Peter Kreuder

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Peter Kreuder

Musiker, Komponist

* 18. August 1905 in Aachen (Rheinprovinz; heute Nordrhein-Westfalen, Deutschland)

† 28. Juni 1981 in Salzburg

Wegbenennung: Peter-Kreuder-Weg, beschlossen am 10. Juli 1991

Lage: Leopoldskron; Aufschließungsstraße zwischen König-Ludwig-Straße und Kobergerweg.

 

Peter Paul Kreuder kam unter nicht alltäglichen Umständen zur Welt. Seine Mutter Margarethe, geborene Heidemann, brachte ihn am Abend des 18. August 1905 in der Garderobe des Stadttheaters von Aachen während einer Vorstellung von Richard Wagners Oper „Götterdämmerung“, in der sein gleichnamiger Vater als Sänger auftrat, zur Welt. Nach drei älteren Schwestern war Kreuder nach eigenen Angaben der lang erwartete Sohn. Doch seine Eltern trennten sich, als er noch ein kleiner Junge war. Die Kinder blieben bei der Mutter, die mit ihnen von Berlin nach Köln zu ihren Eltern übersiedelte. Hier begann die musikalische Ausbildung von Peter Kreuder am Klavier, mit fünf Jahren trat er als Schüler in das Konservatorium in Köln ein. Sein erstes längerfristiges Engagement hatte er während des Ersten Weltkriegs in Hamburg. Er wirkte als Korrepetitor des Balletts an der dortigen Oper, gleichzeitig trat er in Bars und Kabaretts auf und verdiente so zusätzliches Geld für die Familienkasse. In diese Zeit fiel auch seine Begegnung mit dem Jazz, der für sein weiteres Leben von entscheidender Bedeutung sein sollte. Kreuder, der aufgrund der familiären Situation und der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg früh auf eigenen (finanziellen) Beinen stehen musste, zog Anfang der 1920er Jahre – noch nicht volljährig – nach Berlin, wo er als Musiker in dem von Trude Hesterberg geleiteten Kabarett „Wilde Bühne“ auftrat. Hier lebte er zunächst bei seinem Onkel mütterlicherseits, dem bekannten Filmschauspieler, Regisseur und Filmproduzenten Paul Heidemann, dessen Karriere von den Stummfilmen der 1910er Jahre bis zu den bundesdeutschen Filmkomödien Anfang der 1960er Jahre reichte. Durch ihn lernte der junge Musiker viele berühmte und einflussreiche Personen aus dem deutschen Showgeschäft kennen. Von Berlin wurde der 17-jährige Kreuder 1922 nach München verpflichtet, wo er u. a. Ralph Benatzky im Münchner Kabarett „Bonbonniere“ nachfolgte und für die musikalische Gestaltung der Programme zuständig war. In der bayerischen Hauptstadt nahm er auch seine musikalische Ausbildung wieder auf und legte 1924 an der Akademie für Tonkunst das Staatsexamen ab. Peter Kreuder kam in München auch erstmals mit Adolf Hitler und der SA in Kontakt. In seiner Autobiografie beschreibt er, wie SA-Männer ihn wegen eines Spottliedes auf Hugo Stinnes, einen der wichtigsten Financiers der frühen NSDAP, verprügelten. Launig und mit wenig glaubwürdigen Einschüben berichtete er in seinen Memoiren weiters über den Besuch einer Parteiveranstaltung und einer zweistündigen Rede Adolf Hitlers im Zirkus Krone und über ein Gespräch mit dem späteren „Führer“ im Teesalon Carlton. Auch nahm er für sich in Anspruch, Augenzeuge des Putschversuchs vom 9. November 1923 gewesen zu sein. Mitte der 1920er Jahre ging Kreuder kurzfristig als Leiter eines Zirkusorchesters auf Wanderschaft und wechselte danach an andere Arbeitsstätten in Deutschland, ehe er 1925 als 1. Kapellmeister des dortigen Deutschen Theaters nach München zurückkehrte. Es folgten weitere Engagements in Berlin und Wien, ehe er 1930 schließlich die Stelle als musikalischer Leiter der Bühnen von Max Reinhardt in Berlin antrat. Dies war der erste Höhepunkt der Karriere des 25-Jährigen, der drei Jahre zuvor die Tänzerin Erna Sachse geheiratet hatte. Die Ehe bestand nur formal, die gemeinsame Tochter starb nach wenigen Monaten.

 

Filmmusik und Schlager als Unterhaltung und Propaganda

In Berlin kam Peter Kreuder Anfang der 1930er Jahre mit dem Film in Kontakt. Für Friedrich Hollaender, der ebenfalls für Max Reinhardt tätig war, entwarf er Arrangements und Zwischentitel für den Film „Der blaue Engel“ (D 1930, Regie: Josef von Sternberg). Von diesem Zeitpunkt an war er bis zu seinem Tod für den Film tätig. Er schuf in Summe 188 Filmmusiken, beginnend mit „Peter Voß, der Millionendieb“, der 1932 unter der Regie von Ewald André Dupont entstand, in der Hauptrolle Willi Forst. Während der Regisseur ein Jahr später wegen seiner jüdischen Herkunft aus Deutschland emigrieren musste, begann für Peter Kreuder nach der Machtübernahme der NSDAP in Deutschland eine steile Karriere. Von Vorteil erwies sich, dass er am 1. August 1932 – also noch vor der „Machtergreifung“ Ende Jänner 1933 – der NSDAP beigetreten war. Er hatte die Mitgliedsnummer 1.275.600 erhalten und war der Ortsgruppe Neuhaus im Gau Oberbayern zugeteilt, im November 1932 wurde er nach einem Umzug in die Ortsgruppe München überstellt. Über ein politisches Engagement oder Aktivitäten für die Partei ist nichts bekannt. In seiner Autobiografie verschweigt Peter Kreuder dieses Faktum nicht nur, sondern stilisiert sich an mehreren Stellen als überzeugter Anti-Nationalsozialist. Am ausdrücklichsten kommt dies in einer kurzen Passage zum Ausdruck, in der er eine Begegnung mit einer seiner Schwestern 1933 in München beschreibt, nachdem er wegen NS-ablehnenden Verhaltens aus einem Gasthaus geworfen worden sei. „Sie beugte sich über mich und fragte bekümmert: ‚Mußte das sein?‘ Ich schaute zu ihr auf und erstarrte. Zum ersten Mal entdeckte ich an dem Revers ihrer Kostümjacke das PG-Abzeichen, das bitterste Bonbon aller Zeiten. Kathie, meine eigene Schwester, meine liebste Schwester. ‚Mußte das sein?‘ fragte ich. Sie antwortete nicht.“ Peter Kreuders eigene Mitgliedschaft bei der NSDAP endete bereits wieder 1934, auf der Karteikarte steht unter der Rubrik „Ausgetreten“ vermerkt: „Rev.-Li. Obby XI/34/62 gestrichen“. Er wurde also im Zuge einer Revision der oberbayerischen Mitgliederlisten im Jahr 1934 gestrichen, die Gründe dafür liegen bislang im Dunkeln. Nichtsdestotrotz avancierte Peter Kreuder, der 1933 die aus der Münchner Kaffeedynastie stammende Gertrud Kathreiner in zweiter Ehe geheiratet hatte, in den folgenden Jahren zu einem der wichtigsten Komponisten in der NS-Filmindustrie. Er selbst setzte den Beginn mit 1935 fest, als er erneut mit Willi Forst zusammenarbeitete. „‚Mazurka‘ trat von Berlin aus seinen Siegeszug durch die ganze Welt an. Und ich war berühmt.“ Jährlich kamen mehrere Spielfilme in die Kinos, für deren Filmmusiken er verantwortlich zeichnete. Berühmtheit erlangte Peter Kreuder aber vor allem für seine eingängig komponierten Schlager, von denen er in seiner langen Schaffenszeit über 1.000 zu Papier brachte: „Sag beim Abschied leise Servus“, „Goodbye, Jonny“, „Ich brauche keine Millionen“ / „Musik, Musik, Musik, Musik“, „Capriolen“, „Einmal von Herzen verliebt sein“, „Du bist zu schön um treu zu sein“, „Ich wollt‘, ich wär‘ ein Huhn“, um nur einige der bekanntesten zu nennen. Zu den Interpretinnen und Interpreten seiner Lieder zählte die Crème de la Crème der NS-Unterhaltungsbranche, darunter Zarah Leander, Johannes Heesters, Marika Röck, Hans Albers und Willi Forst, aber auch Marlene Dietrich und die aus Wien stammende Greta Keller gingen mit Kreuder auf Tournee.

Das Schaffen von Peter Kreuder blieb nicht auf den Unterhaltungssektor beschränkt. Seine Fertigkeiten stellte er in den „Friedensjahren“ der NS-Regierungszeit auch in den Dienst der Propaganda, so bei dem anti-französischen Spielfilm „Das Mädchen Johanna“ (D 1935, Regie: Gustav Ucicky), das Jeanne d’Arc porträtierte, bei „Henker, Frauen und Soldaten“ (D 1935, Regie: Johannes Meyer), das die Freikorpszeit 1918/19 zum Thema hatte, beim anti-russischen Streifen „Weiße Sklaven“ (D 1936, Regie: Karl Anton), das die Revolution in Sewastopol 1917 NS-propagandistisch rekonstruierte, beim Weltkriegsfilm „Dreizehn Mann und eine Kanone (D 1938, Regie: Johannes Meyer) und anderen. Die vier genannten Filme wurden 1945 von den alliierten Militärregierungen verboten. 1935 arbeitete Peter Kreuder mit der Filmregisseurin Leni Riefenstahl zusammen, die im Zuge der Gründung der Deutschen Wehrmacht mit der Herstellung eines „Werbefilms“ betraut wurde. „Tag der Freiheit! Unsere Wehrmacht“ zeigt in 27 Minuten militärische Propagandabilder der neuen deutschen Streitkräfte. Dass Peter Kreuder in den ersten Jahren der NS-Herrschaft als systemunterstützender und -stabilisierender Künstler sich zur Verfügung stellte und dafür auch entsprechend „belohnt“ wurde, wird auch daran deutlich, dass ihn der bayerische Gauleiter und Ministerpräsident Adolf Wagner im Zuge der Neuorganisation des Münchner Musikbetriebes im April 1938 zum Staatsmusikdirektor der Bayerischen Staatsoperette bestellte, Fritz Fischer wurde die Intendanz übertragen. Weitere Personalien waren: Clemens Krauss avancierte zum Generalintendanten der Staatsoper und Rudolf Hartmann zu deren Direktor, Otto Falckenberg wurde Intendant der Kammerspiele und Alexander Golling Intendant des Schauspielhauses – die Genannten waren teils Mitglieder der NSDAP, teils nicht, jedenfalls aber allesamt linientreue Künstler.

Unter der Regie von Gustav Ucicky und der Mitwirkung von Fritz Hippler, Ottoheinz Jahn und Eugen York entstand 1938 der 10-minütige Dokumentarstreifen „Wort und Tat“, in dem primär die Wirtschafts- und Sozialpolitik der NS-Regierung seit der Machtübernahme darstellt wurden. Zur Musik von Peter Kreuder waren Bilder vom Bau der Reichsautobahn, der Arbeit in Fabriken, Freizeitfahrten mit „Kraft durch Freude“ etc. zu sehen. Den Abschluss der Filmpropaganda bildeten Aufnahmen von der Rede Adolf Hitlers in Wien nach dem „Anschluß“, in der dieser den „Eintritt“ seiner Heimat „in das Deutsche Reich“ proklamierte.

 

Propaganda für den „Anschluß“: „Gestern und heute“ & „75 Millionen – ein Schlag!“

Den Höhepunkt der Arbeit von Peter Kreuder für die NS-Filmpropaganda bildete 1938 der Kurzdokumentarfilm „Gestern und heute“, der von der Reichspropagandaleitung nach dem „Anschluß“ Österreichs produziert wurde und unter der Regie von Hans Steinhoff entstand. Der knapp acht Minuten lange Propagandafilm kontrastiert die Lebensumstände in Deutschland vor und nach der Machtübernahme Hitlers 1933 und stellt Bildern von Armut, Hunger und Elend Aufnahmen marschierender Arbeitsmänner, Bauern und Fabriksarbeiter gegenüber. Peter Kreuder unterlegte diese Bilder mit suggestiver Musik – langsamen, in Moll gehaltenen Sequenzen stehen „schmissige“ Phrasen mit Marschmusik gegenüber. Als „roten Faden“ der Erzählung und kontrastives filmisches Gestaltungselement setzte Steinhoff Reden von Adolf Hitler ein. Während keine andere Person als Sprecher*in im Bild zu sehen und der Kommentar durchgängig als Off-Stimme zu hören ist, tritt Adolf Hitler stets im Bild auf. Die Wirkung der Worte des „Führers“ wird erhöht, indem diese Sequenzen als einzige nicht mit Musik von Peter Kreuder unterlegt sind.

Der Film endet mit Aufnahmen vom Einmarsch der Wehrmacht in Österreich, darunter auch eine kurze Einstellung von der Staatsbrücke in der Stadt Salzburg. Die Rede Adolf Hitlers in Wien wird überblendet mit Bildern der jubelnden Menge. Unter dem Geschrei der Menschen erreicht die Musik ihren Höhepunkt, als Hitler spricht: „Welch stolzere Befriedigung kann es auf dieser Welt für einen Mann geben, als die Menschen der eigenen Heimat in die größere Volksgemeinschaft geführt zu haben. Ein Volk! Ein Reich! Deutschland! Sieg Heil!“ Auf der Leinwand erscheint die Karte Deutschlands, in dem nun auch Österreich aufgeht, darüber der Schriftzug „Ein Volk – Ein Reich – Ein Führer“.

Im Film zu hören ist auch ein Teil des Marsches „70 Millionen – ein Schlag!“, den Peter Kreuder 1936 als Auftragskomposition zum „Tag der Nationalen Einheit“, dem 1. Mai, angefertigt hatte. Titel und Text stammten vom bekannten Liedtexter Hans Fritz Beckmann, mit dem Kreuder seit den späten 1920er Jahren wiederholt (und über die NS-Zeit hinaus) zusammengearbeitet hatte. Sie nahmen Bezug auf die Einigkeit der deutschen „Volksgemeinschaft“ im NS-Staat – „Das Volk ist unsterblich, das die Einigkeit sich schafft. Deutschland für Dich Kamerad. Deutschland für Dich Kamerad.“ Der Marsch bildete einen zentralen Veranstaltungspunkt der Internationalen Automobilausstellung im Berliner Funkturm 1937, Kreuder gestaltete eigene Revue dafür, bei denen neben dem Marsch auch ein „Eintopfballett“ und das „Lied vom Eintopfsonntag“ gegeben wurden. Nach dem „Anschluß“ zweitverwerteten Kreuder/Beckmann diesen Marsch nun, Beckmann adaptierte Titel und Text den neuen Umständen entsprechend. Aus 70 Millionen wurden 75, die „Einigkeit“ reichte nun bis zum „Donaustrand.“ Am 8. April 1938 – zwei Tage vor der Abstimmung über die vollzogene Annexion – spielten die Musiker des Blasorchesters des bekannten Berliner Dirigenten Carl Woitschach den Marsch ein, der Text wurde von Erich Heyn gesungen.

„75 Millionen – ein Schlag“

Das deutsche Volk am Donaustrand,

das deutsche Volk am Rhein.

Sie reichen sich zum Bund die Hand.

So soll es ewig sein.

Nun gibt es keine Grenze mehr,

die Brüdervölker trennt.

Und war der Kampf auch lang und schwer,

die ganze Welt erkennt:

 

Refrain

 

Fünfundsiebzig Millionen – ein Schlag!

Das soll bestreiten – wer mag!

Im Gleichklang der Herzen

liegt der Wille und die Kraft.

Das Volk ist unsterblich,

das die Einigkeit sich schafft!

Deutschland für dich kam der Tag!

Deutschland für dich kam der Tag!

75 Millionen – ein Schlag!

 

Zwischenspiel (instrumental)

 

Dem Führer, dem das Werk gelang

die Deutschen zu befreien,

dem wollen wir in heißem Dank

mit Herz und Hand uns weihen!

 

Refrain

 

Nähe und Distanz

Das Jahr 1939 markiert einen Wendepunkt in Peter Kreuders öffentlichem Schaffen und in seinem Verhältnis zum NS-Staat. Zum einen lieferte er weiterhin populäre Schlager für das Regime, darunter „Im Leben geht alles vorüber, im Leben geht alles vorbei“, der im Film „Kora Terry“ (D 1940, Regie: Georg Jacoby) Verwendung fand und als Trost- und Hoffnungsbringer im Krieg verstanden werden konnte. Für den Film „Wasser für Canitoga“ (D 1939, Regie: Herbert Selpin) musste Kreuder Titel und Text von „Goodbye, Jonny“ in „Leb wohl, Peter“ ändern. Zum anderen geriet seine Art zu komponieren zusehends in Konflikt mit den musikalischen bzw. musikpolitischen Vorstellungen der NS-Entscheidungsträger. Eine Verfügung der 1937 im Propagandaministerium eingerichteten Reichsmusikprüfstelle erklärte etwa am 4. September 1939 seine Bearbeitung der „Träumerei“ von Robert Schumann wegen „Verjazzung und willkürliche[r] Veränderung klassischen Melodienguts“ für unerwünscht. Im März 1943 informierten die Bühnen- und Musikverlage Dr. Sikorski das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, dass Kreuder beabsichtige, die Novelle „Taugenichts“ (1826) von Joseph von Eichendorff als Oper umzusetzen. Ein vom Ministerium eingeholtes Gutachten hielt dazu fest: „(...) Und eine bühnenwirksame Handlung kommt trotz aller Bemühung und Annäherung an den Filmbuchtyp nur stellenweise zustande. Am bedenklichsten an dem Ganzen erscheint jedoch, daß gerade Peter Kreuder auf Eichendorff losgelassen werden soll – die durch Schumann, Brahms, Pfitzner geweihten Texte, die man zur Not nochmals von Caesar [sic] Bresgen oder Norbert Schultze vertont ertragen würde, von diesem Jazzathleten verarztet zu sehn, erscheint mir fast als Blasphemie. Man gibt doch auch nicht Goethes ‚Faust‘ an Benatzky oder die Divina comedia an Lehár.“

Eine Konzerttournee durch Skandinavien, in deren Rahmen u. a. seine Oper „Lips“ nach Johann Nestroys „Der Zerrissene“ in Stockholm aufgeführt wurde, nutzte der 34-jährige Peter Kreuder, um sich drei Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in das neutrale Schweden abzusetzen. Möglicherweise wollte er damit einer Einberufung in die Wehrmacht entgehen. Der Großteil der Sekundärliteratur stellt die Zeit in Schweden als Exil dar. Der Schriftverkehr offizieller Stellen in NS-Deutschland legt eine leicht abweichende Lesart nahe. Ende Juli 1941 teilte Hans Hinkel aus dem Propagandaministerium dem Präsidenten der Reichsmusikkammer, Peter Raabe, mit: „Aus gegebenem Anlass wird Ihnen mitgeteilt, dass die Aufführung von Werken Peter Kreuders grundsätzlich nicht verboten wird. Es besteht aber keine Veranlassung, für sie öffentliche Propaganda durch Konzerte, Funk, Film oder Presse zu entfalten. Kreuder wird, wenn er nach Deutschland zurückkommt, durch den Unterzeichneten wegen seines Verhaltens zur Verantwortung gezogen und zur Disziplin ermahnt werden.“ Offensichtlich gingen die verantwortlichen Stellen im „Reich“ davon aus, dass Kreuder nach Ende der Tournee nach Deutschland zurückkehren werde. Und auch der Musiker selbst dürfte von Schweden aus das Terrain für eine Rückkehr nach NS-Deutschland sondiert haben. „Bei seinen neuerlichen Versuchen, sich vor der Rückreise ins Reich eine wohlwollende Förderung durch unser Ministerium zu sichern, haben wir die Auffassung vertreten, dass wir seine Einreise ins Reich nicht verhindern wollen. Er soll aber, wenn er zurückkehrt, wegen seiner Haltung bei seiner Ausreise keine offizielle Förderung erfahren, sondern sich ohne die Hilfe der offiziellen Propaganda durch Herausstellung im Film, Rundfunk usw. behaupten. Der Staatssekretär hält es daher für untunlich, dass bei der Uraufführung seiner Oper ‚Der Zerrissene‘ in Stockholm eine führende Persönlichkeit unseres Ministeriums anwesend ist. Gegen die Entsendung eines ‚unbekannten Beobachters‘ würden keine Bedenken bestehen. Dieser dürfte dann auch nicht offiziell in Erscheinung treten“, so das Propagandaministerium an Dr. Drewes von der Reichsmusikkammer. Kreuder selbst bezeichnete seine Zeit in Schweden jedenfalls nicht als Exil. „Was war ich eigentlich? Ich hing zwischen den Welten, ich war nicht Fisch noch Fleisch. Ich hatte keine Brücken abgebrochen, aber ich hatte auch keine Brücken, über die ich gehen konnte. Einen totalen Bruch wollte ich nicht herbeiführen, denn in Deutschland lebten ja noch meine Mutter und lebten noch meine drei Schwestern.“ Nachdem seine zweite Ehe im Sommer 1939 geschieden worden war, behauptete er in seinen Memoiren, 1941 mit seiner neuen Lebensgefährtin geplant zu haben, über Zürich und Lissabon nach Havanna zu emigrieren. In Lissabon hätten ihm NS-Emissäre von diesem Schritt jedoch aufgrund seiner Familie in Deutschland und der Praxis der Sippenhaftung sehr eindringlich abgeraten. Kreuder kehrte 1942 nach Deutschland zurück, wo er vorübergehend in Polizeigewahrsam kam. Doch wie vom Ministerium gefordert, „behaupteten“ sich der Komponist selbst und seine Werke erneut im Film und auf den deutschen Bühnen. Auch in Salzburg wurden im Sommer 1942 Werke von Peter Kreuder anlässlich einiger musikalischer Abende im Festspielhaus unter dem Motto „Lachendes Wien“ aufgeführt.

Peter Kreuder wurde vom NS-System also bis zuletzt gebraucht. So steht sein Name auch auf der Film-Besetzungsliste, Sparte Komponisten des Reichsfilmintendanten für das Produktionsjahr 1944/45. Und er war tatsächlich bis zum Ende der NS-Herrschaft für Film und Bühne tätig. Noch am 9. Jänner 1945 feierte der Film „Es fing so harmlos an“ (D 1945, Regie: Theo Lingen) seine Kinopremiere in Wien. Als Folge seines Aufenthaltes in Schweden waren ihm ab 1942 jedoch Reisen ins Ausland verboten. „Es wird bemerkt, daß dem Auswärtigen Amt bereits am 18. 4. 1942 mitgeteilt wurde, daß nicht beabsichtigt ist, dem Peter Kreuder nochmals Ausreisegenehmigungen zu erteilen“, so die Information der Reichskulturkammer an das Propagandaministerium. Dementsprechend untersagte das Ministerium dem Musiker Auftritte außerhalb des „Dritten Reiches“ und strich Kreuders Namen von der Planungsliste für Auslandskonzerte.

Peter Kreuder ging zwar nicht mehr ins Ausland, verließ Berlin 1943 aber in Richtung Prag, der damaligen Hauptstadt des Protektorats Böhmen und Mähren, wohin sich bereits ein Teil der NS-Filmproduktion wegen der Bombenangriffe auf Berlin geflüchtet hatte. Da er keine offizielle Stelle darüber informiert hatte, begann die Reichskulturkammer nach ihm zu suchen. Er wurde schließlich in Prag ausfindig gemacht und Ende 1943 „auf ausdrückliche Weisung von Herrn Reichsminister Dr. Goebbels“ zu einer Besprechung mit Hans Hinkel nach Berlin zitiert. „Berufliche oder sonstige Behinderungen können Ihr Ausbleiben nicht rechtfertigen“, so der Text des Telegramms aus dem Propagandaministerium. Laut Kreuder hielt ihm Hans Hinkel vor, einer Verpflichtung für eine „Kraft-durch-Freude“-Veranstaltung in Gelsenkirchen nicht eingehalten zu haben. Folgen hatte diese Episode jedoch offensichtlich keine, denn Kreuder kehrte zunächst nach Prag zurück und setzte sich 1944 nach Altaussee in der Steiermark ab, wo er bereits seit den 1930er ein Haus besaß. Der Aufforderung, er solle sich am 26. April 1945 beim dortigen Volkssturm melden, kam er nicht mehr nach. In einem Bericht der US-amerikanischen Militärgeheimdienstes Counter Intelligence Corps (CIC) über die Suche nach und Gefangennahme von Ernst Kaltenbrunner in Altaussee wurde Peter Kreuder, der „sensational pianist-composer-conductor“, als einer von vielen dorthin geflüchteten Kulturschaffenden des „Dritten Reiches“ erwähnt, „each busy trying to establish its anti-Nazi premise“.

 

Nachkriegszeit

Peter Kreuder blieb auch nach Kriegsende in Altaussee, er gründete und leitete das Sinfonieorchester Bad Aussee, das den Rest des ehemaligen Reichs-Bruckner-Orchesters von St. Florian darstellte, und im August 1945 die Ausseer Festspiele, die jedoch von den US-Militärbehörden nach den ersten Aufführungen verboten wurden. Sein „Politisches Führungszeugnis“, das ihm die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck im März 1946 ausstellte, hielt fest, dass Kreuder „nach seiner eidesstattlichen Erklärung weder der NSDAP noch einer Gliederung derselben“ angehört hatte. „Nach seinen Angaben wurde er 1941 für ein halbes Jahr unter Polizeiaufsicht gestellt und auch später bis 1945 von Dr. Goebbels und der NSDAP mehrmals gemassregelt (sic). Für eine Überprüfung des politischen Vorlebens sind die Polizeistellen in Wien und Berlin zuständig. Seit 1. August 1942 hält sich Genannter in Österreich auf und liegen bei der h.o. Dienststelle keine Anzeigen in politischer Hinsicht gegen ihn vor.“ Ob die deutschen oder österreichischen Behörden in den ersten Nachkriegsjahren Ermittlungen gegen Kreuder wegen seiner Tätigkeit im NS-Kulturbetrieb und seiner (kurzfristigen) NSDAP-Mitgliedschaft führten, ist nicht bekannt.

Peter Kreuder war unmittelbar nach Kriegsende bereits wieder für den Film tätig, diesmal in seiner neuen Heimat Österreich, die ihm auch die Staatsbürgerschaft verlieh. Er schuf die Filmmusik für den ersten österreichischen Nachkriegsspielfilm „Das singende Haus“ (Ö 1946; Regie: Franz Antel). Bei einer Tournee durch die Schweiz 1947 lernte Kreuder Evita Perón, der Gattin des argentinischen Diktators Juan Perón, kennen. In der Folge wurde er als Leiter der Rundfunkstationen Sao Paolo, Rio de Janeiro und Buenos Aires nach Südamerika berufen. Er ließ sich in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires nieder. Die Regierung Perón verlieh Peter Kreuder 1953 den Titel eines Professors, der Diktator ernannte ihn zum Staatlichen Musikdirektor. Nachdem er bereits 1952 eine ausgedehnte Europatournee absolviert hatte, kehrte der Musiker 1954 endgültig nach Europa zurück und ließ sich in der Bundesrepublik Deutschland nieder. Kreuder war u. a. am Stadttheater Düsseldorf als musikalischer Leiter tätig, hatte aber bereits seit 1953 wieder für Filme in der BRD die Musik komponiert. In dieser Zeit traf er erneut mit Marlene Dietrich, die in den USA zur überzeugten Antifaschistin geworden war und sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus engagiert hatte, zusammen. Sie „sprach noch immer englisch mit mir. Mir wurde das zuviel“, so der Komponist in seinen Memoiren. „‚Jetzt laß doch den Blödsinn‘, sagte ich. ‚Du kannst doch deutsch mit mir sprechen. Was du für einen Paß hast, ist doch egal. Ich habe einen argentinischen Paß und einen österreichischen Paß und werde trotzdem bis an mein Lebensende Deutscher bleiben. Genauso wie du.‘“

Nachdem die dritte Ehe mit Sophie Eschenbach, die er 1944 geheiratet hatte, 1971 geschieden worden war, schloss Peter Kreuder im gleichen Jahr seine vierte Ehe mit Ingrid Wallisch. Das Paar verlegte im Oktober 1972 seinen ständigen Wohnsitz von Italien nach Salzburg, Peter und Ingrid Kreuder bezogen eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus in der Egger-Lienz-Gasse 17. Im November 1974 übersiedelten sie in die Kreuzbergpromenade 40 in den Stadtteil Aigen. Hier starb Peter Kreuder 75-jährig am 28. Juni 1981.

Peter Kreuder wurde für sein musikalisches Wirken vielfach ausgezeichnet. In Deutschland erhielt er den Schwabinger Kunstpreis für Musik (1970), den Paul-Lincke-Ring, der für besondere Verdienste um die deutsche Unterhaltungsmusik verliehen wurde (1975), und den Bayerischen Verdienstorden (1980). Österreich ehrte ihn Anfang der 1970er Jahre mit dem Professorentitel. Posthum erhielt Kreuder 1995 die Goldene Stimmgabel, die zwischen 1981 und 2007 an herausragende deutschsprachige Musiker*innen vergeben wurde.

 

Wegbenennung

Einen Monat nach dem Tod von Peter Kreuder ging ein Brief des emeritierten Univ.-Prof. Dr. Walter Bitterlich, eines international renommierten österreichischen Forstwissenschafters, der zu jener Zeit in Salzburg lebte, bei Vizebürgermeister Dr. Waldemar Steiner (FPÖ) ein. In diesem Schreiben regte Bitterlich eine angemessene Ehrung Kreuders durch die Stadt Salzburg an. „Wahrscheinlich renne ich ohnedies offene Türen ein mit dem Antrag, die Musikstadt Salzburg möge ihm ein Denkmal setzen, etwa in Form, eine Straße nach ihm zu benennen. Sinnvoll wäre – falls verwaltungstechnisch möglich – die Kreuzberg-Promenade in Salzburg-Aigen, wo er zuletzt seinen Wohnsitz hatte, nach ihm umbenennen zu lassen.“ Ob sich Bitterlich und Kreuder gekannt hatten, geht aus den Akten nicht hervor. Steiner leitete den Brief Bitterlichs an die Magistratsabteilung II weiter und hielt fest, dass er den Vorschlag an sich unterstütze. „Die Umbenennung der Kreuzberg-Promenade halte ich jedoch nicht für sinnvoll.“ Die Eingabe verlief schließlich im Sand.

Nach dem Tod von Peter Kreuder bemühte sich seine Witwe Ingrid Kreuder um das Fortleben der Bekanntheit ihres Mannes. Bereits im Dezember 1981 eröffnete der Münchner Bürgermeister Helmut Gittl eine „Peter-Kreuder-Gedächtnisausstellung“ im Foyer des Alten Rathauses, die auf die Initiative von Ingrid Kreuder zurückging. Im Jahr darauf erreichte sie, dass in München-Pasing eine Straße nach Peter Kreuder benannt wurde. Auch in Salzburg wurde sie mit dem gleichen Anliegen Anfang der 1990er Jahre erfolgreich vorstellig. Der Gemeinderat der Stadt Salzburg beschloss in seiner öffentlichen Sitzung vom 10. Juli 1991 einstimmig die Benennung des „Peter-Kreuder-Weges“, der am südlichen Ufer des Leopoldskroner Weihers den Kobergweg mit der König-Ludwig-Straße verbindet.