Franz Jung-Ilsenheim

Biografie als PDF mit Quellen und Literatur:
Franz Jung-Ilsenheim

Maler

* 31. August 1883 in Wien-Hietzing

† 18. September 1963 in Salzburg

Straßenbenennung: Jung-Ilsenheim-Straße, beschlossen am 30. Juli 1965

Lage: Aigen-Glas; von der Michael-Ruppe-Straße zur Karl-Reisenbichler-Straße.

 

Franz Josef Jung kam am 31. August 1883 als Sohn des Josef Jung und der Anna Maria, geb. Bittermann, in Wien-Hietzing zur Welt und wurde am 9. September in der Pfarre Maria Hietzing getauft. Der Vater, ein Friseur, ließ den Sohn das Friseurhandwerk erlernen, dieser wandte sich jedoch früh der Malerei zu. Franz Jung wurde an der Akademie der bildenden Künste in Wien aufgenommen, wo er der Klasse des Porträt- und Genremalers Prof. Heinrich Streblow angehörte. Wenig ist über die ersten Jahre seines künstlerischen Schaffens bekannt. Gesichert ist, dass bei der internationalen Jagdausstellung in Wien 1910 erstmals Werke des Malers – zwei Bilder und Dioramen – öffentlich zu sehen waren. Am 12. Juni 1913 heiratete Franz Jung in seinem damaligen Wohnort, dem niederösterreichischen Seitenstetten, seine drei Jahre jüngere und aus Sulzfeld bei Schweinfurt in Bayern stammende Cousine Auguste Helene Jung, wofür die beiden vom bischöflichen Ordinariat in St. Pölten und von der k.k. niederösterreichischen Statthalterei aufgrund der Blutsverwandtschaft den Dispens erhielten. Der Ehe entstammten die Söhne Wilhelm und Eberhard. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war Franz Jung bei einer der größten Theatermaler-Werkstätten Wiens beschäftigt, die Bühnen in der gesamten Monarchie belieferte. Der Künstler war auf die Darstellung von Doppeladlern, den Insignien des Habsburgerreiches, spezialisiert. Im Ersten Weltkrieg arbeitete Jung als Kriegsmaler für die „Ehrenhalle der k.k. Landwehr, des k.k. Landsturmes und der k.k. Gendarmerie“, ein vom k.k. Ministerium für Landesverteidigung in Auftrag gegebenes mehrbändiges Werk über die „Heldentaten“ des monarchistischen Militärs. Von einem Fronteinsatz Jungs ist nichts bekannt. In diesen Jahren schuf der Maler auch eine erste Serie an Künstlerpostkarten.

Nach dem Ersten Weltkrieg zog Franz Jung 1919 nach Steyr, wo er sich an der Fachschule für Stahl- und Eisenbearbeitung die Kunst des Stahlschnittes aneignete und danach für rund ein Jahr als Assistent im Meisteratelier für Stahlschnitt bei Prof. Michael Blümelhuber beschäftigt war. Im Anschluss daran verdiente er seinen Lebensunterhalt als Zeichenprofessor am Mädchenlyzeum in Steyr und war parallel als freischaffender Künstler tätig, sein Atelier hatte er im Pfarrhaus der Stadtpfarrkirche von Steyr.

 

Maler in Salzburg

Franz Jung übersiedelte 1924 in die Stadt Salzburg, er übernahm das ehemalige Atelier des 1915 verstorbenen Malers Franz von Pausinger im Schloss Elsenheim an der Arenbergstraße. Jung fügte nun seinem Familiennamen den seines Schaffensortes Elsenheim hinzu, änderte die Schreibweise jedoch nach kurzer Zeit in die heute bekannte Form ab. Fortan signierte er seine Werke nicht mehr als Franz Jung, sondern mit seinem Künstler-Doppelnamen Franz Jung-Ilsenheim. 1932 nahm er das Angebot der Familie Stepsky, der Nachkommen und Erben nach Baron Schwarz, an und verlegte seine Arbeitsstätte in das Billardzimmer des Stadlhofes, der Villa Schwarz im Stadtteil Schallmoos, in dem bis dahin eine Werkstätte der Kunst- und Möbeltischlerei Stradner untergebracht war. 1934 zog Franz Jung-Ilsenheim erneut um, in den kommenden Jahren arbeitete er in Ateliers in der Hofstallgasse, in der Imberg- und Getreidegasse. In den frühen 1930er Jahren trat der Maler auch dem Salzburger Kunstverein bei.

Der Stil Jung-Ilsenheims ist in kunsthistorischer Hinsicht als konservativ zu bezeichnen, seine Motive sind mehrheitlich realitätsimitierende Abbildungen von großformatigen Natur-, Jagd- und Tierdarstellungen sowie von bekannten Persönlichkeiten oder Ereignissen vergangener Epochen, die Sujets reichen von der germanischen Vorzeit bis in die Gegenwart, wobei das Mittelalter in seinen Werken dominiert. Jung-Ilsenheims Schaffen ist breit gefächert, er entwarf Kunstkarten, Schulwandbilder, Dioramen usw. In Salzburg ist er besonders für seine Sammelbilder bekannt, die er für die Bücher „Ostarrichi“, „Tauriska“, „Austria“ und „Salzburg im Wandel der Jahrtausende“ anfertigte. Die Bände, die in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren von den heute nicht mehr existierenden Vereinigten Feigenkaffeefabriken Andre Hofer in Parsch in Auftrag gegeben wurden, erzählen die Geschichte Österreichs und seiner Bundesländer, illustriert durch Zeichnungen von Jung-Ilsenheim. Über das letztgenannte Buch war in der Rubrik „Zur Salzburgischen Literatur“ der „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“ zu lesen: „Es ist zwar in der Regel nicht üblich, Reklamedrucksachen in einer wissenschaftlichen Zeitschrift anzuzeigen oder zu besprechen. Aber bei den achtundzwanzig farbigen, von Franz Jung-Ilsenheim entworfenen Bildern, die die ‚Vereinigten Feigenkaffeefabriken Andre Hofer G. m. b. H.‘, Salzburg-Parsch, als Jubiläumsgabe anläßlich ihres achtzigjährigen Fabrikationsbestandes ‚ihren treuen Freunden und Verbrauchern‘ widmet, soll eine Ausnahme gemacht werden. Von unserem heimatkundlichen Standpunkte ist es nur lebhaft zu begrüßen, wenn die Jugend, ohnehin meist für Sport und Technik über Gebühr begeistert, bei ihrer Sammelleidenschaft zur Abwechslung einmal auf etwas Geschichtliches und Heimatliches hingewiesen wird, und die Kunde von den großen Zeitepochen und Ereignissen in unserem Lande auf diese Weise auch in die hinterste Hütte des abgelegenen Gebirgstales dringt. Die von Erich Braumüller-Tannbruck verfaßten Begleitworte bieten eine treffliche Erläuterung dieser Serie, die den Titel ‚Salzburg im Wandel der Jahrtausende‘ führt.“ Da die Feigenkaffeefabrik nicht nur Filialen in Wien und Linz hatte, sondern seit 1883 auch in Freilassing einen Standort betrieb, erschien im Sommer 1932 der erste Band des „Bilderwerkes“ „Bavaria. Altbayern und seine Ostmark“, laut Untertitel „geschaffen und herausgegeben im Gedenken an die innige geschichtliche und kulturelle Verbundenheit des bayerischen und österreichischen Volkes“. Im Jahr darauf erschien der Fortsetzungsband „Bavaria II“. Neben dieser Publikationstätigkeit zeichnete Franz Jung-Ilsenheim u. a. Karten für die Vereinigung Schlaraffia Juvavia, einen künstlerisch-geselligen Salzburger Männerbund, dem er auch selbst angehörte. Als Verbindungsname wählte er „Lug ins Land der Farbenfrohe“ und „Ritter der blauen Blume“, weshalb einige seiner Werke mit „Luginsland-Juvavia“ bzw. „Lugland“ signiert sind. Für das Salzburger Naturkundemuseum (heute Haus der Natur), das im Juli 1924 in der ehemaligen Hofstallkaserne (heute Großes Festspielhaus) eröffnet worden war, kreierte Jung-Ilsenheim in den späten 1920ern mehrere Dioramen. „Die Darstellungen selbst sind durchwegs gemeinverständlich und belebt durch zahlreiche Legenden, Bilder, Photos, Tafeln, Modellen, Plastiken, Stellbildern und wirkungsvollen künstlerischen Dioramen (sic). So weist beispielsweise die Abteilung ‚Jagd‘ allein acht große Dioramen auf, die die Entwicklung der Jagd von der Steinzeit bis zur Gegenwart vorführen“, so war – ohne Nennung von Jung-Ilsenheim – im 1930 publizierten Führer durch das Museum zu lesen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sollten anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Hauses auch die Namen jener genannt werden, die für die künstlerische Gestaltung der Schau verantwortlich zeichneten. „Die Mitwirkung zahlreicher Künstler, von denen in erster Linie F. X. (sic) Jung-Ilsenheim, Hugo Postl, Franz Murr, Wolfgang Grasberger [richtig: Graßberger] und Franz Roubal genannt seien, haben in Dioramen, Plastiken und Bildern wohl das Beste gegeben, was menschliche Naturalistik überhaupt zu geben vermag.“ Im „Rundgang durch das Haus der Natur“, der in der Jubiläumsschrift abgedruckt war, fand Jung-Ilsenheim schließlich noch weitere Male lobende Erwähnung. 1959 wurde der Großteil dieser Kunstwerke bei der Übersiedlung des Museums an den heutigen Standort zerstört.

„Jung-Ilsenheim (…) kann als der ‚öffentliche‘ Maler einer betont deutschnational gesinnten Gesellschaft betrachtet werden. Seine gleichsam rückwärts gewendeten, romantisch verfälschenden Geschichts-Utopien über ein kämpferisches, edles und heldenhaftes Germanentum waren in Form von Buchillustrationen, Postkarten, Schulwandbildern und Sammelbildern in Feigenkaffee-Packungen gewissermaßen ‚lautlos‘ aber permanent im Alltagsleben einer großen Bevölkerungsschickt wirksam“, so das Urteil von Anton Gugg über das Schaffen des Künstlers in der Zwischenkriegszeit. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Tod von Franz Jung-Ilsenheim kann jedoch festgehalten werden, dass er sich mit einer für sein Œuvre atypischen Arbeit in das kollektive Gedächtnis der Festspielstadt Salzburg eingeschrieben hat: Jung-Ilsenheim zeichnet für das berühmte Festspielplakat aus dem Jahr 1931 verantwortlich, in dessen Zentrum Alexander Moissi als Jedermann zu sehen ist, der auf den Genien des Festspielhauses steht, im Hintergrund die Silhouette der Altstadt, bekrönt von der Festung Hohensalzburg.

 

NS-Zeit

Bei den Nationalsozialisten fanden Franz Jung-Ilsenheims naturalistischer Stil und seine historisierenden Sujets Anklang. Seinen eigenen Angaben nach 1945 zufolge erhielt er 1937 als „einer der wenigen naturwissenschaftlich geschulten Maler von Ruf“ den „Auftrag, mich an der großen internationalen Jagdausstellung in Berlin zu beteiligen. Ich übernahm die große Abteilung ‚Europäisches Urwild‘ als Leiter und künstlerischer Gestalter.“ Jung-Ilsenheim und seine Frau übersiedelten daher nach Berlin. Wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen war auch er bemüht, sein Tun im Nachhinein zu relativieren. „Obwohl es für mich einen großen internationalen Erfolg bedeutete, waren die Berliner Blätter wegen meines Österreichertums zurückhaltend. Jedenfalls aber habe ich mit diesen Arbeiten dem Namen Österreich und damit meiner Heimat nur Ehre gemacht.“ Dies sollte auch den Makel seiner NSDAP-Mitgliedschaft beheben, denn: „Die Zugehörigkeit zur Partei kam in der Folge zwangsläufig, doch habe ich, außer einem kurzen Blockhelferdienst, wie aus dem Meldeblatt zu ersehen ist, keine politische Rolle gespielt.“ Im angesprochenen Meldeblatt zur Registrierung der Nationalsozialisten hatte Jung-Ilsenheim angegeben, von 1938 bis 1939 Parteianwärter und von Frühjahr 1939 bis 1942 Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Einem Brief seiner Frau aus dem Jahr 1947 zufolge beantragten sie und ihr Mann die Aufnahme in die NSDAP, als sie in Berlin lebten. Laut der im Bundesarchiv Berlin einliegenden Parteimitgliedskarte wurde Franz Jung-Ilsenheim offiziell mit 1. Mai 1938 in die NSDAP aufgenommen, seine Mitgliedsnummer 6.195.640 stammte aus dem sogenannten Illegalenblock. Die Mitgliedsnummern von 6.100.001 bis 6.600.000 waren für österreichische Nationalsozialisten reserviert, die in der Zeit des Parteiverbots für die NSDAP aktiv waren. Von Tätigkeiten oder Geldspenden Franz Jung-Ilsenheims für die NS-Bewegung während der Verbotszeit ist bislang nichts bekannt. Als Wohnorte sind im Ausweis Salzburg, Ganshofstraße 23 und Berlin Charlottenburg, Mommsenstraße 14 eingetragen. An letztgenannter Adresse ist Jung-Ilsenheim auch in den Berliner Adressbüchern der Jahre 1939 bis 1943 verzeichnet. Laut Eintrag auf den Meldescheinen von Franz und Auguste Jung-Ilsenheim handelte es sich bei den Salzburger und Berliner Adressen um einen Doppelwohnsitz. In der Parteimitgliedskarte des Malers ist lediglich bei der Salzburger Wohnadresse eine Meldung bei der NSDAP-Ortsgruppe eingetragen, die vom April 1941 datiert. Wie die Beantragung der Mitgliedschaft als ehemaliger österreichischer Staatsbürger von Berlin aus erfolgte und warum Jung-Ilsenheim eine Nummer aus dem Illegalenblock zugeteilt bekam, ist archivalisch nicht überliefert.

Franz Jung-Ilsenheim und seine Frau Auguste blieben nach Ende der Jagdausstellung 1937 in Berlin. Einerseits zeichnete der Maler in den folgenden Jahren für die künstlerische Gestaltung von etlichen belletristischen Werken vorgeschichtlichen Inhalts verantwortlich, andererseits (und möglicherweise im direkten Zusammenhang damit) arbeitete er häufig mit Dr. Hans Reinerth zusammen, der seit 1934 Leiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte war und den Lehrstuhl für Deutsche Archäologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (heute Humboldt-Universität zu Berlin) innehatte. Innerhalb der NS-Organisationen bekleidete Reinerth bis Anfang der 1940er Jahre immer ähnliche Positionen: Zunächst war er Reichsleiter der Fachgruppe für deutsche Vorgeschichte im Kampfbund für deutsche Kultur, der von Alfred Rosenberg gegründet und geleitet wurde. Nach dessen Auflösung und Überleitung in die „Dienststelle Rosenberg“ bzw. in das „Amt Rosenberg“ war Reinerth Leiter der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte in der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde. 1937 wurde der Archäologe zum Reichsamtsleiter des „(Reichs-)Amts Vorgeschichte“ in der Rosenberg-Dienststelle, die offiziell den Titel „Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung der NSDAP“ führte. Ein Jahr später folgte seine Ernennung zum Leiter des Sonderstabs Vorgeschichte im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. All diese Formationen, die dem Herrschaftsbereich des Reichsleiters Alfred Rosenberg zuzurechnen waren, standen in ständigem Konkurrenzkampf mit dem Ahnenerbe der SS, über das Reichsführer-SS Heinrich Himmler befahl. Letzteres setzte sich schließlich in diesem NS-internen Machtkampf durch.

Aus der Zusammenarbeit von Franz Jung-Ilsenheim mit Hans Reinerth sind u. a. folgende Werke zu nennen:

  • Deutsche Vorgeschichte in Bildern. Mappen mit Kunstkarten. Von Kunstmaler Frz. Jung-Ilsenheim. Wiss. Bearbeiter: Hans Reinerth.
    • Teil 1: Altsteinzeit, Dresden 1938.
  • Die Technik der deutschen Vorzeit. Meinholds vorgeschichtliche Schulwandbilder. Nach Orig. v. Frz. Jung-Ilsenheim. Wissenschaftl. Bearb.: H. Reinerth.
    • [Teil 1]: Wirtschaft und Kultur im vorgeschichtlichen Deutschland (Mittel-Steinzeit), Dresden o. J. [1938].
    • [Teil 2]: Wirtschaft und Kultur im vorgeschichtlichen Deutschland (Jüngere Steinzeit), Dresden o. J. [1938].
    • [Teil 3]: Germanische Eisenschmiede, Dresden o. J. [1939].

Auch das Schulwandbild „Ausfahrt der Wikinger“, das der Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte im Leipziger Verlag Pestalozzi-Fröbel für den didaktischen Einsatz herausbrachte, stammt von Franz Jung-Ilsenheim.

Ob Franz Jung-Ilsenheim freischaffend in Berlin tätig war oder in einem Anstellungsverhältnis mit der Friedrich-Wilhelms-Universität oder dem Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte stand, ist bislang ungeklärt. Anfang der 1940er Jahre endete jedenfalls die Zeit von Franz Jung-Ilsenheim und seiner Frau Auguste in Berlin. Der Maler gab nach 1945 an: „Aus meinem Vorschreiben ist ersichtlich, dass ich vom Mai 38 bis Anfang 42 Mitglied der Partei in Berlin war. Mitgliedsbeitrag RM 1.60. Zusätzlich ist noch zu erklären, dass ich im Herbst 41 durch einen Unfall am Hochfelln bei Rupolding (sic) (Bayern), wo ich zu Studienzwecken weilte, den Arm gebrochen und auf meine Bitte vom alpinen Rettungsdienst nach Oesterreich, bezw. nach Salzburg gebracht wurde. Ich nahm diese Gelegenheit wahr, um mich von der Partei zu lösen. Nach meiner Heilung baute ich mir in Salzburg eine neue Existenz auf. Meine Frau musste noch einige Zeit in Berlin bleiben[,] um die Wohnungsangelegenheit und die Übersiedlung zu regeln, wobei sie es nicht umgehen konnte, die Beiträge noch weiter zu leisten. Eidesstattlich erkläre ich nun, dass ich mich hier in Salzburg bei der Partei nicht meldete, keine Beiträge leistete, und auch keine wie immer geartete Tätigkeit für die Partei oder ihre Gliederungen ausübte. Mit meiner Übersiedlung nach Salzburg stellte ich jede Beitragsleistung an die Partei ein und schied damit automatisch aus der Partei aus.“ Ein wenig konkreter liest sich die Übersiedlung in einem Schreiben von Auguste Jung-Ilsenheim aus dem Jahr 1947: „Im Jahre 1940 schien es mir ratsam für die NSV zu arbeiten, denn mein Sohn Eberhard, ein Soldat der Luftwaffe[,] war vor dem Krieg nach Frankreich geflüchtet, und seine von dort an mich gerichteten Briefe enthielten scharfe Angriffe gegen die Partei. Sie wurden von der Berliner Polizei beschlagnahmt, mein Gatte und ich wurden vor ein Luftwaffengericht geladen. Um diesen und möglichen weiteren Drangsalierungen zu entgehen, beschloßen wir Berlin zu verlassen und nach Österreich zurückzukehren, was es uns möglich machte, unseren, schon seit längerem gereiften Entschluss, aus der Partei auszutreten, auszuführen, ohne uns durch eine formelle Austrittserklärung, die wir angesichts der vorausgegangenen Umstände nicht wagten, Verfolgungen auszusetzen. Mein Mann fuhr zuerst ab (Sept. 41), ich blieb noch einen Monat, um die Übersiedlung zu bewerkstelligen und folgte sodann nach. Wir ließen uns in Salzburg nieder und brachen hier jede Verbindung mit der Partei ab, indem wir es unterliessen, uns bei der hiesigen zuständigen Ortsgruppe zu melden. Trotzdem die Berliner Ortsgruppe unsere Spuren bis Salzburg verfolgt hat, gelang es uns ihren Nachforschungen zu entgehen, dadurch, daß unser Quartiergeber, Herr Johann Schwarz, Salzburg, Imbergstr. 2[,] gem[äß] unserer Bitten hier auf eine Nachfrage eine bewußt falsche Auskunft gab. Vor weiteren Nachfragen seitens der Partei blieben wir danach verschont und nahmen unsererseits keinerlei Verbindung mit ihr auf, sind somit, zwar nicht der Form aber der Tatsache nach aus der Partei ausgeschieden.“

Laut seiner Meldekarte hatte sich Franz Jung-Ilsenheim am 7. November 1941 von Berlin kommend in Salzburg behördlich gemeldet, er bezog vorübergehend Quartier im Hotel Zum goldenen Löwen (heute Goldenes Theater Hotel) bei Anton und Elisabeth Kemetinger in der Schallmooser Hauptstraße 13, das auch das Versammlungslokal der NSDAP-Ortsgruppe Schallmoos-Ost war. Zehn Tage später meldete er sich erneut nach Berlin ab, um schließlich am 19. Dezember desselben Jahres gemeinsam mit seiner Frau nach Salzburg zu kommen. Beide gaben das „Cafe Korso“, Imbergstraße 2, als ihre Wohnadresse an. Auf der Karteikarte ist nicht vermerkt, ob sie bis zum Ende der NS-Herrschaft noch einmal fort- oder umgezogen sind.

Das Ehepaar Jung-Ilsenheim trat der eigenen Aussage zufolge nicht aktiv aus der Partei aus. Entgegen den Angaben des Künstlers war ein automatisches Ausscheiden aus der NSDAP jedoch nicht vorgesehen, vielmehr beschrieb das Organisationsbuch der NSDAP sehr genau, wie ein derartiges Verfahren von Statten zu gehen hatte: „Mitglieder können ausgeschlossen werden, a) (…), b) die trotz Aufforderung mit ihrer Beitragsleistung ohne Entschuldigung drei Monate in Verzug geblieben sind, (…). Zur Verfügung des Ausschlusses sind berechtigt auf Grund eines rechtskräftigen Beschlusses eines Parteigerichts a) der Ortsgruppenleiter bzw. Stützpunktleiter, b) der Kreisleiter, c) der Gauleiter, d) der Führer.“ Ein Parteigerichtsverfahren im Falle des Ehepaares Jung-Ilsenheims ist nicht aktenkundig und wurde auch an keiner Stelle in den beiden Registrierungsverfahren erwähnt. Dass Franz Jung-Ilsenheim in Salzburg keinen Kontakt zur Partei hatte, ist aufgrund der Eintragung der Ortsgruppe Salzburg in seiner NSDAP-Mitgliedskarte und aufgrund seiner künstlerischen Tätigkeit in Salzburg, auf die im Anschluss eingegangen wird, jedoch unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass sein Quartiergeber im Haus Corso, Johann Schwarz, seit 30. Jänner 1941 Mitglied der NSDAP war. Schwarz war 1940 von Steyr nach Salzburg zugezogen, möglicherweise ging die Bekanntschaft mit Jung-Ilsenheim auf die Zeit in Steyr zurück. Und schließlich hielt die NSDAP-Ortsgruppe Neustadt im Cafe Corso am 9. Februar 1943 einen Appell ab, bei dem u. a. Ortsgruppenleiter Mösel und Kreisleiter Burggaßner sprachen. Anzunehmen ist, dass NSDAP-Stellen über die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses und ihre (Nicht-)Mitgliedschaft bei der Partei informiert waren.

Für die Rückkehr von Franz Jung-Ilsenheim nach Salzburg liefert möglicherweise eine personelle Entwicklung in der Wissenschaftsszene Berlins die entscheidende Erklärung. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland im April 1941 beteiligte sich Hans Reinerth als Leiter des Sonderstabes Vorgeschichte im Rahmen des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg an den Raubzügen in den dortigen Museen und Bibliotheken. Nur wenige Monate später erfolgte der Angriff gegen die Sowjetunion. Hitler setzte Rosenberg als „Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete“ ein. Reinerth zog nun mit seinem Sonderstab in das Gebiet der heutigen Ukraine, wo er seine Plünderungen fortsetzte. Durch den Weggang von Hans Reinerth aus Berlin war Franz Jung-Ilsenheim ein zentraler Akteur und Protektor in der Reichshauptstadt, der ihm zu Aufträgen verhalf, abhandengekommen. In Salzburg hingegen konnte der Maler an alte Verbindungen anknüpfen.

 

Tibet-Dioramen im Haus der Natur

1942 bekam der Künstler den Auftrag, Dioramen für die Tibet-Ausstellung des Hauses der Natur anzufertigen. Mit der Übersiedlung von Berlin nach Salzburg hatte sich der Maler im NS-Organisationsgefüge somit von Hans Reinerth und dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg gelöst und war zu Eduard Paul Tratz und dem SS-Ahnenerbe übergewechselt. Möglicherweise hatten Jung-Ilsenheim und Tratz bereits bei der Jagdausstellung 1937 in Berlin zusammengearbeitet, wo beide in der Ausstellungsabteilung „Urwild“ tätig waren. Das Haus der Natur war unter der Leitung des SS-Hauptsturmführers Tratz mit 1. März 1939 in das SS-Ahnenerbe integriert worden, die offizielle Bezeichnung lautete nunmehr „Haus der Natur – Die Lehr-und Forschungsstätte für darstellende und angewandte Naturkunde der Forschungs-und Lehrgemeinschaft ‚Das Ahnenerbe‘“. Eine der prestigeträchtigsten Aktionen der SS-Unterorganisation vor dem Zweiten Weltkrieg war die Expedition des Zoologen und SS-Untersturmführers Dr. Ernst Schäfer nach Tibet, wo er 1938/39 gemeinsam mit dem Anthropologen und SS-Hauptsturmführer Bruno Beger im Auftrag Heinrich Himmlers nach den Wurzeln des „Arischen“ suchte. Nach der Rückkehr der Forscher war das Salzburger Haus der Natur jener Ort, an dem ein Teil der Erkenntnisse und mitgebrachten Gegenstände der Expedition der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte. Ernst Schäfer hatte bereits Mitte Dezember 1942 im Großen Saal des Mozarteums über die SS-Expedition gesprochen, am Tag der offiziellen Eröffnung der Tibet-Schau am 17. Jänner 1943 berichtete schließlich die „Salzburger Zeitung“ ihren Leserinnen und Lesern unter dem Titel „Was wir über Tibet wissen“ ausführlich über den zentralasiatischen Landstrich. Welchen Stellenwert Tibet in der NS-Forschung einnahm, verdeutlicht die Tatsache, dass der aus Schweden stammende Pionier der Asienforschung, Dr. Sven Hedin, am Tag vor der Eröffnung der Dauerausstellung in Salzburg im Rahmen der 470-Jahr-Feier der Gründung der Ludwig-Maximilians-Universität München eine hohe Ehrung und das Ehrendoktorat erhalten hatte. Im gleichen Rahmen fand die Uraufführung des Schäfer-Expeditionsfilms „Geheimnis Tibet“ und die Gründung des „Sven-Hedin-Instituts für Innerasienforschung“ statt. (Das Institut, das unter der Leitung von Schäfer und seinem Stellvertreter Beger stand, übersiedelte wegen der alliierten Luftangriffe im Juli 1943 von München in den Pinzgau auf Schloss Mittersill. Ab März 1944 mussten 15 Zeuginnen Jehovas, die aus dem KZ Ravensbrück dorthin überstellt wurden, Zwangsarbeit als Haushaltshilfen verrichten. Das Lager war spätestens ab Juli 1944 dem KZ Mauthausen zugeordnet.) Zu den Gästen der Münchner Feier zählten nicht nur Reichsminister Dr. Bernhard Rust und Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz, sondern auch der Salzburger Gauleiter Dr. Gustav Adolf Scheel. Dieser empfing am Tag darauf gemeinsam mit Regierungspräsident Dr. Albert Reitter, Gaupropagandaleiter Dr. Heinz Wolff und Oberbürgermeister Ing. Anton Giger Hedin und seine Schwester Alma, Schäfer und die übrigen Expeditionsteilnehmer sowie hohe politische Funktionäre aus den Ministerien und die mitgereisten schwedischen Wissenschafter in Salzburg. Vom Bahnhof führte sie ihr Weg ins Haus der Natur, „dem nun eine Tibet-Schau eingegliedert ist, die einen Teil der Forschungsergebnisse der letzten SS-Expedition Dr. Schäfers enthält und eine genaue Darstellung des tibetanischen Lebens überhaupt gibt, Fürsten und Nomaden gleichermaßen umfassend“, so die „Salzburger Zeitung“. Tratz als Leiter des Hauses begrüßte die Festgäste, insbesondere Hedin, der das Museum bereits vor dem „Anschluß“ besucht hatte. Tratz‘ Worten zufolge solle die Schau „über die rein museale Aufzeigung hinweg einen aufschlußreichen und lebensvoll gestalteten Einblick in die einzigartige, zwar so ferne, aber durch das gemeinsame Sinnbild des Hakenkreuzes den deutschen arischen Menschen so nahestehende Welt Tibets vermitteln“. Im Anschluss führte Schäfer die Gäste durch die Ausstellung und lobte, „daß durch die gemeinsame Arbeit eines ‚Museumsdirektors mit Pioniergeist‘ mit Forschern und Künstlern ein Totalbild des Tibetischen Landes hervorgezaubert werden konnte“. Die Berichterstatterin, Lola Ahne, schloss ihren Artikel mit den Worten: „Zweifellos kann sich unsere Stadt glücklich schätzen des Vorzugs, einen Teil der so überaus reichen Forschungsergebnisse der SS-Tibet-Expedition Dr. Schäfers als erste Stadt Großdeutschlands zu beherbergen. Sven Hedin und die übrigen Gäste folgten mit größter Aufmerksamkeit den Ausführungen des von echtem deutschen Pioniergeist erfüllten, erfolgreichen Forschers und betrachteten eingehend und genau die vorzüglichen, naturgetreuen Darstellungen des geheimnisvollen Landes Tibet.“ In ihrem Bericht und in einem längeren Artikel in der Ausgabe des nächsten Tages wurden die in den Dioramen dargestellten Szenen beschrieben, am 19. Jänner druckte das Blatt auf der Titelseite ein Foto der Ehrengäste der Feier vor einem Diorama im Haus der Natur, das Ernst Schäfer erläuterte. Beim Abendempfang des Gauleiters im Kavalierhaus von Schloss Kleßheim hielt Sven Hedin eine längere Rede, in der er zunächst „einige Worte der Bewunderung (…) dem Deutschland von heute [widmete], das sich im Kriege befinde, das in diesem Kriege von einer klaren Entschlossenheit beseelt sei, das aber doch imstande sei, auch das Leben in der Heimat und auch das wissenschaftliche und Forschungsleben im vollen Umfange aufrecht zu erhalten. Mit besonders herzlichen Worten gedachte er des Führers Adolf Hitler, dessen Geist gerade in Schloß Kleßheim zu spüren sei. Es sei für ihn symbolisch, daß er an diesem Empfang in Schloß Kleßheim teilnehmen könne, wo der Geist des Führers unmittelbar lebendig sei. Dies sei für ihn deshalb symbolisch, weil er wisse, daß der Geist des Führers im Krieg und im Frieden allüberall im deutschen Volke lebendig und verankert sei.“ In Hedins Worten „kam für alle Zuhörer zum Ausdruck, wie gerade die großen Schaubilder der Tibet-Schau im ‚Haus der Natur‘ seine eigenen Erinnerungen wieder lebendig gemacht haben. Dr. Hedin betonte, daß er eigentlich von den großen Schaubildern im ‚Haus der Natur‘ noch stärkeren Eindruck habe als von dem Film ‚Geheimnis Tibet‘, dessen Uraufführung er eben in München beigewohnt habe. Die Schaubilder machten Tibet, seine Landschaft und seine Menschen noch klarer und gäben ein noch umfassenderes Bild. (…) Die Schau, die bei allen Besuchern nachhaltigen Eindruck hinterließ, wurde von Dr. Sven Hedin als ‚ein Meisterwerk musealer Kunst, als die beste Darstellung, die er je gesehen‘, bezeichnet. Ein Lob, auf das nicht nur der Forscher und Künstler, sondern auch wir übrigen Salzburger beträchtlich stolz sein können.“ Der Name des Künstlers, der für diesen „nachhaltigen Eindruck“ hauptverantwortlich zeichnete, wurde nur im Zusammenhang mit den Dankesworten des Gauleiters kurz erwähnt, ohne dass dabei auf seine Arbeit hingewiesen worden wäre. Einige Tage später schließlich berichtete die „Salzburger Zeitung“ in der kurzen Meldung „Die Tibet-Schau im ‚Haus der Natur‘“, dass die Ausstellung „sich reger Aufmerksamkeit aus Stadt und Gau“ erfreue und „bei allen stärksten Eindruck“ hinterlasse. Tratz als Leiter des Hauses der Natur wurde überschwänglich gelobt, am Ende der Notiz war zu lesen: „Die eindrucksvollen Landschaftsbilder der Dioramen stammen von dem bekannten Maler Jung-Ilsenheim.“ Mit dieser erst- und einmaligen Erwähnung von Jung-Ilsenheim im Zusammenhang mit den Dioramen im Haus der Natur endete die Berichterstattung aus der NS-Zeit. Nicht zuletzt wegen der Tibet-Ausstellung wurde Eduard Paul Tratz 1944 der Kulturpreis der Gauhauptstadt Salzburg zuerkannt. In der bereits zitierten Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Hauses 1949 wurde erneut auf die Bedeutung der Exponate aus Innerasien verwiesen und nun auch der Gestalter der Dioramen namentlich gewürdigt: „Der anschließende Saal X enthält die Tibetschau. Sie umfaßt eine reiche Photosammlung und drei Dioramen. Die Gegenstände und sachlichen Unterlagen für diese Abteilung stammen von der Dr.-Ernst-Schäfer-Expedition 1938/39. Die Dioramengestaltung lag in den Händen des akadem. Malers F. X. (sic) Jung-Ilsenheim, der Plastiker Walter Kruse und Willi Gabel sowie von Ernst Krause und Alois Maringer.“

Ein halbes Jahr nach der Eröffnung der Tibet-Ausstellung feierte Franz Jung-Ilsenheim seinen 60. Geburtstag. An seinem Festtag, dem 31. August 1943, erschien in der Salzburger Zeitung eine kurze Meldung: „Ferner vollendet der akadem. Maler Georg (sic) Jung-Ilsenheim heute das 60. Lebensjahr. Aus seinem künstlerischen Schaffen wären vor allem sein vollendeter Dioramenbau zu nennen. Sein geradezu visionäres Einfühlungsvermögen ermöglicht es ihm, nach Photographien und Beschreibungen Landschaften ferner Länder, die er selbst nie geschaut, bis ins kleinste genau wiederzugeben. So haben beispielsweise seine Dioramen für die Tibet-Ausstellung die vollste Anerkennung der Tibetforscher Dr. Schäfer und Dr. Sven Hedin gefunden. Auch zahlreiche Jagdausstellungen sowie die Jagdabteilung im ‚Haus der Natur‘ haben dem passionierten Maler vorgeschichtlicher und jagdlicher Themen viel zu verdanken. Seine Landschaften zeichnen sich durch zartes Kolorit, seine Tierbilder durch absolute Lebendigkeit und Naturtreue aus.“ Nach der verspäteten und versteckten Nennung seines Namens im Zusammenhang mit der Tibet-Ausstellung zu Beginn des Jahres 1943 schien Jung-Ilsenheims Renommee bis zum Sommer nicht gewachsen zu sein. Nicht nur dass ihm ein falscher Vorname gegeben wurde, die gesamte Meldung, die den Gratulationen für den ehemaligen Heizer der Stadtverwaltung Johann Plötzeneder und für Stadtbaumeister Anton Gruber nachgestellt war, vermittelt vielmehr den Eindruck einer Pflichterfüllung denn einer ehrlichen Würdigung eines im Salzburger Kunstleben bedeutenden Mannes. Sein Name taucht in den letzten eineinhalb Jahren des NS-Regimes in der Presse nicht mehr auf, Informationen zum Leben und Schaffen von Jung-Ilsenheim bis Kriegsende liegen nicht vor.

 

Entnazifizierung

Am 24. Mai 1946 füllte Franz Jung-Ilsenheim als ehemaliges Mitglied der NSDAP ordnungsgemäß das Meldeblatt zur Registrierung aus. Wie bereits erwähnt, hielt der Künstler, der als Beruf „akad. Maler, wissenschaftl. Dioramenbau“ angab, darin fest, dass er von 1938 bis 1939 Parteianwärter und von Frühjahr 1939 bis 1942 Mitglied der NSDAP gewesen sei. Außerdem war er „Blockhelfer 1938 nach Aufforderung“, genauere Angaben dazu machte er nicht, auch die Behörden gingen diesem Punkt im Verfahren nicht weiter nach. Vier Tage später, am 28. Mai, gab er das Meldeblatt bei der Kartenstelle Altstadt ab, womit er sich ordnungsgemäß registriert hatte. Gleichzeitig suchte er um Nachsicht von der Registrierung gemäß § 27 des Verbotsgesetzes an. In dem beigelegten Schreiben führte er u. a. aus: „Näher als irgend eine politische Weltanschauung liegt mir mein Kunstschaffen, doch will ich nicht leugnen, daß ich seinerzeit dem Nationalsozialismus sympathisch gegenüberstand, schon darum, weil es den Anschein hatte, als ob dem Kunstschaffen weitgehende Förderung zuteil werden würde. (…) Mit dem aufrichtigen Wunsch Österreich wieder erstarken zu sehen, will ich nach Möglichkeit mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften dazu beitragen. Mir erscheint es aber eine innere Belastung, als ehemaliger Parteigenosse ein Staatsbürger zweiten Ranges zu sein. Und somit stelle ich mein Ansuchen um Entregistrierung.“ Auf einem kleinen rosa Zettel, der sich häufig in Registrierungsakten im Salzburger Stadtarchiv findet, notierte der oder die zuständige Beamte/in den Namen und den Zeitraum der Parteianwart- bzw. -mitgliedschaft. In Jung-Ilsenheims Fall steht radebrechend vermerkt: „Vorladen zum wieso Pg – 42 ? klären“ Offensichtlich erfolgte diese Klärung über längere Zeit nicht. Nach Inkrafttreten des Nationalsozialistengesetzes im Februar 1947 erhielt der Maler erst Monate später eine Ladung, persönlich am 13. August bei der „Reg[istrierungs]Behörde Prüfstelle Stiege 2 I Stock, Zimmer 28 a“ im Schloss Mirabell „in Angelegenheit NS-Registrierung (Einstufung)“ zu erscheinen. Es dürfte wohl ausschließlich um die Frage der Parteimitgliedschaft ab 1942 in Salzburg gegangen sein, denn dem Akt liegt eine von Notar Dr. Max Wöss beglaubigte Eidesstattliche Erklärung des Handelsangestellten Josef Tyraj vom 18. September 1947 ein, in der dieser erklärte: „Ich habe als sogenannter Blockhelfer in den Häusern No. 2, 6, 8, 10 und 12 der Imbergstrasse zu Salzburg die Mitgliedsbeiträge der Mitglieder der NSDAP vom Ende des Jahres 1941 angefangen bis 1945 regelmässig einkassiert und bestätige nun an Eidesstatt, daß ich bei dem damals im Hause Imbergstrasse 2 wohnhaften Herrn Professor Franz Jung-Ilsenheim nie einen Beitrag einkassiert habe, nachdem er auf der mir für die Einkassierung übergebenen Liste nicht vermerkt war.“ Diese Erklärung von Josef Tyraj genügte. Dass der 1911 geborene Handelsangestellte selbst Mitglied der NSDAP und Blockhelfer war, dass zur Zeit seiner eidesstattlichen Erklärung im Herbst 1947 gegen ihn ein Verfahren vor dem Volksgericht Linz wegen der seinerzeitigen Anerkennung als „Altparteigenosse“ lief und dass er von Marie / Maria Kurtz beschuldigt wurde, in der Pogromnacht am 10. November 1938 gemeinsam mit Adolar Zecha und anderen ihr Geschäft „Zum Touristen“ in der Linzer Gasse zerstört zu haben, wurde von den Behörden nicht berücksichtigt. Am 3. Oktober verfasste der Stadtmagistrat als Registrierungsbehörde I. Instanz den von Bürgermeister Anton Neumayr unterzeichneten Bescheid, als dessen Folge Jung-Ilsenheim „aus der Liste der Nationalsozialisten gestrichen“ wurde. In der Begründung wurde festgehalten: „Franz Jung-Ilsenheim war laut Meldeblatt von 1938 bis 1939 Anwärter und von Februar 1939 bis 1942 Mitglied der NSDAP. 1942 stellte er alle Beitragsleistungen ein und trat demnach praktisch aus der Partei aus (eidesstattliche Bestätigung des ehem. Blockleiters Josef Tyraj, Salzburg, Steingasse 43 vom 18.9.1947). In Vermeidung unbilliger Härten erachtet die Registrierungsbehörde das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens als ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Herausnahme des Genannten aus den besonderen Listen gemäß § 4, Abs. (5) lit b des Verb.Ges. 1947. Es war demnach wie im Spruche zu entscheiden.“ Franz Jung-Ilsenheim war damit entnazifiziert.

 

Nachkriegszeit

Die Wege des Ehepaares Jung-Ilsenheim hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt. Der Maler war am 10. Oktober 1945 in die Griesgasse 13 zu Jettmaier gezogen, und von dort am 12. November 1957 in die Aignerstraße 103 zu Weiß, wo er auch sein letztes Atelier hatte. Am 15. Juli 1963 wurde er im Städtischen Altersheim in der Hellbrunnerstraße 18 aufgenommen. Seine Frau Auguste hatte sich am 31. Juli 1953 aus der Imbergstraße ab- und im Lager Lexenfeld, Baracke 1 angemeldet. Die Gründe für ihre Übersiedlung in das Barackenlager sind unklar. Auguste Jung starb am 23. Dezember 1955 in der Landesheilanstalt Salzburg.

Franz Jung-Ilsenheim war nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin künstlerisch aktiv, er blieb seinem Stil und seinen Sujets treu. Der Künstler schuf zahlreiche Tierdarstellungen der Ur- und Frühzeit, Landschaftsbilder und historisierende Gemälde, u. a. für das Gemeindeamt Elsbethen und für die nach den Zerstörungen im Krieg wiederaufgebaute Bahnhofsrestauration, gemeinhin als „Marmorsaal“ bekannt. 1949 zeichnete er für die jagdhistorischen Dioramen bei der 25. Steirischen Jagdausstellung auf Schloss Eggenberg verantwortlich. „Der Mensch lechzte nach einer intakten Stelle in seiner zerstörten Welt. Jung-Ilsenheim konnte sie ihm zeigen. Berge, Seen, Wälder, Tiermotive waren ein neutraler Neubeginn. Eine Bildwelt mit viel irrealer Phantasie brach in den 50iger Jahren aus dem Maler hervor.“ An seine Bekanntheit in der Zwischenkriegszeit konnte er jedoch nicht wieder anschließen. Seine finanziellen Verhältnisse waren dementsprechend, zudem verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Gemeinderat Dr. Alois Hanselitsch (SPÖ) stellte im Februar 1963 nach Beschluss des Kulturausschusses im Stadtsenat den Antrag, dem Maler „mit Rücksicht auf seine durch Alter und Krankheit entstandene permanente materielle Notlage und in Würdigung seiner großen Verdienste als heimischer Künstler“ monatlich 500,- Schilling, rückwirkend ab 1. Jänner 1963, als „Gnadengabe“ zu gewähren. Der Stadtsenat beschloss dies einstimmig. Franz Jung-Ilsenheim erhielt die städtische Zuwendung nur mehr wenige Monate, er starb am 18. September 1963, knapp drei Wochen nach seinem 80. Geburtstag, im St. Johanns-Spital in Salzburg. In der Rubrik „Todesfälle“ stand am darauffolgenden Tag in den „Salzburger Nachrichten“ zu lesen: „In Salzburg verschied akad. Maler Prof. Franz Jung-Ilsenheim im 80. (sic) Lebensjahr. Der Künstler war in Salzburg und über Salzburg hinaus sehr bekannt.“ Ähnlich kurz, aber zumindest mit der Angabe des richtigen Alters, fiel auch die Meldung im „Demokratischen Volksblatt“ aus: „Prof. Jung-Ilsenheim gestorben. In Salzburg ist in diesen Tagen der akademische Maler Franz Jung-Ilsenheim gestorben. Prof. Jung-Ilsenheim stand erst vor einiger Zeit anläßlich seines 80. Geburtstages im Mittelpunkt zahlreicher Ehrungen.“ In der Sitzung des Kulturausschusses am 17. Dezember 1963 beantragte die Kulturabteilung, die budgetierten und noch zur Auszahlung vorgesehenen drei Monatsraten der Jung-Ilsenheim zugedachten Gnadenpension in Höhe von insgesamt 1.500,- Schilling dem Sohn des Verstorbenen „als Beitrag zu den Beerdigungskosten“ anzuweisen. Schlussendlich sollten sich die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte jedoch noch großzügiger erweisen. „Herr Stadtrat Dr. Vavrovsky stellt den Antrag auf Übernahme der gesamten Bestattungskosten in Höhe von S 3.781,50.“ Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen und dem Stadtsenat zur Beschlussfassung weitergeleitet. Dieser befürwortete tags darauf ebenfalls einstimmig die Übernahme in voller Höhe.

Die kunsthistorische Einschätzung des Wirkens von Franz Jung-Ilsenheim bewegt sich zwischen lobender Anerkennung und harter Kritik. „Die Kunstgeschichte wird Franz Jung-Ilsenheim nicht in die Reihen der großen internationalen Maler stellen, doch lobt mir auch die Kleinmeister! Jene Künstler, die regional einen Einfluß ausüben, konsequent ihrer (sic) Kunst leben. So einer war Jung-Ilsenheim, der nicht nach Stilen, nach Richtungen gefragt hat, der vielmehr mit Bleistift und Pinsel erzählen wollte. Ein gewaltiger Erzähler, der seine Kunst auch der Wissenschaft und Erziehung unterordnete, um in deren Diensten Wissen zu verbreiten“, so Dr. Karl-Heinz Ritschel, Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“, in seinem Essay, der beinahe wortident in der bislang einzigen Monografie anlässlich der ersten und bislang einzigen Personalie über Franz Jung-Ilsenheim abgedruckt ist. Organisiert wurde die Schau, die vom 15. Oktober bis 11. November 1984 im Gotischen Saal der Kirche St. Blasius zu sehen war, vom Salzburger Museum Carolino Augusteum. „Senatsrat Dr. Heinz Klier und Stadtrat Dietrich Masopust haben bei der Eröffnung der Exposition die ethische Bedeutung von Jung-Ilsenheims künstlerischem Schaffen besonders hervorgehoben, dem die Herstellung bedeutungsvoller Kontakte mit der heimischen kulturellen Vergangenheit zu danken ist.“ Ein kritischeres Urteil über Jung-Ilsenheims Kunst fällte 20 Jahre später Anton Gugg: „Die Beauftragung des künstlerisch als mittelklassig zu bezeichnenden Malers mit der Gestaltung von Buchillustrationen, Postkarten, Schulunterrichtstafeln, Sammelbildchen aller Art, Ölgemälden und Fresken für Orte derber Trinkvergnügungen (Salzburger Bräustübl) belegt dennoch die hohe Verführungskraft des Beschwörers eines falschen Vergangenheitsbewusstseins.“

 

Straßenbenennung

Bereits im August 1959 hatte die Magistratsbeamtin und ehemalige Schülerin Jung-Ilsenheims, Cilli Kocher, eine Eingabe an das Kulturamt gemacht, es möge in Aigen, dessen Straßen ja „den Malern gewidmet“ sind, eine Verkehrsfläche nach Jung-Ilsenheim benannt werden, ihrer Meinung nach am besten in Form der Umbenennung der Neuhäuslstraße, wo der Maler zu jenem Zeitpunkt seine Wohnung und sein Atelier hatte. Die große Verehrung für den ehemaligen Lehrer schlug in den Worten der Petentin durch: „Es war seinerzeit üblich, Straßen nur nach Verstorbenen zu benennen, aber seit Genehmigung des ‚Kokoschka-Weges‘ dürfte in dieser Hinsicht kein Hindernis mehr sein umsomehr (sic) sich Prof. Jung-Ilsenheim vorallem (sic) durch die hervorragenden Dioramen im ehemaligen ‚Haus der Natur‘ große Verdienste um die Stadt Salzburg erworben hat und daher in keiner Weise Kokoschka nachgestellt werden sollte.“ Eine Benennung zu Lebzeiten erfolgte im Fall Jung-Ilsenheim nicht mehr, die Anregung der Umbenennung der Neuhäuslstraße blieb jedoch vorgemerkt. Nach dem Tod des Künstlers erörterte der Unterausschuss für Straßenneubenennungen, bestehend aus Dr. Herbert Glaser (ÖVP, Vorsitz), Gemeinderat Hermann Ingram (FPÖ), Gemeinderat Adolf Merz (SPÖ), Amtssekretär Josef Schaubeder (Vermessungsamt), Oberstaatsarchivar Dr. Herbert Klein (Leiter des Salzburger Landesarchivs),Dr. Heinz Klier als Vorstand der Magistratsabteilung II und Amtsrat Walter Strasser als Schriftführer, in seiner Sitzung vom 5. Februar 1965 rund 30 Benennungsvorschläge im gesamten Stadtgebiet. Unter dem „Vorgang IX (Aigen-Glasenbach)“ wurde im Amtsbericht vermerkt, dass „der bereits bestehende Flurname ‚Neuhäuslweg‘“ beibehalten werde. „Es erfolgt daher nicht die ursprünglich vorgeschlagene Umbenennung in ‚Jung-Ilsenheim-Straße‘.“ Stattdessen fand der Name des Künstlers Eingang in den „Vorgang X (Elsbethen-Glasenbach)“, bei dem „4 kurze Straßenzüge an der Stadtgrenze“ nach Malern benannt wurden. Neben Franz Jung-Ilsenheim waren dies Franz Schrempf, Karl Reisenbichler (beide ebenfalls ehemalige NSDAP-Mitglieder) und Michael Ruppe. In der der Liste beigelegten Legende wurde über Jung-Ilsenheim angeführt: „[Er] wandte sich nach dem Kunststudium in Wien frühzeitig der Tiermalerei, später auch der Historienmalerei zu. Seine Wahlheimat wurde Salzburg. Hier fand er ein reiches Betätigungsfeld im ‚Haus der Natur‘, in dem viele Dioramen von (sic) seiner Hand stammen. Insbesondere befaßte er sich mit lebensnahen Darstellungen prähistorischer und historischer Epochen unserer Heimat. Seine zahlreichen Bilder zeugten immer wieder vom Einfühlungsvermögen dieses Künstlers und von seiner Liebe zur österreichischen Heimat mit ihrer reichen historischen Vergangenheit.“ Nachdem sich der Kulturausschuss am 2. Juli und in der Folge der Stadtsenat am 12. Juli für diese Benennung ausgesprochen hatten, beschloss der Gemeinderat in seiner Sitzung am 30. Juli 1965 die vorgelegte Liste von Straßenneubenennungen und damit auch die „Jung-Ilsenheim-Straße“ einstimmig (14 SPÖ, 6 ÖVP, 6 FPÖ, 1 KPÖ).