Dr. Eugen Müller

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Gymnasiallehrer, Leiter des Deutschen Schulvereinsorchesters

* 22. Jänner 1880 in Feldkirch (Vorarlberg)

† 14. Oktober 1939 in Salzburg

Straßenbenennung: Eugen-Müller-Straße, beschlossen am 1. Dezember 1975

Lage: Liefering; kurz vor dem Zollamt Saalbrücke von der Münchner Bundesstraße nach Nordosten abzweigend.

 

Eugen Hugo Müller wurde am 22. Jänner 1880 als Sohn von Gymnasialprofessor Josef Müller und Theresia Müller, geb. Schandl, in Feldkirch in Vorarlberg geboren. Er hatte drei Brüder, die Lehrer Alois und Guntram sowie Hofrat Dr. Josef Müller, der Leiter der Salzburger Staatspolizei wurde. Eugen Müller trat 1919 aus der katholischen Kirche aus und in die evangelische ein, am 9. September desselben Jahres heiratete er Maria Theresia Unterberger, geborene Zerkowitz. 1938 bescheinigte die Reichsstelle für Sippenforschung Wien, dass sie die illegitime Tochter von Erzherzog Ludwig Viktor war. Getraut wurden Eugen Müller und Maria Unterberger in der evangelischen Pfarrkirche Salzburg von Dr. Fußgänger, die beiden Trauzeugen waren der Buchhändler Otto Spinnhirn und der Möbelhändler Albert Reitter, gleichnamiger Vater des späteren NS-Landesstatthalters. Das Ehepaar Müller hatte eine Tochter, die als Kind verstarb, und zwei Söhne, Josef und Leopold Müller, Anthroposoph und Begründer der Wissenschaft der Geomechanik sowie der „Österreichischen Tunnelbauweise“.

Eugen Müller besuchte von 1890 bis 1898 das Gymnasium und von 1898 bis 1903 die Universität in Wien, absolvierte am 20. Juni 1903 die Lehramtsprüfung für Deutsch (Hauptfach) sowie Griechisch und Latein (Nebenfächer) und begann seine Lehrerlaufbahn mit dem Probejahr am Staatsgymnasium in Wien 13, bevor er 1904 eine Stelle am Staatsgymnasium Salzburg erhielt. Dort war er mit Unterbrechungen bis 1934 und wieder ab 1938 tätig. Im Ersten Weltkrieg meldete sich Müller im Jänner 1915 als Kriegsfreiwilliger, diente beim Salzburger Feldkanonenregiment 41 und als Offizier auf verschiedenen Kriegsschauplätzen in Russland, Flandern und Italien.

 

Leiter des Deutschen Schulvereinsorchesters

Neben seiner Lehrertätigkeit war Eugen Müller ab 1908 Obmann der Ortsgruppe Salzburg des Deutschen Schulvereins und gründete 1913 das Salonorchester des Deutschen Schulvereins, das ab 1919 zu einem vollwertigen Orchester, dem Deutschen Schulvereinsorchester mit ca. 80 Musikern ausgebaut wurde und dessen Dirigent und musikalischer Leiter er bis zu seinem Tode blieb. Das Orchester erfreute sich „im ehrlich völkisch gesinnten Lager uneingeschränkter Hochachtung“, berichtete die „Salzburger Chronik“ 1925. Der Deutsche Schulverein wurde 1925 Teilorganisation des Vereins für das Deutschtum im Ausland, die Mitglieder standen meist der Großdeutschen Volkspartei oder der NSDAP nahe. Entsprechend spielte das Schulvereinsorchester auch bei „29 nationalen Veranstaltungen (…) darunter 1933 bei der Deutschen Weihestunde zum Geburtstag des Führers“ oder bei Veranstaltungen des Vereins für das Deutschtum im Ausland und des Bundes der Reichsdeutschen auf. Im Rückblick wurden die Aufführungen des Orchesters während der „Systemzeit“ als „Sammelpunkt aller aufrechten Salzburger“ bezeichnet. Das Orchester trat oftmals auch gemeinsam mit der Salzburger Liedertafel auf. Müller war zudem als Vortragender aktiv, wobei er nicht nur über Musik sprach, wie etwa bei seiner vielbeachteten Gedenkrede für den Mozarteumsdirektor Joseph Friedrich Hummel, sondern auch zu nationalen und völkischen Themen. So beteiligte er sich am „Salzburger Heimatabend“, veranstaltet durch „heimattreue Salzburger“ im Kursaal am 7. März 1922. Müllers Vortrag über den „sittlichen Zusammenbruch unseres Volkes“ zeigt ihn als deutschnationalen Antisemiten. Der „Volksorganismus“ leide an einer „geistliche[n] und sittliche[n] Epidemie“, an deren Bewältigung sich die Zukunft Deutschlands entscheide. „Die Ursachen unseres sittlichen Zusammenbruches sieht der Referent in der materialistischen, jenseits von gut und böse (sic) stehenden Weltanschauung, die ganz unter dem Einflusse des uns wesensfremden Semitismus stehe, der das ganze Leben gleichsam vom valutarischen Gesichtspunkte aus betrachte. Die germanische Weltanschauung sei staatengründend und erhaltend, die semitische staatenzerstörend. Es habe sich eine wahre Schiebermoral herausgebildet, und tiefer als unsere Krone stehe der sittliche Kurs“, so laut Bericht der „Salzburger Chronik“. In Salzburg sah Müller die Gründung der Spielbank als Ausdruck dieses angenommenen Verfalls und schloss mit einem „Appell zu nationaler und heimatlicher Arbeit“.

Seine Tätigkeit als Lehrer – er erhielt 1929 den Berufstitel Studienrat – und als Orchesterleiter brachte Müller viel Anerkennung in der Stadt Salzburg, ihm wurde anlässlich seines 50. Geburtstages 1930 das Bürgerrecht von Bürgermeister Max Ott verliehen, der die Gründung des Schulvereinsorchesters als „volkstümliche Tat“ hervorhob, „die nicht hoch genug gewertet werden kann, weil dadurch nicht allein dem Bedürfnis breiter Kreise nach Musik nachgekommen wird, sondern auch im Geiste der Tradition Mozarts dem musikalischen Leben in Salzburg ein kraftvoller Impuls gegeben“ worden sei. Außerdem erhielt Müller die Michael Haydn Medaille und Bildhauer Sepp Piffrader schuf 1934 eine Büste Müllers, die in einer Kunstausstellung im Schloss Mirabell gezeigt wurde.

 

„Ständestaat“

Im Herbst 1934 wurde Müller frühzeitig pensioniert und schied aus dem Schuldienst aus, dies sei „ganz in der Stille geschehen“, hieß es im „Salzburger Volksblatt“. Bei einer amtsärztlichen Untersuchung wurde ihm u. a. wegen seiner Zuckerkrankheit dauernde Dienstunfähigkeit attestiert. Nach dem „Anschluß“ führte er jedoch „politische Gründe“ für seine Versetzung in den dauernden Ruhestand an: „Am 20. April 1933, dem 44. Geburtstage des Führers und Reichskanzlers, veranstaltete die N.S.D.A.P. Salzburgs im Festspielhaus unter Mitwirkung nationaler Vereine und Kunstkräfte eine Festakademie (‚Deutsche Weihestunde‘)[,] bei der ich als Dirigent des von mir gegründeten ‚Deutschen Schulvereins-Orchesters‘ mitwirkte. Diese meine Mitwirkung bezeichnete der damalige Schulreferent des Landes Salzburg, Herr Hofrat von Schemel, als eine ‚Schweinerei‘. Doch konnte ich wegen Beteiligung an einer von der Behörde bewilligten Veranstaltung damals nicht gemaßregelt werden.“ Im Frühjahr 1934 konnte Müller krankheitsbedingt seiner Lehrverpflichtung nicht nachkommen, er plante jedoch im Herbst wieder in den Schuldienst zurückzukehren. „Am 29. Juli 1934, dem Begräbnistage des Bundeskanzlers Dollfuß, drang der Heimwehrfunktionär Graf Hako Czernin bewaffnet in meine Wohnung ein, weil an dem von mir bewohnten Hause keine schwarze Fahne angebracht war. Auch hatte ich die Fenster nicht beleuchtet.“ Müller erlitt durch das „brutale Auftreten des Genannten“ einen Nervenzusammenbruch und musste erneut in ärztliche Behandlung, auch weil Czernin und ein weiterer Mann „gegen mich die verleumderische Anzeige erstatteten, ich hätte demonstrativ bei offenem Fenster einen verbotenen Österreich-Vortrag des Münchner Rundfunks angehört“. In seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand sah Eugen Müller „eine nachträgliche Strafmaßnahme für meine mehr als dreißigjährige Tätigkeit in nationalen Vereinen und meinen im Jahre 1919 erfolgten Austritt aus der Katholischen Kirche, in erster Linie aber für meine Mitwirkung bei der eingangs erwähnten Festfeier zu Ehren des Geburtstages unseres Führers.“

 

NS-Zeit

Eugen Müller wurde direkt nach dem „Anschluß“ reaktiviert und erneut am Staatsgymnasium eingesetzt. Der Landesschulrat sprach dem Ministerium in Wien gegenüber von einer „Wiedergutmachung einer ungerecht vollzogenen Versetzung in den dauernden Ruhestand“, wofür Müller auch eine finanzielle „Wiedergutmachung“ in Höhe von RM 5.464,8 zugesprochen wurde. „Dr. Eugen Müller hat am 25. Juli 1934 die angeordnete Fensterbeleuchtung für Dollfuß nicht durchgeführt und an dem Hause, in dem er wohnte[,] keine Beflaggung veranlaßt, da er nicht der Hausbesitzer war. Darauf wurde er am gleichen Abend von einem Heimwehrer, einem ehemaligen Schüler, gröblich insultiert, bei dem damaligen Vorsitzenden des Landesschulrates Dr. Schemel angezeigt, der ihn ohne weitere Untersuchung zur Einreichung seines Pensionsgesuches aufgefordert hat.“ Primararzt Dr. Ludwig Petschacher als sein behandelnder Arzt attestierte Müller Ende April 1938 volle Dienstfähigkeit, der Pädagoge wurde wieder in den Schuldienst aufgenommen. Er konnte „den Dienst mit voller Lehrverpflichtung ausüben und am 8. April vor der versammelten Schülerschaft des Staatsgymnasiums Salzburg einen einstündigen Vortrag zur Volksabstimmung und am 19. April bei einem Festakt des N.S. Kulturamtes im großen Saal des Mozarteums eine mit Begeisterung aufgenommene Festrede halten“. Bei diesem Abend anlässlich des Geburtstages von Adolf Hitler führte Müller laut „Salzburger Volksblatt“ aus, Hitler sei „als schlichter Mann des Volkes vom Schicksal auserwählt (…), zwei Weltanschauungen zu einer neuen Formel zusammenzuschweißen. Hierin liegt der Sieg einer ungeheueren (sic) Idee. In diesem vereinigten Akkord klingt nunmehr auch Österreich, das Land, das dem Deutschtum das Nibelungenlied geschenkt hat, das den ersten Sänger der deutschen Ehre, Walter von der Vogelweide, hervorgebracht hat, das Land der Dichtung, der Musik. Es kehrt nicht als Bettler heim, sondern als verarmter Edelmann. Und es ist das Land, das dem deutschen Volk einen Adolf Hitler geboren hat. Nun ist der Frühling gekommen. Die Jugend sieht die Morgenröte neuer Freiheit, das Alter dankt Gott für das Erlebnis. Die inhaltsreiche Rede schloß mit einem Sieg Heil auf den Führer.“

Eugen Müllers völkische Einstellung zeigte sich auch bei einem Vortrag des Gauamtes für Erzieher. Im Lehrgang für Deutschkunde erläuterte er, Sprache müsse „aus dem tiefsten Wesen eines Volkes heraus verstanden werden“. Im Zusammenhang mit der Beförderung zum Oberstudienrat beschrieb der kommissarische Leiter des Staatsgymnasiums, Karl Schmid, seinen Standeskollegen Müller als „ganz ausgezeichnete[n], pflichtbewußte[n] Lehrer mit hervorragendem Fachwissen und vorzüglichem Lehrgeschick. (…) Dr. Müller ist aber auch als Persönlichkeit von nicht hoch genug einzuschätzendem Werte. Der herragendste (sic) Zug in seinem Wesen ist seine glühende Begeisterung für die nationale Idee und seine heiße Liebe zu unserem deutschen Volk. Diese Begeisterung und Liebe haben seinem mehr als dreißigjährigen Wirken als Lehrer und Erzieher, aber auch seinem Auftreten in der Oeffentlichkeit (sic) als Redner bei völkischen oder künstlerischen Festfeiern oder als Dirigent des von ihm gegründeten Deutschen Schulvereinsorchesters den charakteristischen Stempel aufgedrückt. (…) Dr. Müller ist selbstverständlich Anwärter auf die Mitgliedschaft bei der NSDAP.“ Dreieinhalb Monate nach diesem Schreiben verstarb Eugen Müller am 14. Oktober 1939 in Salzburg. In den Traueranzeigen wurde er als „Pg.“, also als Parteigenosse und damit Mitglied der NSDAP, bezeichnet. Parteiamtliche Unterlagen bezüglich seiner Anwart- bzw. Mitgliedschaft sind nicht überliefert.

In Nachrufen wurde seine Gesinnung besonders hervorgehoben. Das „Salzburger Volksblatt“ würdigte Müller als „[t]reuer Bekenner des Deutschtums, eine aufrechte, unbeugsame Gestalt in der Systemzeit, begeisterter Jugendführer, Musiker und Orchesterleiter“ der „wegen seiner mannhaft deutschen Gesinnung von der Systemregierung“ in den Ruhestand gezwungen worden sei, sowie als „begeisternden Lehrer“, „feurigen Künstler“, und „edlen Kämpfer für bestes deutsches Volkstum“. Für die „Salzburger Landeszeitung“ war er ein „aufrechter Kämpfer für Führer, Volk und Reich, ein mitreißender Lehrer und ein Mann mit künstlerischem Schaffensdrange“.

Nach Eugen Müllers Tod hatte das Schulvereinsorchester, dessen Gründer, Ehrenmitglied und künstlerischer Leiter er gewesen war, mit Mitgliederschwund zu kämpfen, wegen des Krieges musste der Probenbetrieb 1940 eingestellt werden. Im September 1940 wurde es von der Kreis-Propagandaleitung übernommen und als „Kreis-Symphonieorchester der NSDAP Salzburg (vormals Deutsches Schulvereinsorchester)“, geleitet von Pg. Franz Kubatta, weitergeführt, was laut „Salzburger Volksblatt“ „ohne Zweifel der Denkweise und den wiederholt ausgesprochenen Wünschen Müllers“ entsprochen hätte. „Seit seiner Jugendzeit national eingestellt, war er unter den ersten, die sich von der überragenden Kraft des Führers Adolf Hitler angezogen fühlten und schließlich dessen begeisterte Anhänger wurden. (…) Wenn nun das ganze Orchester sich in die NSDAP eingegliedert hat, so liegt dies zweifellos auch in der Gedankenrichtung Müllers. Seine Schöpfung, das Orchester, hat somit das letzte Ziel seines Leiters erreicht.“ Die Wiederbelebung dürfte wenig erfolgreich gewesen sein. Im April 1943 beklagte Gaupropagandaleiter Dr. Heinz Wolff den Stillstand der Musikpflege seit Müllers Tod und rief ehemalige Mitglieder des Orchesters zur Mitwirkung auf.

 

Straßenbenennung

Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Waldemar Steiner (FPÖ) bat im Jänner 1974 seine Parteikollegin Gemeinderätin Ruth Langer, sich der Benennung einer Straße nach Eugen Müller anzunehmen, dies wurde seinen Worten zufolge von Frau Dr. Kaehls „noch zur Zeit von Frau Gemeinderat Rybak angeregt (…). Herr Dr. Eugen Müller ist der Vater des bekannten Salzburger Geologen Müller und dürftem (sic) beim Kulturamt auch entsprechende Unterlagen über ihn vorliegen.“ Die Antwort von Ruth Langer ist nicht erhalten, jedenfalls wandte sich Steiner im Juli desselben Jahres an das Kulturamt und bat, „bei zukünftigen Straßenbenennungen die Möglichkeit der Benennung einer Straße nach Herrn Dr. Eugen Müller zu prüfen und einer positiven Erledigung zuzuführen. Mein Ersuchen wird vom FPÖ-Gemeinderatsclub unterstützt.“ In zwei Sitzungen des Straßenbenennungsunterausschusses wurden am 18. September und am 7. November 1975 insgesamt 19 Vorschläge besprochen. Der Amtsbericht der Kulturabteilung fasste am 10. November die Ergebnisse zusammen, darunter als „Vorgang 8“: „Nordöstlich der Münchner Bundesstraße, kurz vor dem Zollamt Saalbrücke, zweigt eine Straße in ungefähr nördlicher Richtung ab, die dann im rechten Winkel abbiegend in südwestlicher Richtung zur Münchner Bundesstraße zurückführt. Da an diesen drei Straßenstücken mehrere Industriebauten stehen, ist eine Benennung erforderlich geworden. Für das längste Straßenstück (im zuliegenden Plan mit 3 bezeichnet) bietet sich der Flurname ‚Unter der Leiten‘ an. Das im Plan mit 1 bezeichnete Straßenstück wird ‚Eugen-Müller-Straße‘, das im Plan mit 2 bezeichnete Straßenstück ‚Franz-Sauer-Straße‘ benannt.“ Eine Begründung für die Benennung von Straßen nach diesen beiden Pädagogen im Bereich von „mehreren Industriebauten“ wurde nicht gegeben. Der Kulturausschuss stimmte dem Vorschlag in seiner Sitzung vom 13. November 1975 einstimmig zu, ebenso der Stadtsenat am 24. November und der Gemeinderat (16 SPÖ, 12 ÖVP, 9 FPÖ) am 1. Dezember 1975.