Prof. Franz Ledwinka
Pianist, Dirigent, Komponist, Klavierlehrer am Mozarteum, Direktor des Mozarteums 1914–1917
* 27. Mai 1883 in Wien
† 21. Mai 1972 in Salzburg
Straßenbenennung: Ledwinkastraße, beschlossen am 16. Juli 1979
Lage: Parsch; von der Dr.-Petter-Straße nach Westen gegen die Bahntrasse abzweigend.
Am 27. Mai 1883 kam Franz Ledwinka in Wien als Sohn des aus Südböhmen zugezogenen Schneidermeisters Wenzel Ledwinka und seiner Frau Anna, geborene Tischer, zur Welt. Aufgrund der fortwährenden Krankheit seines Vaters wuchs er als jüngstes von drei Kindern in bescheidenen Verhältnissen auf, das Milchgeschäft der Mutter in der Berggasse musste die Familie ernähren. Nach der Schubert- und Staatsbürgerschule schrieb er sich 1897 am Wiener Konservatorium ein und erhielt bis 1901 Klavier-, Violoncello- und Musiktheorie-Unterricht, den er sich mit dem Spielen von Zwischenaktmusiken im Theater an der Josefstadt finanzierte. Mit 17 Jahren nahm Ledwinka als Cellist und Pianist an der Europafahrt von Johann Strauß III. teil, dem Sohn von Eduard Strauß und Neffen des berühmten gleichnamigen Komponisten. In den folgenden Jahren führten ihn musikalische Auftritte quer über den Kontinent, von Istanbul bis Großbritannien.
Konzertmeister und Lehrer am Mozarteum
Nachdem Ledwinka als Pianist bereits seit der Jahrhundertwende in Salzburg aufgetreten war, wurde der 24-Jährige unter 80 Bewerbern von der Internationalen Stiftung Mozarteum ausgewählt und mit 1. Februar 1907 als Klavierlehrer an der Musikschule Mozarteum angestellt. Dass er zugleich zum Konzertmeister – vergleichbar einer heutigen Universitätsprofessur – bestellt und damit in die höchste der drei damals üblichen Besoldungsgruppen eingereiht wurde, lässt auf die hervorragende fachliche Qualität von Franz Ledwinka schließen. Paul Graener, Direktor der Musikschule von 1911 bis 1914, schrieb in einem Exposé zum Stand und zur weiteren künstlerischen Entwicklung des Mozarteums, es „ist nicht zu leugnen, dass z. B. unsere Klavierschule gegenwärtig nur eine bedeutende Lehrkraft, in der Person des Konzertm[eisters] Ledwinka besitzt“. Nur wenige Jahre nach seiner Berufung an das Mozarteum vertrat Ledwinka nach dem Abgang von Paul Graener ab Februar 1914 den Lehrkörper der Musikschule innerhalb des Dreierdirektoriums, das neben dem Pianisten aus Josef Huttary für den Schulausschuss und Dr. Robert Hirschfeld bzw. Dr. Eugen Schmitz als Schulleiter bestand. Ab 1915 zeichneten Ledwinka und Huttary für die Führung des Hauses verantwortlich. In den folgenden Monaten war der Pianist immer wieder für den alleinigen Leiterposten im Gespräch, diese Personalie scheiterte aber letztlich an den Einwänden der einflussreichen Wiener Mozartgemeinde und an der daraus resultierenden Entscheidung des Ministeriums für Unterricht und Kultus, das Dr. Bernhard Paumgartner 1917 zum Direktor des seit Sommer 1914 als Konservatorium geführten Mozarteums bestellte. Wohl nicht zuletzt aufgrund dieser Zurücksetzung engagierte sich Ledwinka nach Ende des Ersten Weltkriegs vorübergehend verstärkt außerhalb des Mozarteums. Er zeichnete in der in Salzburg publizierten Zeitschrift „Kunst- und Kulturrat. Blätter für die neue Zeit“ in den ersten vier Nummern von Februar bis Mai 1919 für die musikbezogenen Beiträge verantwortlich. Das Periodikum wurde von der „Freien Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Kultur“ herausgegeben, der Schriftsteller Joseph August Lux war Präsident dieser Arbeitsgemeinschaft und gemeinsam mit Ledwinka und dem Architekten Georg Schmidhammer Herausgeber der Zeitschrift. Dass sich die Monatsschrift gegen Paumgartner und seine Amtsführung am Salzburger Mozarteum wandte, ohne den Direktor dabei beim Namen zu nennen, wurde bereits im ersten Heft deutlich. Im nicht gezeichneten, vermutlich aus der Feder von Lux und Ledwinka stammenden Artikel „Probleme der Theaterkultur“ stand über die von Paumgartner initiierte Zusammenarbeit zwischen der Musikschule und dem Salzburger Stadttheater zu lesen: „Wenn hier in Salzburg der Plan auftaucht dem Theater dadurch aufzuhelfen, daß man die Schülerkräfte des Mozarteums heranzieht wie bei den jährlichen Schulopern, so ist dagegen aus gewichtigen Gründen manches zu sagen. Denn an Schulopern muß ein unkritischer Maßstab gelegt werden, ganz abgesehen davon, daß die Schülerkräfte zu solchen Zwecken nicht ausgenützt werden können, wenn je das Mozarteum dafür zu haben wäre, weil dort die Hauptsache der Unterricht und die zuchtvolle Ausbildung ist, nicht aber dilletierende Theaterspielerei, die das Institut schädigt und der Theaterentwicklung nichts nützt.“ Ledwinkas pädagogisches Verständnis ist in diesen Zeilen unüberhörbar, er führte es selbst in der gleichen Nummer weiter aus: „Der wahre Erzieher zur Musik muß unabhängig von doktrinären Lehrplänen und Schulmeisterei frei individualisierend verfahren können, mit tiefstem Respekt vor dem unantastbaren Heiligtum der Tonschöpfung. Diese Ehrfurcht muß er auf den Schüler zu übertragen wissen. Schärfstes Qualitätsurteil ist Voraussetzung und strengste Zucht, wenn auch die P. T. Mamas der Klavierzöglinge anderer Ansicht sind.“ Warum Ledwinka und Schmidhammer nach nur vier Nummern als Mitherausgeber der Zeitschrift ausschieden und ihre Mitarbeit einstellten, bleibt unklar. Möglicherweise gelang es Paumgartner, die Wellen zu glätten und sich teilweise mit Ledwinka auszusöhnen, indem er den Pianisten zum Ersten Kapellmeister der Mozarteums-Opern machte.
Am Mozarteum hielt Franz Ledwinka neben dem Klavier- und Klavierensemble-Unterricht – insbesondere zu Beginn seiner Karriere in Salzburg – auch Kurse über Harmonielehre, Allgemeine Musiklehre, Stunden für Fingergymnastik nach Rittes Energetos sowie einen Künstlerkurs. Außerdem trat er ab November 1906 gemeinsam mit Irene Streitenfels (Violine) und Gustav Schreiber (Cello) regelmäßig als Kammermusik-Trio auf; zusammen mit Fritz Römisch und Willy Schweyda bildete er ab 1918 das Mozarteums-Trio. Diese Formation präsentierte ihr Können auch außerhalb Salzburgs, u. a. beim Salzburger Kulturmonat in Linz, wo die Künstler*innen im Juni 1919 im Palais Kaufmännischer Verein auftraten. Nicht nur als Pianist war Ledwinka aktiv, auch als Dirigent stellte er sich dem Salzburger Publikum vor. So leitete er von 1913 bis 1917 die Orchesterkonzerte der Stiftung Mozarteum und dirigierte von 1920 bis 1922 abwechselnd mit Bernhard Paumgartner die Mozarteums-Opern am Salzburger Stadttheater (heute Salzburger Landestheater). Und schließlich trat Ledwinka, der 1925 den Berufstitel Professor verliehen bekam, als Komponist von rund 200 Werken aller Gattungen, vornehmlich Liedern, hervor. Zuvorderst aber war Franz Ledwinka ein begeisterter und begeisternder Pädagoge, wie sowohl aus zeitgenössischen Quellen als auch aus den Erinnerungen seiner Schülerinnen und Schüler deutlich wird. Zu ihnen zählen u. a. Meinhard von Zallinger, Paul Schilhawsky, Otmar Suitner, Gilbert Schuchter, Rosa Wincor und Gerhard Wimberger. Sein bekanntester Student war Herbert von Karajan, der im Alter von vier Jahren ab 1912 bei Ledwinka Klavierunterricht nahm. Anlässlich des 100. Geburtstages erinnerte sich Karajan an seinen einstigen Lehrer: „Ich glaube, es ist nicht zu viel gesagt, wenn ich bekenne, daß die ganzen Grundlagen der Musikinterpretation und alles, was mit dem Stil und dem Formgefühl zusammenhängt, in Wirklichkeit von ihm gelegt sind. Der zwölfjährige, sehr enge Kontakt und die Bewunderung, die ich für ihn hatte, haben mir etwas gegeben, was weit über einen normalen Musikunterricht hinausgeht. Besonders die Art, wie er dies alles vermittelte, nicht als einen trockenen Lehrstoff, sondern als eine freundschaftliche Beratung, die fast Suggestion genannt werden könnte, die ich mein ganzes Leben ihm zu danken habe.“
Über seine Lehrtätigkeit am Mozarteum hinaus führte der passionierte Fotograf Ledwinka im Oktober 1922 mit seinen „Samstag-Abenden“ bzw. seinen „Lichten Sonntagen“ eine Neuerung im Salzburger Kulturleben ein. Diese Veranstaltungen verbanden musikalische Darbietungen und Lesungen mit der Vorführung von selbst angefertigten Fotografien. Nicht zuletzt erhoffte Ledwinka sich davon, die Jugend vom Kino- in den Konzertsaal zu locken. „Kann man der Kinobesuche (sic) wirksamer begegnen, als durch edle Belehrung mit unterhaltender Geste geboten?“ Im März 1926 konnte bereits der 100. „Lichte Sonntag“, im November 1935 der 200. gefeiert werden.
NS-Zeit
Der Name Franz Ledwinka taucht im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich und damit auch in Salzburg im März 1938 nicht an exponierter Stelle auf, eine illegale Tätigkeit des Klavierprofessors für die seit Juni 1933 verbotene österreichische NSDAP wurde in zeitgenössischen Quellen nicht erwähnt. Fakt ist, dass Ledwinka als NSDAP-Mitglied die Nummer 6.345.066 zugewiesen bekam, eine Mitgliedsnummer aus dem „Illegalenblock“, der für in den Jahren 1933 bis 1938 aktiv gewesene Nationalsozialist*innen reserviert war. Nach dem Krieg gab Ledwinka an, vor 1938 lediglich Mitglied der Vaterländischen Front und des Deutschen Schulvereins gewesen zu sein. Die Gau- und die Zentralkartei der NSDAP, die heute im Bundearchiv Berlin lagert und dort der Forschung zugänglich ist, enthalten keinen Eintrag und keine Unterlagen zu seiner Person.
Beruflich änderte sich für Franz Ledwinka nach dem „Anschluß“ zunächst nichts, er blieb, was er seit Februar 1907 war, nämlich Professor für Klavier am Konservatorium Mozarteum. Die nationalsozialistischen Kulturpolitiker hatten jedoch große Pläne mit der Musikausbildungsstätte in der Geburtsstadt Mozarts. Der Direktor des Mozarteums, Bernhard Paumgartner, wurde im März 1938 seines Amtes enthoben. Ein Brief der Lehrenden des Konservatoriums, der auch von Franz Ledwinka unterzeichnet worden war, hatte ebendiese Maßnahme unterstützt, wobei im Schreiben weniger Paumgartners politische Haltung als vielmehr seine Amtsführung am Mozarteum und seine Vereinnahmung des öffentlichen musikalischen Lebens in Salzburg kritisiert wurden. Der Domorganist und Parteigenosse Franz Sauer führte kommissarisch die Geschäfte des Mozarteums bis September 1939. Mit Wintersemester 1939/40 übernahm der Dirigent Clemens Krauss die Gesamtleitung des Hauses, das eine weitreichende Umstrukturierung erfuhr: Aus dem Konservatorium wurde eine dreigliedrige Ausbildungsstätte, die Studierenden wurden entsprechend ihrem Alter und ihrer Begabung der Hochschule (Leitung: Clemens Krauss), der Fachschule (Leitung: Eberhard Preußner) oder der Musikschule für Jugend und Volk (Leitung: Cesar Bresgen) zugeteilt. Vereinfachend gesprochen vereinte das Mozarteum also Universität, Musikschullehrerausbildung und Musikschule unter einem Dach. Einher mit diesem Umbau, der gleichzeitig auch formalrechtlich eine Aufwertung durch die Etablierung einer Hochschule in Salzburg bedeutete, ging eine enorme Ausweitung des Personalstandes für die drei Ebenen. „Für die Hochschule wurden zum Teil hervorragende Künstler engagiert. In den Fächern, wo dies geschah, mußten selbst die bewährtesten bisherigen Lehrkräfte wie Ledwinka, Scholz und Müller die Zurückstufung in die Fachschule hinnehmen.“ So übernahmen die Professorin und Parteigenossin Elly Ney und ihr künstlerischer Mitarbeiter Walt(h)er Lampe die Klavierausbildung an der Hochschule, Franz Ledwinka musste seine begabtesten Schüler*innen an Ney und Lampe abgeben.
In den betreffenden Jahresberichten des Mozarteums und in Zeitungsmeldungen von März 1938 bis Mai 1945 fand Franz Ledwinka beinahe ausschließlich Erwähnung als ausführender Musiker im Rahmen von Konzerten in der Stadt Salzburg, als Lehrer von Schüler*innen des Mozarteums, die einerseits öffentliche Auftritte absolvierten oder Abschlussprüfungen ablegten oder andererseits in ihren Berufen reüssierten. Dies galt insbesondere für Herbert von Karajan und Gilbert Schuchter. Und nicht zuletzt wurde Franz Ledwinka als Komponist von Liedern, die in jenen Jahren zur Aufführung kamen, genannt. Häufig handelte es sich hierbei um Weihnachtslieder, die vom Salzburger Domchor im Rahmen der Feierlichkeiten im Dom aufgeführt wurden.
Vereinzelt trat Franz Ledwinka für die NSDAP bzw. ihre oder ihr nahestehende Organisationen auf. Anlässlich des „Tages der Nationalen Solidarität“, den das NS-Winterhilfswerk seit 1934 jährlich veranstaltete und bei dem die Spendensammlung im Mittelpunkt stand, spielte das Ledwinka-Kammerquartett am 3. Dezember 1938 im Stadtsaal des Festspielhauses. Die 3. Feierstunde der NSDAP-Ortsgruppe Schallmoos West im Hotel Wolf Dietrich eröffnete Franz Ledwinka am 10. März 1941 musikalisch gemeinsam mit Max Lallinger mit der Bratschen-Sonate des englischen Komponisten Henry Eccles. Außerdem begleitete er an diesem Abend Franz Scherkamp, den Bassisten des Salzburger Landestheaters, am Klavier. Im Mozartjahr 1941 fanden in der Stadt Salzburg die Konzerte zum „Tag der Deutschen Hausmusik“ statt, bei denen Franz Ledwinka mit seinem Quartett vor „Beamten und Angestellten des Reichspropagandaamtes“ im Hotel Mirabell auftrat. Der Abend stand unter dem Motto „Unsterbliche Romantik“. Und schließlich wirkte er wenige Wochen, nachdem er das 35-jährige Dienstjubiläum am Mozarteum begangen hatte, am 29. März 1942 bei der Weihestunde „Deutsche Schicksalshaltung“ mit, die vom Gaupropagandaamt und vom Gauschulungsamt der Salzburger NSDAP anlässlich des 115. Todestages von Ludwig van Beethoven organisiert und im Großen Saal des Mozarteums abgehalten wurde. Den politideologischen Ausführungen von Propagandaleiter Dr. Heinz Wolff folgten die musikalischen Darbietungen, darunter die Aufführung von Beethovens Klavierquartett Es-Dur durch Ledwinka und drei Kollegen.
Weiterführen konnte Franz Ledwinka seine allseits beliebten Lichtbildveranstaltungen mit Text und Musikbegleitung, die zunächst als Gemeinschaftsstunden des Mozarteums abgehalten wurden, später als Veranstaltungen der Hauptstelle für Kultur in Zusammenarbeit mit der NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘. Ab Oktober 1942 waren sie schließlich als „Kammerkunstabende“ angekündigt, organisiert von der Deutschen Arbeitsfront, NS-Gemeinschaft ‚Kraft durch Freude‘. Häufig waren als Sängerin Margarethe / Grete Schwab und als Vorführerin Maria Kinschel an den Veranstaltungen beteiligt.
Folgende Abende können anhand von Zeitungsberichten und den Jahresberichten des Konservatoriums bzw. der (Reichs-)Hochschule für Musik Mozarteum für die NS-Zeit nachgewiesen werden:
- „Anton Bruckner. Ein Künstlerleben in Wort, Bild und Werk“, 10. Oktober 1939
- „Aus der Glanzzeit des Altwiener Musiklebens“, 3. Dezember 1941
- „Salzburg in Wort, Bild, Lied und Musik“, 27. März 1942
- „Frühlings-Symphonie“, 24. April 1942
- „Das Land am Nibelungenstrom. Eine Donauwanderung“, 23. Oktober 1942
- „Wo die Enns rauscht“, 11. Dezember 1942
- „Traum vom alten Wien“, Jänner 1943
- „Wanderung durch den Ahnengau des Führers“, Februar 1943
- „Theodor-Storm-Abend“, 13. März 1943
- „Wiener Biedermeier“, April 1943
- „Musik am Abend“, Mai 1943
- „Wanderung durch Alt-Wien“, 14. Oktober 1943
- Titel unklar, 18./19. November 1943 (im Rahmen der Hausmusiktage)
- „Peter Rosegger“, 17. Dezember 1943
- „Salzburg, das Wunderland der Ostmark“, 13. Jänner 1944 – gleichzeitig der 250. Kammerkunstabend
- „Frühling in Salzburg“, 10. Februar 1944
- „Ferdinand Raimunds Zauberwelt“, 9. Februar 1944
- „Traunzauber“, 13. April 1944
- „Im Land der blauen Blume“, 18. Mai 1944
Franz Ledwinka wohnte seit 1917 zur Untermiete bei Maria Kinschel, der Helferin bei seinen Abenden, in einer Wohnung in der Bayerhamerstraße 21. Nach einem Bombentreffer am Haus zog er am 17. November 1944 in die Ludwig Zeller-Straße 23, wo er sich am 22. Dezember 1944 offiziell anmeldete. Quartiergeberin des Zimmers, das er für 25,- Schillinge im Monat zur Untermiete bezog, war Margarethe Schwab, die Ledwinka am 23. Juli 1947 vor dem Standesamt Salzburg ehelichte. Zum Zeitpunkt seines Umzugs war der Lehrbetrieb an der Reichshochschule Mozarteum bereits eingestellt, nach Ende des 5. Kriegsschuljahres im Juli 1944 wurde der Unterricht im September nicht wieder aufgenommen. Auf Anordnung des zuständigen Reichsministers Dr. Bernhard Rust vom 20. Oktober 1944 wurden sämtliche Kunst- und Musikhochschulen vorübergehend stillgelegt, die Räumlichkeiten gingen in die Verwendungshoheit der jeweiligen Reichsverteidigungskommissare über.
Entnazifizierung
Der Unterrichtsbetrieb am Mozarteum wurde nach Kriegsende am 8. Oktober 1945 wieder aufgenommen. Franz Ledwinka gehörte – mit krankheitsbedingten Unterbrechungen – vom Schuljahr 1945/46 bis zum 31. Dezember 1948 dem Lehrkörper als Professor für Klavier an. Nach seiner Ruhestandsversetzung stellte er sich „trotz seiner angegriffenen Gesundheit auch weiterhin für einige Lehrstunden zur Verfügung“. Wann genau er seinen endgültigen Abschied vom Mozarteum nahm, geht aus den Unterlagen und Publikationen nicht hervor.
Über die politische Einstellung von Franz Ledwinka, seine Haltung zum NS-Regime und seine Handlungen in den Jahren 1938 bis 1945 geben die (Behörden-)Akten der unmittelbaren Nachkriegszeit am umfangreichsten Auskunft. Als ehemaliges Mitglied der NSDAP füllte der Klavierpädagoge am 18. Jänner 1946 in doppelter Ausfertigung vorschriftsmäßig den Fragebogen (Ausgabe C) der Landeshauptmannschaft Salzburg aus. Darin gab er an, im Oktober 1938 um Aufnahme in die Partei angesucht zu haben und rückwirkend zum 1. Mai 1938 mit der Nummer 6.345.066 aufgenommen worden zu sein. Auf die Frage, ob ihm eine Parteikarte oder ein Parteibuch ausgehändigt worden war, antwortete er: „Mein Interesse an dieser Angelegenheit war so gering, daß meine ehemalige Wirtin [Maria Kinschel; Anm. d. Verf.] alles in Empfang genommen und die Beiträge gezahlt hat und ich darum gar nicht weiß, ob Parteibuch oder Parteikarte.“ Und bei der Frage, ob er das Parteiabzeichen getragen habe, notierte er, er habe dies „anfangs bei offiz. Schulveranstaltungen, später nicht“ mehr getragen. Er wäre aus diesem Grund und weil er den deutschen Gruß verweigert, Parteiveranstaltungen nicht besucht und sich nicht politisch betätigt habe, vor das Parteigericht zitiert worden, wobei weder damals Ledwinka hierfür Unterlagen vorlegte noch heute ein auf Akten basierender Nachweis erbracht werden kann. Der Pianist gab weiters an, er habe „österreichische Propaganda durch eine Reihe von Kulturvorträgen bis zu ihrem Verbot 1944“ betrieben. Worin diese „österreichische Propaganda“ bestanden habe, hatte er bereits in einem Schreiben an die Polizeidirektion Salzburg vom 15. Dezember 1945, in dem er um Entregistrierung angesucht hatte, dargelegt: „Als der politische Anschluss Österreichs an das Reich im Jahre 1938 vollzogen war, war mein erster Gedanke, unter allen Umständen meine Schöpfungen als eine getarnte österreichische Propaganda durchzusetzen. Dazu musste ich vor allem Mitglied der Partei werden und hatte damit erst freie Bahn gewonnen. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Die Abende waren mit Zuhörern überfüllt und es war nicht zu leugnen, dass ich bald nur eine Gemeinde guter Österreicher zu Gast hatte. Da ich meine Werke ohne Überarbeitung zur Aufführung brachte, wurden sie bald von der Partei sabotiert und schliesslich (sic) zu Fall gebracht.“ Ledwinka bezog sich also auf seine Kammerkunstabende während der NS-Zeit, von denen er dem Schreiben Programme von zehn unterschiedlichen Abenden beigelegt hatte. Wenngleich Entlastungsargumente wie jene von Ledwinka vorgebrachten ebenso wie die Betonung der Österreichtreue in Entnazifizierungsverfahren mit größter Vorsicht zu beurteilen sind, stellten die Lichtbildvorträge mit Text und Musik eher eine Flucht in die ‚gute alte Zeit‘ Alt-Österreichs dar und dürften – zumindest laut den erhaltenen Programmen – wenig für NS-Propaganda geeignet gewesen sein. Die Liste der oben angeführten Titel legt diese Vermutung, die sich jedoch ex post nicht verifizieren lässt, nahe. Natürlich wollte Franz Ledwinka nach 1945 primär jeglichen Verdacht aus der Welt geräumt wissen, er wäre Nationalsozialist aus Überzeugung gewesen. Aus diesem Grund legte er den Ermittlungsbehörden zwölf Schreiben vor, die seine österreichpatriotische, kirchenfreundliche und antinationalsozialistische Haltung bestätigten. Die Gewährsleute waren der Primararzt Dr. Josef Wegleiter, Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe; Rudolf Ludwig, Seelsorger von Parsch; Verbandsdirektor Hans Branner; Ing. Brauneis; Stadtbaumeister Josef Winkler; Dr. Erhard Otto Drinkwelder, Benediktiner der Erzabtei St. Ottilien und Dozent an der theologischen Fakultät sowie am Mozarteum; Karl Hofmann; die Hauptschullehrerin und Sängerin im Domchor (gleichzeitig seine Vermieterin und baldige Ehefrau!) Grete Schwab; die Musiker und ehemaligen Schüler Franz Gmachl, Paul Schilhawsky und Gilbert Schuchter. Letzterer dürfte den eingesehenen Unterlagen zufolge mit seinen Ausführungen den historischen Abläufen wohl am nächsten kommen, wenngleich auch hier die üblichen rhetorischen und exkulpativen Übertreibungen zu finden sind: „Gewiss hat Professor Ledwinka ganz kurze Zeit am Anfang des ‚neuen Staates‘ eine Besserung erhofft, eine Besserung vor allem für uns, damals die musikalische Jugend, seine Schüler, für deren zunächst einmal rein wirtschaftliche Existenz er in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg genug schwere Sorgen erlebt hatte. Durch und durch Idealist, war Ledwinka imstande, zunächst von jeder Seite – und dadurch damals leider vom falschen Propheten – auch Gutes zu erwarten, bis er die dahinterstehende Unlauterkeit erkannte. Und damit wurde er überzeugter Gegner. (…) So kann ich in einem solchen Fall meine Zeugenschaft nicht anders als mit Wärme ablegen: Lebt doch in Franz Ledwinka etwas, was wir gerade heute hoch halten sollen: Ein Stück vom alten, musikalischen Wien, vom echten Österreich!“ Im März 1946 intervenierte schließlich der Schriftsteller Joseph August Lux bei Dr. Otto de Pasetti, dem Leiter der Theatre & Music Section der Information Services Branch der US-amerikanischen Besatzungsbehörde. Er kenne Ledwinka seit 25 Jahren und wisse, „dass er infolge des Nazidrucks nur ein harmloser Mitläufer war“.
In einer dem Gesamtakt beigelegten politischen Beurteilung durch die Landesverwaltung wurde Ledwinka mit dem Kürzel „H L“ belegt und damit in die ‚mildeste‘ der vier Registrierungskategorien eingereiht: „‚H‘ Personen, die Mitlaeufer der Partei oder ihrer Gliederungen und die Parteianwaerter waren (einfache Mitglieder oder Anwaerter ohne Taetigkeit und Nutzen); ‚L‘ Personen, die seit geraumer Zeit sich sichtlich aus innerer Ueberzeugung vom Nationalsozialismus abgewandt und sich von jeder Taetigkeit und Propaganda zurueckzogen haben.“ Ein wenig Aufschluss über diese Klassifizierung gibt ein Schreiben der Kommission zur politischen Untersuchung der Künstler an Otto de Pasetti, in dem es heißt, die „Kommission schlägt mit Stimmeneinheit vor, Prof. Ledwinka ab sofort für seine Lehrtätigkeit und seine Vortragstätigkeit wieder zuzulassen. Begründung: Da Prof. Ledwinka in der Nationalsozial. Kartei als blosser (sic) Mitläufer bezeichnet ist, ausserdem (sic) den Zusatzbuchstaben ‚L‘ trägt – d. h. er habe sich seit geraumer Zeit sichtlich aus innerer Überzeugung vom Nationalsozialismus abgewandt und sich von jeder Tätigkeit und Propaganda zurückgezogen – bestehen nach übereinstimmender Meinung der Kommission keinerlei Bedenken gegen L. Wiederauftreten. Ausserdem (sic) bestätigen namhafte Zeugen in übereinstimmender Weise seine ausgesprochen österreichische Einstellung.“ Unter das Schreiben der Kommission wurde mit einer anderen Schreibmaschine hinzugefügt „ZUGELASSEN ab 16. 5. 46. Bei Lehreren (sic) ist im allgemeinen ein strengerer Massatb (sic) anzuwenden als sonst. 3. 3. 46“, Otto de Pasetti setzte darunter seine Unterschrift.
Der im Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 vorgeschriebenen Registrierung kam Franz Ledwinka am 29. Mai 1946 nach, als er bei der für ihn zuständigen Kartenstelle in Aigen das entsprechende Meldeblatt abgab. Darin führte er erneut an, vom „Mai 1938 bis zum Umbruch“ NSDAP-Mitglied gewesen zu sein. Beigefügt übermittelte er ein „Gesuch um Entregistrierung“, in dem er auch seine „erworbene Mitgliedschaft im Dezember 1938 (rückwirkend bis zum 1. Mai)“, die ihn „zu keinerlei parteilicher Arbeit verpflichtete“, erwähnte. Er verwies 1. auf seine österreich-patriotische Arbeit während der NS-Zeit und fügte 2. hinzu: „Die Untersuchungskommission hat meine negative Einstellung zur NSDAP erkannt, mich rehabilitiert und mich mit allen Rechten wieder in meinen Beruf eingesetzt. 3. hat mich der amerikanische Exponent für künstlerische Fragen, Herr Dr. Otto de Pasetti, für mein uneingeschränktes, künstlerisches Wirken freigegeben.“
Im September 1946 richtete die Sonderkommission beim Landesschulrat eine Anfrage an die Bundespolizeidirektion Salzburg bezüglich der politischen Überprüfung von Franz Ledwinka. Die Behörde bestätigte zunächst die Mitgliedschaft des Klavierpädagogen in der Partei, eine „Funktion in der NSDAP hat Genannter nicht bekleidet“. Zur besseren Einschätzung gab der Referent der Bundespolizeidirektion an: „Mit Rücksicht auf das Aufnahmedatum, 1. 5. 1938 und die erhaltene Mitgliedsnummer wäre Ledwinka gemäss (sic) Erlass der Generaldirektion f. d. öffentliche Sicherheit (Bundesministerium f. Inneres) als: Altparteigenosse anzusehen. Bisher konnte jedoch der Nachweis nicht erbracht werden, dass Genannter vor 1938 der NSDAP nahe gestanden und diesertwegen (sic) bevorzugt aufgenommen wurde. L. wurde auch vom politischen Dreierausschuss als tragbar bzw. als Mitläufer beurteilt.“
Vor dem Hintergrund der seit Jahresmitte 1946 laufenden Beratungen über die Novellierung des Verbotsgesetzes verwundert aus historisch-wissenschaftlicher Perspektive, wie sich die politische Beurteilung der Person Franz Ledwinka im Spätherbst 1946 änderte. Am 6. November 1946 ging ein Schreiben der „Interimskommission zur Überprüfung der im Schauspiel- und Musikberuf Tätigen“ an den Nachfolger von Otto de Pasetti als Leiter der Theatre & Music Section, Dr. Ernst Lothar, in dem die Kommission „mit Stimmeneinheit“ vorschlug, „Prof. Franz Ledwinka bis zum Erscheinen bzw. Inkrafttreten des Nationalsozialistengesetzes das bereits erteilte Permit zu entziehen“. Der Vorsitzende der Kommission, Dr. Hosp (ein Beamter der Bundespolizeidirektion Salzburg), berief sich darauf, dass Ledwinka „als Altparteigenosse anzusehen“ ist, er „fällt somit in den Personenkreis des § 17 des Verbotsgesetzes. Stichhaltige Gründe zu seiner Entlastung kann er nicht angeben. Ausserdem (sic) ist Prof. Ledwinka nach Ansicht der Kommission als Lehrer ohne Schwierigkeiten zu ersetzen. Ein Wiederauftreten Prof. Ledwinkas würde wohl bei der Bevölkerung als auch im Auslande den ungünstigsten Eindruck hervorrufen.“ Mit anderen Worten: Während auf politischer Ebene über eine Milderung des Umgangs mit ehemaligen Nationalsozialist*innen verhandelt wurde, verlangte die in Salzburg tätige Kommission ein schärferes Vorgehen gegen den bereits wieder zugelassen Künstler. Ernst Lothar folgte dieser Aufforderung, denn zwei Tage später ging ein Schreiben der Interimskommission an Ledwinka, in dem ihm mitgeteilt wurde, die „Theater- und Musiksektion des amerikanischen Nachrichten-Kontrolldienstes (Information Services Branche) hat auf Grund des Überprüfungsergebnisses der Interimskommission entschieden, Ihnen das vorläufig erteilte Permit zu entziehen“. Der Betroffene legte bei Ernst Lothar in einem nicht erhaltenen Schreiben Protest gegen diese Maßnahme ein und fügte weitere Leumundszeugnisse bei, insbesondere jenes von Maria Kinschel, die laut Ledwinka „seine Parteizugehörigkeit ohne sein Zutun“ vermittelt hatte. Lothar, von 1919 bis 1925 österreichischer Staatsdiener im Handelsministerium in Wien und somit mit den Usancen der österreichischen Bürokratie bestens vertraut, spielte nun seinerseits die Angelegenheit „mit dem Ersuchen um Überprüfung und weitere Stellungnahme“ an die Interimskommission zurück. Auf eine Antwort musste er allerdings (vergeblich?) warten. In der Zwischenzeit erreichte ihn ein Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages, Franz Hell, der sich für Ledwinka verwandte. Laut Hell sei der Mozarteumsprofessor „seinerzeit nur aus Existenzgründen zur Partei beigetreten“, weshalb der Landtagspräsident Lothar bat, „Ihren Einfluß im Sinne einer Weiterverwendung des Herrn Prof. Ledwinka geltend zu machen“. Lothar drängte in Folge die Kommission, mit „Rücksicht auf diese Zuschrift und das der Kommission bereits übersandte Material“, um „eine neuerliche Überprüfung des Falles des Professors Ledwinka und um eheste Verständigung“. Auch Dr. Rudolf Hanifle, Leiter der Schul- und Kulturabteilung des Landes Salzburg und späterer Landesamtsdirektor, urgierte am 25. Jänner 1947 in Sachen Ledwinka bei Lothar, der in seinem Antwortschreiben mitteilte, „dass ich die Interimskommission wiederholt, zuletzt am 14. Jaenner 1947 gebeten habe, den Fall des Prof. Franz LEDWINKA auf Grund neuen, der Kommission zugaenglich gemachten Materials abermals zu ueberpruefen. Ich habe mein Salzburger Buero verstaendigt, dass Herr Prof. Ledwinka vorderhand bis zur Entscheidung der Kommission im Amte verbleiben kann.“ Mit diesem Schreiben endet die Aktenüberlieferung im Bestand des Landesschulrates. Beinahe zeitgleich erreichte ein Brief der Bundespolizeidirektion Salzburg die NS-Registrierungsstelle im Stadtmagistrat Salzburg, die ihrerseits in Bezug auf Franz Ledwinka um die „Feststellung der Illegalität im Sinne des Verbotsgesetzes“ nachgefragt hatte. „Der Grund, warum er mit 1. 5. 1938 mit der Mitgliedsnummer 6,345.066 aufgenommen wurde, ist ihm jedoch nicht bekannt. Vermutlich, gibt er an, war dies vom Sohn seiner Hausfrau namens Otto KINTSCHEL [recte: Kinschel] veranlaßt worden, da dieser Propagandaleiterstellv. bei der NSDAP war. Er hat ihn aber weder darum ersucht nocht (sic) sonst durch jemanden darum gebeten. Eine Illegalität stellt LEDWINKA in Abrede und behauptet, während der Verbotszeit weder für die NSDAP oder eine ihrer Gliederungen sich jemals betätigt zu haben.“ Für das weitere Verfahren entscheidend dürfte wohl der abschließende Satz gewesen sein: „Im Zuge der durchgeführten Erhebungen konnten auch keine Beweise über eine etwaige Illegalität des Obgenannten ermittelt werden, ebenso sind auch h.a. keine diesbezüglichen Unterlagen vorhanden.“ Franz Ledwinka war mit Maria und ihrem Ehemann Otto Kinschel befreundet, etliche Aufnahmen im Fotonachlass des Pianisten zeigen sie bei gemeinsamen Ausflügen. Otto Kinschel starb im April 1916 im Gefangenenlager Braunau am Inn im 41. Lebensjahr. Der gleichnamige Sohn, geboren im März 1906, war ab 1933 für die NSDAP aktiv und stieg nach 1938 zum stellvertretenden Leiter des Gaupropagandaamtes Salzburg auf (kurzfristig stand er dem Amt ab Oktober 1941 vor). Peter Branner, der Großneffen von Franz Ledwinka, gibt an, er „habe immer wieder gehört, dass Maria Kinschel und ihr Sohn massiv auf Ledwinka eingewirkt haben, der Partei beizutreten. Speziell Otto jun. war die treibende Kraft, da ein Untermieter bei seiner Mutter doch nicht ‚abseits stehen‘ dürfe“.
Im Februar 1947 trat das Nationalsozialistengesetz in Kraft. Entsprechend der gesetzlichen Bestimmung im § 4 registrierte sich Franz Ledwinka erneut ordnungsgemäß beim Stadtmagistrat Salzburg als Registrierungsbehörde und wiederholte seine oben angeführten Angaben. Er wurde als Minderbelasteter eingestuft und in den Listen verzeichnet, wogegen er auf dem dafür vorgesehenen Formblatt am 2. November 1947 Einspruch einlegte. Drei Tage später erläuterte er in einem von seiner Ehefrau Grete Ledwinka geschriebenen Brief seine Gründe, warum er seiner Meinung nach aus den Listen zu streichen sei. Und schließlich sandte er zwei Wochen später einen Brief mit drei Beilagen an die Registrierungsbehörde, in dem er nun zum wiederholten Male ausführte, weshalb er der NSDAP beigetreten war: Ende Oktober 1938 wäre „die Leitung der K.d.F.-Veranstaltungen“ an ihn mit der Bitte herangetreten, seine „damals bereits weit über unsere Grenzen bekannten Vorträge (Wort, Bild, Musik, Gesang) im Rahmen der Arbeitsfront fortzusetzen“. Diese Vorträge wären seit ihrer Gründung „immer betont pro Österreich eingestellt“ gewesen, weswegen er „darin eine Möglichkeit“ sah, „diese Tendenz getarnt weiterzuführen“. Und da die Abende von der Partei finanziert worden seien, wurde ihm nahegelegt, der NSDAP beizutreten. „Diese Abende waren bald nur von den Gegner (sic) besucht. Man sah am Programm gedruckt das Wort ‚Österreich‘ und sang dieses verpönte Wort. 1944 mußte ich vor das Parteigericht, das mir die Abende untersagte. Das war das Ende.“ Franz Ledwinka schloss seinen Brief: „Ich fühle mich absolut frei von jeder Schuld und dieses Bewußtsein ist die Triebfeder für mein Ansuchen um Entregistrierung.“ Als Zeugnis für sein österreich-patriotisches Eintreten in der NS-Zeit legte er dem Schreiben das Programmblatt des 250. Salzburger Kammerkunstabends vom Jänner 1944 bei, der den Titel „Salzburg, das Wunderland der Ostmark“ trug. Als Motto war der Einladung ein Gedicht Ottokar Kernstocks beigegeben: „Wer Österreich durchwandert spricht: / Ist’s auch der Himmel selber nicht, / Ist’s doch ein Stück vom Paradies, / Das Gott vom Himmel fallen lies (sic).“
Das Stadtmagistrat Salzburg legte Ende 1947 schließlich den Gesamtakt Ledwinka dem Entnazifizierungsreferenten der Salzburger Landesregierung „zur d.a. Entscheidung“ über die Verzeichnung als Minderbelasteter vor. Nach 24 Monaten Bearbeitungszeit erging am 15. Dezember 1949 der Bescheid des Amtes der Landesregierung Salzburg an Franz Ledwinka und an den Stadtmagistrat Salzburg. Dem Einspruch Ledwinkas wurde stattgegeben, sein Status als Minderbelasteter aufgehoben und sein Name aus den Listen gestrichen. Im letzten Schriftstück des Aktes informierte das Stadtmagistrat die Landesregierung: „Prof. Ledwinka ist gem. vorzitiertem Bescheid aus den beim Magistrat der Stadt Salzburg erliegenden NS-Registrierungslisten gestrichen worden.“
Ehrungen
Nachdem Franz Ledwinka bereits 1931 das Silberne Ehrenzeichen um die Verdienste der Republik Österreich erhalten hatte, wurde ihm eine Reihe weiterer Auszeichnungen nach seiner Pensionierung verliehen, darunter die Große Silberne Medaille der Mozartstadt Salzburg (1956), die Große Silberne Mozartmedaille der Internationalen Stiftung Mozarteum (1956), die Wappenmedaille der Landeshauptstadt Salzburg in Gold (1968), der Ehrenbecher des Landes Salzburg (1969) und der Ehrenring des Landes Salzburg (1972). Außerdem wurde er zum Ehrenmitglied der Hochschule Mozarteum ernannt (1972). Zwei Wochen nach dieser Auszeichnung und wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag verstarb Franz Ledwinka am 21. Mai 1972 in Salzburg. Er wurde in einem Ehrengrab der Stadt Salzburg am Kommunalfriedhof beigesetzt. Die nachgelassenen Kompositionen von Franz Ledwinka befinden sich heute in der Bibliotheca Mozartiana der Stiftung Mozarteum, sein übriger Nachlass liegt im Stadtarchiv Salzburg bzw. bei seinem Großneffen Peter Branner. Anlässlich seines 100. Geburtstages gab die Hochschule für Musik und darstellende Kunst „Mozarteum“ einen Band mit Erinnerungen ehemaliger Schülerinnen und Schüler heraus, das Austrian Institute in New York veranstaltete am 25. Mai 1983 einen Ledwinka-Abend in seinen Räumlichkeiten, an dem die Pianistin und ehemalige Ledwinka-Schülerin Florence Bocarius mitwirkte.
Straßenbenennung
„Die Benennung eines Straßenzuges in Parsch nach Herrn Prof. Franz Ledwinka steht hier bereits seit längerer Zeit in Vormerkung“, teilte Dr. Heinz Klier von der Kulturverwaltung des Magistrats Salzburg Anfang 1976 Anna Rosa Oettl, die eine derartige Benennung angeregt hatte, und in leicht abgeändertem Wortlaut auch der Witwe des Klavierpädagogen mit. Im Frühjahr 1979 war in Aigen schließlich „eine Abzweigung von der Dr. Petter-Straße nach Süden Richtung Bahntrasse neu zu benennen. Das Amt schlägt die Benennung nach Prof. Ledwinka vor, die von verschiedenen Seiten schon oft urgiert wurde“, so der Unterausschuss für Straßenbenennung in seinem Bericht an den Gemeinderat der Stadt Salzburg. Die Fläche war für den Unterausschuss aus einem weiteren Grund sehr gut dafür geeignet: „In unmittelbarer Nähe liegt u. a. auch die Joseph-Messner-Straße.“ Franz Ledwinka ergänzte also ideal das Benennungsgebiet der (Salzburger) Musiker*innen. In den Sitzungen des Kulturausschusses und des Stadtsenats, die beide am 5. Juni 1979 stattfanden, beschlossen beide Gremien einstimmig die Vorschlagsliste, am 16. Juli 1979 beschloss auch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg einstimmig (10 SPÖ, 5 ÖVP, 6 FPÖ, 2 BL) die Benennung, wobei in den Unterlagen der neu zu benennenden Straße 1979 die Bezeichnung „Ledwinka-Straße“ aufscheint und damit von der heutigen Schreibweise leicht abweicht. Grete Ledwinka bedankte sich mit einer Karte Anfang 1980 bei Bürgermeister Heinrich Salfenauer (SPÖ) für die Benennung der Straße nach Franz Ledwinka. „Ich freue mich besonders, daß mein Mann gerade diese Straße bekommen hat, denn als er noch lebte, war sie ein kleines, unscheinbares Wegerl, auf dem wir oft und oft spazieren gegangen sind[,]und ich bin glücklich, daß diese Straße in Parsch ist, wo er doch sein Parsch und die Menschen, die dort leben, so geliebt hat.“