße.

 

Der praktische Arzt Obermedizinalrat Dr. Christian Varnschein wurde am 18. Dezember 1867 als Sohn des gewesenen Kürschnermeisters Ignaz Varnschein und seiner Gattin Maria geboren. Über den Betrieb des Vaters war 1862 der Konkurs eröffnet worden, er war in der Folge Bademeister des städtischen Kurhauses in Salzburg. Varnschein wuchs in „kleinsten Verhältnissen“ in einer kinderreichen Familie auf. Er absolvierte das Akademische Gymnasium in Salzburg und studierte anschließend an der Universität Wien Medizin. Varnschein wurde am 28. Februar 1896 zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert.

Ab 1. Oktober 1896 ordinierte Christian Varnschein als angestellter Kassenarzt der Arbeiter-Kranken- u. Unterstützungs-Kasse in der Kaigasse 4. Zudem arbeitete er als Gemeindearzt der damals selbstständigen Gemeinde Morzg.

Christian Varnschein wurde auch in der Berufsvertretung tätig und wirkte um die Jahrhundertwende als Schriftführer im „Aerztlichen Verein im Herzogthume Salzburg“. Der Arzt engagierte sich in der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr und wurde 1901 zum Corpsarzt bestellt. Als „Vereinsarzt“ war er Ehrenmitglied im Fürst Karl Auersperg I. Militär-Veteranen und Kriegerverein.

Aus der Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr ging 1909 die Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr hervor, bei ihrer Konstituierung wurde Varnschein erneut Corpsarzt. Die Rettung war nun zwar noch im Rahmen der Feuerwehr organisiert, hatte jedoch eine eigenständige Verwaltung. Varnschein wurde somit zum Mitbegründer der später selbstständigen „Salzburger Freiwilligen Rettungsgesellschaft“.

Im Ersten Weltkrieg war Varnschein k. u. k. Sanitätsoffizier. 1915 erhielt er das „Ehrenzeichen zweiter Klasse vom Roten Kreuze mit der Kriegsdekoration“ für „sein verdienstvolles Wirken“ beim „Abtransporte der hier einlangenden Verwundeten“ mit der Rettungsabteilung. Im Jahr 1918 wurde er zum Medizinalrat ernannt.

Am 15. Februar 1920 heiratete Christian Varnschein Franziska Pischinger, im Juli desselben Jahres wurden die beiden Eltern einer Tochter.

Varnschein widmete sich Jahrzehnte lang dem Aufbau und der Organisation des Rettungswesens. Bei der Gründung des Österreichischen Reichsverbandes für Feuerwehr- und Rettungswesen im Jahr 1920 wurde Varnschein zum zweiten Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt, legte dieses Amt allerdings 1923 nieder, „da er sein Ziel, die Gleichberechtigung des Rettungswesens im Verband, nicht verwirklichen konnte“. 1924 bis 1935 wirkte er als Obmann der Abteilung für Rettungswesen des Salzburger Landesverbandes für Feuerwehr- und Rettungswesen und von 1928 bis 1938 als 1. Vizepräsident des Österreichischen Zentralverbandes für Rettungswesen.

1924 wurde Christian Varnschein der Titel Obermedizinalrat verliehen, im Jahr darauf erhielt er das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Im Jahr 1926 erfolgte die Trennung von Rettungsgesellschaft und Feuerwehr und bald darauf konnte Varnschein den Bau des Rettungsheimes in der Paris-Lodron-Straße realisieren, was ihm zeitgenössisch als größte Errungenschaft angerechnet wurde. Nur ein Jahr nach der Grundsteinlegung wurde der Neubau des Rettungsheimes am 27. Mai 1928 feierlich eröffnet. Bei dieser Gelegenheit wurde Varnschein das Diplom für die Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt Salzburg verliehen, mit der ihn der Gemeinderat zuvor einstimmig ausgezeichnet hatte. Er erhielt diese Würde „in Anerkennung hervorragender und führender Verdienste um die Ausgestaltung des Rettungswesens der Stadt und in dankbarer Würdigung menschenfreundlichen Wirkens auf diesem Gebiete“. 1928 erhielt Varnschein auch das „Offiziersehrenzeichen vom Roten Kreuze“.

Im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten des Rettungsheimes wurde in Salzburg eine Samaritertagung abgehalten, bei der der Chefarzt der freiwilligen Rettungsgesellschaft Salzburg Christian Varnschein die Schaffung eines Zentralverbandes für Rettungswesen anregte, die organisatorischen Vorarbeiten für den Zusammenschluss der verschiedenen Körperschaften begannen noch im selben Jahr.

Im Rettungsheim fanden öffentlich zugängliche Vorträge und Kurse statt, etwa zur Leistung von Erster Hilfe und für Krankenpflege. Auch ein Rettungs-Museum wurde dem Rettungsheim in den folgenden Jahren angegliedert, es war das erste seiner Art in Europa. Varnscheins Idee, ein Gesundheitsamt mit schulhygienischem Institut und Mutterberatungsstelle zu errichten, blieb allerdings eine Vision.

Zum 25-jährigen Bestehen der Rettungsgesellschaft im Jahr 1934 würdigte Reinhold Glaser im „Salzburger Volksblatt“ den Obermedizinalrat: „Dr. Varnschein, der verdienstvolle Schöpfer und unermüdliche Führer der Salzburger Freiwilligen Rettungsgesellschaft hat ein Lebenswerk geschaffen, das an Größe und Edelmut nicht so leicht seinesgleichen finden dürfte.“

 

NS-Zeit

Nach dem „Anschluß“ gliederten die Nationalsozialisten die Rettungsgesellschaft in das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ein. Dies wurde am 6. November 1938 im Rahmen einer Festversammlung im Großen Saal des Mozarteums vollzogen. Christian Varnschein, der noch Anfang März 1938 als Chefarzt der Freiwilligen Rettungsgesellschaft bestätigt worden war, hielt einen Vortrag, in dem er ausführte, die Arbeit der „Rettungsmänner für die Volksgemeinschaft“ dürfe „wohl als wahrer Nationalsozialismus der Tat angesehen werden“. Die Eingliederung unter dem Dach des DRK begrüßte Varnschein, eine zentrale Vereinigung der verschiedenen Rettungsgesellschaften hatte er schon lange angestrebt. „Nun kam noch die große Befreiung des ganzen durch den Führer. Mein letzter Wunsch in meinem Lebenswerke, das ganze in einem starken Körper zu sehen, geht in Erfüllung. Ich bin überglücklich, daß ich dies noch habe erleben dürfen.“ Anschließend übergab Varnschein, der an diesem Tag den Dienstgrad DRK-Oberstführer erhielt, an Kreisführer Dr. Adolf Samitz den Beschluss der Selbstauflösung der Rettungsgesellschaft.

Christian Varnschein leistete in der Folge in der DRK-Kreisstelle Salzburg Schulungsarbeit und war bis 1940 DRK-Kreisführer-Stellvertreter. Im Jahr 1940 wurde er von Gauleiter Dr. Friedrich Rainer mit der „Medaille für Deutsche Volkspflege“ ausgezeichnet. Diese hatte Adolf Hitler am 1. Mai 1939 u. a. für Verdienste auf dem Gebiet des Rettungswesens gestiftet und ersetzte das Ehrenzeichen des DRK.

Wie eine Karteikarte der Reichsärztekammer belegt, wurde Christian Varnschein vom Amt für Volksgesundheit am 27. Mai 1939 als Arzt zugelassen (er wird dabei als „kathol[isch]“ und „deutschblütig“ ausgewiesen). Er war zu diesem Zeitpunkt weder Mitglied der NSDAP, einer ihrer Gliederungen noch des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes. Seit 10. Juni 1940 wurde er beim Ärztlichen Bezirksverband als Anwärter des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes geführt. Zudem wurde er als Sanitätsoffizier der Reserve und Assistenzarzt-Stellvertreter ausgewiesen.

Im Zuge der Lockerung der Mitgliedersperre der NSDAP suchte Varnschein bei der Ortsgruppe Äußerer Stein/Parsch – er besaß das Haus Imbergstraße 20 – um Aufnahme in die Partei an. Das genaue Datum seines Ansuchens ist nicht bekannt, da sein NSDAP-Personalfragebogen nicht erhalten ist. Das Kreisgericht Salzburg befasste sich jedenfalls unter Vorsitz von Max Moser in einer Sitzung am 12. Dezember 1941 mit Varnscheins Aufnahmeantrag und fasste den Beschluss, „die Aufnahme des Vg. [Volksgenossen, Anm. d. Verf.] Dr. Varnschein in die NSDAP“ zu beantragen. In der Begründung wurde ausgeführt: „Besondere Verdienste für die NSDAP liegen zwar nicht vor. Er hat sich aber bereits jahrzehntelang um die Aufstellung und Ausgestaltung des Deutschen Roten Kreuzes ausserordentlich bemüht und diese Einrichtung nach dem Umbruch in einem in der Öffentlichkeit bereits anerkannten und gewürdigten Zustand übergeben. Dr. Varnschein ist Ehrenbürger der Stadt Salzburg und wurde ihm das Ehrenzeichen I. u. II. Klasse vom Roten Kreuz sowie die Medaille für Volkspflege verliehen. Politisch trat Dr. Varnschein wenig in Erscheinung und war innerlich den nationalen Parteien zuzuschreiben. – Das Kreisgericht beantragt mit Rücksicht auf die grossen Verdienste auf dem Gebiete des Volkswohles die Aufnahme in die NSDAP.“

Der Beschluss wurde dem Reichsschatzmeister übermittelt, handschriftlich ist darauf die Mitgliedsnummer „8.766.566“ vermerkt. Weitere Unterlagen, insbesondere über ein Inkrafttreten des Beitritts, liegen nicht vor. Es ist daher nicht gesichert, ob Varnschein tatsächlich Mitglied der NSDAP wurde. In ähnlich gelagerten Fällen erging im Regelfall eine Mitteilung des Reichsschatzmeisters aus München an die jeweilige Ortsgruppe, dass die Person in die NSDAP aufgenommen und in der Zentralkartei verzeichnet wurde und daher in die Gaukartei einzutragen sei. Ein derartiges Schriftstück liegt für Christian Varnschein nicht vor.

Christian Varnschein verstarb am 20. April 1944 in Salzburg, seine Beisetzung fand auf eigenen Wunsch in aller Stille in der Familiengruft am Kommunalfriedhof statt.

Der pensionierte Stadtarzt Dr. Theodor Gmachl würdigte Varnschein in einem Nachruf. Er sei der „geistige und materielle Schöpfer des gesamten Rettungswesens im Lande Salzburg“. Im Verständnis der damaligen Zeit betonte er, Dr. Varnschein sei „ein Mann der Tat, der helfenden Tat geworden, ein wahrer und bewußter Sozialist, er hat die Not erlebt und er hat sie zu meistern gesucht.“ Der Nachruf ist noch von weiteren, dem NS-Sprachgebrauch entsprechenden Phrasen durchzogen. Varnschein habe die Errichtung des Rettungsheimes „mit fanatischem Willen und unbeugsamer Energie“ verfolgt, er sei „bis zu seinem letzten Atemzug“ von einer „nicht versiegenden Leidenschaft durchglüht“ gewesen. Für Gmachl war Varnschein „ein mutiger, ein aufrechter und ein stolzer Kämpfer“, der seine „Pflichten voll erfüllte“. Weder Zeitungsberichte, Nachrufe noch die Parte der Familie weisen ihn als „Parteigenossen“ aus.

Das von Christian Varnschein errichtete Rettungsmuseum an der Paris-Lodron-Straße wurde beim Bombenangriff am 11. November 1944 zerstört.

Eine für den „Schöpfer des Salzburger Rettungswesens“ im Rettungsheim gestiftete Gedenktafel befindet sich heute im 1979 wieder eröffneten Rot-Kreuz-Museum in der Sterneckstraße 32.

 

Straßenbenennung

Anlässlich seines 70. Geburtstages fand eine große öffentliche Ehrung für Christian Varnschein im Sternbräu statt, zu der die Salzburger Rettungsgesellschaft lud. „Für die Stadtgemeinde entbot Bürgermeister Ing. Hildmann in herzlichster Weise die Glückwünsche an Dr. Varnschein und teilte mit, die Verbindungsstraße vom Giselakai zur Imbergstraße habe mit sofortiger Wirksamkeit und für immerwährende Zeiten den Namen ‚Dr.-Varnschein-Straße‘ erhalten“, so die „Salzburger Chronik“ in ihrem Bericht. In seiner Dankansprache sagte Varnschein, es habe ihn „stets nur die Liebe zu Volk, Heimat und Vaterland geleitet“. Ein offizieller Beschluss der Benennung in einer Sitzung des Gemeindetages ist nicht überliefert, ebenso finden sich keine Hinweise, warum bzw. wann aus der „Straße“ eine „Gasse“ wurde.