Kuno Brandauer
Landesbeamter, Obmann des Salzburger Landestrachtenverbandes
* 27. Mai 1895 in Hellbrunn bei Salzburg
† 17. April 1980 in Salzburg
Straßenbenennung: Kuno-Brandauer-Straße, beschlossen am 24. Juli 1984
Lage: Maxglan-Riedenburg; Aufschließungsstraße auf den so genannten Rosittengründen.
Kuno Leo Karl Brandauer kam am 27. Mai 1895 in Hellbrunn bei Salzburg als Sohn von Leopold und Emma Brandauer, geborene Stubenvoll, zur Welt. Seine Großeltern und Eltern betrieben Brandauers Gasthaus in Morzg, den heutigen Morzger Hof, das Gasthaus Hellbrunn und eine Fischerei. Sein Vater Leopold Brandauer engagierte sich u. a. im Verschönerungsverein Morzg, machte sich im Rahmen der ersten Arbeitsperiode des Landesausschusses „betreffend die Förderung und Hebung der Salzburger Eigenart in Tracht, Sitten und Gebräuchen“ von 1910 bis 1916 für die Trachtenerneuerung und Trachtenpflege im Land Salzburg verdient und war als Gründungsmitglied des Edelweiß-Clubs, des Österreichischen Alpenvereins und des „Touristen-Geselligkeitsclubs Alpinia“ eine fixe Größe im (volks-)kulturellen Leben Salzburgs von der Jahrhundertwende bis zu seinem Tod. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg war er außerdem als Kustos im Monatsschlößchen in Hellbrunn eingesetzt. Leopold Brandauer war überzeugt deutschnational, wie auch das „Salzburger Volksbaltt“ anlässlich eines „Germanenfestes“ in Morzg im Sommer 1910 zu berichten wusste. Die Veranstaltung war „nur möglich durch die tatkräftige Mitwirkung des Wirtes Leopold Brandauer. Brandauer ist ein Mann, der sich an völkischer Arbeit uneigennützig und freudig beteiligt, der Verständnis hat für deutsches Wesen und sich durch historisches Studium über germanische Waffen, Geräte und Trachten Kenntnis erworben“ hat. In diesem Milieu wuchs Kuno Brandauer auf, mit dieser Haltung wurde er sozialisiert.
Kuno Brandauer besuchte nach der fünfklassigen Volksschule acht Klassen des Staatsgymnasiums in Salzburg (heute Akademisches Gymnasium), wo er am 6. Juli 1914 maturierte. Am 8. Februar 1915 trat er als Diurnist – ein auf Taggeldbasis in der öffentlichen Verwaltung Beschäftigter – in den Salzburger Landesdienst ein. Nachdem er am 31. Juli 1915 in Linz die Prüfung über die Staatsverrechnungswissenschaft abgelegt hatte, wurde er per 1. Jänner 1916 als „Landes-Rechnungs-Praktikant“ der Landschafts- bzw. Landesbuchhaltung zugeteilt, ab 1. Februar 1918 war er als Rechnungs-Assistent eingestuft. Kuno Brandauer musste nicht als Soldat in den Ersten Weltkrieg ziehen, wobei die Begründung hierfür aus den Akten nicht hervorgeht. Besoldungsrechtlich wurden ihm jedenfalls vier Kriegshalbjahre angerechnet. In der Ersten Republik setzte er seinen beruflichen Aufstieg fort, ab dem 1. Juli 1920 war er Rechnungs-Offizial, 1923 wurde er zum Rechnungs-Revidenten, 1927 zum Rechnungs-Oberrevidenten ernannt. Dass er zu diesem Zeitpunkt bereits finanziell abgesichert war, belegt die Tatsache, dass er 1929 eine Lebensversicherung bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Bundesländer abschloss. Von seinen Vorgesetzten erhielt Kuno Brandauer stets nur die besten Qualifikationsbeschreibungen.
Am 24. September 1922 heiratete Kuno Brandauer die 23-jährige Anna Maria Oberhauser, aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, wovon ein Sohn wenige Wochen nach der Geburt starb.
Volkskulturelles Engagement
Neben seinem Brotberuf in der Landesbuchhaltung galt Kuno Brandauers eigentliches Interesse der Salzburger Volkskultur, für die er sich in der Tradition seines Vaters Leopold Brandauer früh zu engagieren begann. 1908/09 wurde der „1. Österreichische Reichsverband für alpine Volks- und Gebirgstrachten-Erhaltungsvereine“ gegründet, der sich der breiten volkskulturellen Brauchtumspflege verpflichtet sah und gleichzeitig auch ein wichtiger Faktor des Salzburger Fremdenverkehrs wurde. In diesem Dachverband war Kuno Brandauer zunächst als Schriftführer aktiv, ab Februar 1932 fungierte er als Nachfolger von Sepp Haslinger als Obmann des Vereins. Seit 1912 gab der Reichsverband die „Österreichische Gebirgs- und Volks-Trachten-Zeitung“ heraus, in der Brandauer regelmäßig über die Vereinsaktivitäten publizierte, mitunter aber auch Literarisches unterbrachte wie im April 1924 den Prosatext „Die Birgstutzen“.
Im Sommer 1935 veröffentlichte der Landesverband der Trachtenvereine in Salzburg die Sammlung „Salzburger Landes-Trachten“, die gemeinhin als „Trachtenmappe“ bezeichnet wird. In seinem Vorwort hielt Landeshauptmann Dr. Franz Rehrl fest: „In den Trachten eines Volkes ist ein gutes Stück seiner äußeren Tradition erhalten und es spiegelt sich bis zu einem gewissen Grade auch der Charakter des Volkes in seinen aus uralter Zeit stammenden und mit dem Antlitze des Volkes im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls dem Wandel unterworfenen Trachten wider. Die Pflege des Trachtenwesens ist daher ebenso wie die Pflege alten Brauchtums überaus förderungswürdig. Daß die Bemühungen jener, welche sich diese Trachtenpflege angelegen sein lassen, auch der Wirtschaft zugute kommen, besonders dadurch, daß sie das Interesse der Fremden fesseln und dadurch zur Förderung des Fremdenverkehres beitragen, soll nicht unerwähnt bleiben!“ Nur wenige Jahre später sollte von den Nationalsozialisten der Fremdenverkehr als zum überwiegenden Teil „jüdisch“ diffamiert werden. Die Tracht war nach dem Ersten Weltkrieg eine Waffe im Kampf der Antisemiten, zu denen auch Kuno Brandauer zählte.
Gründungsmitglied des „Deutschösterreichischen Schutzvereins Antisemitenbund“
Anlässlich seiner Ernennung zum Regierungsrat legte Kuno Brandauer 1943 eine ausführliche Lebensbeschreibung vor, in der er angab, von 1920 bis 1925 Mitglied des Freikorps bzw. des Bundes „Oberland“ gewesen zu sein, einer Vorläuferorganisation der SA, der u. a. Heinrich Himmler und Hans Hinkel, aber auch Ernst Rüdiger Starhemberg angehört hatten. Darüber hinaus bezeichnete er sich als Gründungsmitglied des Salzburger „Antisemitenbundes“, der über Parteigrenzen hinweg Judenfeinde vereinte. Nachdem seit 1919 derartige Vereine gleichen Namens u. a. in Wien und Innsbruck bestanden, konstituierte sich eine Salzburger Sektion bei der „gründenden Versammlung“ am 24. August 1921 im Gasthof Mödlhammer in der Getreidegasse. Bereits drei Wochen später fand im Kurhaus der „Erste Antisemitentag“ statt, der laut „Salzburger Volksblatt“ „ansehnlichen Besuch“ verzeichnen konnte. Der Redner Dr. Gemeiner „beleuchtete die Gefahren des Judentums“ und „forderte den Zusammenschluß aller bewußten Arier zum Abwehrkampfe gegen das Judentum, ohne sich dabei auf parteipolitische Basis zu stellen“. Weitere Sprecher ritten wüste antisemitische Angriffe, einer etwa „geißelte, daß Juden und Judenstämmlinge an der Spitze der jungen Republik Österreich stehen, nachdem der Weltkrieg selbst nur einen Sieg des internationalen Judentums gezeitigt hatte (…). Die Gefahr für das deutsche Volk sei der jüdische Geist, der auch arische Kreise erfaßt hat, sodaß die Hauptaufgabe des Judentums, das völkische und sittliche Empfinden des Volkes überall zu zermürben, erreicht sei. Bevor man aber an die Arbeit gehe, die zersetzende Krankheit im eigenen Volke zu heilen, müsse der Krankheitserreger, das Judentum, eingedämmt werden.“ Die Versammlung wurde schließlich von der Salzburger Invalidenorganisation massiv gestört und vorzeitig abgebrochen.
Im Oktober 1921 legte der Antisemitenbund des Bundeslandes Salzburg dem österreichischen Nationalrat ein Papier vor, in dem er zehn Forderungen aufstellte: „1. Ausweisung aller seit dem 1. Juli 1914 zugereisten Ausländer jüdischer Abkunft; Schließung der Grenzen gegen jüdische Einwanderung; Verhängung der Schutzhaft über gefährliche jüdische Elemente und ihre beschleunigte Abschiebung.“ Punkt 2 forderte die „Beseitigung jüdischer Sonderbelieferungen aufgrund ‚ritueller‘ Vorschriften“, laut Punkt 3 sollten „Zeitungen, an denen Juden mitarbeiten“, den „Vermerk ‚jüdische Zeitung‘, jüdische Geschäfte am Firmenschild die Aufschrift ‚jüdisches Geschäft‘“ tragen. „4. Juden dürfen keine Kunststätten (Theater, Kinos, Konzerthallen) und Konzertagenturen leiten. Die Zahl der jüdischen Schauspieler darf einen bestimmten Verhältnissatz nicht überschreiten. 5. Der Beruf der Anwälte, Ärzte und Lehrer ist den Juden zu versagen. Sie haben weder aktives noch passives Wahlrecht zu erhalten.“ Des Weiteren sollten Juden laut Antisemitenbund von öffentlichen Ämtern und der Leitung von Banken ausgeschlossen werden, ländlicher Besitz sollte ihnen nicht gestattet sein. Die Petition wurde offensichtlich vom Nationalrat nicht behandelt, da eine Diskussion darüber in den Stenografischen Protokollen der Jahre 1921 und 1922 nicht vermerkt ist.
Der Name Kuno Brandauer taucht zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Hauptversammlung des Salzburger „Antisemitenbundes“ am 13. Mai 1922 im Hotel Wolf Dietrich auf, bei der der neue Vereinsvorstand gewählt wurde. Als Obmann wurde Josef Koller bestätigt, sein Stellvertreter war Baurat Paul Geppert. Kuno Brandauer gehörte in Folge der Wahl dem zehnköpfigen Vorstand der Ortsgruppe Salzburg an, außerdem wurde er in die Gauleitung gewählt. Innerhalb der Vereinigung kam es jedoch rasch zu unterschiedlichen Auffassungen, die im Zusammenhang mit dem Richtungsstreit unter den nationalsozialistischen Fraktionen standen und dazu führten, dass eine Reihe von Vorstandsmitgliedern bei der Jahreshauptversammlung Ende Juli 1923 nicht mehr antraten bzw. gewählt wurden, darunter auch Kuno Brandauer. Ob dies die ausschlaggebenden Gründe für seinen Rückzug waren, ist nicht bekannt; dass seine Grundeinstellung jedoch antisemitisch blieb, geht aus seinen Tätigkeiten und Äußerungen bis 1945 hervor.
Überzeugter Nationalsozialist
Kuno Brandauer war von Kindheit an deutschnational sozialisiert. Als Landesbeamter trat er am 18. November 1931 in die NSDAP, Ortsgruppe Morzg ein, eine Woche später erhielt der die provisorische Mitgliedskarte mit seiner Parteinummer 614.860 ausgehändigt. Am 27. Mai 1933, also 1 ½ Jahre später, unterzeichnete Kuno Brandauer den „Diensteid“ auf die neue autoritäre Regierung von Dr. Engelbert Dollfuß: „Sie werden einen Eid zu Gott dem Allmächtigen schwören und bei Ihrer Ehre und Ihrem Gewissen geloben, dem Bundesstaate Oesterreich und dem Lande Salzburg treu und gehorsam zu sein und die Gesetze der Republik und des Landes, wie auch die vom Lande erlassenen Dienstvorschriften unverbrüchlich zu beobachten. (…) Auch werden Sie schwören, dass Sie einer ausländischen, politische Zwecke verfolgenden Gesellschaft werder (sic) gegenwärtig angehören, noch einer solchen Gesellschaft in Zukunft angehören werden. – Was mir soeben vorgehalten wurde und was ich in allem recht und deutlich verstanden habe, dem soll und will ich getreu nachkommen. So wahr mit (sic) Gott helfe!“ Kuno Brandauer war zum Zeitpunkt seiner Eidleistung bereits NSDAP-Mitglied, zudem trat er gemeinsam mit seiner Frau Anna am 4. November 1933 aus der römisch-katholischen Kirche aus und in die evangelische Kirche ein. Im Taufbuch der Pfarre Anif trug der zuständige Matrikenführer fälschlicherweise nach: „confessionslos geworden lt. Mitt. des Pfarramtes Morzg v. 12. I. 1934 Zl. 45.“
Kuno Brandauer hatte zwar den Eid auf Österreich abgelegt, wegen seiner nationalsozialistischen Haltung geriet er aber wiederholt in das Visier der Behörden des Landes. Der Salzburger Sicherheitsdirektor Ludwig Bechinie setzte im Sommer 1934 das Präsidialbüro des Landeshauptmannes über die Erhebungen betreffend Kuno Brandauer und Vinzenz Grünwald, beide bei der Landesbuchhaltung beschäftigt, in Kenntnis. Brandauer gab bei seiner Vernehmung durch das Gendarmeriepostenkommando Salzburg Anfang August 1934 folgendes an: „Ich stelle in Abrede, dass in meiner Wohnung jemals nat.soz. Zusammenkünfte stattgefunden haben. Personen[,] die in meine Wohnung kommen[,] sind meistens Verwandte von mir oder meiner Frau oder es sind Mitglieder des Landestrachtenverbandes[,] dessen Obmann ich bin. In letzter Zeit hatte ich überhaupt fast gar keinen Besuch[,] weder von dieser oder jener Seite. Bezüglich des Vorwurfes, dass ich Nat.Soz. bin, entgegne ich, dass ich, als die Partei noch erlaubt war, eingeschriebenes Mitglied gewesen bin, jedoch noch vor der Auflösung der Partei, aus derselben austrat.“ Bei dieser argumentativen Strategie sollte er – wie viele andere Nationalsozialisten – sowohl bis zum „Anschluß“ als auch nach Ende der NS-Herrschaft bleiben. Offensichtlich hatte die Sicherheitsdirektion etliche straf- bzw. disziplinarrechtliche Vorwürfe gegen den Beschuldigten gesammelt, denn Brandauer führte zu seiner Verteidigung weiter aus: „Auch während meiner Zugehörigkeit zur Partei, habe ich mich nie aktiv hervorgetan und habe auch die Anträge seitens der Partei, irgend eine Funktion zu übernehmen, immer mit dem Hinweis auf meine Stellung, abgelehnt. Es ist auch unwahr, dass ich mich und mein Amtskollege Grünwald über die österr. Staatseinrichtung etc. abfällig geäussert haben sollen. Mir liegt das Kritisieren überhaupt nicht und wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen, über den Staat und die Regierung abfällige Bemerkungen zu machen. In Angelegenheit des erwähnten Zirkulars habe ich mich schon seinerzeit gegenüber meinem Amtsvorstande Ob. Reg. Rat Hoch schriftlich gerechtfertigt und dargetan, dass sich die Sache wesentlich anders verhält, wie sie dargestellt wurde. Es ist auch nicht richtig, dass ich in meinem Schreibtische Hakenkreuzzeichen und Hitlerkarten gehabt habe, da ich derlei Sachen gar nicht besass. Auch hat mir Angelberger nie etwas politisch Verdächtiges aus Freilassing mitgebracht bzw. am Gange übergeben, Angelberger würde sich zu solchen Dingen gar nicht herbeigelassen haben. Ich bin allerdings nationaler Gesinnung, betone aber nochmals, dass ich mich nicht im nat.soz. Sinne betätigt habe und würde auch nie eine ungesetzliche Handlung seitens dieser Partei gutgeheissen haben oder noch gutheissen. Ich erwähne noch, dass ich als Obmann des Landes-Trachtenverbandes in meiner freien Zeit restlos für diese nützliche Einrichtung, welche auch von der damaligen Regierung gefördert wird, aufgehe, sodass mir für Politik wenig oder gar keine Zeit bleibt. Seit je war ich bemüht und habe alles darangesetzt[,] der Heimatsache nach meinem ganzen Kräften zu dienen. Zum Beweis für meine gewiss vaterländische Tätigkeit, wurde ich im Vorjahre anlässlich des Besuchs des Herrn Bundespräsidenten Miklas zur Veranstaltung ‚Wiederaufbau Oesterreichs‘, vom Handelsministerium mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet. Mein Ideal ist die Heimatsache und nicht die parteipolitische.“ Auch der gleichfalls vernommene Vinzenz Grünberger rechtfertigte sich in ähnlicher Weise gegen Vorwürfe der nationalsozialistischen Agitation. Über Kuno Brandauer gab er an: „Mit Oberrevident Brandauer bin ich durch das Amt bekannt geworden und ich schätze ihn persönlich als nationalen aber patriotisch als durchaus einwandfreien Kollegen, der nur für seine Familie lebt und sich für das Trachtenwesen begeistern kann und mit mir in politischer Hinsicht gleicher Gesinnung ist.“ Bezirksinspektor Brandstätter fügte am Ende des Protokolls an: „Beigefügt wird, dass den Vorgenannten von hier aus eine nat.soz. Betätigung nicht nachgewiesen werden konnte. Brandauer hatte wohl seinerzeit in der Küche ein Hakenkreuz [handschriftlich hinzugefügt: Nach Angabe Brandauers war dies das Turnerabzeichen und nicht ein Hakenkreuz] an den Plafond gemalen gehabt, dieses aber wieder entfernt.“ Im März 1935 setzte der Sicherheitsdirektor auch das Bundeskanzleramt in Wien von den Nachforschungen gegen Brandauer und Grünwald in Kenntnis: „Oberrevident Kuno Brandauer der Landeshauptmannschaft Salzburg war seinerzeit eingeschriebenes Mitglied der NSDAP, behauptet aber, bereits vor dem Verbot aus der Partei ausgetreten zu sein. Er wurde im Laufe des Jahres 1934 wiederholt von vaterländischen Kreisen der unentwegten nationalsozialistischen Einstellung und abfälligen Kritik an österreichischen Einrichtungen bezichtigt, weshalb er auch von hieraus zur Ersatzleistung für Terrorschäden herangezogen wurde. Ein Strafverfahren wurde gegen ihn aber nicht durchgeführt.“ Zwei Monate später berichtete der Sicherheitsdirektor erneut nach Wien, dass trotz neuerlicher „Belastungsmomente gegen Amtsrat Grünwald und Oberrevident Kuno Brandauer ein Strafverfahren mangels hinreichenden Tatbestandes nicht durchgeführt wurde. Auch die von der Landeshauptmannschaft eingeleiteten Erhebungen haben keine genügenden Grundlagen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ergeben. Grünwald und Brandauer, die bis heute der Vaterländischen Front nicht beigetreten sind, wurden jedoch von der Landeshauptmannschaft unter Hinweis auf diesen Umstand dem Bundeskanzleramte anlässlich der Vorlage der Verzeichnisse jener Beamten, deren Entfernung aus dem öffentlichen Dienste wünschenswert wäre, namhaft gemacht. (…) Sowohl Grünwald als auch Brandauer sind der Beobachtung durch die in Betracht kommenden Sicherheitsdienststellen unterstellt.“ Die beiden Beamten der Salzburger Landeshauptmannschaft standen also unter ständiger sicherheitsdienstlicher Überwachung, im Spätsommer 1936 folgte schließlich die nächste Anzeige bei der Bundespolizeidirektion, die neuerlich Erhebungen gegen Brandauer führte. In ihrem Bericht führte sie aus, die „erhobenen Anschuldigungen entsprechen den Tatsachen und gab der Genannte die ihm zur Last gelegten Tatbestände offen zu. Er erklärte, dass die für Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß von der Vaterländischen Front veranstalteten Trauerfeierlichkeiten ihn nichts angehen, da er nicht Mitglied der Vaterländischen Front ist. Aus diesem Grunde habe er schon im Vorjahre und auch heuer nicht an der Trauerfeier teilgenommen und habe am 24. Juli 1936 abends seine Wohnungsfenster nicht beleuchtet, da er mit seiner Gattin weggegangen sei. Kuno Brandauer steht hieramts als Nationalsozialist in Evidenz, wurde wiederholt wegen Verdachtes der illegalen Betätigung für die NSDAP in Untersuchung gezogen, doch musste jedes Mal das Verfahren mangels an Beweisen eingestellt werden. Im August 1934 erhielt Brandauer von der Sicherheitsdirektion Salzburg eine Ersatzvorschreibung im Betrage von 250 S, die er auch bezahlte. (…)“ Weitere Erhebungen gegen Kuno Brandauer dürfte es bis zum „Anschluß“ nicht mehr gegeben haben, möglicherweise kam ihm auch das Juliabkommen 1936 hier entgegen. Während Amtsrat Vinzenz Grünwald im Mai 1935 unter Kürzung seiner Bezüge auf zwei Drittel vom Dienst enthoben wurde, verblieb Kuno Brandauer im Landesdienst. Die Feierlichkeiten zum Todestag von Engelbert Dollfuß im Jahr 1937 sollten für Brandauer nach 1945 schließlich noch einmal von großer Bedeutung sein.
NS-Zeit
Am 16. März 1938 legte Kuno Brandauer als Beamter zum wiederholten Male einen Eid ab: „Ich schwöre, ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen. So wahr mir Gott helfe!“ Beruflich stieg Kuno Brandauer mit 1. Juli 1939 zum Regierungsoberinspektor auf, am 31. Juli 1941 zum Gauverwaltungsrat. Sein Verdienst lag zu diesem Zeitpunkt bei über 7.000,- RM, was dem Fünffachen des Durchschnittseinkommens im „Dritten Reich“ entsprach.
Für das NS-Regime sollte Kuno Brandauer jedoch in weiterer Folge weniger als Beamter in der staatlichen Verwaltung von Nutzen sein als vielmehr in seiner öffentlichkeitswirksamen Funktion als Leiter des „Gauverbandes der Heimat- und Trachtenvereine im Reichsgau Salzburg“ (ehemals Landestrachtenverband Salzburg). Bei der Ausschussversammlung am 15. März 1938 verkündete er den anwesenden Vereinsvertretern, dass er „als Landesverbandsobmann Salzburgs und stets volkstreuer Mitkämpfer für ein ruhmvolles Deutschland“ von „Kulturamts-Gauwalter Professor Piffrader“ zum „Leiter der Fachschaft ‚Brauchtumspflege‘ im NS-Kulturamt, Gau Salzburg ernannt“ worden war. Laut eigenen Worten können nunmehr alle Vereine darangehen, „mit vollem Herzen unsere ganze Kraft für die Heimat einzusetzen, die als überlieferungsreiches, gottgesegnetes Salzburger-Landl ein leuchtender Edelstein im neuen Diadem Großdeutschlands werden soll“.
In seiner Funktion trat Kuno Brandauer, wie schon vor dem „Anschluß“, häufig öffentlich auf, referierte und publizierte über volkskundliche Themen. In Mauterndorf hielt er Mitte April 1938 anlässlich der Einkleidung der Mauterndorfer Bürgermusikkapelle einen Lichtbildvortrag über „den Wert und die Bedeutung des heimatlichen Ehrenkleides“, in St. Johann im Pongau überreichte er im Juni den Siegerpokal beim Armbrustschießen und in der Stadt Salzburg führte er im September gemeinsam mit Otto Pflanzl beim Salzburger Herbstfest den Trachtenumzug an. Im „Salzburger Volksblatt“ widmete er sich ausführlich den Gasteiner Perchten, für die „Gebirgs- und Volks-Trachten-Zeitung“ verfasste er Beiträge über die „Lungauer Tracht“ und über die Schützen von St. Jakob unter dem Titel „Jakobus und seine Kinder“.
1940 lieferte Kuno Brandauer die Texte für die 47 Seiten umfassende, kleinformatige „Ostmark Fibel. Trachten der Gaue der Ostmark“, die bei F. Bruckmann in München verlegt wurde. „Dieses Büchlein will die Eigenformen uralten deutschen Volkstumes zeigen, das in den Tälern der Ostmark als angestammtes Vermächtnis mit den Geschlechtern weiter wuchs“, so der Autor. „Allerweltsmode und Großstadteinfluß, Gleichmacherei und Fertigware drängten auch die heimatliche Tracht in die ‚Wehre‘. Sie unterlag, wurde hier ein Museumsstück im gläsernen Sarge, dort umgewandelt ein Stadtkostüm auf sommerlicher Promenade, - die bestand aber ebensooft den Daseinskampf, schöpfte aus nie versiegenden Quellen schlichter, echter Artverbundenheit und blieb dann das Kleid, voll bäuerlicher Lebensfreude und Selbständigkeit.“ Auf den 21 abgedruckten Farbfotos waren Trachten aus allen Teilen des ehemaligen Österreich zu sehen, sie „zeigen nicht Uniformen, sondern Volksgenossen, die heimische Tracht tragen, im prangenden Schmucke oder in werktäglicher Arbeit und die auch darin eine Pflicht erfüllen: Kämpfer zu sein für Art und deutsche Sitte in den Grenzmarken unseres heiligen, großen Vaterlandes!“ In der „Ostmark“ habe sich das Blut der „Ahnen gesund erhalten“ und „ein Volk entstehen lassen, das (…) sich deutschen Sinn und Väterart gewahrt hat“. In der Folge beschrieb Brandauer kursorisch die Trachten jedes Gaues, im Burgenland etwa drücke sich „in diesem bodenständigen Bauernkleide (…) der aufrechte Stolz am besten aus, noch nicht beeinflußt von einer launischen Mode, die sonst oft die stillsten Bergtäler in einer sommerlichen Überflutung nach dem Geschmacke der Großstädter wandelt“, und die Steirer hielten zu ihrem Kleid, „als ringsum in den andern Gauen eine verständnislose Zeitmode alles vererbte Vätergut ausgleichen und auswischen wollte. (…) So gibt dieser Grenzgau den Beweis, daß Volkstumspflege auch ewiges Leben des Volkes bedeutet und die Tracht der sinnfälligste Ausdruck hiefür ist.“ Der „Saum der Alpengaue am Mantel des Reiches“ stelle somit „in seiner Pracht und Würde“ eine besonderes „Schmuckstück Mutter Germanias dar“, so Brandauer abschließend.
Die Publikation dieses kleinen Büchleins brachte auch die Reichsschrifttumskammer auf den Plan, deren Präsident im September 1940 Kuno Brandauer aufforderte, seine Publikationstätigkeiten darzulegen und gegebenenfalls Mitglied der Kammer zu werden. Für die obige Publikation, die in einer Auflage von 15.000 Stück erschien, erhielt Brandauer schließlich einen Befreiungsschein. Im Antrag an die Reichsschrifttumskammer, den er am 10. Oktober ausfüllte, gab er an, Mitglied der NSDAP seit dem 18. November 1931 mit der Mitgliedsnummer 614.860 und von 1920 bis 1925 bei „Oberland“ gewesen zu sein, außerdem war er „Inhaber der ‚Ostmarkmedaille‘ 1938“.
Wie aus dem bisher Geschriebenen klar hervorgeht, war Kuno Brandauer der Fachmann für Trachten im Bundesland bzw. (Reichs-)Gau Salzburg. So hielt er zu diesem Thema auch bei der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde im Februar 1939 einen Lichtbildervortrag über „Salzburger Trachten“ und im März 1940 über die „Tracht des jungen Salzburg“. Bereits wenige Wochen nach dem „Anschluß“ war auf Grundlage einer Verordnung des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht durch den damals kommissarischen Polizeidirektor von Salzburg, Dr. Benno Braitenberg, ein Trachtenverbot für Jüdinnen und Juden erlassen worden, das sowohl im „Salzburger Volksblatt“ als auch in der „Gebirgs- und Volks-Trachten-Zeitung“ wortident veröffentlich wurde: „Juden ist im Bereiche der Polizeidirektion Salzburg das öffentliche Tragen von alpenländischen (echten oder unechten) Trachten, wie Lederhosen, Joppen, Dirndlkleidern, weißen Wadenstutzen, Tirolerhüten usw. verboten. Übertretungen werden mit Geld bis 133 Reichsmark (200 S) oder Arrest bis zu zwei Wochen bestraft. Diese Kundmachung tritt mit dem Tage ihrer Verlautbarung in Kraft.“ Neben dem Wortlaut der Verordnung druckten beide Medien folgenden Kommentar: „Diese Verfügung wurde durch Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg auf das ganze Land (Gau) Salzburg erstreckt. Die Verfügung wird zweifellos von allen Kreisen begrüßt werden, die es seit langem hinnehmen hat müssen, daß z. B. das Dirndl – man erinnere sich nur an Bad Ischl früherer Jahre! – geradezu als ein jüdisches Nationalkostüm erschien. Hoffentlich kann auch der Gebrauch deutscher Vornamen verwehrt werden, wie er in jüdischen Kreisen derart häufig war, als wenn Siegfried und Siegmund ihre Heimat in Palästina gehabt hätten.“ Ob Kuno Brandauer an der Formulierung der Verordnung auf Gauebene mitgewirkt hatte, ist bislang nicht erforscht; dass das Verbot allerdings seiner rassistisch-volkskundlich-politischen Überzeugung entsprach, steht außer Zweifel.
Kuno Brandauers öffentliche Auftritte und seine schriftlichen volkskundlichen Beiträge unterstützten die NS-Herrschaft nicht nur ideologisch, er stellte sich wiederholt in den Dienst der NS-Propaganda, waren doch seine volkskundlichen Anschauungen und Überzeugungen mit jenen der NS-Propaganda über weite Strecken deckungsgleich. In der Verbandszeitung vom 1. Mai 1938 überschlug sich Brandauer in seinem Leitartikel „Der erste Maibaum Großdeutschlands“ förmlich in der Darstellung des Abtransports der „40 Meter langen Fichte“ aus Seekirchen, die in Berlin aufgestellt wurde und das volkskulturelle Symbol für den politischen „Anschluß“ war. Seekirchen sei laut Brandauer „wie selten“ ein Ort „dazu berufen, „den Baum des nicht unterzukriegenden Lebenswillens als heimatliche Weihegabe hinaus ins große Vaterland zu senden!“, starben doch beim Juliputsch 1934 „vier Söhne Seekirchens (…) als Kämpfer für die größere Heimat“. Daran anknüpfend schilderte er Schicksale illegaler Seekirchner Nationalsozialisten, ihre Agitation gegen den „Ständestaat“ und die Strafen, mit denen sie dafür belegt wurden. Daran „mögen sich die Kameraden erinnern, wenn sie bei der Maifeier-Übertragung im Deutschlandsender die Seekirchner Freunde wieder singen hören, wie freie Waldvögel, die einem qualvollen Käfige entflohen“.
Zu diesem nationalsozialistischen Kulturkampf während der Illegalität gehört auch eine weitere Episode, die beinahe zeitgleich stattfand. Im Mai 1938 übertrug der Reichssender München live einen Volksmusikabend aus Grödig, der unter dem Motto „Salzburger Land – Salzburger Leut“ stand und den Tobi Reiser und Otto Eberhard verantworteten. Unter den Gästen befanden sich auch Sepp Piffrader als Leiter des NS-Gaukulturamtes und Michael Friesacher als Kreisbauernführer. Wie das „Salzburger Volksblatt“ zu berichten wusste, war die Übertragung einer derartigen Veranstaltung im Jahr zuvor – sie war unter dem Titel „Hoamgarten beim Spererbauern“ geplant – durch die Wiener Ravag aus politischen Gründen verboten worden. In dem nicht gezeichneten Zeitungsbericht sah der Redakteur die Schuldigen dafür nicht nur in der Vaterländischen Front. „Die Wiener Juden hatten sich damals durch ihr Sprachrohr, den ‚Telegraphen‘, das Stückchen geleistet, in einer breiten Schlagzeile zwischen Nachrichten von Morden, Sittlichkeitsverbrechen usw., die ‚anständige Bevölkerung des Schutzes vor dem Anschlage der Nazi auf die Ravag zu versichern‘, da ja ‚die Ravag-Wien keine Plattform für die Nazi ist und die Bevölkerung vor den Darbietungen dieser Leute verschont bleiben will.‘“ Der Konflikt mit der Ravag eskalierte nur wenige Wochen später, als Kuno Brandauer eine „Erwiderung“ im „Salzburger Volksblatt“ zur Berichterstattung über das 6. Volksliedsingen in Zell am See vom 2. Oktober 1937 und die bevorstehende Volkslied-Veranstaltung am 17. Juli 1938 ebendort, die die Ravag ohne vorherige Einbeziehung der zuständigen Salzburger Stellen organisierte, veröffentlichte. Der Beitrag, der den aufopferungsvollen Einsatz der Salzburger für das Volkslied in den zurückliegenden Jahren thematisierte, war auch von Otto Eberhard und Tobi Reiser gezeichnet. „Diese Arbeit konnte mangels jeder staatlichen Unterstützung nur durch die Selbstlosigkeit aufrechter deutscher Männer geleistet werden, bei denen beim Umbruch keine Umstellung wie bei der Ravag-Wien nötig war, da sie immer im nationalsozialistischen Sinne geführt und deshalb auch von der Systemregierung überwacht wurde, die an der Sache selbst nichts, aber dafür desto mehr an den Sängerinnen und Sängern (…) auszusetzen hatte. Die Verjudung der Ravag, deren Programm vielfach auf die 250.000 österreichischen Juden zugeschnitten war, war der Provinz schon lange ein Dorn im Auge.“ Dass der Salzburger Arbeitsausschuss für das Volkslied nicht in die Planung der aktuellen Veranstaltung einbezogen worden war, empfanden Brandauer, Eberhard und Reiser als Affront, sie verweigerten die Teilnahme. „Man möge uns diese Verfügung, die im Interesse der Weiterarbeit des Volksliedausschusses erfolgt ist, nicht gram sein.“ Unmissverständliche Töne kamen in dieser Angelegenheit aus dem Büro des Salzburger Gauleiters Friedrich Rainer. Die „Salzburger Zeitung“ brachte am 14. Juli in ihrem Kulturteil die kurze Einschaltung „Zum Volksliedsingen in Zell am See“, die auf die Angriffe von Brandauer-Eberhard-Reiser Bezug nahm: „Der Gauleiter kann sich mit dem Inhalt dieses Artikels nicht einverstanden erklären. Die Schreiber scheinen übersehen zu haben, daß der Sender Wien seit 12. März d. J. ein nationalsozialistischer Reichssender geworden ist. Aus diesem Grund erwartet der Gauleiter, daß dieses Volksliedsingen am 17. Juli in Zell am See nicht unter einem schwachen Besuch leidet, sondern im Gegenteil von vielen Volksgenossen besucht wird.“ Konsequenzen für die drei Verfasser gab es offensichtlich keine, denn wenige Monate später, am 12. Jänner 1939, wurden von der Berliner Rundfunkgesellschaft Aufnahmen in Salzburg gemacht, bei denen neben Eduard Paul Tratz, Albert Reitter und Otto Kunz auch Kuno Brandauer zum Gespräch gebeten wurde. Er sprach „über Salzburger Brauchtum, Volkslied und Trachten“. Und mit 1. Juli 1939 wurde er – wie oben erwähnt – zum Regierungsoberinspektor befördert.
Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde
Im Juli 1938 wurde in Salzburg formal die „Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde“ unter der Leitung von Dr. Richard Wolfram eingerichtet. Sie war eine Abteilung der Außenstelle Süd-Ost der SS-Forschungseinrichtung „Das Ahnenerbe“. Im Februar 1939 nahm sie ihren operativen Betrieb auf. Eines der Aufgabengebiete des Instituts war die Dokumentation und Sicherung alter „germanischer“ Bräuche und ihrer Träger. In diesem Sinn wandte sich im Juni 1939 die Mitarbeiterin der Außenstelle, Dr. Luise Hess, an den Reichsgeschäftsführer des „Ahnenerbes“, SS-Sturmbannführer Wolfram Sievers, und berichtete „über die notwendige Erhaltung volkskundlich wertvoller Brauchtumsgruppen“ im Gau Salzburg. Nach allgemeinen Überlegungen und der Auflistung der Bräuche und ihrer Trägergruppen kam sie gegen Ende des vierseitigen Berichts auf die ideologische Komponente zu sprechen: „Auch aus politischen Gründen wäre ein Schutz der obengenannten Brauchtumsgruppen nicht von der Hand zu weisen. Sie sind sämtliche, von Pg. Brandauer, einem als alten Nationalsozialisten bekannten Volkskundler, angegeben. Ein Großteil dieser Vereinigungen wurde in der Kampfzeit durch die Leitung des Landesverbandes der Heimatvereine, die in Händen von Pg. Brandauer lag, zu nationalsozialistischen Zellen umgebildet, die sich dann sofort beim Umbruch in die seinerzeitige Fachschaft für Brauchtumspflege (komm. Leiter Pg. Brandauer) des seinerzeitigen NS-Gau-Kultur-Amtes eingliederten. (Gewährsmann: Komm. Leiter des Gau-Kultur-Amtes, Prof. Piffrader.) Dem Leiter der Aussenstelle Süd-Ost, Herrn Univ.-Dozent Dr. Richard Wolfram, sind diese Verhältnisse durch häufige Unterredungen mit Pg. Brandauer genauestens bekannt, (…).“
Im „Ahnenerbe“ fand Kuno Brandauer den idealen institutionellen Rahmen, um die Existenz des Gauverbandes abzusichern. Im Oktober 1939 wandte er sich daher an Sievers: „Im Einvernehmen mit der Aussenstelle Südost (sic) bitte ich als Gauverbandsführer um die Aufnahme des Gauverbandes der Trachten- und Heimatvereine im Reichsgau Salzburg in die Forschungs- und Lehrgemeinschaft ‚Das Ahnenerbe‘. Ich erstrebe hiermit den wissenschaftlichen Schutz des ‚Ahnenerbes‘ für das wertvolle Brauchtum, das in einzelnen Gruppen dieses Gauverbandes ausgeübt wird.“ Ein Schreiben der Außenstelle Süd-Ost unterstützte Brandauers Ansuchen und wies auch auf Kooperationsmöglichkeiten hin, die sich mit dem Reichsnährstand in Salzburg ergäben. Nach einer Unterredung mit Dr. Reindl und Tobis Reiser vom Hauptamt I. des Reichsnährstandes wurde in einem Aktenvermerk festgehalten: „In diesem Sinne erklärte sich Herr Reiser auch bereit, die von dem Gauverbandsführer Brandauer aufgestellte Liste wertvoller Bräuche und Brauchtumsträger, die dem ‚Ahnenerbe‘ als Forschungshinweis dienen soll, aus seiner Erfahrung zu ergänzen.“ Der Gauverband wurde schließlich als „korporatives Mitglied“ im SS-„Ahnenerbe“ aufgenommen und der jährliche Mitgliedsbeitrag auf ein Schreiben von Brandauer hin von 25,- RM auf 10,- RM reduziert. Kuno Brandauer sicherte damit also den Gauverband vor Zugriffen anderer Stellen ab; ob darüber hinaus Forschungen oder Veranstaltungen des Gauverbandes stattfanden, die explizit vom „Ahnenerbe“ ausgingen, ist bislang nicht erforscht.
Salzburger Heimatwerk
Kuno Brandauer sollte nicht nur Obmann des Gauverbandes der Trachten- und Heimatvereine bleiben, sondern auch weitere Funktionen im Bereich der Volkskultur übernehmen. Hier ist vor allem seine Ernennung zum Leiter des Gauausschusses für das Salzburger Volkslied im Ostmärkischen Volkslied-Unternehmen (ehemals Österreichisches Volkslied-Unternehmen) zu nennen, die im Oktober 1938 erfolgte und auf die bereits oben Bezug genommen wurde. Sein Stellvertreter wurde der Lehrer Otto Eberhard, weitere Mitglieder des Ausschusses waren u. a. der Kreis- und spätere Landesbauernführer Michael Friesacher, Landesjugendführer Pirker und vom Reichsnährstand Tobias Reiser. „Wie bisher werden die Forschung und Sammelarbeit und die praktische Volkslied-Pflege Hauptaufgabe sein.“
Die wohl wichtigste Funktion im volkskulturellen Leben des Reichsgaues Salzburg wurde Kuno Brandauer aber Ende 1942 übertragen, als ihn Gauleiter Gustav Adolf Scheel zum Geschäftsführer des Salzburger Heimatwerks ernannte. Diese NS-Neugründung diente der Stabilisierung der Salzburger „Heimatfront“ nach der Kriegswende, laut „Salzburger Zeitung“ bedeutete diese „Maßnahme“ die „Mobilisierung stärkster seelischer Kraftreserven“ mitten im Krieg. „Die Pfleger waren Funktionäre des politischen Herrschaftsapparates in der Gauhauptstadt Salzburg, voran Kuno Brandauer als Geschäftsführer und Gaubeauftragter für Tracht und Brauchtum“, so Gert Kerschbaumer.
Entnazifizierung
Nach Kriegsende nahmen die US-amerikanischen Militärbehörden Kuno Brandauer im Frühherbst 1945 gefangen und brachten ihn in das Camp Marcus W. Orr bzw. zu den Vernehmungen durch den CIC nach Gmunden. Zu Weihnachten 1945 wurde er enthaftet.
Kuno Brandauer wurde laut offizieller Verfügung vom 22. Juni 1946 vom Dienst als Rechnungssekretär bei der Salzburger Landesregierung enthoben und am 25. Juli 1946 rückwirkend per 6. Juni 1945 nach § 14 des Verbotsgesetzes aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Er arbeitete daraufhin als Hilfsarbeiter. Einen Monat zuvor hatte er sich beim Magistrat der Stadt Salzburg als Registrierungsbehörde I. Instanz vorschriftsmäßig als ehemaliger Nationalsozialist registriert. In seinem Meldeblatt hielt er an seinen Vorkriegsangaben fest, er wäre von „1932 bis Parteiverbot 1933“ und von „März 1938 bis Mai 1945“ Mitglied der NSDAP gewesen. Er hatte keine Funktion in der NSDAP, SS, SA, NSKK und im NSFK und auch nicht um die Aufnahme in die SS angesucht. Die Ostmarkmedaille habe er „durch Behörde (Reg.präsidenten)“ im November 1938 erhalten. Unter „Allfällige Bemerkungen“ notierte er: „1940–1942 (Stillegung) ehrenamtl. bei ‚Beamtenbund‘, prov. Gaustellenleiter“. In seinem gleichzeitig abgegebenen Ansuchen um Abstandnahme von der Registrierung führte er zunächst erneut den Zeitraum seiner Parteimitgliedschaft aus und kam dann auf das „Salzburger Heimatwerk“ zu sprechen: Aufgrund seiner „langjährigen freiwilligen Tätigkeit auf dem Gebiete der Volkstumspflege (Brauchtum, Tracht, Volkslied – Musik)“ sei er „bei Schaffung des ‚Salzburger Heimatwerkes‘ im Dezember 1943 (sic)“ durch Gauleiter Scheel „zum Geschäftsführer dieser Vereinigung bestellt“ worden. „Diese Stelle war keine Parteifunktion, sondern ein behördl. Dienst, den ich als Beamter der Reichsstatthalterei – Unterabt. 2b – zu führen hatte“, so sein Rechtfertigungsversuch.
Weitere Erhebungen wurden seitens des Magistrats nicht gemacht, Kuno Brandauer laut Verfügung vom 1. September 1947 als minderbelastet entnazifiziert und das Amt der Landesregierung darüber am 9. September informiert. Am 22. Dezember 1947 erhielt Kuno Brandauer ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, sein Entlassungsbescheid aus dem Landesdienst wurde rückwirkend per 12. Februar 1947 aufgehoben.
Während also der Stadtmagistrat und die Landesregierung bereits Fakten im Fall Kuno Brandauer schufen, liefen bei der Bundespolizeidirektion, der Staatsanwaltschaft und dem Oberlandesgericht Linz als Volksgericht umfangreiche Erhebungen. Die Bundespolizeidirektion Salzburg hatte am 11. Dezember 1946 der Staatsanwaltschaft über die US-amerikanische Militärregierung die „Anzeige gemäß §§ 8 und 10 des Verbotsgesetzes zur weiteren Amtshandlung“ übermittelt, also wegen illegaler NS-Aktivität und Falschregistrierung. Aus einem Personalfragebogen der Landeshauptmannschaft Salzburg vom 13. September 1946 gehe demnach hervor, dass Brandauer bereits seit 1931 Mitglied der NSDAP war. Laut einem Beförderungsantrag des Gaupersonalamtes vom März 1939 habe er die NSDAP „in der Kampfzeit durch Spenden und Verrichtung von Kurierdiensten unterstützt“, außerdem habe er sich gegen die Vaterländische Front gestellt und deshalb „in dienstlicher Hinsicht mancherlei Zurückstellungen“ erfahren. „Im Februar [1938; Anm. d. Verf.] nahm er an den (sic) Nationalsozialistischen Fackelzug teil und bekannte sich in der Öffentlichkeit als Nationalsozialist.“ Zu seiner Verteidigung gab Kuno Brandauer gegenüber dem vernehmenden Kriminalbeamten Leblhuber an, dass er „sich während der Verbotszeit nur um das Wohl seiner Familie gekümmert und sich nicht illegal betätigt“ habe. Die gegen ihn vorgebrachten Angaben des Gaupersonalamtes wären ohne sein Wissen zustande gekommen, er gab jedoch zu, am Fackelzug teilgenommen zu haben. „Der Genannte wurde auf freiem Fusse (sic) belassen“, so das Protokoll.
Am 28. April 1947 fragte das Volksgericht Linz beim Stadtmagistrat an, ob Kuno Brandauer sich aufgrund des neu verabschiedeten Nationalsozialistengesetzes nachregistriert habe, was der Magistrat mit Schreiben vom 13. Juni 1947 verneinte.
Kuno Brandauer hatte in allen Vernehmungen und Schriftstücken angegeben, im Zuge der Landtagswahl 1932 der NSDAP beigetreten zu sein. Im November 1947, als die Staatsanwaltschaft Linz die Voruntersuchung in seinem Fall einleitete, sah er sich nunmehr gezwungen, seine Aussage zu relativieren: „Es ist durchaus möglich, dass ich bereits im Jahre 1931 und zwar Ende des Jahres 1931 die Mitgliedschaft der NSDAP erworben habe. Ich kann mich heute nicht mehr so genau daran erinnern. Ich wollte dadurch keinesfalls mich einer Falschregistrierung schuldig machen, da das in meinem Fall wohl gänzlich belanglos ist, ob ich bereits im Jahre 1931 oder erst im Jahre 1932 der NSDAP als Mitglied beigetreten bin.“ Dass er in der Verbotszeit Kurierdienste geleistet und für die Partei gespendet habe, stritt er weiterhin ab.
Während Vorerhebungen nach §§ 8 und 10 VG relativ häufig vorkamen (und in den meisten Fällen ab 1947 rasch eingestellt wurden), sahen sich Kuno Brandauer und seine Frau Anna mit einem viel schwerer wiegenden Vorwurf konfrontiert. Zusätzlich zur Anzeige nach §§ 8 und 10 VG erstattete die Bundespolizeidirektion Salzburg am 17. Juli 1947 bei der Staatsanwaltschaft beim Volksgericht Linz Anzeige gegen das Ehepaar Brandauer wegen Denunziation nach § 7 des Kriegsverbrechergesetzes. Der Nachbar Hans Ullrich, Vizeleutnant des Österreichischen Bundesheeres i. R., hatte der Polizei eine handschriftliche „Anzeige über meine Verhaftung und Verschickung nach Dachau!“ übermittelt, die er mit 25. Mai 1945 datiert hatte und die am 30. Juni 1945 bei der Bundespolizeidirektion eingelangt war. Hans Ullrich war den lokalen Nationalsozialisten verhasst, war er doch an der Niederschlagung des NS-Putsches im Juli 1934 in Lamprechtshausen als Bataillonsführer der Heimatschutzabteilung beteiligt gewesen. Ullrichs Ausführungen zufolge war am 13. März 1938 eine Hausdurchsuchung in seiner Wohnung durchgeführt worden, bei der sämtliche Militaria aus dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Berufssoldat gedient hatte, konfisziert worden waren. „Als (sic) meine Verhaftung, welche einige Stunden später erfolgte, wurde ich auf die Straße gestellt, wobei die Nazis ein wahres Freudengeheul aufführten, das sich noch dadurch verstärkte, als die Frau des berüchtigten Obernazi Kuno Brandauer einen Strick brachte und folgende Äußerung machte: ‚Da ist ein Strick, hängt ihn auf[,] diesen Gauner – und gelt[,] das hätten Sie nicht gedacht, daß ich Ihnen einen Strick bringe.‘“ Er sei von einem anwesenden Mann mit dem Strick gefesselt und auf das Polizeirevier gebracht worden. Anna Brandauer habe bereits bei der Hausdurchsuchung nicht verabsäumt, „bei jeder Gelegenheit meine Frau sowie mich selbst mit abfälligen Bemerkungen zu belästigen[,] z. B. ‚Es muß lustig sein[,] wenn der Mann im Zuchthaus sitzt!‘“. Während die Vorwürfe Ullrichs bis zu dieser Stelle im Sinne des KVG eher gegen Anna Brandauer denn gegen Kuno Brandauer gerichtet waren, beschuldigte er in der Folge Kuno Brandauer schwer: „Als ich im Jahre 1937, anläßlich des Jahrestages des verst. Bundeskzl. Dr. Dollfuss, die von der Bundesreg. angeordnete Fensterbeleuchtung im Auftrage der Bundespolizei, welcher ich als Hilfsorgan zugeteilt war, kontrollierte, beobachtete ich, daß bei dem illeg. Nazi Kuno Brandauer[,] Beamter der Landesreg.[,] (…) die Beleuchtung in bösartiger Weise verhöhnt wurde. Brandauer hatte am Klosettfenster auf einem umgestürzten Nachttopf ein Christbaumkerzerl entzündet. Dies meldete ich meiner vorgesetzten Behörde. Brandauer stand wegen diesem, sowie wegen illeg. Betätigung als Nazi vor der Entlassung seines Amtes wurde aber nach Verwarnung wieder auf seinem Posten gelassen. Am 2. August 1938 veranlaßte Kuno Brandauer meine neuerliche Verhaftung, wo ich 5 Wochen in Einzelhaft im hiesigen Polizeiarrest war und am 7. September 1938 nach Dachau überführt wurde. Über Brandauer‘s Veranlaßung kam ich nach 14 Tagen in den berüchtigten ‚Strafblock‘[,] wo ich bis zu meiner Entlassung [am] 13. März 1939 war. Über die Leiden und Entbehrung im ‚K.L.‘[,] besonders im Strafblock, brauche ich ja nicht zu berichten.“ Ullrich warf Brandauer fälschlich weiters vor, während der Zeit des Parteiverbots Gauschatzmeister der NSDAP Salzburg gewesen zu sein. Zudem stand für ihn fest, dass Brandauer noch nach Ende der NS-Herrschaft dem NS-Gedankengut anhänge. Dies wiederholte er auch bei einer persönlichen Befragung im April 1947. Anna Brandauer gab vor der Polizei zu, den Strick, mit dem Ullrich bei seiner Verhaftung gefesselt worden war, geholt zu haben, stritt die anderen Vorwürfe jedoch ab. Ihr Mann Kuno Brandauer hatte bereits bei einer Vernehmung Anfang Juli 1945 – also noch vor seiner Inhaftierung in Glasenbach – eine Geschichte konstruiert, die die Beleuchtung des „Klosettfensters“ bestätigte und gleichzeitig relativierte, alle anderen Anschuldigungen Ullrichs stellte er als unwahr dar. Als er im Mai 1948 erneut wegen der Anzeige Ullrichs am Bezirksgericht einvernommen wurde, beteuerte er erneut, in allen Punkten unschuldig zu sein.
In der Zwischenzeit hatte sich das Amt der Salzburger Landesregierung bereits zwei Mal beim OLG Linz nach dem Stand der beiden Verfahren erkundigt, das erste Mal im Oktober 1947, das zweite Mal im Mai 1948. Es bat um „dringende Mitteilung (…), ob der gegenständige Fall bereits einer Erledigung zugeführt wurde, bzw. in welchem Stadium sich das Verfahren befindet“, da es, so die offizielle Version, um die „Regelung eines eventuellen Ruhegenussanspruches“ von Brandauer ging.
Was genau im Sommer 1948 vorging, lässt sich anhand der erhaltenen Akten nicht rekonstruieren. Fest steht, dass die Staatsanwaltschaft Linz am 28. Oktober 1948 dem Untersuchungsrichter den Antrag auf „Einstellung des Verfahrens gegen Kuno Brandauer wegen §§ 8/10 VG, 7(1) KVG, gem. § 109 StPO, Ausscheidung des Verfahrens gegen Anna Brandauer wegen § 4 KVG (…) und Übern[ahme] zur weiteren Antragstellung“ übermittelte. Das Verfahren gegen Anna Brandauer wurde von der Staatsanwaltschaft weitergeführt, die die Beschuldigte Ende August 1950 anklagte. Der Außensenat Salzburg sprach Anna Brandauer bei der Hauptverhandlung am 31. Jänner 1951 frei.
Mit 1. Dezember 1948 wurde Kuno Brandauer erneut in den öffentlichen Dienst bei der Landeshauptmannschaft Salzburg aufgenommen, er blieb dort bis zu seiner Pensionierung 1960.
Nachkriegszeit
Kuno Brandauer kehrte nach seiner Entnazifizierung offiziell in die Salzburger Volkskultur zurück. Im November 1948 wurde er mit der Leitung der Dienststelle für Heimatpflege im Amt der Salzburger Landesregierung betraut, die direkt der Landesamtsdirektion unterstellt war und „den im volkskulturellen Bereich tätigen Gruppen und Vereinen des Landes eine fachliche Beratung und Betreuung, aber auch organisatorische Hilfestellung“ gab. In dieser Funktion initiierte er auch die Gründung des Salzburger Blasmusikverbandes, zu dessen Landesobmann er in der gründenden Versammlung am 4. April 1954 im Gasthaus Sternbräu gewählt wurde. Sowohl die Leitung der Dienststelle als auch die Obmannschaft im Blasmusikverband hatte er bis zu seiner Pensionierung 1960 inne, in beiden Ämtern folgte ihm Ferdinand Gietl nach.
Kuno Brandauer gelang es, über vier politische Systeme hinweg – Erste Republik, „Ständestaat“, NS-Regime, Zweite Republik – als führende Persönlichkeit der Salzburger Volkskultur zu wirken. Er erhielt viele hohe Ehrungen und Auszeichnungen, darunter 1962 das Bürgerrecht der Stadt Salzburg, 1975 den Ring der Stadt Salzburg, 1968 das Silberne und zu seinem 80. Geburtstag 1975 das Goldene Verdienstzeichen des Landes Salzburg und 1969 aus der Hand von Bundespräsident Franz Jonas für Verdienste um die Republik Österreich das Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich. Seit 1961, dem Jahr nach seiner Pensionierung, verlieh das Land Salzburg die von Sepp Piffrader gestaltete „Kuno-Brandauer-Medaille“ für Verdienste im Bereich der Volkskultur und Heimatpflege. Aufgrund der öffentlichen Diskussionen um seine NS-Vergangenheit wird die Verleihung seit 2011 ausgesetzt.
Kuno Brandauer starb am 17. April 1980 in Salzburg, er wurde auf dem Salzburger Kommunalfriedhof beigesetzt.
Straßenbenennung
Die Kulturabteilung legte am 16. Mai 1984 einen Amtsbericht vor, in dem die Benennung von vier Aufschließungsstraßen für die in Bau befindliche Wohnanlage auf den sogenannten Rosittengründen in der Riedenburg behandelt wurde. „Da Flurnamen in diesem Gebiet nicht zur Verfügung stehen, andererseits seit längerer Zeit die Benennung nach dem Komponisten Fred Raymond von mehreren Seiten angestrebt wird, vertritt das Amt die Meinung, daß hier die Gelegenheit geboten wäre, an mehrere namhafte Komponisten durch Straßenbenennungen zu erinnern“, so das Amt. Vorgeschlagen wurden neben Fred Raymond (1900–1954) Nico Dostal (1895–1981), Franz Lehár (1870–1948) und Johann Strauß (Sohn: 1825–1899), also Komponisten, deren Bedeutung für die Stadt Salzburg sehr unterschiedlich war. Der Amtsbericht wurde am 5. Juli in der Sitzung des Kulturausschusses diskutiert und dort zur Klubberatung und direkten Weiterleitung an den Stadtsenat zurückgestellt. Der Stadtsenat setzte den Akt in seiner Sitzung vom 11. Juli ab, weitere Beratungen zwischen Politik und Verwaltung führten schließlich zu einem „Ergänzenden Amtsbericht“ vom 18. Juli 1984, der nunmehr dem politischen Proporz in der Gemeindevertretung entsprach. Nachdem die SPÖ vorgeschlagen hatte, eine Straße nach dem früheren Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Peyerl (SPÖ) zu benennen, nominierte die ÖVP René Marcic. Im „Ergänzendem Amtsbericht“ fanden sich neben den beiden Komponisten Fred Raymond und Nico Dostal nun also der Politiker Franz Peyerl und der Journalist und Jurist René Marcic. Als die FPÖ in der Sitzung des Stadtsenates am 23. Juli 1984 schließlich anstelle von Raymond Kuno Brandauer auf die Benennungsliste setzte, blieb von den ursprünglich vorgesehenen vier Komponisten nur mehr Nico Dostal übrig. Die Benennung nach Dostal und Marcic wurde vom Stadtsenat einstimmig an den Gemeinderat weitergeleitet, nach Peyerl und Brandauer mehrheitlich gegen die Stimmen der Bürgerliste. Auch im Gemeinderat am 24. Juli 1984 stimmten die Mandatar*innen der Bürgerliste gegen die Benennung der „Kuno-Brandauer-Straße“, die jedoch mehrheitlich beschlossen wurde (pro: 10 SPÖ, 9 ÖVP, 5 FPÖ; contra: 2 BL).