Dipl.-Kfm. Erich Landgrebe

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Erich Landgrebe bei der Eröffnung einer Ausstellung seiner Bilder, 1978

Schriftsteller, Maler

* 18. Jänner 1908 in Wien

† 25. Juni 1979 in Salzburg

Straßenbenennung: Erich-Landgrebe-Straße, beschlossen am 16. September 1983

Lage: Leopoldskron; von der Adalbert-Stifter-Straße nach Nordosten abzweigend.

 

Der Kaufmann, Schriftsteller und Maler Erich Heinrich Maximilian Landgrebe wurde am 18. Jänner 1908 in Wien als Sohn des Kaufmanns Max Landgrebe und der Auguste, geb. Nawrath, geboren. Am 26. März 1938 heiratete Landgrebe in Krems Margret Schmitt, Tochter des Fabrikanten Dipl.-Ing. Franz Xaver Adolf Schmitt.

Erich Landgrebe besuchte in Wien die Realschule und anschließend die Hochschule für Welthandel sowie die Akademie für angewandte Kunst in Wien, an der er Abendkurse belegte, zudem absolvierte er in der Kunstgewerbeschule die Fachklasse Malerei. Nach dem kaufmännischen Diplom 1929 besuchte er die Sommerhochschule Grenoble. 1930 ging er als kaufmännischer Volontär nach Hamburg. Ab 1931/32 verbrachte er zwei Jahre in den USA, bereiste das Land und war in unterschiedlichen Berufen tätig, darunter als Fotograf, Adressenschreiber, Karikaturist, Tellerwäscher und Reiseschriftsteller. Nach seiner Rückkehr trat er als „Leiter der Reiseabteilung und Werbeleiter“ in die Reisebüro/Reisebus-Firma seiner Eltern („Austrobus“) ein.

Ab 1930 war Erich Landgrebe schriftstellerisch tätig, seine erste Veröffentlichung erfolgte 1934 mit dem Gedichtband „Das junge Jahr“. 1935 wurde er Mitglied der deutsch-österreichischen Schriftstellergenossenschaft, aus der er 1936 austrat, um dem „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ beizutreten. 1936 und 1937 erschienen Landgrebes erste Romane „Adam geht durch die Stadt“ und „Peter Halandt“.

Im November 1935 wurde Landgrebe vermutlich erstmals auf Radio Wien in der Sendung „Stunde der Jungen“, die sich mit zwei aufstrebenden Dichtern befasste, vorgestellt. Am 2. August 1937 berichtete Landgrebe in der Radio Wien Sendung „Jugendstunde“ über seine Jahre in Amerika.

Im Februar 1936 wurden Texte Landgrebes zusammen mit solchen anderer junger Autoren auf Einladung des Europäischen Jugendbündnisses im Wiener Burgtheater gelesen. Ein Jahr darauf war er erneut bei der Veranstaltung vertreten. Ab Februar 1937 erschienen regelmäßig Texte Landgrebes im „Salzburger Volksblatt“. Im Dezember 1937 erhielt Landgrebe den Preis der Julius-Reich-Dichterstiftung.

 

NS-Zeit

Dem Nationalsozialismus stand Erich Landgrebe spätestens ab 1936 nahe. So wurde er am 4. Mai 1936 im Rahmen einer Polizeiaktion gegen die „Nationalsozialistische Kulturgemeinde“, welche getarnte Kulturveranstaltungen für ein nationalsozialistisch gesinntes Publikum organisierte, verhaftet und am 9. Mai wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. In der amtlichen Mitteilung, die auch in der Presse publiziert wurde und Landgrebe als Verhafteten neben sechs weiteren Personen nannte, hieß es, die NS-Kulturgemeinde bezwecke „durch Veranstaltungen getarnter nationalsozialistischer Vortragsabende, Konzerte und dergleichen die Sammlung nationalsozialistischer Parteigänger (…). Der Vertrieb der Eintrittskarten zu diesen getarnten Veranstaltungen erfolgte vorwiegend durch illegal tätige Nationalsozialisten.“ Laut Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien war Landgrebe unter den organisatorischen Mitarbeitern für einen für 12. Mai geplanten Dichterabend im kleinen Musikvereinssaal, den er offiziell gemeinsam mit Otto Emmerich Groh veranstaltete. Die eigentlichen Veranstalter seien jedoch mit Walter Kotas und Friedrich Karl Rieger führende Mitglieder der NS-Kulturvereinigung gewesen. Kotas habe „die Dichter Groh und Landgrebe zur Mitarbeit eingeladen und als denn in der Angelegenheit die ersten Verhaftungen erfolgten, an Landgrebe einen Brief gerichtet, in welchen er ihn unter gleichzeitiger Übersendung von 12 Eintrittskarten ersucht, diese Karten bei der Kassa des Musikvereinssaales zu deponieren, damit es nicht aussehe, als ob die Veranstaltung ‚unter gänzlichem Ausschluss der Öffentlichkeit’ stattfinde.“ Damit sei auf den „bisher ausschließlich in nationalsozialistischen Kreisen erfolgten Kartenverkauf“ angespielt worden. „Hinsichtlich Otto Emmerich Groh und Erich Landgrebe erscheint der Tatbestand wohl in objektiver, nicht aber in subjektiver Hinsicht erwiesen, weshalb von einer polizeilichen Bestrafung derselben abgesehen wurde.“ Landgrebe und Groh wurden daher aus der Untersuchungshaft entlassen, weil „sie nur Mitläufer waren, die keine aktive Rolle in der Angelegenheit spielten“, wie es im „Salzburger Volksblatt“ hieß.

Seine Untersuchungshaft führte Landgrebe 1938 in seinem Antrag um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer als Beleg seiner nationalsozialistischen Gesinnung an, er sei Parteimitglied seit 1936, allerdings ohne Mitgliedsnummer. Landgrebe beantragte am 21. Mai 1938 die Mitgliedschaft in der NSDAP und wurde mit der Mitgliedsnummer 6.130.689 und dem Aufnahmedatum 1. Mai 1938 bei der Ortsgruppe Unter St. Veit (Wien-Hietzing) in die Partei aufgenommen. Sein Blockleiter bescheinigte ihm, er habe sich „[e]inwandfrei im nationalsozialistischen Sinne" betätigt, sei Mitglied im Deutschen Turnverein, beim Wandervogel und im Bund der Deutschen Schriftsteller sowie seit März 1938 auch im NSKK.

Der Landesleiter Österreich der Reichsschrifttumskammer Max Stebich verbürgte sich für Landgrebes Einstellung: „Der Schriftsteller Erich Landgrebe hat sich immer im nationalsozialistischen Sinn betätigt. Sein Charakter ist vollkommen einwandfrei. Er war auch seit der Gründung Mitglied des Bundes der deutschen Schriftsteller Österreichs.“ Dieser sammelte die national(sozialistisch) orientierten Schriftsteller Österreichs in der illegalen Zeit und veröffentlichte kurz vor der „Volksabstimmung“ über den „Anschluß“ im „Neuen Wiener Tagblatt“ unter Anführung einer Reihe von Mitgliedern – darunter Landgrebe – ein „Bekenntnis zum Deutschland Adolf Hitlers“, in dem er auch seine Tätigkeit schilderte: „Der Bund deutscher Schriftsteller hat, alle früheren nationalen Bestrebungen des österreichischen Schrifttums in sich aufnehmend, vor anderthalb Jahren die Schriftsteller Oesterreichs aufgerufen, sich auf den Boden des deutschen Volkstums und des Bekenntnisses zum neuen Deutschland zu vereinigen. Der Ruf hatte vollen Erfolg. (…) Die Dichter und Schriftsteller Oesterreichs erblicken in der Schaffung Großdeutschlands nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle Tat von größter Bedeutung. Sie erkennen in dem Nationalsozialismus eine schöpferische geistige Bewegung, die berufen ist, alle im deutschen Volk ruhenden Gaben zur vollen Entfaltung zu bringen, und eine alte, in die Irre gegangene Welt von Grund auf mit jugendlicher Kraft neu zu gestalten.“

Der „Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ gab nach dem „Anschluss“ das „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“ heraus, zu dem Landgrebe den Text „Heimkehr nach Deutschland 1932“ aus seinem Roman „Peter Halandt“ beisteuerte. Darin schilderte Landgrebe „Zuversicht und Vertrauen auf die eigene Kraft“ und die „Heimkehr eines Volkes zu sich selber“.

Ab April 1938 war Landgrebe laufend mit Texten in Zeitungen vertreten, vor allem im „Neuen Wiener Journal“ und in den „Wiener Neuesten Nachrichten“, für die er nach eigenen Angaben bereits seit 1935 tätig war. Ab September 1938 gestaltete er auch Radiosendungen für den Reichssender Wien, dabei referierte Landgrebe u .a. über „Schrifttum in der Ostmark“, über eine KdF-Fahrt mit dem Dampfer „Wilhelm Gustloff“, berichtete über „Deutsches Schicksal im Süden. Die großen Deutschen in Italien“, und gestaltete gelegentlich der Kolonialbund-Tagung in Wien die Sendung „Um Raum und Leben“, welche „die Schicksale des Gründers unseres Ostafrikanischen Raumes, Carl Peters, und des deutschen Retters des afrikanischen Lebens, Robert Koch“ behandelte. Damit stellte sich Landgrebe in den Dienst der NS-Propaganda.

Im Dezember 1938 las Landgrebe vor der Ortsgruppe Aspern der NSDAP aus eigenen Werken, 1940 trat er auch bei einer Veranstaltung des Deutschen Volksbildungswerkes von „Kraft durch Freude“ auf.

 

Kommissarischer Leiter und Geschäftsführer „arisierter“ Wiener Verlage

Ganz wesentlich für die Beurteilung von Landgrebes Verstrickung in den Nationalsozialismus waren seine Rolle als Geschäftsführer und „Arisierungs“-Interessent des Zsolnay-Verlages und sein Einsatz als kommissarischer Verwalter des Verlages R. Löwit am Fleischmarkt mit der dazugehörenden Buchhandlung Mejstrik in der Wollzeile (beides in Wien-Innere Stadt) 1938/39. Beide Firmen standen in Besitz von Dr. Mayer Präger, der verhaftet und im Jänner 1939 ins Konzentrationslager Buchenwald überstellt wurde, von wo er 1942 nach Auschwitz verbracht und dort ermordet wurde. Laut eigenen Angaben wurde Landgrebe „über Veranlassung“ des Propagandaministeriums zum kommissarischen Verwalter von Löwit (inkl. Buchhandlung Mejstrik) bestellt und habe den mündlichen Auftrag zur Liquidation dieser „als absolut unerwünscht geltenden Firmen“ erhalten. Er wurde in dieser Funktion von der Überwachungsstelle für kommissarische Verwaltung bestätigt und eingesetzt, auch die Gestapo Wien gab den Auftrag zur Liquidation. Das Kreis-Wirtschaftsamt VI hatte der Prüfstelle für kommissarische Verwalter bestätigt, dass gegen Landgrebes „Bestellung zum kommissarischen Verwalter keine Bedenken“ bestünden. Die Firma war laut Landgrebes Bericht an die Vermögensverkehrsstelle (VVSt) überschuldet, da große Teile des Warenlagers „teils zum Einstampfen, teils für die Forschungsstelle [gemeint ist wohl Rosenbergs Forschungsstelle zur „Erforschung der Judenfrage“, Anm. d. Verf.] und teils für Büchereien eingezogen“ worden seien. „In Anbetracht der Lage der Firma“ hielt Landgrebe „eine Auszahlung an die Frau und Mutter des Verhafteten für nicht vertretbar“. Zwar hatte er von der Gestapo „die mündliche Weisung“, den beiden wöchentlich 30 Reichsmark zu überweisen, doch erbat er von der VVSt eine „ausdrückliche Bevollmächtigung hiezu“. Ob diese erteilt wurde, geht aus dem Akt nicht hervor. Die Firma wurde jedenfalls liquidiert. Offiziell wurde Landgrebe erst nach seiner Einziehung zum Wehrdienst im Februar 1941 als Abwickler der Firmen Löwit und Mejstrik enthoben und mit dem Laconia-Institut ein neuer Abwickler bestellt.

Landgrebes Engagement beim Zsolnay-Verlag war von längerer Dauer. Seine Werke waren seit 1936 bei Zsolnay verlegt worden. Die Besitzer hatten 1938 ihre Funktion offiziell zugunsten von zwei „Ariern“ zurückgelegt, die Vermögensverkehrsstelle vermutete darin jedoch eine „Scheinarisierung“, die Gestapo schloss den Verlag im April 1939. Das Reichswirtschaftsministerium bestimmte gegenüber der VVSt, Wilhelm Hofmann als Treuhänder des Zsolnay-Verlages einzusetzen, diesem „wurde der Auftrag erteilt, Landgrebe als fachlichen Berater bzw. Geschäftsführer des Verlages anzustellen.“ Landgrebe bekam diese „Schlüsselstelle im Verlag“, weil er „der erste ausdrückliche Wunschkandidat von Propagandaminister Joseph Goebbels als Ariseur des Verlags“ war. Er strebte an, den Verlag „mit Münchner Kapital“ zu arisieren und genoss „das volle Vertrauen des Propagandaministeriums“. Landgrebes Arisierungsbestrebungen scheiterten jedoch am fehlenden Kapital, das zudem aus der „Ostmark“ stammen sollte, er war auch bemüht, „mit Unterstützung der Landesleitung in Wien“, von der „Reichsschrifttumskammer in Berlin einen ‚reichsverbürgten Kredit’ zur Erwerbung des Zsolnay-Verlags zu bekommen“. Die Wiener Schrifttumskammer soll dieses Ansuchen unterstützt haben, lobte Landgrebes Fähigkeiten als Verleger und argumentierte, die Bilanz des Zsolnay-Verlages sei „gerade noch als aktiv“ zu bezeichnen. Das Kreditansuchen war auch dadurch motiviert, dass Landgrebe „durch die Schließung eines Autobusunternehmens, bei dem er mit mehr als 50 Prozent beteiligt war [die oben erwähnte „Austrobus“, Anm. d. Verf.], finanziell schwer getroffen“ sei. 35 der Überlandautobusse seien in den Dienst der Wehrmacht gestellt worden.

Schließlich kam 1941 Karl H. Bischoff als „Arisieur“ des Zsolnay-Verlages zum Zuge. Zu diesem Zeitpunkt war Landgrebe bereits zur Wehrmacht eingerückt. Für seine Tätigkeit als leitender Angestellter erbat der kommissarische Verwalter Hofmann für sich und Landgrebe eine Sondervergütung, die er für seinen Geschäftsführer folgendermaßen begründete: „Herr Erich Landgrebe hat die Reinigung des Verlags von jüdischen Elementen durchgeführt und es verstanden, durch eigne Initiative das literarische Niveau zu heben.“ Landgrebe war ab 16. April 1939 bestbezahlter Mitarbeiter im Verlag gewesen und veranlasste im Rahmen seiner Tätigkeit auch inhaltliche Änderungen bzw. Streichungen von Textpassagen, die gerade nicht opportun erschienen, so strich er im Roman „Zwei Gefangene“ von Lajos Zilahy (4. Auflage 1940) eine Passage über die russische Revolution.

Ab März 1940 trat Landgrebe als Gesellschafter in die „Wiener Autorundfahrten Landgrebe & Söhne“ ein, die „Austrobus“ war aus der Firma ausgeschieden.

 

Kriegsberichterstatter

Landgrebe wurde im September 1940 zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und diente ab 1941 als Kriegsberichter in einer Propagandakompanie. Er wurde zunächst an der russischen Front, später in Afrika eingesetzt. Als Kriegsberichterstatter schrieb er von der Ostfront u. a. über das „Ende der Panzer-Elite-Division ‚Timoschenko’“, über den Einsatz der Pioniere oder in einer atypischen Schilderung über die Stille an der Ostfront unter dem Titel „Die stumme Front. Das andere Gesicht des Krieges im Osten“. In einem Bericht für den „Völkischen Beobachter“ vom September 1942 operierte Landgrebe mit rassistischen antislawischen Stereotypen: „Als wir vor 14 Monaten in dieses fremde Land stießen, als die Spitzen unserer schnellen Truppen, die Vorausabteilungen mit Panzern und Kradschützen ihre Nadeln vortrieben in das Fleisch des drohenden Kolosses, der wie ein böses Ungeheuer sich anschickte, den Garten Europas zu zertrampeln – da standen wir vor den fremdesten Bildern unseres Soldatenlebens. Aus stumpfen Gesichtern, hinter breiten Backenknochen hervor sah uns eine Wildheit an, die hinter Vierlingsmaschinengewehren lauernd auf uns blickte oder stumm in ausgebrannten Kampfwagen hockte als toter Wegweiser in die Fremde.“

Weiterhin wurden literarische Texte von Landgrebe von 1940 bis 1944 im „Neuen Wiener Tagblatt“ und im „Völkischen Beobachter“ veröffentlicht, oftmals auch mit Kriegsbezug. 1943 geriet er in US-amerikanische Gefangenschaft, er wurde ins Camp Concordia in Kansas, USA gebracht, wo er auch an „Reeducation“-Programmen teilnehmen musste.

 

Entnazifizierung

Nach seiner Freilassung aus US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft 1946 kehrte Landgrebe nicht nach Wien zurück, sondern ließ sich in Bad Aussee nieder. Dort registrierte er sich 1946 lediglich als Parteianwärter von März 1938 bis September 1940 sowie als NSKK-Mitglied und suchte um Abstandnahme von der Registrierung an.

Im Zuge der „Reinigung des österreichischen Buchhandels“ wurde Landgrebe als einer jener Autoren genannt, deren Werke nicht weiter verbreitet werden sollten. Das „Neue Österreich“ schrieb, dass „Erich Landgrebe (…) und andere auf eine weitere Verbreitung ihrer infizierten Musenkinder in Österreich verzichten müssen.“ Landgrebe war nun als Maler aktiv, stellte u. a. 1946 und 1947 im Salzburger Künstlerhaus aus. Seine Beteiligung an der Ausstellung „Kunst und Handwerk im Ausseer Land“ im Kurhaus Bad Aussee 1946 wurde auch in der „Wiener Zeitung“ vermerkt, er sei Teil des Altausseerkreises.

Die Berichte über seine künstlerische Tätigkeit führten schließlich zu Ermittlungen, da eine über Landgrebes NS-Aktivitäten informierte Person sich an die Redaktion der „Wiener Zeitung“ wandte, über seine illegale Betätigung für die NSDAP und seine Rolle als kommissarischer Verwalter berichtete und sogar in den Raum stellte, er habe eine „Judenwohnung“ „arisiert“. „Er rückte freiwillig zur Wehrmacht ein und gebärdete sich stets als Obernazi. Er trug stets das Parteiabzeichen und versah den Dienst bei der Wehrmacht als Sonderführer in der Propagandakompanie“. Der Schreiber, der offenbar einen Decknamen angegeben hatte, empörte sich, dass sich Landgrebe nunmehr „in Oberösterreich als ‚guter Österreicher’“ ausgebe. Landgrebe halte sich in Bad Aussee auf, weil er sich nicht nach Wien zurücktraue, da „er befürchtet, daß er als bekannter Judengegner und überzeugter, fanatischer Nazi, der er 100%ig war, gewisse[n] Unannehmlichkeiten ausgesetzt wäre“.

Erste Erhebungen der Polizeidirektion Wien ergaben neben seiner Parteimitgliedschaft und seinem Einsatz als kommissarischer Verwalter, dass Landgrebe in seinem früheren Wohnhaus „als begeisterter Nationalsozialist bekannt ist[,] welcher jederzeit für dieses Regime eintrat“. Seine letzte Wiener Adresse in der Bernbrunngasse 25 [im Dezember 1938 in Stuttgarterstraße umbenannt, seit 1946 Münichreiterstraße; Anm. d. Verf.] hatte er kurz nach dem „Anschluß“ in der ersten Aprilhälfte 1938 bezogen. Die Staatsanwaltschaft Linz leitete daraufhin die Voruntersuchung wegen des Verdachts der Falschregistrierung, der illegalen Betätigung für die NSDAP und der „Arisierung“ ein.

Landgrebe stellte gegenüber der Gendarmerie Bad Aussee und dem Bezirksgericht Bad Ischl in Abrede, sich illegal betätigt zu haben, es habe sich bei der polizeilichen Untersuchung 1936 herausgestellt, dass er „völlig unschuldig war“, es habe „keinerlei gerichtliches Nachspiel“ für ihn gegeben, was auch der Wahrheit entsprach, allerdings war die Untersuchung gegen ihn nur eingestellt worden, weil er – wie oben ausgeführt – nicht zu den führenden Köpfen der NS-Kulturvereinigung gehörte. Seine Beauftragung mit der Liquidation der Firmen Löwit und Mejstrik sei wegen seiner Bekanntschaft mit dem Propagandaamt Wien erfolgt, er habe diese angenommen, weil er sich „seit jeher für das Verlagswesen interessierte“, es habe sich aber um keine „Arisierung“ gehandelt. Weiters bestritt Landgrebe, sich je in der NSDAP engagiert zu haben, er habe sich auch „weder als Maler noch als Schriftsteller jemals politischen Themen gewidmet“. Auch Landgrebes Rolle beim Zsolnay-Verlag wurde von der Polizei untersucht, nicht jedoch der Vorwurf, er habe eine „Judenwohnung“ übernommen, dieses Thema kam auch in seinen Einvernahmen nicht zur Sprache. Da Landgrebe in seinen Rollen bei Löwit bzw. Zsolnay tatsächlich kein „Ariseur“ im Sinne des Gesetzes war, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren im Dezember 1949 ein, was hinsichtlich Landgrebes offensichtlich falscher Angaben bei der Registrierung überraschend sein mag, zu diesem Zeitpunkt jedoch der Praxis der Volksgerichte entsprach.

 

Nachkriegszeit

1948 erschien Landgrebes in Kriegsgefangenschaft entstandener Roman „Von Dimitrowsk nach Dimitrowsk“. Die Beteilung eines Werkes von Landgrebe mit Papier führte zu einer öffentlichen Kontroverse, ob es nicht eher angebracht wäre, jüdische Autoren bevorzugt zu verlegen. Landgrebes Verleger Wilhelm Kubie schrieb, wie das „Neue Österreich“ zitierte, an den Schriftstellerverband, er könne sich „nicht dazu entschließen, meinen Autor Leo Perutz, der als Emigrant in Jerusalem lebt, nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen als den Autor Erich Landgrebe, der nach dreijähriger Gefangenschaft in die Heimat zurückgekehrt ist. Dieser – jünger, sich selbst irrend, dann getäuscht, vielfältig betrogen, in den Jahren des Leids jedoch geläutert und nun einer rastlosen Arbeit bei kärglichem Brot hingegeben, hat ein Bekenntnis abgelegt, das nicht nur echt, sondern auch hinreißend ist.“ Nach Ansicht des „Neuen Österreich“ sollten hingegen „die Bücher jener Schriftsteller bevorzugt mit Papier bedacht und zuerst gedruckt werden, die durch sieben Jahre hindurch zum Schweigen verurteilt waren, in jenen Jahren eben, da Erich Landgrebe und Bruno Brehm angesehene Mitglieder der nationalsozialistischen Reichsschrifttumskammer waren.“

Edwin Rollett, Präsident des demokratischen Schriftstellerverbandes, replizierte seinerseits auf den Brief von Kubie in einem in der „Wiener Zeitung“ veröffentlichten offenen Brief, in dem er auf Landgrebes NSDAP-Mitgliedschaft und seine Rolle beim Zsolnay-Verlag hinwies. Über seine angebliche Läuterung sei nichts bekannt. „Der anfängliche Irrtum hat aber jedenfalls zu einer Betätigung in der NS-Kulturgemeinschaft während der Verbotszeit und später im Herbst 1939 dahin geführt, daß sich Pg. Landgrebe durch die Reichsschrifttumskammer in Berlin um einen ‚reichsverbürgten Kredit’ zur Erwerbung des Zsolnay-Verlages intensiv bemüht hat. (…) Zur gleichen Zeit war Herr Landgrebe auch der Liquidator des Löwit-Verlages, dessen Besitzer nach Polen verschleppt worden war. – Ich bin nun der Ansicht, daß ein so weitgehender Irrtum doch einer genauen Untersuchung bedarf.“

Landgrebes Rehabilitation in Schriftstellerkreisen ließ also noch auf sich warten. 1957/58 wurden erstmals wieder ehemalige Nationalsozialisten in den P.E.N.-Club aufgenommen, wobei sich dessen Vizepräsident Kurt Frieberger laut Roman Roček „ausgerechnet für Erich Landgrebe, dem nachgesagt wird, er habe die Redaktionen seinerzeit prinzipiell nur mit SA-Stiefeln [Hinweise auf eine SA-Mitgliedschaft Landgrebes liegen nicht vor; Anm. d. Verf.] betreten“, eingesetzt habe. Dessen Aufnahme wurde vom Vorstand jedoch mit zwölf zu zwei Stimmen abgelehnt. Auch um subventionsgebenden Institutionen entgegenzukommen, sah sich der P.E.N. Club dann aber in den 1960er Jahren dazu „genötigt“, auch Landgrebe aufzunehmen.

1952 übersiedelte Erich Landgrebe nach Salzburg-Elsbethen und war wieder hauptsächlich als Schriftsteller tätig, wurde Österreich-Lektor des Sigbert Mohn-Verlages, Autor, Berater, Juror bei der Österreichischen Jugendkulturwoche. Er wurde mehrfach geehrt, 1972 mit dem Ehrenbecher des Landes Salzburg, 1974 mit dem Professorentitel, 1978 mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Salzburg und 1978 mit dem Ring der Stadt Salzburg. Landgrebe verstarb am 25. Juni 1979 in Salzburg.

 

Straßenbenennung

Am 26. Juli 1983 beriet der Straßenbenennungsunterausschuss eine Reihe von Neu- bzw. Umbenennungen im Stadtgebiet, darunter fielen die Namen für „vier neue Straßenzüge in Leopoldskron, nördlich der Hammerauerstraße (…). Bei einem Lokalaugenschein (…) wurde festgestellt, daß es sich um ein Wald- und Moorgebiet handelt, in dem eine Reihe von Siedlungshäusern bereits steht bzw. im Entstehen begriffen ist. Diese Straßenzüge würden sich nach Auffassung des Amtes sehr gut zur Benennung nach Dichtern eignen“, so das Kulturamt in seinem Amtsbericht vom 27. Juli 1983, wobei nicht ausgeführt wurde, warum sich gerade dieses moorastige Gebiet für die „Benennung nach Dichtern“ eigne. Die vier Vorschläge schienen eher willkürlich herausgegriffen und keinen inneren Zusammenhang gehabt zu haben, denn neben dem im gesamten deutschsprachigen Raum bekannten Adalbert Stifter (1805–1868) wurden mit Franz Nabl (1883–1974), Erich Langrebe (1908–1979) und Pert Peternell (1909–1970) jüngere Literaten angeführt. Franz Nabl wies zudem keine Salzburg-Bezüge auf, er wurde wegen seines 100. Geburtstages ins Spiel gebracht. Bei der Sitzung des Kulturausschusses, bei der der Amtsvorschlag erörtert wurde, bat Bürgermeister Dipl.-Ing. Josef Reschen „um Zurückstellung mehrerer Vorschläge“, darunter auch Franz Nabl. Der Ausschuss beschloss jedoch alle vier vorgeschlagenen Schriftsteller, ebenso der Stadtsenat. Der Gemeinderat der Stadt Salzburg segnete die Benennung der „Erich-Landgrebe-Straße“ in seiner Sitzung vom 16. September 1983 einstimmig (14 SPÖ, 11 ÖVP, 6 bzw. 7 Bürgerliste, 5 FPÖ) ab.