Dr. Heinrich Damisch

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Heinrich Damisch (rechts) erhält von Bürgermeister Stanislaus Pacher die Goldene Mozartmedaille der Stadt Salzburg, 1956

Journalist, Mitbegründer der Salzburger Festspiele

* 4. Dezember 1872 in Wien

† 8. Juni 1961 in Salzburg

Straßenbenennung: Heinrich-Damisch-Straße, beschlossen am 18. Februar 1963

Lage: Parsch; im Gebiet der Wolfsgartengründe, nördlich der Gaisbergstraße, die Heinrich-Puthon-Straße mit der Richard-Strauss-Straße verbindend.

 

Als Sohn des „k.k. Militär-Unterintendanten“ Hauptmann Heinrich Damisch und seiner Ehefrau Emanuela Maria Julia Damisch, geborene Prochaska, wurde Heinrich Eduard Maria Damisch am 4. Dezember 1872 in der Bienengasse 2 in Wien-Mariahilf geboren und am 22. Dezember römisch-katholisch getauft. Er besuchte die Theresianische Militärakademie und schlug zunächst die Offizierslaufbahn ein, im Rang eines Oberleutnants musste er jedoch aufgrund eines schweren Augenleidens frühzeitig aus dem Militärdienst ausscheiden. Damisch schrieb sich in der Folge am Konservatorium in Wien für die Fächer Klavier, Musiktheorie und Komposition ein. 1904 wurde er Mitglied des deutschnational und damals antisemitisch ausgerichteten „Wiener Akademischen Gesangvereins“ (ab 1920 Universitäts-Sängerschaft Ghibellinen, seit 1950 Barden zu Wien). Dort dürfte er auch mit Friedrich Gehmacher in Kontakt gekommen sein.

 

Musikjournalist und Musikfunktionär

Nach Abschluss des Studiums 1907 begann Heinrich Damisch als Musikkritiker bei der Wochenschrift „Ostdeutsche Rundschau“ zu schreiben, die von Karl Hermann Wolf, dem Gründer der Deutschradikalen Partei, herausgegeben wurde. In diesem Blatt publizierte Damisch früh antisemitische Artikel, darunter ein Pamphlet gegen die Uraufführung der 9. Symphonie von Gustav Mahler. „Welche krankhafte Verirrung eines musikalischen Geistes, diese ‚Neunte‘! Eines Geistes, der allerdings nie bejahend war! Wie in Gerdas Zauberspiegel, fratzenhaft und verzerrt, erscheint diese Musik, die sich in einem Hokuspokus der Instrumente erschöpft und sich hohnlachend mit Fetzen fremder Prunkgewänder behängt.“ Mit despektierlichen Worten skizzierte er die vier Sätze der Symphonie, um zu seinem finalen Urteil zu kommen: „(…) – überall die Wirkung ohne Ursache, das Ganze ein Riesenunkraut im symphonischen Garten, davon ein neuer Balken zu dem Tempel widerlicher Unzucht gezimmert werden mag, die Krankhafte oder Verbrecher jetzt immer ungescheuter mit der Musik treiben, der einzigen Himmelsgabe, die uns die Götter in dieser Zeit nüchternster Realistik noch gelassen haben. Und dazu johlt der Mob in Logen und auf Galerien aus Snobismus oder eingebildetem Augurentum. Vielleicht könnte vor allem dieser Ungebühr beizeiten das ästhetische Schamgefühl edler Frauen uns erretten, deren Empfinden ja nahe der ewigen Natur liegt, erretten vor solcher Kunst und Kultur des Orients, von dannen die gekommen sind, die geschäftig das Gute erniedrigen, das Böse erhöhen, das Tote schmähen und das Lebendige belügen!“ Heinrich Damisch habe nach dem Urteil der Musikwissenschaft mit derartigen Zeitungsbeiträgen wie „kaum eine andere Persönlichkeit (…) die Kontinuität der antisemitischen Mahler-Rezeption in Österreich“ verkörpert. Gleichwohl sei laut Robert Hoffmann eine „definitive Bestimmung von Damischs Position im breit gefächerten kulturellen Spektrum Wiens in dieser Epoche als radikaler Antisemit und deutschnationaler Antimodernist (…) nicht zulässig“, verkehrte er doch auch mit progressiven jüdischen Kulturschaffenden der Metropole. In dieses Bild passt auch, dass er neuen Entwicklungen in der Musik nicht a priori ablehnend gegenüberstand. So war er Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM), die 1922 in Salzburg ihre erste Konzertreihe veranstaltete. Außerdem war Damisch von 1909 bis 1922 Journalist bei der Kunstzeitschrift „Der Merker“, dem wichtigsten Sprachrohr der künstlerischen Moderne in Österreich, dessen Herausgeber Gottfried Kunwald, Jurist und Finanzberater der österreichischen Regierung, Jude war.

 

Wegbereiter der Salzburger Festspiele

Gemeinsam mit dem Salzburger Juristen Friedrich Gehmacher, „meinem Farbenbruder (…), der im Mozarteum eine rege Tätigkeit entfaltete und eine angesehene Stellung einnahm“, und anderen Musikinteressierten propagierte Heinrich Damisch seit 1906 die Idee von Festspielen in der Stadt Salzburg, die primär der Musik von Wolfgang Amadé Mozart gewidmet sein sollten. Zu diesem Zweck gründeten sie am 1. August 1917 in Wien die Salzburger Festspielhaus-Gemeinde. Der Verein sollte die baulichen Voraussetzungen für die Abhaltung des Festivals schaffen. Auch die 1913 von Damisch ins Leben gerufene Wiener akademische Mozartgemeinde (seit 1947/48 Wiener Mozartgemeinde), der er bis 1945 angehörte und als Präsident vorstand, unterstützte das Salzburger Unternehmen. Nach vielen internen und institutionellen Querelen gelang es schließlich 1920, mit der Aufführung des „Jedermann“ in der Bearbeitung von Hugo von Hofmannsthal die Salzburger Festspiele Realität werden zu lassen. Je nach politischer Situation beschrieb Damisch die Einbeziehung von Max Reinhardt in die Festspielpläne diametral. In seinem während der NS-Jahre verfassten Abriss „Zur Geschichte der Salzburger Festspiele“ notierte er, dass „die unbedingte Ablehnung Max Reinhardts“ eine „Grundbedingung der ursprünglichen Festspielidee“ gewesen wäre. „Diese Stellungnahme wurde von Wien aus festgehalten, aber durch eigenmächtiges Vorgehen der Salzburger Vereinsleitung durchkreuzt, die, entgegen den ausdrücklichen Abmachungen mit Reinhardt in Fühlung trat und ihn zur Leitung der ‚Jedermann‘-Aufführungen einlud. Damit war auch der Beitritt Hoffmannsthals (sic) gegeben.“ 1960 schließlich erklärte er, dass er selbst es war, der im Sommer 1916 Max Reinhardt in Bad Ischl besucht und ihn für die Idee der Festspiele in Salzburg und als Mitglied des Kunstrates gewonnen habe. Wenngleich dieses Verdienst eher Friedrich Gehmacher zugeschrieben werden kann, „lässt Damischs Wirken im Rahmen der Festspielhaus-Gemeinde keine antisemitische Tendenz erkennen“, so Robert Hoffmann. Am 18. August 1922 wurde schließlich der Grundstein für ein Festspielhaus in Hellbrunn gelegt, Heinrich Damisch verlor durch einen Unfall bei den ausgelassenen Feierlichkeiten sein Augenlicht. Von diesem Zeitpunkt an war der annähernd 50-Jährige praktisch blind und daher in seinem Tun stark eingeschränkt.

 

Radikaler Verbalantisemitismus

Inwiefern die Streitereien in der Festspielhaus-Gemeinde, die 1924 zur Auflösung des Wiener Zweiges führten, und die Stärkung der Position von Max Reinhardt bei den Salzburger Festspielen die antisemitische Haltung von Heinrich Damisch befördert haben, muss dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass Damisch in seinen Artikeln wiederholt gegen Jüdinnen und Juden, insbesondere in Bezug auf das Kulturleben, polemisierte. Damisch schrieb von 1922 bis zu ihrem Verbot im Juli 1933 für die „Deutschösterreichische Tageszeitung“ (DÖTZ), die aus der „Ostdeutschen Rundschau“ hervorging und sich als Sprachrohr der österreichischen NSDAP profilierte. In seinen Artikeln verbreitete er antisemitische und nationalistische bzw. nationalsozialistische Positionen. Eine Analyse von Damischs Arbeiten in der DÖTZ steht noch aus, doch lässt sich aus den von Robert Hoffmann erhobenen Beiträgen aus der Feder von Damisch dessen eindeutig antisemitische Haltung nachweisen, etwa das Urteil über die Inszenierungen von Lothar Wallerstein bei den Salzburger Festspielen 1930, das mit dem Topos des Geschäftsjuden operiert: „Es ist das tragische Verhängnis der deutschen Bühnenkunst unserer Zeit, daß sie immer mehr in die Hände von Elementen gerät, denen Warenhausstaffage und Zirkusaufmarsch bestimmende Kunsterscheinungen sind. In der Oper ist das Vordringen der Regie, im besonderen einer der deutschen Kunst wesensfremden Auffassung, Aufmachung und darstellerischen Ausdrucksweise viel mehr noch von Übel, als im Sprechtheater.“ Im gleichen Sommer bezeichnete er Max Reinhardt, mit dem er in den Anfangsjahren der Festspiele durchaus freundschaftlich verkehrte, als „fremdblütige[n] Regievirtuosen“. Gegen den Dirigenten Bruno Walter polemisierte Damisch wiederholt, dabei immer wieder antisemitische Topoi bedienend, etwa wenn er die „eigenwillige undeutsche Art dieses Dirigenten“ hervorhob. Damisch wandte sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre vollends von der Moderne ab, Ernst Kreneks Oper „Jonny spielt auf“ bezeichnete er in der DÖTZ als „Niggerfestival“, Alban Bergs „Wozzek“ sei „Falschmusik à la Schönberg“.

Im Jahr 1932 feierte Heinrich Damisch nicht nur seine 25-jährige Tätigkeit als Wiener Musikjournalist, sondern beging Anfang Dezember auch seinen 60. Geburtstag. Mit Entschließung des Bundespräsidenten Wilhelm Miklas (Christlichsoziale Partei) vom 23. Dezember wurde Damisch neben Angehörigen der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst der Titel „Professor“ verliehen.

 

NS-Zeit

Der mit dem Professorentitel geehrte Heinrich Damisch war bereits ein halbes Jahr zuvor, am 1. Mai 1932, der NSDAP beigetreten, er hatte die Mitgliedsnummer 1.515.003 erhalten. Er gehörte also zu den „alten Kämpfern“, die die Ideen des Nationalsozialismus bereits vor der „Machtübernahme“ in Deutschland aus Überzeugung und nicht aus Konjunktur mittrugen. Damisch soll bereits im Mai 1922 in Berlin der NSDAP beigetreten sein, wofür es auch Zeugen gab. „die anmeldung geriet jedoch dann in verstoss“, so der Leiter des Reichspropagandaamtes Wien, Eduard Alfred Frauenfeld, im Winter 1942 in seinem Fernschreiben an das Propagandaministerium. Im Frühjahr 1941 ließ die Wiener Gauleitung die Mitgliedschaft von Heinrich Damisch bei der Reichsleitung in München überprüfen, um die Gau- und Ortsgruppekartei entsprechend anzugleichen. Gleichzeitig wurde in der Mitgliedskarte in der NSDAP-Zentralkartei unter „Wiedereingetr[eten]“ der Stempel „Ö. 1. 5. 38. n.“ aufgedruckt, wobei das Kürzel, das auf eine Einordnung in den „Illegalenblock“ hinweist, bislang nicht aufgelöst werden konnte. Weitere Stempeleinträge in der Zentralkartei mit dem Datum 15. Jänner, 20. April und 19. Mai 1941 belegen die Überprüfung. Im Unterschied zu Heinrich Damisch trat seine Frau Irene, geborene Bürger, die er am 10. September 1921 in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. in Wien geheiratet hatte, erst nach dem „Anschluß“ der NSDAP bei. Im Juli 1938 stellte die ehemalige Hauptschullehrerin den Antrag um Aufnahme, sie wurde offiziell jedoch erst mit 1. Jänner 1943 mit der Mitgliedsnummer 9.122.222 aufgenommen.

Heinrich Damisch publizierte in den Jahren des „Ständestaates“ in wenig einflussreichen Blättern und gab sich in seinen Kritiken gemäßigt, um sich wirtschaftlich nicht selbst zu beschneiden. Nach dem „Anschluß“ konnte der Mittsechziger mit seiner bekannten nationalsozialistischen Haltung nun beruflich und damit auch finanziell Fuß fassen. Er wurde Musikredakteur des Boulevardblattes „Illustrierte Kronen-Zeitung“, in dem er fortan Lobeshymnen auf die v. a. im Wiener Kulturbetrieb dargebotene NS-Kunst lieferte. Dies beinhaltete gleichzeitig auch die antisemitische Polemik. Mit seinem Wissen empfahl sich der Musikkritiker zudem anderen Stellen wie der Verwertungsgesellschaft A.K.M (Autoren, Komponisten, Musikverleger), die 1938 liquidiert und in die deutsche STAGMA überführt wurde. Da Tantiemen an jüdische Künstlerinnen und Künstlern nach dem „Anschluß“ nicht mehr ausgezahlt werden sollten, legte die A.K.M/STAGMA einen „Judenspiegel“ an, der die Kunstschaffenden entsprechend den Nürnberger Gesetzen kategorisierte. Dieses Verzeichnis musste jedoch erst erarbeitet werden, weshalb im Protokoll einer Präsidial-Sitzung der A.K.M im Frühjahr 1938 festgehalten wurde: „Bis dahin haben die Herren Professor Damisch und Wobisch als verlässliche Auskunftspersonen der Judenfrage zu gelten“. Der „Judenspiegel“ wurde schließlich am 10. Februar 1939 vorgelegt, für welche Beurteilungen Heinrich Damisch bis dahin herangezogen worden war, ist bislang nicht erforscht.

 

„Die Verjudung des österreichischen Musiklebens“

Den Höhepunkt der antisemitischen Hetze stellt Heinrich Damischs Pamphlet „Die Verjudung des österreichischen Musiklebens“ dar. Es erschien in der Ausgabe vom Juni 1938 der von Alfred Rosenberg herausgegebenen Zeitschrift „Der Weltkampf. Monatsschrift für Weltpolitik, völkische Kultur und die Judenfrage aller Länder“. Im gleichen Heft publizierte u. a. auch Karl Springenschmid seine Gedanken über „Österreich im Kampf gegen die überstaatlichen Mächte“. Auf wenigen Seiten holte Damisch zu einem rassistischen Rundumschlag im Bereich der Musikkultur aus. Dem Musikschriftsteller zufolge bildete das „von einer für das Judentum besonders charakteristischen Sucht nach Geltung getriebene Streben nach geistigen Einflüssen und Machtstellungen sowie eine vielverzweigte Genußsucht (…) die ideelle Komponente einer zwangsläufig zur Überwucherung des Kulturlebens führenden Kraftentfaltung der Juden“. Seine gleich zu Beginn geäußerte apodiktische antisemitische Schlussfolgerung, wonach sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts „der jüdische Einschlag im Kulturleben Österreichs immer stärker bemerkbar“ mache, „belegte“ er in der Folge mit Beispielen aus allen Bereichen der Musik, von der Komposition über die Interpretation bis hin zum Verlagswesen. Österreich, insbesondere Wien, war demnach „ein Tummelplatz jüdischer Künstler und Schriftsteller“ geworden, „die nicht nur dem Geschmack ihrer Rassegenossen huldigten, sondern auch das Kulturempfinden der bodenständigen Bevölkerung in verderblichem Sinne beeinflußten und verfälschten. (…) Als später dann, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts beginnend, die zunehmende allgemeine Verjudung auch auf Ämter und Behörden übergriff, wurde in der Kunst das arische Element immer stärker verdrängt. Am meisten war dies in der Musik der Fall“, so Damisch. In verschwörungstheoretischer Manier sprach er von „fast planmäßig und jedenfalls sehr geschäftstüchtig geleisteten Vorarbeiten“ und davon, dass „das Judentum um die Wende des Jahrhunderts einen Kulturkampf entfachte, der die völlige Vernichtung des arischen Kunstempfindens und der arischen Künstlerschaft sowie deren nahezu restlose Ersetzung durch jüdische Elemente zum Ziel hatte. Kubismus, Dadaismus und Atonalismus waren die ersten Giftgase, die man in das arische Publikum schleuderte, um es für die Zerstörung aller abendländischen Kulturbegriffe gefügig zu machen. Auf dem Gebiete der Musik hat dieser Vernichtungskrieg von Wien seinen Ausgang genommen (…).“ Die Nationalsozialisten sollten wenige Jahre später die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden mit ähnlichen Formulierungen legitimieren. Als ersten nannte er namentlich Gustav Mahler, der „militante jüdische Dirigent“, der „aus Hamburg nach Wien zur Leitung der Hofoper berufen wurde. Von da an datiert die unverhüllte Machtergreifungstaktik des Judentums auf dem Gebiete der Musik. Offenbar nach geheimen, sehr raffiniert ausgearbeiteten Plänen versuchten die Juden das gesamte musikalische Erziehungswesen zu durchdringen, als Dirigenten, Direktoren und Oberspielleiter in Oper und Operette entscheidende Stellungen zu beziehen, das jüdisch-liberale und marxistische Pressewesen zu mobilisieren und das Gebiet der schaffenden Musik durch Zertrümmerung von Grundlage und Aufbau völlig zu erobern.“ Mahler sollte schließlich nach zehn Jahren „im Dienste der Verjudung stehender Tätigkeit durch seine urjüdische Überheblichkeit, sein Vielwollen und Wenigkönnen [in Wien; Anm. d. Verf.] unerträglich“ werden. Damisch bediente den Topos vom parasitären Juden, wenn er schreibt, dass von Wien und der hiesigen Akademie aus, deren Lehrkörper und Studierendenschaft „immer stärker verjudete“, „eine Schar jüdischer Musiker, Dirigenten und Komponisten in das Ausland entsendet“ wurde, vornehmlich nach Deutschland, „das von den Sendlingen überflutet wurde, wo sie überall bald dieselben Zustände auf musikalischem Gebiete hervorriefen, wie sie in ihrem Ausgangspunkt Wien herrschten. (…) Die verjudete oder judendienerische Musikkritik und sogar die Musikwissenschaft traten dann der praktischen Verjudung theoretisierend zur Seite.“ Die weiteren namentlichen Angriffe richteten sich nicht nur gegen Arnold Schönberg, Arnold Rosé und Bruno Walter, Damisch polemisierte gegen mehr als zwanzig musikalisch Schaffende aus allen Bereichen des Musiklebens. Für die „arischen Tondichter der Gegenwart“ wurde laut Damisch die Situation „immer bedrohlicher, zumal die verjudete Musikkritik nur jenen ausübenden Musikern Lob zollte, die sich mit den oft zu wahren Mißgebilden ausartenden Machwerken jüdischer Komponisten befaßten“. Noch „krasser“ sah er die Lage in der (Wiener) Operette, die „ganz in jüdische Hände übergegangen“ war und wo Juden einen „eisernen Ring“ bildeten, „der jedes Aufkommen arischer Begabungen auf dem Gebiete der heiteren Bühnenmusik unmöglich machte“. Operetten seien bearbeitet worden, „um sie dem jüdischen Geschmack anzupassen und sich tantiemendienstbar zu machen“.

 

„Das Weltfestspielhaus in Salzburg“

Heinrich Damisch berichtete in der „Illustrierten Kronen-Zeitung“ nicht nur über die „in ihrer bewährten Form erhalten gebliebenen, aber von allen fremdartigen Elementen gründlich gesäuberten“ Salzburger Festspiele des Jahres 1938, sondern unterbreitete noch vor deren Eröffnung staatlichen Stellen seine Überlegungen zu einem „Weltfestspielhaus in Salzburg“, das er in Aigen nahe dem Schloss platzierte. „Das Weltfestspielhaus muss ein stolzes Wahrzeichen der deutschen Kunst sein und auf einem erhöhten Platz von überall weither sichtbar und überall hin ins Land blickend aufragen. Es muss im Blickfang des Obersalzbergs liegen und rundum frei in das herrliche, gewaltige Natur- und Kulturpanorama vom Pass Lueg über Watzmann, Untersberg bis Salzburg gestellt sein.“ Er sah gute Chancen, mit der Besitzerin der Grundparzelle, (Gräfin) Ida Revertera, handelseins zu werden. Doch auch ohne eine Übereinkunft sollte das Projekt realisiert werden. „Die allfällige derzeitige Verbauung des geeigneten Platzes darf keine Bedeutung besitzen, da eine Einlösung hinderlicher Objekte in den Bereich einer starken Machtausübung gerückt ist.“ Ob es Reaktionen von staatlicher Seite auf diese Pläne gab, ist nicht überliefert. Heinrich Damisch selbst besuchte die Salzburger Festspiele während der NS-Jahre wiederholt. Nachweislich 1940, 1941 und 1942 war er zur Festspielzeit in Salzburg, 1942 gemeinsam mit seiner Frau Irene und der 19-jährigen Tochter Edith.

Damisch hatte bereits 1931 im Selbstverlag der Wiener akademischen Mozartgemeinde anlässlich des 140. Todestages von Wolfgang Amadé Mozart den „Mozart-Almanach“ herausgegeben. Zehn Jahre später zeichnete er nun bei den großen Feierlichkeiten zum 150. Todestag, die das NS-Regime in der „Mozartwoche des Deutschen Reiches“ für seine kulturpolitische Propaganda instrumentalisierte, erneut für den „Mozart-Almanach“ verantwortlich, diesmal wurde er jedoch im Auftrag des Kulturamtes der Stadt Wien herausgegeben und stand ganz im Zeichen der Verherrlichung des Komponisten als deutscher Künstler.

 

Goebbels gratuliert zum 70. Geburtstag

In den Salzburger Zeitungen der NS-Jahre ist Heinrich Damisch kaum präsent. Lediglich zu seinem 70. Geburtstag im Dezember 1942 berichtete Otto Kunz in der „Salzburger Zeitung“ über Damischs Leistungen für die Salzburger Festspiele und die Mozartpflege. Er bezeichnete den Jubilar als „Musikbetrachter von glühender Liebe für das deutsche Volk, mannhaft für das Echte, Edle und Wahre kämpfend. Kulturpolitiker im schönsten Sinne des Wortes. Träger des nationalen Kampfes gegen jegliche artfremde Zersetzung, in der Systemzeit Leiter der ‚Arbeitsgemeinschaft deutscher Musiker Österreichs‘ und Berater der Landesleitung Österreich der NSDAP. Damisch ist einer der Begründer völkischer Musikpolitik.“ Das Fazit der Charakterisierung von Heinrich Damisch durch Otto Kunz ist mit einem Blick auf seinen Werdegang sicherlich zutreffend. „Der Nationalsozialismus hat ihm die Erfüllung der Ideale, die er im Herzen trug, gebracht.“ Im Wiener Rathaus erhielt Heinrich Damisch an seinem Geburtstag aus der Hand des für Kultur zuständigen Stadtrates SS-Oberführer Ing. Hanns Blaschke, dem späteren NS-Bürgermeister von Wien, die erstmals vergebene „Ehrengabe des Wappens der Stadt Wien“. Und das von der Mozartgemeinde Wien herausgegebene Mitteilungsblatt „Wiener Figaro“ widmete ihrem Gründer und Vorsteher eine Sondernummer, in der die Spitzen aus Politik und Kultur gratulierten, darunter Hanns Blaschke, der Salzburger Regierungspräsident SS-Oberführer Dr. Albert Reitter, der Leiter der Abteilung Musik im Landeskulturamt der NSDAP Gau Wien Robert Ernst, der Musikjournalist Max von Millenkovich-Morold, Dr. Mirko Jelusich, der Generalsekretär der Internationalen Stiftung Mozarteum Dr. Erich Valentin und andere. Der bereits zitierte Leiter des Reichspropagandaamtes Wien, Eduard Alfred Frauenfeld, setzte sich für eine angemessene Ehrung von Heinrich Damisch durch die Reichsregierung ein. Wenige Tage vor den Feierlichkeiten informierte er die Musikabteilung im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda über den bevorstehenden Geburtstag von Damisch und verwies auf seine Bedeutung für die „nationale sache“. In seinem Fernschreiben schlug er „dem herrn minister die uebersendung eines glueckwunschschreibens und die ueberreichung einer ehrengabe in der hoehe von rm 3.000.—“ vor. Nachdem zunächst keine Antwort aus Berlin kam, fragte Frauenfeld erneut an, ob und in welcher Form Joseph Goebbels dem Jubilar gratulieren möchte. Der Minister zeigte sich großzügig, am Geburtstag von Heinrich Damisch langte ein Fernschreiben aus dem Propagandaministerium beim Reichspropagandaamt Wien mit dem Vermerk „dringend, eilt sehr, sofort auf den tisch“ ein. „der minister wird prof. damisch heuete [sic] ein gleuchwunschtelegramm [sic] uebersenden und hat gleichzeitig angeordnet, dass ihm eine geburtstagsspende von rm 10.000.— ueberwiesen wird.“ Das Telegramm dürfte Damisch tatsächlich an seinem Geburtstag erreicht haben, auf das Geld musste er allerdings länger als ein halbes Jahr warten, da amtsintern unklar war, über welche Stelle die Geburtstagsspende ausgezahlt werden sollte. Schließlich erhielt Damisch die 10.000,- RM in der ersten Julihälfte 1943 aus der Hand von Eduard Frauenfeld, dem der Betrag von der Reichskulturkammer, Abteilung „Künstlerdank“ überwiesen worden war.

 

Entnazifizierung

Als die sowjetischen Truppen Wien immer näher kamen, floh Heinrich Damisch Anfang April 1945 mit seiner Ehefrau Irene und den beiden Töchtern Edith und Irmgard nach Salzburg. Sie zogen zu ihren Verwandten in der Aigner Straße 43 und meldeten sich am 9. April 1945 offiziell an.

Am 27. Mai 1946 gab Heinrich Damisch sein Meldeblatt zur Registrierung der Nationalsozialisten bei der zuständigen Kartenstelle in Aigen ab. Darin erklärte er, von 1932 bis 1933 und von 1938 bis 1945 Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Außerdem habe er „soweit erinnerlich 1941 od. 1942“ die Ostmarkmedaille erhalten. Um seine Situation in ein besseres Licht zu stellen, fügte er unter „Allfällige Bemerkungen“ an: „Ansuchen um Altersrente noch in Behandlung. – Seit 1923 voll erblindet.“ Mit Verfügung vom 17. April 1947 wurde Damisch als „minderbelastet“ eingestuft. Ob es Erhebungen wegen seiner frühen NS-Mitgliedschaft gegeben hat, ist bislang nicht bekannt, in den Akten findet sich kein Hinweis darauf.

 

Nachkriegszeit

Heinrich Damisch, zu Kriegsende 72½ Jahre alt, verbrachte in Salzburg seinen Lebensabend, wobei er wiederholt nach Wien eingeladen und mit Ehrungen bedacht wurde. Er blieb nicht nur musikschriftstellerisch weiterhin aktiv, sondern engagierte sich für den Erhalt des Mozart-Wohnhauses am Makartplatz, das durch einen Bombentreffer 1944 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war. 1953 wurde er in das Kuratorium der Internationalen Stiftung Mozarteum aufgenommen und war an der Vorbereitung und Durchführung des Mozartjahres 1956 führend beteiligt. Zu seinem 80. Geburtstag 1952 erhielt er die Mozartmedaille der Mozartgemeinde Wien, 1956 verlieh ihm die Stadt Salzburg die Goldene Medaille der Mozartstadt und zu seinem 85. Geburtstag 1957 ehrte ihn das offizielle Österreich mit der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich.

Heinrich Damisch starb am 8. Juni 1961 in Salzburg, er wurde auf dem Friedhof in Aigen beigesetzt.

 

Straßenbenennung

Wenige Wochen nach dem Tod von Heinrich Damisch wurde im Unterausschuss für Straßenbenennungen bereits sein Name im Zusammenhang mit einer Neubenennung einer Straße genannt, ein Vorschlag für eine konkrete Verkehrsfläche ergab sich jedoch erst bei der Besprechung am 14. August 1962. Im daraufhin erstellten Amtsbericht der Kulturabteilung vom 10. September wurden die Benennungsvorschläge für „vier Straßenzüge im Gebiet der Wolfsgartengründe in Parsch (Verbauung der sog. Statlwiese) vorgeschlagen, einer davon für den „im Vorjahr verstorbenen Mitbegründer der Salzburger Festspiele Prof. H. Damisch“. Die anderen drei Straßen sollten nach dem ehemaligen Festspielpräsidenten Heinrich Puthon, dem Salzburger Dramatiker Hans Seebach (= Hans Demel) und dem Dirigenten Bruno Walter benannt werden. Nachdem der zuständige Gemeinderat Hermann Ingram (FPÖ) dem Kulturausschuss am 15. Jänner 1963 eine Reihe von Straßenneubenennungen vorgelegt hatte und diese akkordiert worden waren, beschloss der Stadtsenat in seiner Sitzung vom 21. Jänner einstimmig den Antrag an den Gemeinderat weiterzuleiten. Dieser segnete in seiner zweiten Sitzung des Jahres 1963 am 18. Februar einstimmig (14 SPÖ, 13 ÖVP, 9 FPÖ, 1 KPÖ) die Benennung von 22 Straßenzügen ab, darunter die „Heinrich-Damisch-Straße“. Das Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg wiederholte beinahe wortident die im Amtsbericht vorgelegte Kurzbiografie von Heinrich Damisch: „Professor Damisch (1872 bis 1961) war einer der Wegbereiter des Salzburger Festspielgedankens und neben Hofmannsthal, Reinhardt, Schalk, Roller und Friedrich Gehmacher Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Außerdem gründete er schon 1913 die Mozartgemeinde Wien. Die Stadt Salzburg verlieh ihm 1956 die goldene Medaille der Mozartstadt.“