Dr. h. c. Carl Orff

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:

Komponist, Musikpädagoge

* 10. Juli 1895 in München (Königreich Bayern)

† 29. März 1982 in München (Bayern, BRD)

Straßenbenennung: Carl-Orff-Straße, beschlossen am 17. März 1993

Lage: Leopoldskron; Aufschließungsstraße von der Nico-Dostal-Straße zum Mörkweg.

 

Der Komponist und Musikpädagoge Carl Orff (eigentlich Karl Heinrich Maria Orff) wurde am 10. Juli 1895 in München als Sohn des Berufsoffiziers Heinrich Orff (1869–1949) und der ausgebildeten Pianistin Paula, geb. Köstler (1872–1960) geboren. Die Eltern musizierten oft und förderten das Talent des jungen Orff, der bereits mit fünf Jahren Klavierunterricht bekam. Orff besuchte in München das Gymnasium und begann 1912 mit dem Studium an der Münchner Akademie der Tonkunst, das er 1914 abbrach und bei Hermann Zilcher weiterlernte. 1916 wurde er Kapellmeister an den Münchner Kammerspielen, 1917 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach seiner Rückkehr arbeitete er erneut als Kapellmeister in Mannheim und Darmstadt. Er kehrte 1919 nach München zurück, wo er als freischaffender Komponist wirkte und sich kurzzeitig bei Heinrich Kaminski weiterbildete, daneben aber selbst schon lehrte. In den 1920er Jahren begann Orffs Auseinandersetzung mit den Werken Monteverdis, seine Bearbeitungen „galten sowohl in aufführungspraktischer als auch in musikhistorischer Hinsicht als Pionierleistung“. Daneben entstanden Liederzyklen, etwa zu Texten von Franz Werfel.

Seine Befassung mit alten Instrumenten und sein Interesse an rhythmischen Elementen führten 1924 zur Zusammenarbeit mit der Hamburger Künstlerin Dorothee Günther und zur Gründung der Günther-Schule in München-Schwabing. Orff schwebte eine „musikalisch-rhythmische Erziehung“ vor, die Schülerinnen wurden in „musikalischer Improvisation, Rhythmus, Gesang und Tanz“ ausgebildet. Orff verfolgte das „Konzept einer elementaren Musik, der Synthese aus Musik, Sprache und Bewegung“, deren Ziel in seinen Worten die „Regeneration der Musik von der Bewegung, vom Tanz her“ war. Dazu stellte er auch ein eigenes „Orff-Instrumentarium“ zusammen, das die Grundlage für sein „Schulwerk“ bildete. Die pädagogische Reihe „Orff-Schulwerk - Elementare Musikübung“, von Orff gemeinsam mit Gunild Keetman und Hans Bergese verfasst, wurde ab 1931/32 im Schott-Verlag veröffentlicht und fand „weltweit Verbreitung“ .

Gelegenheiten zur Aufführung eigener Werke boten Orff in der Zeit der Weimarer Republik die Veranstaltungen der „Vereinigung für Zeitgenössische Musik“, die „eine Insel des Modernismus“ in München darstellte. Werke alter Meister dirigierte Orff im Rahmen des Münchner-Bach-Vereins, dessen Vorstand er ab 1932 angehörte. 1929 bis 1932 komponierte er nach Texten Bertold Brechts die Brecht-Kantaten, was ihn konservativen Kreisen suspekt machte, obwohl Orff „parteipolitisch ungebunden“ war und sich „politisch neutral“ verhielt. Der 1928 von Alfred Rosenberg gegründete nationalsozialistische „Kampfbund für deutsche Kultur“ lehnte Orff ab, die Günther-Schule wurde als „kommunistisch verseucht“ angesehen. Orff wurde zunehmend als avantgardistisch betrachtet, er war als Musiker „ein Modernist“, gehörte aber nicht zu den Vertretern atonaler Musik.

 

NS-Zeit

Carl Orff wurde nie Mitglied der NSDAP. Er war zu Beginn der NS-Herrschaft „wegen seiner Verehrung des jüdischen Schriftstellers Franz Werfel sowie des marxistischen Dramatikers Bertolt Brecht und wegen seines respektlosen Modernismus, der sich in verdächtigen neuen Arrangements von Claudio Monteverdis Musik, der Lukas-Passion und seinen zentralen Funktionen in der Vereinigung für Zeitgenössische Musik und dem Bach-Verein zeigte, bereits zu einer Zielscheibe geworden“. In der ersten Jahreshälfte 1933 war Carl Orff in der „Deutschen Kultur-Wacht“, dem Organ des „Kampfbundes“, attackiert worden, er versuchte sich daraufhin mit der Ortsgruppe zu verständigen. Dennoch musste er im Herbst 1933 wie der ganze Vorstand des Bach-Vereins zurücktreten, Orff dirigierte noch bis Herbst 1934 bei Veranstaltungen des Vereins, dann brach er Verbindung ab. Auch die „Vereinigung für Zeitgenössische Musik“ wurde aufgelöst.

 

Schulwerk und Olympischer Reigen

Dorothee Günther, die schon 1933 der NSDAP beigetreten war, öffnete ihre Schule dem Einfluss des Nationalsozialismus. Orff versuchte das „Schulwerk“ zu monetarisieren, es „schien sich vermarkten zu lassen, da die militärisch inspirierten Nazi-Pädagogen besonderen Wert auf Rhythmus legten“. Orff nutzte seine Kontakte zum Münchner Ortsgruppenleiter des „Kampfbundes deutscher Kultur“ Paul Ehlers, „um Nazi-Behörden für das Schulwerk zu interessieren“, dazu verwahrte er sich gegen Vergleiche mit atonaler Musik und stellte Bezüge zur von den Nationalsozialisten geschätzten Hausmusik her. Nach dem Historiker Michael H. Kater „achteten Orff und sein Verleger darauf, dass seine Schulwerk-Reihe so gut wie möglich auf die nun deutlich werdenden Ziele der Nazis zugeschnitten wurde, ohne dass er, wie angenommen werden darf, irgendeine Facette ihres ursprünglich erdachten Charakters hätte verfälschen wollen“. Der Schott-Verlag meldete zu Werbezwecken, dass „Orffs musikpädagogisches System (…) überall, in Konservatorien und Musikschulen wie in pädagogischen Einrichtungen der Hitlerjugend, zum Kern von Lehrgängen geworden“ sei. Orff selbst teilte dem Schott-Verlag im März 1934 mit, dass er erfreut sei, dass seine Absichten sich „in weitgehensten (sic) Maße mit dem decken, was heute verlangt“ werde. Der Komponist regte auch eine eigene Edition eines Schulwerk-Heftes für Trommeln und Pfeifen für die HJ und ein Heft „Reigentanzlieder für Blockflöten“ für den BDM an, wovon der Verlag aber abriet.

Die Schulwerk-Reihe wurde bis 1939 in mehreren Ausgaben veröffentlicht, allerdings war sie zu keinem Zeitpunkt von der HJ oder der NS-Kulturgemeinde oder in Lehrerfortbildungen offiziell übernommen worden und war auch nicht sonderlich gefragt. Es hätten sich „nur wenige Kreise für dieses Werk“ interessiert, so Orffs Mitarbeiter Hans Bergese. Die Verwendung durch die HJ geschah nur durch Einzelinitiativen wie von Wilhelm Twittenhoff, einem Musikwissenschafter der Günther-Schule mit engen Verbindungen zur SA und HJ, der Ideen des Schulwerks in HJ-Lagern testete. Im Juni 1934 leitet Orff in Nürnberg selbst mit Bergese einen Wochenendkurs für „Elementare Musikerziehung“ bei der NS-Spielschar.

Die Günther-Schule mit ihren Tanz- und Musikgruppen war allgemein akzeptiert, die Reichsorganisationsleitung engagierte sie für einen Reigen und die musikalische Begleitung beim Reichsparteitag 1934 in Nürnberg. Das Schulwerk nahm einen Aufschwung nach der Aufführung des „Olympischen Reigen“ bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin durch Günther-Schülerinnen und über viertausend Kinder. Die Musik zu Einzug und Reigen komponierte Gunild Keetman, basierend auf Skizzen von Orff, der offiziell als Komponist genannt wurde und auch den Auftrag für die Musikstücke vom Vorsitzenden des Deutschen Olympischen Organisationskomitees Carl Diem (dessen Gattin Günther-Schülerin war) erhalten hatte. Das Klangbild des „Olympischen Reigen“ war „weit vom lärmigen Spielschaargetrommel (sic) der NS-Organisationen entfernt“ und erinnerte „an historische Tanzmusik des 16. Jahrhunderts“. Dennoch schickte das Propagandaministerium die Günther-Tanzgruppe ab 1937 auf Tournee, die HJ lernte den Olympischen Reigen, der „mehrere Male wiederholt“ wurde.

 

Carmina Burana

Ab Herbst 1934 arbeitete Carl Orff an seinem weltlichen Kantatenwerk „Carmina Burana“, das am 8. Juni 1937 an der Frankfurter Oper beim 68. (und letzten) jährlichen Tonkünstlerfest des danach aufgelösten Allgemeinen Deutschen Musikvereins uraufgeführt wurde. Die für März desselben Jahres in Aussicht genommene Aufführung in Berlin durch Generalmusikdirektor Carl Schurich war nicht zustande gekommen.

Das Stück stand nicht in der Tradition der von den Nationalsozialisten bevorzugten Romantik, die Textmischung aus Latein und mittelalterlichem Deutsch sowie die Einflüsse von Strawinsky und die sexuellen Anspielungen machten das Stück für das NS-Regime potentiell verdächtig. Nach Aussage von Orff aus dem Jahr 1936 war die Musik jedoch „typisch deutsch“ und das „auf deutschem Boden“ entstandene Latein ein „Deutsch-Latein“. Der Generalintendant der städtischen Bühnen von Frankfurt am Main, Hans Meissner, der stilistisch die Modernität der Weimarer Zeit fortzuführen bestrebt war, stand hinter dem Stück. Auf die Premiere in Frankfurt folgte eine negative Kritik von Herbert Gerigk im „Völkischen Beobachter“ vom 16. Juni 1937 unter dem Titel „Problematisches Opernwerk auf dem Tonkünstlerfest“. Gerigk rezensierte „ablehnend aus kulturpolitischen Gründen“, so Fred K. Prieberg. Auch deshalb soll Karl Böhm im August 1937 eine Aufführung abgesagt haben. Aber bereits die Uraufführung hatte auch positive Pressestimmen. Adolph Meuer schrieb in „Signale für die musikalische Welt“ über die Uraufführung: „Herrlichste Liebeslyrik, ewig junge Volkslieder und Trinklieder, in der Sprache der Zeit lateinisch geschrieben, sind aus Urkräften unseres Volkes genommen. Ueber allem aber steht eine unbändige junge Kraft, ein Schwung und unversiegbarer positiver Lebenswille, dessen Energien zündend überspringen und deren Kraft man sich nicht entziehen kann.“ Besonderes hob der Rezensent hervor, dass die „Klanglichkeit (…) von ungewohnter volksliedhafter Einfachheit“ sei, „keinerlei klangliche Experimente stören die Geschlossenheit und den klaren Aufbau“, das Publikum habe die Vorstellung „mit außerordentlichem Beifall aufgenommen“.

Die „Carmina Burana“ stand von Anfang 1938 bis 1939 am Spielplan der Frankfurter Oper, wurde Ende 1938 auch in Bielefeld aufgeführt und fand begeisterte Presse. Weitere, auch konzertante Aufführungen, gab es in Mainz, Leipzig, Wuppertal und Dresden, wo die szenische Inszenierung am Staatstheater Dresden unter Dirigent Karl Böhm im Oktober 1940 ein besonders positives Echo fand.

Nach 1945 war es eine der Orff’schen Entlastungsstrategien, zu behaupten, die „Carmina Burana“ sei von 1936 bis 1940 de facto verboten gewesen und für „unerwünscht“ erklärt gewesen.

Anfang 1941 dirigierte Herbert von Karajan die „Carmina Burana“ in Aachen, Ende 1941, nahm er, der nach Berlin gewechselt war, sie dort ins Programm auf, sie wurde bis Juni 1942 an der Berliner Staatsoper 17 Mal aufgeführt. Später debütierte das Werk noch an der Mailänder Scala, an der Wiener Staatsoper und an der Bayerischen Staatsoper.

 

Ersatzmusik für den Sommernachtstraum

Der Generalintendant der Frankfurter Bühnen Meissner schlug Oberbürgermeister Dr. Friedrich Krebs im April 1938 vor, Orff mit der Komposition der Musik für Shakespeares „Sommernachtstraum“ zu beauftragen, auf dessen Aufführung er nicht verzichten wollte, aber wegen des rassistisch motivierten Aufführungsverbots für Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy keine musikalische Begleitung zur Verfügung stand. Orff nahm den Auftrag an und stellte sich damit in den Dienst der Verdrängung der Jüdinnen und Juden aus dem kulturellen Leben.

Orff schrieb an den Frankfurter Oberbürgermeister Krebs: „Ich empfing heute mit großer Freude die Auftragserteilung zu einer Musik zu Shakespeares Sommernachtstraum durch Herrn Generalintendanten Meissner, und ich danke Ihnen außerordentlich für das wiederum bewiesene Vertrauen. Ich freue mich sehr, die handschriftliche Partitur nach Fertigstellung der Arbeit der Stadt Frankfurt am Main übergeben zu können, denn ich verdanke der Stadt und damit Ihnen, sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, eine entscheidende künstlerische Förderung und bin glücklich, dass ein weiteres Werk von mir in Ihrem Theater zur Aufführung kommen soll“.

Nach 1945 verwies Orff in diesem Zusammenhang auf seine früheren, schon 1917 unternommenen Kompositionsversuche zum Sommernachtstraum. In der Literatur wird häufig zu Orffs Gunsten angenommen, er sei sich der symbolischen Bedeutung nicht bewusst gewesen, andere Komponisten wie Hans Pfitzner hatten die Schaffung einer „arischen“ Ersatzmusik jedoch abgelehnt.

 

Verhältnis zur NSDAP

Carl Orff hatte in der NSDAP keinerlei Ämter oder Funktionen inne, er stellte auch nie einen Aufnahmeantrag. Er war lediglich berufsbedingt Mitglied der Reichsmusikkammer und meldete sich zur Verwertung seiner Operntexte 1943 auch bei der Reichsschrifttumskammer an. Er war auch Mitglied des Verbands deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten. Seine Großmutter mütterlicherseits, Fanny Kraft, war eine katholisch getaufte Jüdin, nach den Nürnberger Gesetzen war Orff somit „Vierteljude“, was der Komponist jedoch nie thematisierte und was im Nationalsozialismus nicht zwingend Nachteile bedeutet hätte, einzig eine Parteimitgliedschaft wäre schwerlich zu erlangen gewesen.

Ab 1941 war Carl Orff durch einen Subventionsvertrag mit der Wiener Gauleitung abgesichert. Im Auftrag von Gauleiter Baldur von Schirach, mit dem sich Orff laut Kater auch privat gut verstand, schloss dessen Kulturreferent Walter Thomas einen Werkvertrag mit Orff ab, der diesem monatlich 1000,- RM sicherte und der Wiener Staatsoper dafür das Vorkaufsrecht für alle in der Zeit ab 1. April 1942 entstehenden Werke zusicherte. Als erstes Werk für Wien schlug Orff seine Oper „Antigonae“ vor. Bis Kriegsende nahm Orff so 36.000,- RM ein. Laut Rösch sei dieser Vertrag jedoch „nicht eingehalten“ worden, da es zu keinen Ur- oder Erstaufführungen in Wien kam, was jedoch keine Vertragsbedingung gewesen zu sein scheint. Durch die Verbindung mit Wien ergab sich Anfang 1942 in Anwesenheit von Gauleiter von Schirach auch eine gemeinsame Aufführung der „Carmina Burana“ mit Werner Egks „Joan von Zarissa“ an der Wiener Staatsoper sowie im Mai 1942 ebendort eine erneute Aufführung im Rahmen einer „Woche zeitgenössischer Musik“.

Im Mai 1942 wandte sich der Gauschulungsleiter der NSDAP-Gauleitung München, Karlmaria Stadler, mit der Bitte einer politischen Beurteilung von Carl Orff an das Gaupersonalamt, die das zwiespältige Verhältnis der Partei zum Komponisten zeigt: „Ich bitte um möglichst erschöpfende Beurteilung des Komponisten Carl Orff. Im vorliegenden Fall ist uns lediglich mit einer möglichst ausführlichen Stellungnahme zu Orff in politischer, weltanschaulicher und charakterlicher Hinsicht gedient. Er wird als Komponist in immer stärkerem Maße herausgestellt und gerade von jenen Kreisen gefeiert, die auch heute noch als weltanschauliche Gegner anzusehen sind. Bei unserer Dienststelle bestehen Bedenken weltanschaulicher Art gegen das von ihm herausgegebene ‚Musik-Schulwerk’, und wir distanzieren uns auch von seinem musikalischen Schaffen. Die Erhebungen bitten wir vertraulich durchzuführen. Insbesondere sind Feststellungen darüber wichtig, ob Orff Parteigenosse ist, bezw. ob er einer Gliederung der NSDAP., angehört und ob er sich überhaupt jemals im Sinne der NSDAP. betätigt hat. Da für unsere Anfrage ein aktueller Anlaß vorliegt, sind wir für eine rasche Beantwortung verbunden.“ Das Gaupersonalamt fragte hierzu die Ortsgruppe Marsplatz an, die Orff, der keinerlei Mitgliedschaften vorzuweisen hatte, in Hinsicht auf sein Verhalten als „gut und einwandfrei“ bezeichnete und zusammenfasste: „Gegen die politische Zuverlässigkeit bestehen keine Bedenken. Orff ist immer sehr viel auf Reisen, und widmet sich ganz der Kunst.“ Das Gaupersonalamt fasste für das Gauschulungsamt die Erhebungen zusammen: „Orff ist nach den hier vorliegenden Unterlagen weder Mitglied der NSDAP., noch einer ihrer Gliederungen oder angeschlossenen Verbände. Er tritt in politischer Hinsicht in keiner Weise in Erscheinung. Tatsachen, die auf eine Gegnerschaft schliessen lassen, sind nicht bekannt geworden.“

Im Juni 1942 ging erneut eine Anfrage um politische Beurteilung, diesmal von der Parteikanzlei, bei der Münchner Gauleitung ein, sie betraf neben Orff auch dessen Kollegen Werner Egk. Angefragt wurde eine „eingehende politische und charakterliche Beurteilung, die auch deren politisches Vorleben und künstlerisches Jugendschaffen erhellen sollte“. Die Beurteilung nahm diesmal die Ortsgruppe Gräfelfing vor, wo Orff auch einen Wohnsitz hatte und war wohl nicht besonders erhellend: „Orf (sic) lebt hier sehr zurückgezogen. Er bwohnt (sic) das Haus seiner Schwiegermutter Willert, die als vermögend bezeichnet wird. Genannter hält sich viel in München auf und soll dort auch noch eine andere Wohnung haben. Am Orte betreibt er hauptsächlich musikalisches Studium. (komponieren) Politisch tritt er nicht in Erscheinung. Nachteiliges über ihn ist nicht bekannt.“ Diese Anfrage stand möglicherweise in Zusammenhang mit dem ihm im Sommer 1942 zugeteilten staatlichen Zuschuss von 2000,- RM, die er vermutlich als Ausgleich für kriegsbedingt einbrechende Tantiemen erhielt.

Neben dem anhaltenden Erfolg der „Carmina Burana“ wurden in der NS-Zeit u. a. auch seine Märchenoper „Der Mond“, die Parabel „Die Kluge“ und die „Carmina Burana“-Fortsetzung „Catulli Carmina“ aufgeführt, die Pressebesprechungen waren bis 1941 durchaus divers vom Lob bis zu Verissen, wobei letztere meist eine „Primitivität“ der Musik herausstellten. Im Jahr 1941 wies das Propagandaministerium die Kunstredakteure an, Orffs Aufführungen positiv zu besprechen. Als Ausdruck des Ansehens Orffs bei der Staatsführung wurde er 1944 auf die so genannte „Gottbegnadeten“-Liste der wichtigsten Komponisten gesetzt. Goebbels soll ihm angeboten haben, eine „Kampfmusik“ für den Einsatz in der Deutschen Wochenschau zu komponieren.

 

Entnazifizierung

Nach 1945 fand sich Carl Orff zunächst auf der „Schwarzen“, dann auf der „Grauen Liste“ der US-Militärregierung, auch für den Rundfunk der Sowjetischen Besatzungszone war er bis August 1947 gesperrt. Um wieder auftreten zu können, benötigte Orff somit eine Herabstufung. Er war mit einem zuständigen Control Officer in Baden-Württemberg, Newell Jenkins, bekannt, der ein ehemaliger Orff-Schüler war und mit dem er sich vor der Anhörung bei der Entnazifizierungskommission austauschte. Laut Kater, der Jahrzehnte später ein Interview mit Jenkins führte, habe Orff gegenüber Jenkins behauptet, er habe mit Kurt Huber, den er privat kannte, sich tatsächlich aber nie politisch mit ihm auseinandergesetzt hatte, zusammengearbeitet und eine Jugendgruppe gegründet, womit er eine Beteiligung an der Widerstandsgruppe der Weißen Rose insinuiert hätte. Bei Orffs Überprüfung in Bad Homburg Mitte 1946 kam diese Episode allerdings nicht zur Sprache, wie auch Kater später ausführte. Orff führte zu seiner Entlastung lediglich aus, er habe mit der „Carmina Burana“ erst ab der Aufführung in Mailand 1942 Erfolg gehabt, berief sich bezüglich seiner Ersatzmusik für den „Sommernachtstraum“ auf künstlerische Aspekte seiner Kompositionsversuche für das Stück seit 1917 und darauf, dafür keinen Befehl erhalten zu haben und er behauptete, dass man im Propagandaministerium keine gute Meinung über ihn gehabt habe und er nie positive Kritiken erhalten habe. Das reichte, um ihn als akzeptabel einzustufen, womit er wieder als Komponist und Orchesterleiter arbeiten konnte. Da die Episode über die „Weiße Rose“ nie aktenkundig und von Orff nicht öffentlich aufgestellt wurde, ist letztlich irrelevant, ob sich die von Jenkins gegenüber Kater berichtete Episode so zugetragen hat oder ob es sich um ein Missverständnis handelte. Ob sie damit „eindeutig widerlegt“ ist, wie Rösch und Rathkolb ausführen, ist letztlich nicht entscheidend. Orff kannte Huber, dürfte aber nichts über dessen Tätigkeit in der „Weißen Rose“ gewusst haben. Kater hat jedenfalls der Aussage von Jenkins eine zu hohe Relevanz beigemessen. Nach Einschätzung von Rathkolb entsprach Orffs Verhalten dem eines „passiven Antinazis“, obwohl er „schon allein durch seine Beschäftigung mit dem Volkslied sehr nahe an der Ideologie dran gewesen“ wäre.

Als im Juli 1947 der Berliner Rundfunk, Hauptabteilung Musik bei der Entnazifizierungskommission für Kulturschaffende nachfragte, welche Informationen über Carl Orff vorlägen, konnte lediglich berichtet werden, dass es keinerlei Unterlagen über Orff in der Parteikartei gäbe.

 

Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit begann Carl Orffs Beziehung zu Salzburg. Seine Oper „Antigonae“ feierte 1949 bei den Salzburger Festspielen ihre Uraufführung. Damit setzten die Festspiele ihre 1947 begonnene „Linie einer nach der politischen Zäsur des Nationalsozialismus revidierten, der Neuen Musik gegenüber aufgeschlossenen Programmpolitik“ fort, was von der Lokalpresse wenig wohlwollend aufgenommen wurde. Das „Salzburger Tagblatt“ bemängelte etwa das „eintönige Geplärre“ und „endlose Fingerübungen von zwei bis vier immer gleichbleibenden Noten“. Im Jahr 1973 wurde auch Orffs letztes Bühnenwerk, „De temporum fine comoedia“, im Rahmen der Salzburger Festspiele erstmals aufgeführt.

Eine besondere Beziehung pflegte Carl Orff zur Salzburger Musikausbildungsstätte Mozarteum. Er gab Rhythmik-Kurse, lehrte an der Internationalen Sommerakademie Mozarteum und gründete gemeinsam mit dem Präsidenten des Mozarteums, Eberhard Preußner, 1961 das Seminar und die Zentralstelle für das Orff-Schulwerk an der Akademie Mozarteum sowie 1963 das Orff-Institut. Orff wurde 1960 zum Ehrenmitglied der Hochschule Mozarteum ernannt.

Carl Orff lehrte von 1950 bis 1960 Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in München, publizierte eine Neuausgabe seines Schulwerks, das er weltweit popularisierte, arbeitete an neuen Bühnenwerken sowie an einer Dokumentation seines Gesamtwerkes.

Carl Orff wurde oftmals ausgezeichnet und gewürdigt, so 1956 als Mitglied der Friedensklasse des Ordens Pour le mérite, er erhielt die Ehrendoktorwürden der Universitäten Tübingen (1959) und München (1972). 1972 wurde ihm das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland verliehen, 1974 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und der Guardini-Preis der Katholischen Akademie Bayern.

Carl Orff starb am 29. März 1982 in München, er wurde auf eigenen Wunsch in der „Schmerzhaften Kapelle“ der Klosterkirche Andechs beigesetzt.

 

Straßenbenennung

Der Gemeinderat der Stadt Salzburg beschloss in seiner Sitzung vom 17. März 1993 einstimmig die Benennung der „Carl-Orff-Straße“ in Leopoldskron.